Trilobiten

Überarbeitung und Restauration eines Paradoxides gracilis aus dem Kambrium von Jince (Tschechien)

Jeder Trilobitensammler kennt sie, die großen Paradoxiden aus Jince in Tschechien – echte Klassiker. Ich kann mich noch gut an die Abschlussfahrt nach Prag mit meinem Abi-Jahrgang erinnern, da sah ich so ein „Biest“ in einem Schaufenster. Doch der Trilobit war partout nicht zu bekommen.

Irgendwie geriet der Wunsch nach einem Paradoxides bei mir dann für lange Zeit in Vergessenheit, bis Anfang 2020 ein Exemplar aus einer Sammlungsauflösung im Steinkern-Forum auftauchte: beeindruckende 15 cm groß, mit Mängeln, aber mit Potenzial. 2021 fand dieses Exemplar dann den Weg zu mir:

 

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Abb. 1

 

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Abb. 2

 

Die erste „Amtshandlung“ nach dem Anfertigen der Fotos vom Ausgangszustand war es, auf der Rückseite ein Loch auszubessern. Dieses wurde mit Gesteinsbröseln und Sekundenkleber aufgefüllt.

 

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Abb. 3

 

Dann erfolgte der erste Versuch herauszufinden, ob aus dem Stück tatsächlich noch etwas herauszuholen sein würde. Es war spannend, denn Jince-Material hatte ich noch nie auf dem Tisch gehabt. Erfreulicherweise wurde beim Sticheln schnell deutlich, dass die Spitzen der Pleuren sich noch freipräparieren lassen.

 

Dann gab es noch eine (allerdings weniger erfreuliche) Erkenntnis: Fürs Beschlagen von Jince-Material sollte man sich besser mehr Zeit nehmen und zuvor eventuell vorhandene Klebungen sorgfältig kontrollieren und diese im Zweifel gegen Bruch sichern. Im ersten Anlauf brachen in diesem Fall nämlich leider alte Klebungen auf. Die Bruchstücke konnten allerdings sofort wieder zusammengesetzt werden. Auch waren die beim Aufbrechen entstandenen Schäden glücklicherweise gering.

 

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Abb. 4

 

Nach und nach wurde am Trilobiten entlang einmal um diesen herum gestichelt. Hierbei entwickelten sich die Pleuren vor dem Pygidium zu einer regelrechten Schleppe. Zwei erwiesen sich dabei als so lang, dass einer von ihnen beinahe noch aus dem Stein herausgelaufen wäre. Auch an der linken Freiwange wurde noch präpariert.

 

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Abb. 5

 

Dass der Stein nicht unverändert bleiben könnte, war von Anfang an klar. Aus den abgespaltenen Brocken wurden daher Stücke ausgesucht, die sich dazu eigneten, die Matrix für die Restauration aufzubauen.

 

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Abb. 6

 

Zuerst wurde das Stück für die rechte Wange zugeschliffen, entstaubt und dann eingeklebt. Dabei galt es darauf zu achten, die Höhe des Auges nicht zu unterschreiten, um später noch Substanz zum Modellieren der angedachten Ergänzung zur Verfügung stehen zu haben.

 

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Abb. 7

 

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Abb. 8

 

Wieder wird nach dem Abbinden vorsichtig beschlagen. Das spart Zeit. Zwischendurch werden noch die versehentlich beim Formatieren verursachten Fehlstellen an der Spindel aufgefüllt.

 

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Abb. 9

 

Sicherheitshalber wird unter den angesetzten Stein noch ein Block geklebt, denn an dieser Stelle wird das Gestein dann – das war absehbar – im Zuge des Modellierens recht dünn.

 

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Abb. 10

 

Nun ging es daran die rechte Wange zu gestalten. Die Formfindung gestaltete sich nicht einfach. Hier „eierte“ es noch.

 

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Abb. 11

 

Der Winkel des Stachels an der zweiten Pleure stimmte noch nicht. Um etwas Abstand von diesem Schauplatz der Präparation zu gewinnen, wurde zunächst der Spot um den Trilobiten herum versäubert.

 

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Abb. 12

 

Restauriert man aus dem Vollen (hier also der Substanz des Ansetzsteins), darf man natürlich nirgends zu tief kommen. Denn wenn man einmal unter das richtige Niveau kommt, muss man unweigerlich wieder Substanz aufbauen, bevor erneut Anstalten zum Modellieren gemacht weren können. Und manchmal ist gar nicht genug Stein für einen kompletten Neuanfang vorhanden.

 

Nun ging es daran die Flächen zu schaben.

 

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Abb. 13

 

Der erste Versuch war noch nichts. Es war alles noch zu hoch, aber man konnte nun damit beginnen Strukturen mit einzubeziehen. Die Restauration sollte erkennbar sein, aber die Wange muss dennoch nicht unbedingt aussehen wie ein „Klops“.

 

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Abb. 14

 

Zwischendurch erfolgte eine „Ganzkörper-Bestandsaufnahme“. Der erste Eindruck war bereits gut, doch die Gestalt des Wangenstachels passte noch nicht. Hier würde später noch korrigiert werden müssen.

 

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Abb. 15

 

Auch für die linke Wange musste eine Gesteinsscherbe vorbereitet werden, die dann im Bereich der dortigen Fehlstelle eingeklebt werden konnte.

 

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Abb. 16

 

Wieder ging es ans Schleifen und Fräsen. Dieses Mal geriet der Kleber deutlich zu hell. Das bedeutete am Ende zusätzliche Arbeit.

 

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Abb. 17

 

Nun wurde noch einmal an der Wange gearbeitet und dann der restaurierte Bereich lackiert.

 

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Abb. 18

 

Zuletzt war die Spindel an der Reihe. Dann wurden die Übergänge auf dem linken Wangenstachel farblich angeglichen.

 

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Abb. 19

 

Unter guten Lichtbedingungen fotografiert, sah der Trilobit nun so aus:

 

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Abb. 20

 

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Abb. 21

 

Nachdem eine Nacht darüber geschlafen war um Betriebsblindheit vorzubeugen, erfolgte eine Neubewertung. Es wurde entschieden, die Form der rechten Wange nochmals zu überarbeiten. Also musste das Präparat noch einmal zurück in die Werkstatt. Im Zuge der erneuten Überarbeitung tauchte überraschend der Rest des rechten Wangenstachels auf, der leider unter den Körper läuft. Es wurde infolgedessen erforderlich alles Vorhandene noch einmal umzubauen, denn das originale Stück der Wange sollte keinesfalls entfernt werden.

 

Die folgenden beiden Fotos zeigen das Ergebnis:

 

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Abb. 22

 

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Abb. 23

 

An dieser Stelle noch einmal mein Dank an Simon für die Überlassung des Stücks!

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Trilobit Paradoxides gracilis (BOECK, 1827)

Größe: 15 cm

Stratigrafie: Mittelkambrium, Barrandium, Jince Formation (ca. 518 Millionen Jahre)

Fundort: Jince, Tschechien

Zeitaufwand: ca. 8 Stunden

 

 

Udo Resch für Steinkern.de