Sonstige Berichte

Nachruf: Axel Paulsen (1941–2021)

Axel 2006

Abb. 1: Axel Paulsen im Jahr 2006.

--- Am 29. August 2021 verstarb nach langer, geduldig ertragener Krankheit unser lieber Sammlerfreund Axel Paulsen aus Altenholz bei Kiel im Alter von 80 Jahren.

 

Axel wurde am 22. Mai 1941 in Lübeck geboren. Aufgewachsen in Kiel-Gaarden, machte er von 1957–1960 eine Lehre zum Bauschlosser. Darauf folgten drei Monate Gießereipraktikum und die Bundeswehrzeit von 1960–1962 in Schleswig. Ende 1962 begann Axel ein Maschinenbau-Studium an der Staatlichen Ingenieurschule in Kiel, wo er im Juli 1965 die Ingenieurprüfung der Fachrichtung Maschinenbau ablegte, um im August als Diplomingenieur bei der Fa. Dr. Rudolf Hell anzufangen. Dort hat er als Konstrukteur optische Bänke für Bildübertragungsmaschinen und Zylinder für die Druckvorstufe entworfen und gebaut und blieb bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1997 bei der Linotype-Hell AG, wie die Firma nach einer Unternehmensfusion hieß, in Kiel-Suchsdorf.

Schon früh entbrannte bei Axel die Liebe zu den Fossilien, als Neunjähriger fand er den ersten Seeigel auf dem Bauhof seines Vaters. Seine Frau Gisela wusste schon bei ihrer Hochzeit im Jahr 1964 von Axels Leidenschaft. Zu dieser Zeit hatte er lediglich eine Schublade voll mit Fossilien, und Gisela meinte, damit leben zu können. Dass es einmal 17 Vitrinen, 12 Säulen und kleine Schränkchen und gut 100 große Stücke auf Boden und an Wänden werden sollten, hatte zu dem Zeitpunkt keiner von beiden geahnt. 1964 wurde Oliver, 1966 Simone geboren. Irgendwann in diesem Zeitraum bekam Axel sein erstes Fossilienbuch: „Welche Versteinerung ist das?“ von Karl Beurlen. Mit 25 Jahren begann Axel dann, intensiver Fossilien zu suchen, zu präparieren und zu bestimmen.

 

Zunächst ging es, mit zwei Eimern und Hammer ausgerüstet, von Kiel-Dietrichsdorf mit dem Bus nach Stohl an der Kieler Förde und er kehrte stets mit reicher Beute zurück. 1965 schloss Axel sich der Geologisch-Paläontologischen Arbeitsgemeinschat in Kiel an, die ihn 2015 nach 50 Jahren Mitgliedschaft zum Ehrenmitglied ernannte. In den 1960er- bis 1980er-Jahren organisierten Prof. Dr. Walter Wetzel und Karl-Heinz Tiedemann Sammelfahrten zu Zielen in Süddeutschland, Frankreich und England. Die erste Sammelfahrt führte 1965 mit einem Hecker-Bus unter der Leitung von Prof. Wetzel nach Bordesholm und Umgebung, Axel war mit dabei – jedoch ohne Hammer. Auf dieser Fahrt klärte ihn Prof. Möller über die Unterschiede von Kreide und Kalk auf. Unzählige Sammeltouren sollten folgen. Zunächst galt die Vereinbarung, das ein Jahr Axel das Urlaubsziel bestimmen durfte, das andere Jahr Gisela, aber irgendwann führten alle Familienurlaube an Strände oder in Steinbrüche. Vor allem die Touren nach Dänemark und Schweden hatten es Axel angetan und zusammen mit seiner Familie waren unzählige Male der Limfjord, Møn und Stevns Klint, Nord-Jütland, Öland, Gotland, Väster- und Östergötland und vor allem Dalarna das Ziel geologischer Exkursionen.

 

Axel mit Fisch vom Limfjord DK

Abb. 2: Axel mit einem Fisch aus dem Moler vom Limfjord (Dänemark).

 

Axel

Abb. 3: Unter den Fotos aus dem Gelände ist dieses definitiv das mit der unzweckmäßigsten Sammelbekleidung – aber der Geologenhammmer war trotz der Spontaneität der Exkursion natürlich dabei.

 

Wer Axels Sammlung einmal besichtigen durfte, war über die Vielseitigkeit und die Qualität der Exponate begeistert. Alle Tier- und Pflanzengruppen quer durch alle erdgeschichtlichen Epochen sind vertreten. Und doch lag der Schwerpunkt auf skandinavischen Fossilien. Krabben aus den oligozänen Konkretionen vom Lyby-Strand, Fische und Insekten aus dem Moler und Seeigel aus dänischen Kreidegruben füllen in großer Zahl die Vitrinen. Die weitaus meisten Funde stammen jedoch aus dem Paläozoikum von Schweden. Gestreckte, gebogene und eingerollte Kopffüßer aus dem Ordovizium von Öland und Västergötland sowie aus dem Silur von Gotland. Axels Lieblinge waren zweifelsohne die Beutelstrahler (Cystoideen), von denen er überwiegend in Dalarna Hunderte von Exemplaren sammelte. Viele neue, unbekannte Arten verbargen sich in dem reichen Fundmaterial und Axel war mit skandinavischen Wissenschaftlern wie Gerhard Regnell oder Johan Fredrik Bockelie in regem Austausch. Schließlich fanden die Cystoideen den Weg bis nach München und Frankreich zur weiteren Bearbeitung. Leider dauern die Untersuchungen noch immer an, so dass Axel die Beschreibung neuer Arten nicht mehr erleben durfte.

 

Alvaret

Abb. 4: Fossiliensuche auf dem Kalkplateau Alvaret in Öland.

 

Mit nahezu jedem Sammlungsstück ist eine Geschichte verbunden, sei es der 200 kg schwere Baumstamm, der mit einem speziellen Tragegerüst aus der Zeche Hirschberg bei Kassel mit Hilfe einiger Sammlerkollegen geborgen werden musste oder die Flasche Whisky als „Eintrittsgeld“, um auf Öland von einem Bauern die Erlaubnis zum Betreten seines Landes und dem Sammeln von Lituiten zu erhalten. Erst viele Jahre später stellte sich heraus, dass das Land jemand anderem gehörte, der Bauer aber immer sehr bereitwillig das „Bestecherle“ entgegennahm. In Örebro (Närke) fand Axel seinen ersten Trilobiten. Die Krabben-Fundstelle am Lyby-Strand hat er selbst erschlossen und in Dalbyover hat er an einem Tag 200 Seeigel gesammelt. Axel ist in Berenbostel einmal im Schlamm stecken geblieben, zweimal in Kalkbrüchen abgestürzt, wobei er sich einmal eine Rippe gebrochen hat, und – so steht es in seinen Memoiren – einmal ist ihm in einer Muschelkalk-Pfütze die Hosennaht geplatzt.

Unvergessen sind die „Herrentouren“ mit Werner Drichelt, Otto Drichelt, Hans-Jürgen Hoffmeister und Armin Krause zum Sammeln an den Siljan-See; die Fahrten mit seinem Sohn Oliver nach Hällekis am Kinnekulle, wo Olli seinen Vater mit „Alter, den schaffst du“ zu Höchstleistungen anstachelte; die Touren mit Dieter Henze nach Franken oder Öland, wo Axel das Kochen lernte (Dose öffnen und auf den Kocher stellen); oder die unzähligen Reisen mit Rolf & Antje Bertling und Gerd & Christa Müller nach Gotland. Bei den meisten Sammeltouren waren die Kinder Oliver und Simone dabei und die ganze Familie sammelte am Strand oder im Steinbruch für Axel mit. Zusammen mit Hans-Jürgen Hoffmeister zog es Axel nach Grenzöffnung viele Male nach Bitterfeld zum Bernstein sammeln. Mehrere Zentner Bernstein lagerten zu besten Zeiten bei Axel im Keller.

 

Paulsens auf Gotland

Abb. 5: Die Kinder Oliver und Simone Paulsen auf Gotland.

 

Haellekis

Abb. 6: Konzentriertes Arbeiten in der Pseudomegalaspis-Schicht von Hällekis (Schweden).

 

Ordovizium von Haellekis

Abb. 7: Von nichts kommt nichts – Axel mit schwerem Gerät auf Fossiliensuche im Ordovizium von Hällekis (Schweden).


Wagner Toft, Roland Kümmel, Arnulf & Harald Stapf, Johann Schobert („Schneckenhannes“), Bernd Neubig, Werner Mathesius und Hans Albers waren langjährige Weggefährten – und natürlich die Mitglieder der Geo AG Kiel, mit denen er sich regelmäßig traf.

Sein Sohn Oliver hatte die Leidenschaft seines Vaters geerbt, verstarb aber leider sehr früh. Axels Tochter Simone suchte ebenfalls immer begeistert mit und begleitete ihre Eltern auf vielen Sammelreisen. Sie hatte ein sehr gutes Auge. Stolz zeigte Axel bei den Treffen der Geo AG immer wieder Simones neueste Funde.

Axels Sammlung beinhaltet nach seiner eigenen Schätzung mehr als 5.000 Exponate, wobei jedes einzelne ein ausgewähltes Prachtsück ist. Sein Motto: „Das beste Stück kommt in die Sammlung – 100,- € bekomme ich immer wieder“.

 

Axels Sammlung 860px

Abb. 8: Blick in Axels umfangreiche Sammlung. Foto vergrößern.

 

Kopffuesser aus dem oberen Ordovizium von Dalarna 860px

Abb. 9: Kopffüßer aus dem Oberordovizium der schwedischen Provinz Dalarna. Foto vergrößern.

 

Präparieren durfte Axel jahrelang im Wohnzimmer, überwiegend mit Nadeln, Kratzern und Skalpell auf einem Sandsack unter dem Stereomikroskop, später auch mit einem Vibrograv.

 

Praeparation zu Hause

 Abb. 10: Axel beim Präparieren.

 

Bei seltenen oder besonderen Funde, auch bei scheinbar neuen Arten, nahm Axel Kontakt zu erfahrenen Fachwissenschaftlern auf. So tauschte er sich mit Prof. Dr. Karl Gripp aus Kiel, Prof. Helmut Keupp in Berlin, Prof. Jens Lehmann in Bremen, Dr. Christian Neumann in Berlin, Dr. Gerhard Regnell in Lund oder Dr. Mike Reich in Göttingen / München, aus, um Klarheit über Cephalopoden, Seeigel oder seine geliebten Cystoideen zu erlangen.

 

Ordovizische Cystoideen aus Schweden 860px

Abb. 11: Ordovizische Cystoideen aus Schweden. Foto vergrößern.

 

Schon in der 1980er-Jahren begann Axel, Doubletten auf Fossilienbörsen in Hamburg, Osnabrück, Bielefeld, Kiel und Rendsburg anzubieten. Kleine Fossilien wurden in Jousi-Kästchen gekittet und mit seinen typischen Etiketten akribisch beschriftet: Name, Formation, Fundort. In vielen Sammlungen finden sich solche Fossilien, und wer nicht weiß, woher so manches Stück aus seiner Sammlung stammt – an den Etiketten werdet ihr‘s erkennen. Auf den Börsen hat Axel immer die Gelegenheit genutzt, mit Kollegen zu tauschen oder ergänzende Stücke für die Sammlung zu kaufen. Anfangs war es Reinhard Schmode, später tauchten in seiner Kontaktliste Namen wie Herbert Knodel, Hans Porombka, Martin Duckstein, Thomas Perner, Harald Prescher, Elmar Mai, Mike Bäätjer, Lars Berwald und Joachim Wördemann auf.

 

Axel Paulsen auf der Boerse 2005 in Kiel zusammen mit Helmut Köller

Abb. 12: Axel zusammen mit Helmut Köller auf der Kieler Börse des Jahres 2005.

 

Fossilienboerse Rendsburg

Abb. 13: Axel mit seiner Frau und Standnachbar Rolf Bertling auf der Rendsburger Fossilienbörse.

 

Immer wieder veröffentliche Axel kleine Fundberichte in der „Fossilien“-Zeitschrift. Den Herausgeber von „Fossilien“, Werner K. Weidert, hat Axel auf der Hamburger Mineralienmesse kennengelernt. 1989 veröffentlichte dieser ein Sammlerportrait über Axel, dessen Sammlung ihn tief beeindruckt hatte. Der erste Fundberricht über einen „Trocholites mit Wachstumsverlängerung“ erschien in Fossilien Heft 3/2003. Im Jahr 2006 erschien dann ein Geschiebesammler-Heft (Der Geschiebesammler 39, Ausgabe 2/2006) über die ordovizischen Kopffüßer Schwedens, in dem die Reichhaltigkeit seiner Sammlung zum Ausdruck kam. Der letzte Beitrag von Axel unter dem Titel „Bohrender Feind eines Seeigels“ erschien in Fossilien 1/2013. Es war der 96. Artikel über die besten Funde seiner Sammlung. Rund 250 von Axels Fossilien finden sich in vielen weiteren Publikationen und elf Büchern wieder, so auch in den Klassikern von Beurlen & Lichter: „Versteinerungen“, Gravesen: „Fossiliensammeln in Südskandinavien“, Weidert‘s „Klassische Fundstellen der Paläontologie“, Cordes & Dettmers: „Lyby-Strand Fossilien“ und in Rudolph, Bilz & Pittermann: „Fossilien sammeln an Nord- und Ostsee“.
Die Bücherwand in seinem Haus füllte sich im Laufe der Jahre immer mehr, so dass Axel, ehe er ein neues Buch in seine Bibliothek einreihen konnte, erst ein anderes aussortieren musste.

Überschlägig waren es 70 Ausstellungen, die Axel alleine oder mit Sammlerfreunden zusammen ausgerichtet hat: im Naturwissenschaftlichen Museum Flensburg, im Eiszeitmuseum (Stolpe, Bordesholm, Lütjenburg), in Niebüll, auf den Mineralientagen in Hamburg, in Schulen und Apotheken. Anfang der 1960er-Jahre wurde auf dem Uni-Gelände neben der alten Mensa in Kiel das neue Gebäude für die Geologie errichtet und Axel hat dort am Bau mitgearbeitet. Kurz nach der Fertigstellung wurde unterhalb der zu den oberen Stockwerken führenden Treppe eine Vitrine mit Fossilien vom Morsum-Kliff eingerichtet, die Axel seinerzeit mit bestückt hat. Diese Vitrine steht dort übrigens noch heute.

 

Öland Ausstellung auf der Messe HH 2005

Abb. 14: Axel führte zahlreiche Ausstellungen durch. Das Foto zeigt ihn beim Arrangieren von Fossilien für eine Öland-Ausstellung auf der Messe Mineralien Hamburg im Jahr 2005.

 

Axel war Mitglied in der Geologisch-Paläontologischen Arbeitsgemeinschaft Kiel, im Arbeitskreis Bernstein der Universität Hamburg, im Förderverein für das Naturwissenschaftliche Museum in Flensburg und im Schleswig-Holsteinischen Eiszeitmuseum e.V.

 

Axel Nov 2018 860px

Abb. 15: Axel im November 2018 mit einigen seiner nordischen Schätze. Foto vergrößern.

 

Axel Paulsen November 2020

Abb. 16: Im Oktober 2020 besuchte Axel mit seiner Frau Gisela den Urzeithof Stolpe – mit im Bild sind Katrin Mohr und Uwe Kankel.

 

Axel Katrin Uschi Harald

Abb. 17: Besuch bei Axel im November 2020 mit Katrin Mohr, Uschi und Harald Lange.

 

Vor mehr als 25 Jahren kam die Diagnose Parkinson. Axel ertrug die Krankheit geduldig, hat nie ein Wort der Klage verloren. Selbst in fortgeschrittenem Stadium konnte er durch gut eingestellte Medikamente noch präparieren. Vor 16 Jahren zogen Axel und Gisela aus der Kieler Innenstadt im 3. Stock nach Altenholz in einen ebenerdigen Bungalow. Der Umzug mit einer solch gewaltigen Sammlung war eine echte Herausforderung. Im neuen Haus wurden schließlich vier Räume die neue Heimat tausender Fossilien, nur das Wohnzimmer blieb steinfrei. Bis zuletzt hat Axel an den Treffen der Geo AG Kiel, soweit es ihm möglich war, teilgenommen. Immer hatte er seinen Koffer mit, in dem einige Preziosen lagen, um sie den Sammlerfreunden zu zeigen. Selbst die Fossilienbörse im Juli 2021 im Urzeithof hat Axel noch besucht. Aber er war kraftlos geworden, saß im Rollstuhl und konnte kaum noch sprechen. Im August hat dann die Krankheit gesiegt und Axel ist friedlich im Kreise seiner Lieben eingeschlafen.

Wir werden ihn, seine geduldigen Erklärungen, seinen fachmännsichen Rat und sein freundliches und bescheidenes Wesen vermissen. Axel hat tiefe Spuren in der Geo AG Kiel und in so manchem Sammlerleben hinterlassen. Wie schön, dass wir ihn ein halbes Jahr vorher inmitten seiner Sammlung noch erleben durften, als er uns noch stolz Cystoideen und Cephalopoden zeigen konnte.

 

Danke für alles, Axel!

 

Frank Rudolph (Stolpe)

 


 

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