Fund und Präparation eines Ichthyosaurierteilskeletts mit komplettem Schädel aus dem Toarcium (Unterjura) von Oberfranken

Jeder Sammler kennt wohl diese Situation – man fährt eine Fundstelle auf gut Glück und mit allenfalls mäßiger Hoffnung an – und dann erblickt man überraschend Haufen frisch abgekippten Materials, welche das Herz höherschlagen lassen. Genau diese Situation fand ich im Frühjahr 2022 an einem Fundort in Oberfranken vor. Es handelte sich um den Bauaushub eines nahe gelegenen Neubaugebietes, das Schichten des Posidonienschiefers (Toarcium, Unterjura) erschloss. Es war also mit Laibsteinen zu rechnen. Leider sind die Laibsteine in Oberfranken meist fossilarm bis leer, im Gegensatz zu jenen im Raum Altdorf / Neumarkt i.d.OPf., welche teils regelrecht „vollgestopft“ mit diversen Fossilien sind. Trotzdem wollte ich mein Glück versuchen und begann damit, einen der zahlreichen Laibsteine nach dem anderen aus dem Matsch zu ziehen und aufzuschlagen. Die teils riesigen Dimensionen von bis zu ~1,5 m Länge erschwerten dieses Vorhaben jedoch ein wenig. Gleich der erste von mir aus dem zähen Lehm gezogene Laibstein zeigte nach dem Aufschlagen im Querbruch Knochenstrukturen. Diese waren jedoch nicht weiter zuzuordnen und so verblieb der Fund zerhauen an Ort und Stelle. Da der Oberfläche des Laibsteins eine dicke Lehmschicht anhaftete, ließ sich auch an der Oberfläche nicht erkennen, um was es sich eigentlich handelte. Nach dutzenden Laibsteinen ohne Fund gab ich die Suche letztlich auf und machte mich auf den Heimweg, wobei mir die Knochen im ersten Laibstein nicht aus dem Kopf gingen. Zwei regnerische Tage später ergab sich noch einmal die Möglichkeit die Fundstelle zu besuchen und als erstes machte ich mich auf zu den Knochenresten, die glücklicherweise noch vor Ort lagen. Ich sah auf den inzwischen abgeregneten Laibsteinstücken sofort um was es sich handelte. Es war ein Ichthyosaurier, der genau in der Laibsteinrinde eingebettet war! Ich sammelte also alle Teile ein, wobei ich Zweifel an der Qualität der Knochen hatte, welche an der Oberfläche von Laibsteinen manchmal stark angewittert sind. Die fünf Hauptsegmente waren schnell gefunden und zum Auto verfrachtet. Ein kleines Teil fehlte jedoch – eine Hälfte des nach dem Regen deutlich sichtbaren Paddels. Auch nach ausgiebiger Suche blieb dieses Teil leider verschollen und ich musste mich damit abfinden, dieses Stück später zu ergänzen. Zu Hause angekommen, wurden die Laibsteinstücke abgebürstet. Dabei zeigte sich, dass es sich wohl um einen Schädel und einige disartikulierte Knochen handelte.

 

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Abb. 1: Ausgangszustand nach dem Abwaschen und vor der Präparation – der Skleralring des Auges lässt sich im linken Stein bereits erkennen, ebenso sieht man einige Erhebungen im Gestein an denen Knochen liegen.

 

Zu Beginn der eigentlichen Präparation waren viele Fragen offen: Wie fange ich an? Wo fange ich an? Zuerst kleben und dann präparieren? Lassen sich die Knochen mit Eisenpulver feinstrahlen oder muss ich alles sticheln?
Da das Fossil als Ganzes vermutlich nicht in die Strahlkabine gepasst hätte, fiel die Entscheidung, die Segmente zunächst einzeln zu präparieren. Dabei sollte darauf geachtet werden einen schmalen Streifen entlang der Bruchkanten unpräpariert zu lassen.
Beim ersten Anstrahlen mit etwa 4 bar zeigte sich schnell, dass die Knochen in einer sehr guten Erhaltung vorlagen und dass es problemlos möglich war diese zu strahlen. Da die Knochen im, Schädelbereich direkt in der Rinde des Laibsteins lagen, war vorheriges Sticheln um zunächst auf die Ebene mit den Knochen zu gelangen nicht notwendig. Die Strahltechnik bietet in solch einem Fall den Vorteil, dass Knochen, die noch komplett in der Matrix liegen und deren Position unbekannt ist, beschädigungsfrei gefunden werden können.

 

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Abb. 2: Beim Anstrahlen von Auge und Paddel zeigte sich, dass die Knochen in guter Erhaltung vorliegen.

 

Um zu sehen, ob die Schnauze des Ichthyosauriers vollständig ist, wurden nach dem ersten Anstrahlen die beiden kleineren Bruchstücke vorne angeklebt. Da die Klebefugen hier weniger Belastung ausgesetzt sind als bei den größeren Steinen, konnte dies zügig mit Sekundenkleber und kleinen Schraubzwingen erledigt werden. Anschließend wurde der Schädel grob freigestrahlt. Hierbei zeigte sich, dass er von der Schauseite her komplett artikuliert ist und auch die Zahnreihen bestens erhalten sind. Oberhalb und unterhalb kamen die Kieferspangen der Gegenseite beim Präparieren zum Vorschein, die sich vom Schädel getrennt hatten. Außerdem lagen im gesamten Schädelbereich verteilt Zähne, sowie unterhalb einige kleine Wirbel und ein Humerus. Bei den Zähnen musste der Strahldruck zwischenzeitlich von 4 bar auf 2 bar verringert werden, um keine Abplatzer des Zahnschmelzes zu riskieren. Ansonsten war die Matrix weich und die Knochen deutlich härter, somit war Feinstrahlen mit Eisenpulver das Mittel der Wahl.

 

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Abb. 3: Sauberes Anpressen mittels Schraubzwingen gewährleistet dünne Klebefugen.

 

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Abb. 4: Grob freipräparierter Schädel.

 

Bei den beiden anderen Hauptsegmenten (Mittelteil und Endstück) wurde ebenfalls zunächst mit etwa 4 bar Betriebdruck gestrahlt. Jedoch zeigte sich hier recht schnell, dass die Knochen teils etwas tiefer in der Matrix lagen. Somit kam hier zum ersten Mal nennenswert der Stichel (HW-65 mit Flachmeißel) zum Einsatz. Beim Präparieren aufgefundene Knochen wurden direkt freigestrahlt oder mit Edding die ungefähre Position markiert, um nicht aus Versehen doch etwas mit dem Stichel zu beschädigen.
Von nun an wurde die Präparation zunehmend mühsam und zeitaufwändig, da der Laibstein in der Tiefe immer härter wurde und damit auch der Abtrag durch das Strahlen deutlich mehr Zeit beanspruchte. Das direkte Sticheln der Knochen wäre zwar vermutlich möglich gewesen, jedoch war das Risiko von Abplatzern zu groß, daher entschied ich mich zum Freilegen der Fossilsubstanz diese ausschließlich zu strahlen.

 

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Abb. 5: Foto vom Zwischenstand der Präparation. Mit einem Edding wurden noch im Gestein liegende Knochen markiert sowie skizziert, wo das Gestein noch formatiert werden sollte.

 

Nachdem fast alle Knochen freilagen, ging es zurück zum Schädelbereich, der als erstes fertiggestellt werden sollte. Hierfür mussten die Knochen auch in der Tiefe freigelegt werden, um das Fossil etwas erhaben auf der Matrix zu präsentieren. Dabei konnte ich über dem Auge einen Wirbel und mehrere kleine Knochen lokalisieren. Außerdem wurden einige Feinheiten der bereits freiliegenden Knochen präpariert und anschließend die gesamte Matrix mit dem HW-65 in einer Pendelbewegung geglättet. Durch Sticheleinsatz beginnt die Matrix von Laibsteinen grundsätzlich zu glänzen (vgl. Abb. 5 & 6), daher wurde zum Abschluss noch einmal die gesamte Matrix abgestrahlt, um eine gleichmäßige Oberfläche zu erhalten.

 

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Abb. 6: Deutlich erkennbarer Unterschied zwischen glänzenden Stichelspuren und gleichmäßig gestrahlter Matrix am fertiggestellten Schädelbereich.

 

Das Vorgehen bei den beiden anderen Teilen war identisch: restliche Knochen freilegen, in die Tiefe präparieren, Matrix mit dem Stichel glatt schraffieren und zum Abschluss gleichmäßig abstrahlen.

Nach gut 40 Stunden Präparation war das Ergebnis durchaus ansehnlich und übertraf bei Weitem die Vorstellung, die ich hatte als ich das Stück aus dem zähen Lehm des Bauaushubs zog.

 

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Abb. 7: Fertig präparierte Laibsteinteile vor dem Zusammenkleben.

 

Der nächste Schritt war das Zusammenfügen der Einzelteile. Hier stellte sich die Frage, welcher Klebstoff verwendet werden sollte. Sekundenkleber ist für derart große Klebungen nicht geeignet, da er zu spröde ist und außerdem Klebefugen, die eventuell nicht ganz bündig aufeinander passen nicht vollständig ausfüllt. Von einem befreundeten Sammler bekam ich den Tipp, es mit Ponal Reparatur PUR-Spachtel zu versuchen. Um nicht sofort am Fossil mit einem neuen Klebstoff herumzuexperimentieren, wurde vorher an einem anderen Laibstein getestet. Die Belastbarkeit der Testklebung habe ich nach dem Aushärten des Klebers mit einem Hammer brachial auf die Probe gestellt, wobei nicht die Klebefuge aufging, sondern der Stein an anderer Stelle brach – Test bestanden.
Kurzerhand wurden zwei Freunde auf ein Bierchen eingeladen und mit sechs Händen waren die drei Segmente ruckzuck verklebt. Für den nötigen Anpressdruck sorgten auch hier einige Schraubzwingen. Anschließend stand „Abspecken“ auf dem Programm. Mit Akkuflex, Hammer und kleinen Meißeln wurde das Schädelsegment um die in Abb. 7 eingezeichnete, angekreuzte Fläche verkleinert. Danach wurde die Platte auf eine gleichmäßige Stärke von ca. 6 cm ausgedünnt. Hierfür wurden rückseitig sich kreuzende Schlitze eingesägt und die so entstandenen Quader mit Meißel und Hammer abgeschlagen. Der noch bestehende Spalt an der Rückseite der Platte wurde mit Ponal PUR-Spachtel verfüllt.

 

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Abb. 8 und 9: Verkleben der Teile (links); Anrühren des Ponal PUR Reparaturspachtels zum Auffüllen des mittig liegenden Spalts (rechts unten) sowie Spuren der zuvor für das Abspalten der Quader zur Matrixausdünnung angelegten Schlitze auf der Rückseite der Matrix (rechts oben).

 

Nun ging es an den Feinschliff. Die Klebefugen wurden von Kleberresten befreit und die stehengelassenen Matrixstreifen entlang der Klebefugen entfernt. Doch die schwierigste und zugleich auch eine der wichtigsten Etappen der Präparation stand noch bevor – die Matrixgestaltung. Es gab mehrere in Frage kommende Optionen:

 

Option 1: Alles so belassen, wie es war – für mich war diese Option schnell ausgeschlossen, da der Laibstein so ein unsauberes, halbfertiges Bild abgab.

Option 2: Dem Laibstein durch Einsetzen von Matrixstücken in die bestehenden Lücken eine annähernd ovale Form geben. Mit dieser Option liebäugelte ich eine ganze Weile. Jedoch – man möchte es nicht für möglich halten – ist es enorm schwer einen weiteren Laibstein zu finden, der dieselbe Farbgebung aufweist und als Ersatzteilspender dienen könnte. Es wurden mehrere Kandidaten im Gelände eingesammelt, um dann zu Hause festzustellen, dass sie doch nicht passen. Deswegen verwarf ich letztlich auch diese Option.

Option 3: Die Matrix so nah ans Fossil heran verkleinern, dass die „ Ausbisse“ verschwinden, an denen der äußere Rand der Matrix im Istzustand besonders nah ans Fossil heranreicht. Jedoch würde dieses Vorgehen das Gesamtbild massiv beeinträchtigen, da das Verhältnis von Fossil zu Matrix in ein Ungleichgewicht geraten würde.

Option 4: Jens Kucharski brachte mich auf die Idee, die Matrix nicht oval/rundlich zu formen, sondern mit einigen Ecken und Kanten. So würden sich die Matrixfehlstellen in das Gesamtbild einfügen, ohne weiter groß aufzufallen und außerdem bliebe dem Stück so ein wenig Natürlichkeit erhalten.

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Abb. 10 a–d: Verschiedene Optionen zur Matrixgestaltung des nun zusammengefügten Fossils. Fotos vergrößern.

 

Im Endeffekt ist es dann eine Abwandlung von Option 4 geworden, da während der Formgebung doch noch Stellen auffallen, die man besser gestalten könnte. Hierbei kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen. Das Formen der Matrix wurde mit einem Diamantsägeblatt auf der Akkuflex erledigt und die Kanten hinterher mit einer Schruppscheibe geglättet. Im gleichen Arbeitsschritt wurden auf der Rückseite die Spuren vom Schlitzen und Abspalten der Quader ebenfalls grob abgeschliffen.

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Abb. 11: Fertig geformte Matrix, orientiert an Option 4. Foto vergrößern.

 

Nach der Präpration gestaltete sich die Restauration noch einmal als große Herausforderung. Es galt das fehlende Stück Paddel zu ergänzen sowie einige kleinere Lücken in der Knochensubstanz entlang der Bruchkanten der drei Hauptsegmente des Laibsteins zu verfüllen. Hierfür wurde Apoxie Sculpt in den Farben „Natur“ und „Braun“ gemischt und mit Wasserfarben versucht annähernd die Farbe der Knochensubstanz nachzuahmen. Die kleinen Fehlstellen entlang der Bruchkanten waren schnell aufgefüllt, die umfangreichere Ergänzung am Paddel vorzunehmen, gestaltete sich naturgemäß schwieriger. Zunächst musste hier mit reinem Apoxie Sculpt „Natur“unterfüttert werden, welches der grauen Farbe des Inneren des Laibsteins sehr nahekommt. Darauf wurden dann einzeln geformte Paddelknochenrohlinge gesetzt, die wiederum aus der zuvor beschriebenen Mischung bestanden. Mit Skalpellen und verschiedenen Behelfswerkzeugen wie Nadeln, Schraubenziehern und Pinselstielen wurden die Paddeglieder geformt. Die endgültige Nachahmung der porigen Knochenstruktur konnte mit einem kleinen Stück Schleifpapier in 40er Körnung in die Oberfläche eingedrückt werden. Zum Abschluss der Präparation wurden die Knochen mit einer Lösung aus Paraloid B67 (6%) in Ethylacetat eingelassen.

 

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Abb. 12: Unterfütterung der Paddelergänzung in Apoxie „Natur“ (links) und Nachahmung der Knochenstruktur (rechts).

 

Fazit
Aus einem anfangs liegengelassenen Knochenhaufen ist in etwa 55 Stunden Präparation (unter Einschluss der Restauration) ein mehr als ansehnliches Schaustück geworden, welches wohl lange Zeit in meiner Sammlung verweilen wird. Die gesamte Platte misst 76 cm in der Breite. Der Schädel ist 32 cm lang.

 

Die folgenden Fotos (Abb. 13–21) zeigen das Präparationsergebnis in der Übersicht und im Detail.

 

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Abb. 13: Gesamtansicht. Der Schädel ist 32 cm lang. Foto vergrößern.

 

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Abb. 14: Foto vergrößern.

 

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Abb. 15: Foto vergrößern.

 

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Abb. 16: Foto vergrößern.

 

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Abb. 17: Blick u.a. auf den ausgeprägten Skleralring. Foto vergrößern.

 

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Abb. 18: Foto vergrößern.

 

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Abb. 19: Foto vergrößern.

 

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Abb. 20: Foto vergrößern.

 

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Abb. 21: Foto vergrößern.

 

Fabian Weiß für Steinkern.de

 

 


 

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