Stichel- und Strahlpräparation eines Ceratites evolutus aus dem Weserbergland

Im Weserbergland werden in mehreren Tagebauen Gesteine des Oberen Muschelkalks zur Schottergewinnung abgebaut. Ziel des Abbaus sind insbesondere die mächtigen, ziemlich verwitterungsresistenten Bänke des Trochitenkalks. In diesen treten die namengebenden Trochiten (Stielgieder) der Seelilie Encrinus liliiformis, die im Flachwasser des Germanischen Beckens lebte, teils gesteinsbildend auf. Da Crinoiden schnell nach ihrem Tod in ihre Einzelteile zerfallen und daher nur unter günstigen Umständen (schnelle Einbettung) überliefert werden, gelten vollständige Encrinus-Kronen unter Fossiliensammlern als Sammlungs-Highlights. Im Weserbergland – einem klassischen Fundgebiet für Encrinus – sind, mit großem Glück oder durch stete Beobachtung des Abbaufortschritts in den Steinbrüchen, meist aber nur unter Hinzutreten von unermüdlichem körperlichen Einsatz, noch heute gute Funde von Encrinus und anderen Stachelhäutern möglich (vgl. den Artikel von Michael Mertens "Neue Funde von Stachelhäutern aus dem Muschelkalk des Lipper Landes" in Der Steinkern - Heft 19).

Die im Hangenden auf den Trochitenkalk folgenden Ceratitenschichten, welche aus einer Wechselfolge von Kalken und Mergeln bestehen, repräsentieren Sedimente, die in etwas tieferem Wasser zur Ablagerung gelangten, hier waren u. a. Ammonoideen der Gattung Ceratites verbreitet. Diese gehören nicht zu den Ammoniten im engeren Sinne (Ammonitida). Die mergelige Fazies ist für die Steinbruchsbetreiber kaum wirtschaftlich zu gebrauchen, stellt also weitestgehend Abraum dar und wird folglich in den Brüchen direkt wieder verkippt. Für den Fossiliensammler ist dies ein glücklicher Umstand, denn so sind häufig Halden vorhanden, die das Absammeln von Ceratiten ermöglichen. Zwar sind solcherlei Haldenfunde aus wissenschaftlicher Sicht nicht besonders wertvoll, da sie nicht mehr exakt einer Fundschicht zugeordnet werden können und somit keinen Beitrag zur Erforschung der Ceratiten-Evolution mehr leisten können, jedoch können trotzdem schöne und instruktive Sammlungsstücke daraus werden. Findet der Abbau in besonders stark fossilführenden Lagen statt, gibt es "Ceratiten satt". Ceratiten aufzulesen ist – anders als das Ergraben der Seelilien - eine dankbare Tätigkeit. Stimmen die Rahmenbedingungen, kann man am Ende eines Sammeltags durchaus mit einem merklichen Gewichtszuwachs im Rucksack rechnen, ein halbes Dutzend oder gar ein Dutzend Funde sind durchaus möglich. Je selektiver man schlechter erhaltenes Material bereits vor Ort liegen lässt, desto weniger muss man am Ende schleppen - man hat es also ein Stück weit selbst in der Hand. Am Anfang sollte man aber durchaus auch Übungsmaterial für Testzwecke mitnehmen - auch gilt das Motto "wegschmeißen kann man immer noch".

 

Die stellenweise durchaus beachtliche Quantität der Funde darf jedoch nicht über die speziell im Lipper Land oftmals recht bescheidene Erhaltungsqualität hinwegtäuschen. Man findet generell im Ablagerungsraum des Germanischen Becken lediglich Steinkerne, Schalen sind nicht überliefert. Bedauerlicherweise wurden die Ceratitengehäuse oftmals nur rudimentär mit Sediment verfüllt und weisen so, insbesondere auf der Gehäuseoberseite, Fehlstellen auf. Die Innenwindungen sind, speziell im Lipper Land nur selten überliefert (Ausnahmen bestätigen die Regel), Erklärungen dafür sind in Stefan Wagners lesenswertem Artikel "Sedimentation in Ceratitengehäusen" auf Steinkern.de zu finden.

 

Hat man nun einige Haldenfunde zusammengetragen, stellt sich spätestens nach dem Abwaschen und Abbürsten die Frage, wie man die noch vorhandenen hartnäckigen Mergelanhaftungen los wird, vorausgesetzt dass der Ceratit überhaupt im Mergel sitzt und nicht in einer Kalkbank, was automatisch andere Anforderungen an den Präparator stellt und eine anspruchsvolle "Präparation durch die Bank" erforderlich macht, die nicht Gegenstand dieses Beitrags sein soll.

 

Präparation vorwiegend mergelig eingebetteter Ceratiten: Viele Wege führen nach Rom

Um Mergelanhaftungen loszuwerden, gibt es glücklicherweise eine Reihe unterschiedlicher Methoden, die Erfolg versprechen. Schon nach einem Wasserbad lösen sich erste Mergelanhaftungen durch Aufquellen des Sediments. Weiteres lässt sich nicht selten in kleinen Placken mechanisch unter Zuhilfenahme eines Skalpells, mit sonstigen Kratzern und Schabern beseitigen. Stößt man an Grenzen dieses Geräts oder möchte den Vorgang beschleunigen, kann man durchaus auch Gestein mit einem Druckluftstichel abtragen.

Besonders schonend kann man dünne Mergelanhaftungen stattdessen z. B. mit dem Tensid Rewoquat entfernen, zur Wirkungsweise siehe Joachim Stricks Artikel "Präparieren mit dem Tensid Rewoquat"" auf Steinkern.de.

Solange die Härte des Ceratiten-Steinkerns durch höheren Kalkgehalt gegenüber dem weicheren Umgebungsgestein einen deutlichen Kontrast bietet, ist auch eine Präparation mittels Strahltechnik ein probates Mittel. Hierbei gilt als Faustregel: je geringer der Härteunterschied, desto schlechter das Ergebnis. Hier sind dann andere mühseligere Techniken überlegen, z. B. Schabetechniken (im Feinbereich haben Muschelkalksammler z. B. mittels Scaler gute Ergebnisse erzielt), bei denen in Fossilnähe immer wieder – etwa durch Benetzen mit Wasser – geprüft werden kann, ob die Fossiloberfläche bereits erreicht ist. Ich möchte also keineswegs mit diesem Artikel den Eindruck erwecken, dass Sandstrahlen das "Nonplusultra" beim Präparieren von Ceratiten ist. Diese Aussage wäre schlichtweg falsch. Es gehört aus meiner Sicht aber durchaus in den Kanon vieler unterschiedlicher Methoden, die allesamt mehr oder weniger gute Ergebnisse liefern. Auch das Kombinieren unterschiedlicher Verfahren ist möglich und so kann jeder seine eigenen Vorlieben bei der Ceratiten-Präparation entwickeln. Sobald die Ergebnisse subjektiv (am besten auch objektiv) zufriedenstellend sind, kann man sich dann auch an die Freilegung von besseren Fundstücken oder horizontiert gesammeltem Material aus dem Anstehenden machen.

 

Präparationsbeispiel

Die limitierenden Faktoren bei der Arbeit sind die Qualität des Rohlings, die eigene Geschicklichkeit, die individuelle Geduld und auch die Zeit, die man investieren möchte sowie das vorliegende Werkzeug. Dies gilt auch bei dem vorgestellten Exemplar, das vor wenigen Wochen in einem Steinbruch bei Marienmünster (Kreis Höxter) gefunden wurde und mittlerweile innerhalb von rund zweieinhalb Stunden freigelegt wurde, nachdem es zuvor über einige Tage hinweg ein Wasserbad genommen hatte. Nach dem Wässern, durch das sich schon etwas Mergel vom Fossil abgesprengt hatte, wurde zunächst mit einem Skalpell mergelige Matrix vom Ceratiten herunter gekratzt, anschließend wurden dann stärker kalkige Partien mit dem Druckluftstichel HW-70 abgesprengt. Beim Arbeiten mit dem Druckluftstichel bewährte sich ein Flachmeißeleinsatz. Die breite Schneide bewirkt gegenüber der Arbeit mit einer Nadelspitze ein besseres Abplatzen des Sediments und der Stichel frisst sich nicht im Mergel fest. So sieht man besser, wo man in Relation zum Fossil gerade unterwegs ist und unternimmt keine unnötigen Tiefbohrungen, bei denen man letztlich mehr "nach Gehör präpariert" als dass man sieht, was man gerade tut. Mit dem Flachmeißel lässt es sich, solange die Trennung ausreichend ausgeprägt ist, recht zuverlässig vermeiden, unnötige "Treffer" auf dem Steinkern zu produzieren, weil das Gestein sich oft schon unter den Schlägen des Stichels in einigen Millimetern Abstand zum Fossil abschert. Dies gilt nicht für den dünnen Kalkmergelfilm auf der Oberfläche und auch nicht für örtliche Verkrustungen bzw. Flächen mit geringem Härteunterschied zwischen Fossil und Gestein (z. B. häufig in Richtung Nabels des Ceratiten).

 

ceratites evolutus

Abb. 1-3: Präparationsstudie der mergeligen und daher einfacher präparierbaren Seite, die vermutlich die Oberseite / Hangendseite darstellt. Die Rippenbögen des Phragmokons sind hier schlechter erhalten und wirken wie "erodiert". Tatsächlich ist aber wohl nichts erodiert, sondern der Steinkern einfach nicht ganz restlos mit Trübe ausgefüllt worden, wodurch die höchstgelegenen Strukturen nicht restlos mit Sediment ausgeformt wurden.

 

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Abb. 4-7: Präparation der vermutlichen (da besser mit Sediment ausgefüllt) Unterseite (Liegendseite). Das Zentrum wurde nicht freigelegt, da die Windung hier löchrig wird, absackt und in hartem Kalk verschwindet. Die daraus resultierende zentrale Freifläche wurde mit dem Druckluftstichel geglättet und anschließend einmal kurz gestrahlt, um das vom Druckluftstichel aufgeraute und dadurch helle Gestein nachzudunkeln lassen.

 

Für meine Begriffe ist die Außenwindung des Ceratiten mit dem beschriebenen Verfahren relativ ordentlich herausgekommen. Soweit sich im makroskopischen Bereich Löcher in der Oberfläche des Steinkerns zeigen, waren diese schon zuvor vorhanden und sind nur durch die Präparation freigelegt, nicht etwa durch diese hervorgerufen worden (hier keine Schutzbehauptung ;-) ). Die einfache ceratitische Lobenlinie lässt sich nun gut studieren. Es fällt auf, dass das äußere Viertel des Gehäuses nicht mehr gekammert ist, hier haben wir also die Sedimentausfüllung der Wohnkammer des "Probanden" vor uns.

Eindeutige Schwächen zeigte die Sandstrahlmethode im Nabelbereich, wo weicher Mergel vorliegend recht abrupt in mikritischen Kalk überging und auch mit dem Stichel keine Trennfuge gefunden werden konnte. Steinkern und Sediment waren hier gleich hart, der Eisenpulverstrahl drang daher bei Berührung in die Oberfläche des Fossils genau so ein, wie in das umgebende Sediment. Um überhaupt einen Abtrag zu erzeugen, musste der Betriebsdruck deutlich erhöht werden. Die letzte Windung ist daher leider mehr vom Strahl "modelliert" als "präpariert", wobei notdürftig versucht wurde, nach Erreichen des Fossils dieses so wenig wie möglich mit dem Pulverstrahl zu tangieren (Abb. 1-3).

Andere, zeitaufwendigere Methoden (Schaben, ggf. mittels Scaler, den ich bislang noch nicht zu meinem Werkzeugsortiment zähle) hätten hier sicherlich noch ein etwas besseres Ergebnis erbringen können, allerdings auch erheblich mehr Zeit in Anspruch genommen. Für das vorliegende eher häufige Exemplar, das Merkmale später Vertreter der Art Ceratites evolutus (Externknötchen auf Einfachrippen) und einen vergleichsweise weiten Nabel zeigt (frdl. persönl. Mitteilung Robert Ernst) und sich daher diesem Formenkreis zuordnen lässt, genügt mir einstweilen das erzielte Ergebnis. Möglicherweise kann ich im Laufe weiterer Exkursionen noch etwas besser erhaltene Exemplare entdecken, bei denen größerer Zeiteinsatz beim Präparieren eher gerechtfertigt ist. Beim Strahlen hinreichend mergeliger Partien würde ich dabei durchaus bleiben, lediglich für Bereiche mit geringerem Härteunterschied andere Methoden ausloten.

Die im Bereich der Außenwindung eigentlich etwas besser erhaltene Gegenseite (Abb. 4-7) wurde nicht zu Ende präpariert, weil das Sediment im Nabel hier ausgesprochen hart (kalkhaltig) ist und zudem die Windung deutlich absackt, wodurch bei mir der Eindruck entstand, dass das Zentrum hier möglicherweise gar nicht erhalten ist und ich beim Weiterarbeiten recht schnell ein "Guckloch" produzieren könnte, da das Sediment in der Mitte des etwas verdrückten Ceratiten bereits jetzt nur noch einige Millimeter dünn ist.

 

Nach der Präparation wurde der 9,5 cm große Ceratites evolutus mit Rember Steinpflegemittel behandelt, was einen erheblich farbvertiefenden (verfälschenden?) Effekt hat - Geschmackssache! In diesem Fall gefiel mir der matte Steinkern nicht, so dass ich zum Rember griff.

 

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Abb. 8-10: Mit Druckluftstichel und Sandstrahlgerät freigelegter Ceratites evolutus, 9,5 cm, Kreis Höxter.

 

Dass man auch ohne Stichel und Strahlgerät gute Ergebnisse erzielen kann, zeigt der Steinkern-Bericht "Ohne Stichel – Präparation eines Ceratites nodosus"Ohne Stichel – Präparation eines Ceratites nodosus" von Stefan Wagner.

Eine zusätzliche "Anleitung zur Präparation eines Ceratiten" findet sich bei unseren Sammlerfreunden vom Trias-Verein Thüringen.

 

Dank

Für Ihre freundliche Hilfe bei der Bestimmung des Ceratiten danke ich den Muschelkalk-Experten Robert Ernst und Joachim Suchopar.

 

Ausblick

Vielleicht hat jemand von den Lesern - unter denen sich fraglos reichlich erfahrenere und bessere Ceratiten-Präparatoren als ich befinden - Lust, seine eigene Freilegungstechnik einmal in Wort und Bild zusammenzufassen oder auch eine Präparation eines Ceratiten von der Bankunterseite beschreiben? Durch Vorstellung unterschiedlicher Praktiken, könnten die Steinkern-Leser an Orientierung auf der Suche nach ihrer individuellen "best practice" erhalten. Das eigenständige Ausprobieren bleibt einem trotzdem nicht erspart, denn am Ende ist Präparation immer auch eine Sache der Übung. In diesem Sinne: versuchen Sie es einfach und zeigen Sie Ihre Ergebnisse im Forum, wo die Mitglieder gerne bei Bedarf Tipps geben, Sie müssen ja nicht gleich mit dem wertvollsten Ihrer Fundstücke anfangen!

 

Sönke Simonsen