Sonstige Berichte

Riesen und Zwerge bei Juraammoniten

Für den einen Sammler ist eine 15 Zentimeter große Parkinsonia schon ein Riese, ein anderer spricht von einer 30 Zentimeter messenden Pachypictonia noch als "Kleiner" und bei EBAY ist sowieso jeder Zwerg ein Gigant. Wann Ammoniten als klein oder großwüchsig definiert werden, ist leider auch in der Wissenschaft eine rein subjektive Angelegenheit: jeder Paläontologe hat sein eigenes Raster. Im folgenden Beitrag möchte ich meine Überlegungen zu diesem Problem darstellen. Sie sind selbstverständlich nur ein Vorschlag.

Ausgewachsene Juraammoniten erreichen - mit Ausnahme weniger Extreme - Durchmesser zwischen einem Zentimeter und etwa 80 Zentimetern. Dabei haben wir ab der Lias-Dogger-Grenze einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus. Die kleineren Männchen (= Mikrokonche) bilden oft am Mundsaum eine sogenannte Apophyse (= Ohr) aus, während die größeren Weibchen einen einfach geschwungenen Mundsaum besitzen. Die größten bisher bekannten Mikrokonche werden rund 23 Zentimeter groß. Hier würde ich die Grenze zwischen mittel- und großwüchsig ziehen.

Kleinwüchsige Formen sind für mich makro-und mikrokonche Formen (es gibt auch relativ kleine Weibchen) mit einem Durchmesser unter 12 Zentimetern. Diese Grenzziehung ist ein Erfahrungswert aus dem Oberjura. Nur wenige Vertreter der "Sichelripper" - es sind dies Vertreter der Gattungen Ochetoceras, Neochetoceras, Streblites und Taramelliceras - schaffen den Sprung über diese Marke.

Als mittelwüchsige Formen definiere ich Juraammoniten mit einem Durchmesser von 12 bis unter 23 Zentimetern Enddurchmesser. Damit habe ich alle "ohrentragenden" Mikrokonche sowie sämtliche Verteter der Oberjura-Sichelripper "im Boot". Bei den Sichelrippern des Lias und des Doggers geht dieses Schema leider nicht auf, da sie um einiges größer werden können. Gut anzuwenden ist es aber auf die Gruppe der Oppeliiden (Dogger Gamma bis Zeta). Hier durchbrechen nur wenige Gattungen - unter anderem Oxycerites und Paralcidia - die 23-Zentimeter-Grenze nach oben.

Großwüchsige Formen sind für mich makrokonche Formen (aus dem Dogger und Malm sind mir keine Mikrokonche in dieser Größenspanne bekannt) mit einem Durchmesser von 23 bis unter 55 Zentimeter. Mit Ausnahme extrem großer Vertreter der Aulacostephanidae (unter anderem Ringsteadia, Pachypictonia, Eurasenia, Aulacostephanus und Aulacostephanoides) sowie einigen Aspidoceraten habe ich - zumindest im süddeutschen Oberjura - den Löwenanteil der "großen Kerle" abgedeckt.

Was dann noch nach oben bleibt, sind die zuvor genannten riesenwüchsigen Formen. Im Museum am Löwentor (Stuttgart) kann man zwei dieser Giganten betrachten: Sowohl die Ringesteadia als auch ein Aspidoceras hystericosum überspringen locker die 70-Zentimeter-Marke. Bei anderen Gruppen, wie etwa den Lithacosphincten, Perisphincten, Crussoliceraten oder Progeronien ist bei rund 55 Zentimetern Schluss. Angaben aus Sammlerkreisen über "Ein-Meter-Stücke" würde ich ins Reich der Phantasie stellen. Allerdings: Selbst der bekannte Paläontologe Ludwig Wegele schreibt 1929 über die Oxford-Schichten am Hahnenkamm: "In den Schichtkalken sind Ammoniten außerordentlich häufig; sie besitzen meist bedeutende Größe, wohl eine Folge besonders günstiger Ernährungsmöglichkeiten in der Nähe der Riffe. So besonders einzelne Perisphincten, die Größen bis zu 1 m erreichen..." Ob es diese Riesen wirklich gibt, ob Wegele sich verschrieben hat, oder ihm nach einem Kasten Bier so manches größer erschienen ist? - Wir wissen es nicht.

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Bild 1: Mit seinen 17 Zentimetern gehört dieser Orthosphinctes polygyratus aus dem unteren Malm Gamma 1 von Hartmannshof schon zu den größten seiner Art und in meine Kategorie "mittelwüchsig". Das Ohr am Mundsaum weist ihn als ausgewachsenes Exemplar aus. Die größten mikrokonchen Orthosphincten erreichen nach meinen Beobachtungen bis zu 22 Zentimeter Durchmesser.

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Bild 2: Ebenfalls ausgewachsen ist dieser rund 29 Zentimeter große Orthosphinctes (Lithacosphinctes) evolutus. Er fällt nach meinen Definitionen in die Kategorie "großwüchsig".  Der geschwungene Mundsaum ist perfekt erhalten. Lithacosphinctes evolutus ist der Makrokonch zu Orthosphinctes polygyratus. Auch dieses Exmplar stammt aus dem unteren Malm Gamma 1 von Hartmannshof. Die größten mir bekannten Exemplare aus dem Gamma erreichen knapp 40 Zentimeter.

Fotos und Sammlung: Victor Schlampp; Foto und Text sind urheberrechtlich geschützt