Aegocrioceras-Stufe aus dem Hauterivium von Resse - ein Großprojekt

Liebe Steinkerne,

in diesem Bericht möchte ich Euch gerne die Präparationsschritte an einer weiteren Geode aus der ehemaligen Tongrube Resse zeigen, die diesmal in einer nicht ganz alltäglichen Vorgehensweise präpariert wurde.

Der Bericht ist an alle Liebhaber heteromorpher Ammoniten gerichtet, denn diese Gattungen üben durch ihre bizarren Formen eine besondere Faszination aus. Er soll zudem veranschaulichen, dass man auch nach sehr vielen Fehlschlägen nicht aufgeben sollte, an seinem „Wunsch-Projekt“ zu arbeiten. Auch beim Präparieren lohnt es sich immer wieder neue Motivation zu schöpfen – auch dann „wenn´s mal wieder länger dauert...“.

Der Abbau im Hauterivium (Unterkreide) der Tongrube Resse (Niedersachsen) wurde vor einigen Jahren leider aus wirtschaftlichen Gründen weitestgehend eingestellt, so dass die glorreichen Zeiten der Grube ersteinmal vorbei sind. Es fand in den letzten Jahren nur noch in geringem Maßstab (wenige Lkw-Ladungen) ein Abbau von Ton als Zuschlagsstoff für Teichsteine statt.

 

Die Suche nach der passenden Konkretion

Ich habe zur Zeit des aktiven Abbaus über viele Jahre hinweg Ausschau nach einer geeigneten Konkretion gehalten und es war nicht einfach ein passendes Objekt zu finden, das für meine „Vision“ geeignet schien. Ich habe lange Zeit mit dem Gedanken gespielt, einmal ein ganzes Geodennest mit mehreren Aegocrioceraten darin präparieren zu können. Die Idee war, diese jeweils in verschiedenen Ansichten zu präparieren: Aegocrioceraten „in situ“, freigestellt „in 3D“ über der Matrix schwebend und in der „Durchsicht-Präparation“ mit Kalzitstegen als Brücken zum Gestein.

Zu den Schwierigkeiten eine geeignete Konkretion zu finden, muss man wissen, dass zu der besagten Zeit der Raupenfahrer die Konkretionsnester aus den jeweiligen Lagen beim Abschieben des Tons in der Regel mit dem Schieber "erwischt" und somit die Nester meist auseinander gerissen hat. In der Regel wurden dann die teilweise zerbrochenen Konkretionen mit denen aus anderen Lagen vermischt, so dass keine Rekonstruktion denkbar war.
 
Nach sehr vielen Misserfolgen auf der Suche nach dem passenden Stück, lief ich eines Tages einen frischen Schubgrat der Raupe ab und bemerkte, dass eines der besagten Geodennester am Hang oberflächlich angeschoben wurde, ohne groß beschädigt worden zu sein. Es lag also noch komplett im Anstehenden vor. Dies barg eine gewisse Chance für mich an den erhofften Rohling zu kommen, jedoch ist das Bergen das eine - die Erhaltungsqualität der Ammoniten darin (wenn überhaupt etwas darin enthalten sein würde, eine Garantie dafür hat man nicht!) eine völlig andere Geschichte. Es eröffnete sich mir hier immerhin eine realistische Chance. So bat ich den Raupenfahrer um Erlaubnis, das Nest freipickeln zu dürfen und erhielt diese dankenswerterweise auch, denn die Konkretion lag recht oberflächennah am Grubenrand, so dass zur Bergung kein allzutiefes Grabungsloch erforderlich war.

 

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Abb. 1: Da es damals streng untersagt war, die Geoden in der Grube anzuschlagen und mir das Risiko Teilstücke – z. B. beim Aufklopfen auf dem „Geoden-Klopfplatz“ - zu verlieren ohnehin zu groß war, beschloss ich das vom Gewicht des Radladers zerbrochene Nest ohne allzuviele Einblicke in dessen Inneres mit nach Hause zu nehmen. Glücklicherweise hatte der Raupenfahrer ohnehin gerade Feierabend und war bereit alle Teile in seine Schaufel zu laden und hoch zum „Raupenkäfig“ zu transportieren. Angesichts des hohen Gewichts der Knolle ein großer Komfort, denn vom Radlader-Stellplatz war der Weg zum Pkw glücklicherweise nicht mehr weit.

 

Die Präparation - ein langwieriges Projekt

 

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Abb. 2: Zuhause angekommen, galt es ersteinmal die Knolle anzuschlagen. Hierbei kann man dann mit ein wenig Glück in den jeweiligen Querbrüchen Aegocrioceraten erkennen. Dies gibt einem aber noch lange keine Garantie auf gut erhaltene Exemplare. Nur wenn man das Zentrum bzw. die Innenwindungen des Ammoniten im Querschnitt trifft, kann man sich einigermaßen sicher sein, später nach dem Zusammenkleben ein vollständiges Exemplar freilegen zu können. Auf dem „getapten“ Teilstück links wurde ich beim Anschlagen fündig. Das Exemplar oben lag im Randbereich und hier konnte ich nach dem Anpräparieren relativ rasch einige Windungen erkennen. In den anderen Bereichen der Knolle untersuchte ich nach und nach die „Aegos“ auf ihren jeweiligen Erhaltungszustand hin. Eine Detailansicht von Abb. 2 steht hier zum Anschauen bereit.

 

 

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Abb. 3: Mit diesem Bild gab es dann auch endlich eine gewisse Klarheit: Die Aegocrioceras-Konkretion scheint tatsächlich präparationswürdig zu sein! Insgesamt hatte ich es mit zirka 40 unterschiedlich großen Konkretionssplittern zu tun. In den unteren Bruchstücken sind noch zum Teil die zerbrochenen Innenwindungen zu den jeweiligen Ammoniten enthalten.

 

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Abb. 4: Hier kann man den einzigen Bereich der Konkretion mit massiven Kalzitadern sehen, der eine „Durchsicht-Präparation“ zulassen dürfte. Ein kleines Aegocrioceras steckt noch im Gestein, beim großen Exemplar ist die Innenwindung isoliert worden, um sie einzeln freilegen zu können.

 

 

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Abb. 5: Etliche Stunden später, sieht man schon deutlich mehr. Die Innenwindungen sind nun bereits zu guten Teilen freigelegt. Die Innenwindung des großen Exemplars rechts im Bild muss noch freipräpariert und eingesetzt werden. Zum ersten Mal bekommt man nun einen Eindruck von der Qualität der Stufe und somit auch einen Motivationsschub wirklich weiter daran zu arbeiten. Bevor es ans Zusammenkleben geht, wird jedes Teilstück, wegen des besseren Handlings, separat präpariert.

 

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Abb 6: Da die Aegocrioceraten in unterschiedlichen Höhen innerhalb der Knolle zur Ablagerung gelangten, musste ich die z.T. erheblichen Höhenunterschiede beim Präparieren ausgleichen bzw. angleichen; die ganze Geode sollte wellenförmig zu den jeweiligen Ammoniten hin in Form gebracht werden.

 

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Abb. 7: Aus Stabilitätgründen beschloss ich die Konkretion im Inneren mit Stahlstiften zu verstärken.

 

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Abb. 8: Nach dem Verkleben kam die Feinbearbeitung der jeweiligen Höhenlagen an die Reihe, alles wurde im Niveau aneinander angeglichen.

 

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Abb. 9: Auf der rechten Seite sind nun die ersten Schleifarbeiten zu erkennen. Das große Aegocrioceras cf. raricostatum links im Bild wurde wegen der besseren Ansicht fürs Foto vorerst nur lose nahe seiner Originalposition aufgelegt.

 

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Abb. 10: Jetzt kam der schwierigste Arbeitsschritt an die Reihe - die „Durchsicht-Präparation“. Das große Aegocrioceras ist noch staubig vom Strahlpulver und wurde auch hier nur zur besseren Orientierung lose aufgelegt. Diese Orientierung ist bei Exponaten, die erst zum Schluss zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden können, immer wieder für weitere Entscheidungen bei der Präparation hilfreich, um den Überblick nicht zu verlieren.

 

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Abb. 11: Zur Erhöhung der Stabilität beim Präparieren, durch das ständig kleine Erschütterungen ausgelöst werden, wurde der Außenbereich mit Panzertape in mehreren Lagen abgeklebt. Der „Durchbruch“ ist bereits geschafft. Auf der Rückseite wurden bei dieser Arbeit noch zwei weitere Bruchstücke von Aegocrioceras gefunden. Ein Teilstück, welches auf der rechten Seite zur Ablagerung gelangt ist, habe ich isoliert (es ist daher auf diesem Foto nicht zu sehen), um besser an den Kalzitstegen arbeiten zu können. Die kurzzeitig entnommenen Aegogrioceras-Windungen wurden vor dem Aufnehmen des folgenden Fotos bereits wieder eingeklebt.

 

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Abb. 12: Der Durchsicht-Bereich mit den freigelegten und eingeklebten Aegocrioceraten vor der Feinbearbeitung.

 

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Abb. 13: Ungewöhnliche Projekte verlangen manchmal auch ungewöhnliche Arbeitsschritte. Die "Hochzeit" oder auch „Wiedervereinigung“ der beiden letzten großen Hälften. Auch hier wurden die Klebenähte zur Sicherheit mit Stahlstiften verstärkt.

 

 

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Abb. 14: Die allerletzten Schritte - dann ist es vollbracht. Die ganze Konkretion bzw. deren Oberfläche wird nun mit dem Sandstrahler bearbeitet. Das garantiert eine einheitliche Oberfläche und kaschiert die metallisch-glänzenden Spuren der zuvor eingesetzten Arbeitswerkzeuge. Sämtliche Klebenähte werden nun noch angeglichen und verschliffen. Dannach bekamen die „Aegos“ noch ein Firnis mit einem speziellen Präparationslack, der die Tiefenwirkung fördert und auch leichte Schlagspuren wieder ausgleicht.

 

 

15 steinkern aegocrioceras

Abb. 15 a und b: Nochmals die Ansicht des Rohlings im Anstehenden der Grube Resse, hier gegenübergestellt mit dem fertigen Präparat. Vom fertigen Präparat steht hier eine größere Ansicht bereit.

 

 

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Abb. 16: Das fertige Präparat.
Die maximale Abmessung der Geode beträgt 50 cm in der Höhe und 40 cm in der Breite, das große Aegocrioceras cf. raricostatum rechts hat einen Durchmesser von 14,5 cm, das Aegocrioceras links, welches auf dem Gestein belassen wurde misst 10,5 cm, das Exemplar oben links 12,5 cm und das kleine Aegocrioceras oben rechts etwa 5,5 cm.


Fossil: mehrere Exemplare von Aegocrioceras, vermutlich A. raricostatum
Formation: Kreide, Oberes Hauterivium, Aegocrioceras-Schichten
Alter: zirka 130 Millionen Jahre
Fundort: Tongrube Resse

 

Wegen des enormen Zeitaufwands habe ich nur von Zeit zu Zeit immer wieder an der Stufe weitergearbeitet, je nachdem wie es die Freizeit zugelassen hat. Insgesamt hat sich das ganze Projekt so über rund 10 Jahre hingezogen - wie beschrieben, wurde in dieser Zeit nur ab und an weitergearbeitet, daher kann ich leider keine genauen Angaben zur effektiven Arbeitszeit machen.

 

Als Arbeitswerkzeuge von grob bis fein kamen bei der Präparation eine Flex, ein Drucklufthammer (Schriftenmeißel), Superjack, HW 65, HW 70-3, Druckluftschleifwerkzeuge von grober bis mittelfeiner Ausführung zum Einsatz. Zur Feinbearbeitung wurde schließlich auf den guten alten Dremel mit Diamantwerkzeugen in verschiedenen Ausführungen zurückgegriffen. Insgesamt habe ich einen 10 Liter-Eimer Strahlpulver verbraucht.

 

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Abb. 17: Detailansicht des gefensterten Teils der Stufe.

 

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Abb. 18: Der Phragmokon des Aegocrioceras rechts im Bild schwebt z.T. erhaben über dem Gestein.

 

Die Konkretion zeigt die Variationsbreite von Aegocrioceras cf. raricostatum im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen der Aufrollung. Bei dieser Spezies handelt es sich um die am stärksten entrollten Formen aus Resse. Diese werden in der Schicht 92 gefunden, vgl. zur Stratigraphie die Abb. 3 in Kai Nungessers informativen Steinkern-Bericht über die Mikrofossilien von Resse.

 

Ich danke für Euer Interesse,

Axel Cordes

 

 

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