Geologische Wanderungen

Geologische Sehenswürdigkeiten in und Fossilien aus Orlasenke, Thüringischem Schiefergebirge und Bergaer Sattel

Überblick

An dieser Stelle soll in Kurzform über Thüringer Lokalitäten und Fossilien, die der Orlasenke, dem Thüringischen Schiefergebirge und dem Bergaer Sattel zuzuordnen sind, berichtet werden. Anzutreffen sind sie in der sogenannten Orlasenke bei Pößneck, in der Ziegenrücker Mulde und im Bergaer Sattel. Der Untergrund dieser geografischen Einheiten besteht in der Hauptsache aus paläozoischen Gesteinen. Die Lokalitäten liegen in einer Sattel- und Muldenlandschaft, die das Ergebnis der Variszischen Gebirgsbildung im Paläozoikum, von Senkungs- und Hebungsprozessen in Mesozoikum und Känozoikum, sowie fortwirkender erosiver Kräfte darstellen. Nach der Einebnung des Variszischen Gebirges konnte das Zechsteinmeer mehrfach nach Mitteldeutschland vordringen, welches im Bereich der Orlasenke Zechstein-Riffe hinterließ.

 

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Karte 1: Geologische Übersichtskarte des Thüringisch-Fränkisch-Vogtländischen Schiefergebirges. Bedeutung der Zahlen in der Legende: 1– 3 = undeformierte post-variszische Überdeckung, 4–10 = variszisch deformierte Gesteine, 11 = magmatische Intrusivgesteine, 12–14 = strukturgeologische Elemente. 1 = Trias, 2 = Oberperm (Zechstein), 3 = oberstes Karbon und Unterperm (Rotliegend), 4 = Unterkarbon, 5 = devonische Sedimentgesteine, 6 = devonische Diabase und Spilite, 7 = Silur, 8 = Ordovizium, 9 = Kambrium, 10 = Präkambrium, 11 = variszische granitoide Gesteinskörper

Erläuterungen zur Karte, leicht gekürzt,

Quelle: Wikipedia, Gretarsson [Lizenz: CC BY-SA 3.0]

 

 

Orlasenke

An der B 281 zwischen der Gemeinde Oppurg und der Stadt Pößneck in der Nähe des Dorfes Rehmen liegt südöstlich von Rehmen ein alter, vor Jahrzehnten stillgelegter und seither offen gelassener Steinbruch im Feld (Gamsenberg), der von der Ortsverbindungsstraße Rehmen-Oppurg aus gut und für jedermann zugängig ist. Hier stehen Riffkalke des Zechsteins an. Im Hanggeröll der Steinbruchwände oder im Anstehenden findet man noch heute Zechstein-Fossilien, wie z. B. die typischen Bryozoen (Moostierchen) Rectifenestella und Acanthocladia (Abb. 1-5).

 

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Abb. 1: Rectifenestella retiformis. Gut zu sehen ist die gitterartige Außenstruktur, Größe des Fossils: 6,5 cm x 2 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 2: Rectifenestella retiformis, Größe: 6 cm x 4,5 cm.

 

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Abb. 3: Rectifenestella retiformis, Größe: 3 cm x 3 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 4: Acanthocladia cf. anceps mit sich verzweigender Struktur, Größe Fossil: 2,5 cm x 2 cm.

 

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Abb. 5: ?Acanthocladia sp., 2,5 cm x 0,5 cm.

 

Die im Zechsteinmeer entstandenen Riffe sind heute als markante Hügel, bzw. teils Tafelberg-ähnliche Felsformationen gut in der Landschaft sichtbar. Eines der bekanntesten Riffe ist das Riff der Altenburg oberhalb von Pößneck. Früher konnte man in den Riffkalken und Dolomiten ebenfalls typische Zechstein-Fossilien finden. Das Gebiet steht jedoch bereits seit 1937 unter Schutz, ist heute teilweise als Flächennaturdenkmal ausgewiesen und wird derzeit touristisch erschlossen. U. a. soll ein Rundwanderweg eingerichtet und mit diversen Info-Tafeln an exponierten Stellen versehen werden. Da schon viel geschehen ist, ist ein Besuch auf alle Fälle lohnenswert.
Einige der Riffe sind mit Burgen gekrönt (z. B. Burg Ranis mit Museum).

 

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Abb. 6: Schautafel am Aufstieg zum Riff Altenburg. Ansicht der Tafel vergrößern.

 

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Abb. 7: Pfad zum Rundweg am Riff.

 

 

Ziegenrücker Mulde

Südlich der Orlasenke gelangen wir in den Bereich der Ziegenrücker (Kulm-)Mulde.
Bei Ziegenrück findet man Sedimente wie Grauwacken und Tonschiefer aus dem Kulm (Unterkarbon), die z. B. an der Ziegenrücker Falte, einem hervorragenden geologischen Denkmal, bestens studiert werden können. Diese liegt im Saaletal am Schloßberg bei Ziegenrück. Sie ist Teil eines Systems aus Sätteln und Mulden des beschriebenen Gebiets und als Großfalte ein eindrucksvolles Beispiel für die immensen Kräfte, die während der Variszischen Gebirgsbildung gewirkt haben.

 

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Abb. 8: Die Ziegenrücker Falte, eine Großfalte in der Ziegenrücker (Kulm-)Mulde.
Quelle: Wikipedia: Pomfuttge [Lizenz: CC BY-SA 4.0]

 

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Abb. 9: Schloßberg Ziegenrück mit Kemenate oben und Falte im Kulm links mittig, hinter dem dunklen Auto.

 

Wir befinden uns in der sehr reizvollen Region der Saaletalsperren. Der Hohenwartestausee und die Bleilochtalsperre sind für ihre vielfältigen touristischen Möglichkeiten bekannt. Einige Eindrücke sollen die Abbildungen 10–12 vermitteln. Bedingt durch den geologischen Unterbau und das Einschneiden der Saale und ihrer Nebenflüsse erfreut man sich an einer überaus abwechslungsreichen Landschaft.

 

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Abb. 10: An der Linkenmühle am Hohenwartestausee. Man kann hier u. a. Bootstouren unternehmen, sogar im Nachbau eines Wikingerboots.

 

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Abb. 11: Wassersport und Angeln auf der Saale auf Höhe von Ziegenrück.

 

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Abb. 12: Wasserspiele am Wehr in Ziegenrück.

 

Als ein zwar kleines, aber feines geologisches Denkmal muss hier auch die „Steinerne Rose“ (Abb. 13) an der Bleilochtalsperre zwischen Gräfenwarth und Kloster Erwähnung finden. Dieses aus Diabas (Pikrit) des Mitteldevons bestehende Gebilde ist ein Produkt aus untermeerischem Eruptivgestein (Pillow-Lava), welches schalenartig verwittert und optisch einer aufplatzenden Rosenknospe ähnelt.

 

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Abb. 13: Die „Steinerne Rose“ aus dem Mitteldevon an der Bleilochtalsperre belegte im Jahr 2013 Platz 2 beim Wettbewerb der Heinz-Sielmann-Stiftung „Das schönste Naturwunder Deutschlands“.

 

Wenig südöstlich davon, in der Umgebung der Ortschaften Saalburg bzw. Saalburg-Ebersdorf, kommt ein Gestein vor, welches man als „Saalburger Marmor“ bezeichnet. Es wurde seit 1888 abgebaut und in vielen nationalen und internationalen Bauwerken verbaut. Es handelt sich dabei um einen devonischen Kalkstein in verschiedenen Varietäten und aus diversen Abbauorten.
In der kleinen geologischen Abteilung des Wasserkraftmuseums in Ziegenrück befindet sich eine Schautafel mit geschliffenen Knotenkalken des Devon, die diverse angeschliffene Cephalopoden enthalten. Die Knotenkalke stammen aus Steinbrüchen bei Pahren und Tegau, also aus dem Gebiet des Ostthüringischen Schiefergebirges, welches zur Westflanke des Bergaer Sattels überleitet.

 

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Abb. 14: Schautafel im Wasserkraftmuseum Ziegenrück mit Cephalopoden aus dem „Saalburger Marmor“, einem devonischen Knotenkalk, (Leihgabe Dr. Ottmar Hartenstein, Saalburg; Abb. mit freundl. Genehmigung des Wasserkraftmuseums Ziegenrück). Tafel vergrößern.

 

Bergaer Sattel

An der Westflanke des Bergaer Sattels liegt der Steinbruch Kahlleite bei Löhma. Hier konnte man Gesteine der Görkwitz-Formation, Vogelsberg-Formation über Kahlleite-Formation bis Göschitz-Formation aus dem Oberdevon (Frasnium-Fammenium) studieren. Die Abb. 15–19 zeigen zwei Ansichten des Steinbruchs sowie Goniatiten und Clymenien, die dort im Jahr 2010 geborgen werden konnten. Damals noch zugängig, ist der Bruch heute bedauerlicherweise geflutet.

 

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Abb. 15: Übersichtsaufnahme Richtung Nordost und Ost mit den steil gestellten Schichten der Kahlleite-Formation (Typusprofil!), Oberdevon, Famennium.

 

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Abb. 16: Blick auf die Flaserkalke, Knotenkalke und Kalkknotenschiefer der Kahlleite-Formation mit ihrer farbig differenzierten Ausbildung. Foto vergrößern.

 

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Abb. 17: Goniatiten und Clymenien aus dem Bruch Kahlleite, leider noch unpräpariert und unbestimmt. Die kleine Clymenie unten rechts der Mitte ist 2,3 cm groß. Die Goniatiten erreichen eine Größe von max. 7 cm Durchmesser.

 

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Abb. 18: Mittig eine Clymenie (2,3 cm) in der Matrix der Kalkknotenschiefer.

 

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Abb. 19: Dieselbe herausgearbeitet.

 

Bewegt man sich auf der Westflanke des Bergaer Sattels weiter nach Nordosten bis zur Kleinstadt Hohenleuben, sind es vom nördlichen Ortsausgang nur noch einige hundert Meter bis zum nordwestlich gelegenen, ehemals berühmten Weinbergbruch.
Hier stehen Kiesel- und Alaunschiefer (Graptolithenschiefer) der Unteren Graptolithenschiefer-Formation (Llandovery) des Silur an. Auf den letzten Bildern zeige ich einige Graptolithen, wie man sie in den 1970-er bis 1980-er Jahren noch sammeln konnte. Heute verbietet sich jede Grabungsaktivität, denn der Bruch ist als Geotop geschützt, leider etwas verwildert.

 

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Abb. 20 (oben): Der ehemalige berühmte Weinbergbruch bei Hohenleuben, heute zwar ein herrliches Biotop und Geotop, war er früher ein bedeutender Fundort für silurische Graptolithen der Unteren Graptolithenschiefer-Formation.

Abb. 21 (unten): Blick zum Oststoß des Weinbergbruchs mit Kiesel- und Alaunschiefern.

 

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Abb. 22: Stehen gebliebener Sporn mit welliger, steil gestellter und gefalteter Kieselschiefer-Alaunschiefer-Wechsellagerung.

 

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Abb. 23: Dickere Kieselschieferbänke und zwischengeschaltete dünnlagige Alaunschiefer wechseln sich ab.

 

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Abb. 24: Hier sieht man spitzwinklige Falten (2 Sättel und eine Mulde) auf engstem Raum (ca. 1m breit!) – wie aus dem Lehrbuch!

 

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Abb. 25: Monograptus cf. priodon auf Platte und Gegenplatte, Größe: 20 x 17 cm; wie alle abgebildeten stammt auch dieser Fund von einer der Exkursionen der Jahre 1984/1988. Foto vergrößern.

 

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Abb. 26: cf. Torquigraptus proteus, Größe (Platte): 16,5 x 7,5 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 27: Petalograptus palmeus, 1 cm, mit „Stiel“ 2 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 28: Spirograptus turriculatus, in seitlichem Streiflicht fotografiert, 1,7 cm x 1 cm.

 

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Abb. 29: Der Spirograptus turriculatus von Abb. 28 in anderes Licht gerückt, 1,7 cm x 1 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 30: cf. Torquigraptus proteus, Doppelplatte, Größe: 14,5 cm x 7 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 31: cf. Torquigraptus proteus, Abdruck, Größe Fossil: max. 4,5 cm.

 

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Abb. 32: cf. Torquigraptus proteus, teils körperlich erhalten, Größe: max. 4,5 cm. Foto vergrößern.

 

Es versteht sich von selbst, dass meine Ausführungen nur einen winzigen Einblick in die Geologie und die landschaftlichen Gegebenheiten der Region bieten können. Literatur und Internet bieten eine Fülle an Lesestoff und Informationen zur Vertiefung.

Hinweis: Beim Besuch der Region sollte man sich unbedingt zwei geologisch besonders interessante Punkte anschauen: Zum Einen den berühmten Aufschluss der Bohlenwand bei Saalfeld-Obernitz (Zechstein diskordant auf Mitteldevon bis Unterkarbon), am Nordwestrand der Ziegenrücker Mulde und zum Anderen die berühmten „Saalfelder Feengrotten“ bei Saalfeld. (herrliche untertägige Szenerie)!

 

Vielen Dank für Eure/Ihre Aufmerksamkeit und allen Lesern weiterhin interessante Funde!

 

Mit besten Sammlergrüßen,

Stefan Werner

 

Literatur (Auswahl):

 

BLUMENSTENGEL, H., HANSCH, W., HEUSE, T., LEONHARDT, D., MALETZ, J., MEISEL, S., SAMUELSSON, J., SARMIENTO, G. N., SEHNERT, M., TRÖGER, K.-A., VERNIERS, J. & WALTER, H. (2006): Fauna und Flora im Silur Deutschlands – In: Stratigraphie von Deutschland VII, Silur. Hrgs. Deutsche Stratigraphische Kommission, HEUSE, T. & LEONHARDT, D. (Redaktion), für die Subkommission Proterozoikum – Silur, Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, Heft 46, S. 130-152, Hannover.

 

COBURGER, K., MARTIUS A., KOLBE M. & LEO, F. (2015): Natur erleben im Landkreis Greiz, Herausgeber: Landratsamt Greiz, Amt für Umwelt, Untere Naturschutzbehörde.

 

HARTENSTEIN, O. & LANGE, P. (1988): Saalburger Marmor, Hrsg.: Saalburger Marmorwerke GmbH, Saalburg.

 

JOSEPH, H., PORADA; H. T., HEMPEL, G. (Hrsg.), (2006): Das nördliche Vogtland um Greiz: eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Greiz, Weida, Berga, Triebes, Hohenleuben, Eltsterberg, Mylau und Netschkau, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien.

 

WAGENBRETH, O. & STEINER, W. (1982): Geologische Streifzüge. Landschaft und Erdgeschichte zwischen Kap Arkona und Fichtelberg, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1982, 1. Auflage.