Private Sammlungen

Fossilien auf Mallorca – die Sammlung José Juárez Ruiz und eine Exkursion in die mallorquinische Unterkreide

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Die Baleareninsel Mallorca ist deutschen Lesern normalerweise als ein Ziel für den Sommerurlaub bekannt. Eine kurze Anreise per Flugzeug, meist schönes Wetter und herrliche Strände sorgen für Attraktivität. Auch mir kamen früher beim Stichwort „Mallorca“ in erster Linie diese Dinge in den Sinn, dazu noch Lokalitäten wie der Ballermann, Palma und S’Arenal sowie betrunkene Touristen. Mallorca hatte ich deshalb für mich als Ort abgelegt, an dem ich nicht unbedingt meinen Urlaub verbringen muss.

Doch irgendwann hörte ich von Freunden, dass es neben dem Pauschaltouristen-Mallorca noch eine andere Seite der Insel gab: ruhige Orte fernab der Touristenzentren, wunderschöne Natur und ein Gebirge mit interessanter Geologie, welches zum Wandern einlädt. Als ich dann noch den Bericht über eine Reise nach Mallorca der Fossilien wegen auf der Website des Trias Verein Thüringen las, war mein Interesse geweckt.

So beschlossen wir – meine Familie und ich – im Sommer 2013 zwei Wochen auf Mallorca zu verbringen. Der Flug wurde gebucht, eine Finca gemietet und ein Mietwagen bestellt, und Anfang Juni ging es los.

Im Vorfeld versuchte ich mich zu belesen, wo man auf Mallorca Fossilien sammeln kann. Neben einem eher oberflächlichen Artikel in einer alten Ausgabe der Zeitschrift „Fossilien“ und einigen wenigen Resultaten, die Google ausgab, fand ich aber nichts. Meine Recherchen und das Herumfragen bei Sammlerfreunden brachten mich dann auf den Lokalsammler José Juárez Ruiz, den ich einige Monate vor der Reise via Facebook kontaktierte. Wir chatteten öfter, tauschten einige Mails aus und beschlossen, während meines Urlaubs auf Mallorca zusammen ins Gelände zu gehen.

So geschah es dann auch. An einem Freitag Morgen brach ich von unserer Finca bei Fornalutx aus auf, um José in seiner Heimatstadt Binissalem – übrigens ein Zentrum des Weinbaus auf Mallorca (ja, die Weine von dort sind sehr zu empfehlen!) – zu treffen. Wir verabredeten uns am Bahnhof der Stadt, unweit von Josés Wohnhaus. Binissalem ist ein typisch mallorquinischer Ort mit engen Gassen, in welchen das Parken meist problematisch ist. Kurz nach meiner Ankunft erschien José, zusammen mit zwei italienischen Sammlerfreunden, Gianluca Boninsegni und Marco Ferreri. Leider spreche ich weder Spanisch noch Katalanisch, aber auf Englisch war die Kommunikation problemlos möglich. Wir beschlossen, zuerst seine Sammlung zu besichtigen – von dieser hatte ich schon in Deutschland gehört, dass sie äußert sehenswert sein sollte.

José ist ein freundlicher, aufgeschlossener und entspannter junger Mann von 25 Jahren, ein typischer Mallorquiner. Geboren und aufgewachsen in Palma zog er vor einigen Jahren mit seinen Eltern nach Binissalem. Seine Sammelleidenschaft wurde geweckt, als seine Eltern ihm im Alter von 5 Jahren einen geschnittenen und polierten Ammoniten schenkten – heute weiß er, dass es sich um einen Hildoceras bifrons aus dem Département Aveyron (Frankreich) handelte. Dieses Erlebnis und erste Sammeltouren bildeten die Grundlage für sein stetig wachsendes Interesse an Fossilien im Allgemeinen und Ammoniten im Speziellen.

 

José mit zwei mallorquinischen Großfossilien: links Skirroceras bayleanum, Unteres Bajocium, und rechts Zetoceras aff. anatolicum aus dem Oberen Pliensbachium.

 

Konsequenterweise studierte José später Geologie in Madrid, wechselte dann aber an die Universität der Balearen in Palma, um sein Studium mit Geschichte fortzusetzen. Er plant jedoch, wieder nach Madrid zurückzukehren, um dort seinen Master in Paläontologie und Stratigraphie abzulegen.

Seine Sammlung ist in der Tat mehr als nur sehenswert. Hier findet man an einer Stelle, was Mallorca an Fossilien zu bieten hat – und das ist nicht gerade wenig! Wie bereits erwähnt, gilt sein Hauptinteresse den Ammoniten, und hier speziell den heteromorphen Formen aus der tethyalen Unterkreide, welche er quasi vor der Haustür hat. Die meisten Stücke der Sammlung sind selbst gefunden und präpariert. Außer Ammoniten beherbergt sie noch pliozäne und pleistozäne Mollusken. Neben den Fossilien hat José auch noch großes Interesse an Archäologie, besonders an Steinwerkzeugen des Paläolithikums. Außerdem spielt er leidenschaftlich und virtuos die Violine.

 

Sammlung Teil 1 – in der Präparierwerkstatt. Die meisten der Fossilien stammen von Mallorca.

 

 

Josés Präpariertisch

 

 

Hypanthoceras reussianum aus Halle (Westfalen), Oberturon

 

 

Scaphites gibbus (M), Untercampan, Ostmünsterland

 

 

links: Crioceratites matsumotoi. Unteres Hauterivium, Alpes de Haute-Provence; rechts: Spiroceras orbignyi, Oberes Bajocium, Alpes de Haute-Provence

 

Die Sammlung besteht aus ca. 3000 Stücken, zumeist Ammoniten, aber ebenso Nautiliden, Belemniten und Gastropoden. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterkreide und dem Jura Mallorcas – in diesen Schichten sind die meisten Ammoniten zu finden. Allein dort hat José mittlerweile ca. 250 Arten von Cephalopoden gesammelt! Die zerklüftete Geologie der Insel schließt außerdem noch die Oberkreide und die Trias auf – erstere ist jedoch frei von Makrofossilien, und in letzterer sind diese extrem selten (hier sei auf den oben erwähnten Beitrag des Trias Vereins verwiesen, in dem einige Altfunde aus dem malloquinischen „Muschelkalk“ beschrieben werden). Die meisten „modernen“ Ammoniten Mallorcas entstammen dem Oberen Alb, die ältesten (abgesehen von den extrem seltenen Stücken aus der Trias) dem Unteren Pliensbachium – jedoch sind Ammoniten auch hier sehr selten zu finden.

 

Sammlung Teil 2 – Vitrine in Josés Zimmer. Mallorquinische Unterkreide vom Feinsten! Im Vordergrund nimmt Gianluca Boninsegni die Stücke in näheren Augenschein. – Weitere Bilder von Fossilien aus Josés Sammlung findet Ihr am Ende dieses Artikels.

 

José ist nicht nur Sammler, sondern er wertet seine Funde auch wissenschaftlich aus. So ist er der Mitentdecker einer neuen Gattung und Art von heteromorphen Ammoniten aus der Unterkreide, dem Xerticeras salasi aus dem Unteren Apt von Castellón (Spanien). Er erwartet, dass seine Sammlung einige weitere neue Spezies enthält, dies ist Gegenstand aktueller Arbeiten. Neben der Publikation der neuen Art Xerticeras salasi arbeitet er gerade an weiteren interessanten Publikationen zu heteromorphen Ammoniten der Unterkreide. Dazu steht er im Austausch mit Paläontologen wie Gérard Delanoy, Didier Bert, Miguel Company, René Hoffmann und anderen.

Neben den üblichen Funden aus der mallorquinischen Unterkreide in zumeist beachtenswerter Erhaltung befinden sich in seiner Sammlung einige sehr rare Ammoniten: so der besterhaltene dokumentierte Xerticeras salasi (das Exemplar ist kein Holotypus, da es vom Mitentdecker Domingo Tolós ex situ gesammelt wurde), der besterhaltene Paracostidiscus radians, ein praktisch vollständiger Megacrioceras, mehrere Arten von Artareites, der vollständigste Macroscaphites yvani Spaniens, Audouliceras, einige Ammoniten mit seltenen Pathologien und vieles mehr. Die meisten Stücke sind selbst gesammelt und präpariert (José setzt hierzu neben Hammer und Meißeln einen Elektrostichel der Marke Dremel Engraver ein, die Anschaffung eines Druckluftstichels ist geplant), aber er unterhält auch Tauschkontakte mit Sammlern aus Europa und anderen Teilen der Welt, so beispielsweise Hervé Chatelier, Andrea Petri, Gianluca Bonisegni, Mikel Urrabasco, Tim Skipper, Steve Friedrich, Tom Linn, Erik Bleeker, dem Autor dieses Artikels und einigen weiteren. Ich teile vollständig seine Überzeugung, dass Fossiliensammler die Aufgabe haben, das zu leisten, was die universitären Wissenschaftler allein nicht leisten können: (temporäre) Aufschlüsse zu besammeln, die Funde wissenschaftlich zu dokumentieren und so das Wissen über unsere Vergangenheit nach und nach zu vergrößern. Deswegen ist die Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern nicht nur wichtig, sondern unabdingbar. Nicht nur Fossilien mit ästhetischem Wert sind hierfür gefragt, sondern auch auf den ersten Blick unscheinbare Funde.

 

Xerticeras salasi, Unteres Apt, Xert, Castellón de la Plana

 

Nach anderthalb Stunden der Besichtigung seiner Sammlung ging es dann ins Gelände. Ohne die Hilfe eines Lokalsammlers ist das Sammeln auf Mallorca praktisch nicht möglich: die Insel ist nahezu vollständig parzelliert und eingezäunt, und nur mittels persönlicher Kontakte kann man Naturaufschlüsse aufsuchen.

 

 

Auf dem Weg zum Aufschluss: Fassaden lassen erahnen, dass es hier Fossilien geben könnte... :-)

 

 

Ankunft in Biniamar: vlnr Gianluca, Marco und José

 

Da Josés „Haussteinbruch“ bei Lloseta nur am Wochenende zu betreten ist, fuhren wir in das nahegelegene Dorf Biniamar, parkten auf dem Marktplatz und José öffnete ein Tor, über welches wir vorbei am Wachhund („Go right, there is a dangerous dog on the left!“) ein weitläufiges Weideland erreichten, auf welchem an vielen Stellen die Schichten des Barrême und des Apt aufgeschlossen waren. Dort sammelten wir an verschiedenen Stellen von ca. 11 Uhr bis 16 Uhr – dies brachte mich bei über 30 Grad im offenen und sonnigen Gelände fast an meine physischen Grenzen.

 

 

Im Gelände: erste verwitterte Fossilien im Anstehenden im Weg

 

Letzten Endes durfte ich einen spannenden Tag erleben, voll mit vielen tollen Funden und interessanten Gesprächen. Ich möchte José auch an dieser Stelle noch einmal herzlich dafür danken! Der Austausch mit ihm bleibt auch über den Besuch auf Mallorca hinaus erhalten, und ich freue mich, ihn beim schon für das nächste Jahr geplanten Besuch dieser wunderschönen Insel wiederzusehen.

 

Im Gelände: links vlnr José, Gianluca, Marco; rechts vlnr José, Gianluca, ich.

 

 

Im offenen Gelände in der Mittagshitze: nur ein paar Olivenbäume spenden Schatten

 

 

Die ersten Funde...

 

Als Fazit konnte auch ich feststellen, dass Mallorca viel herrliche Natur zu bieten hat und freundliche, entspannte Menschen mit einer interessanten eigenen Kultur beheimatet. Die Arroganz vieler Deutscher, die lokale Couleur zu ignorieren und Mallorca schon als das 17. Bundesland zu sehen, nur aufgrund der Tatsache, dass sie dort ihren Sommerurlaub im Sonnen- und Alkoholrausch verbringen, widert mich mittlerweile regelrecht an.

Zuletzt sei hier auf das Steinkern-Forum verwiesen, wo ich meine nach und nach präparierten Funde vorstelle – siehe den Thread „Mallorca: Fundstellen und Literatur“. Des Weiteren habe ich für José eine Liste von Fossilien gepostet, die er noch sucht – diese findet Ihr im Thread „Ammoniten-Gesuche für mallorquinischen Sammler“.

Unten folgen nun einige weitere Impressionen von Josés Sammlung. Allen, die noch mehr sehen wollen, sei seine Facebook-Seite „Ammonites and more“ empfohlen. Dort stellt er regelmäßig Fossilien aus seiner Sammlung vor.

 

Diesen Acrioceras terveri (Nicklesi-Zone (?)) fand ich auf unserer gemeinsamen Exkursion. Da das Stück in viele Teile zersprungen war, überließ ich es José, da dieser mehr Erfahrung bei der Präparation dieser Fossilien hat. Schon am Abend nach der Exkursion schickte er dieses Bild... Sehr schön geworden!

 

 

Toxancyloceras aff. ebboi (die beiden Ammoniten), Oberes Barrêmium, Region Imsouane, Marocco. Verschiedene Belemniten aus dem Hauterivium und Barrêmium Mallorcas.

 

 

Scaphites aequalis, Mittleres Cenoman, Sussex

 

 

Links: Megateuthis gigantea und M. elliptica aus Sengenthal, Plesioteuthis von Solnhofen sowie verschiedene Ammoniten und Belemniten aus der spanischen Kreide; rechts: juvenile Ampullina leviathan aus dem Valangium von Castellón de la Plana

 

 

Es ist wie zu Hause: Fossilien selbst auf der Ablage im Garten... :-)

 

 

José mit einem frisch präparierten Crioceratites nolani von Mallorca.

 

 

Crioceratites nolani, Oberes Hauterivium, Mallorca

 

 

Crioceratites majoricensis, Oberes Hauterivium, Mallorca

 

 

Crioceratites majoricensis (klein) und Crioceratites binelli (groß), Oberes Hauterivium, Mallorca

 

 

Der Crioceratites nolani vom anderen Photo (s. oben)

 

 

Acantholytoceras tenuicostatum pseudoaudouli (klein) und Audouliceras collignoni, Oberes Barrêmium, Mallorca

 

 

Audouliceras (?) lythancyformis, Oberes Barrêmium, Mallorca

 

 

Audouliceras collignoni, Oberes Barrêmium, Mallorca

 

 

Megacrioceras doublieri, Oberes Hauterivium, Mallorca

 

 

Macroscaphites yvani, Oberes Barrêmium, Mallorca

 

 

Ptychoceras puzosianum, Oberes Barrêmium, Mallorca

 

 

Acrioceras sarasini, Unteres Barrêmium, Mallorca

 

 

Pseudothurmannia catulloi (oben) und Paraspiticeras guerinianum (unten), Oberes Hauterivium, Mallorca

 

 

Verschiedene Ammoniten (Audouliceras, Acantholytoceras, Macroscaphites, Crioceratites) aus dem Hauterivium und Barrêmium von Mallorca

 

 

Verschiedene Ammoniten von der Insel. Die meisten davon stammen aus Biniamar.

 

 

Ammoniten aus dem Untern Bathonium Mallorcas

 

 

Emericiceras thiollierei, Unteres Barrêmium, Alpes de Haute-Provence

 

 

Verschiedene Crioceratiten von Mallorca

 

 

Verschiedene Ammoniten aus dem Hauterivium und Barrêmium Mallorcas

 

 

Heteroceras sp. und Phyllopachyceras infundibulum, Oberes Barrêmium

 

 

Heteroceras moriezense und Heteroceras coulleti, Oberes Barrêmium

 

Ein Crioceratites nolani wurde in einem Buch über die Ammoniten der spanischen Unterkreide abgebildet.

 

 

Nostoceras (Didymoceras) postremum, Obercampan, Weichsel, Polen

 

 

Spiroceras orbignyi, Oberes Bajocium, Alpes de Haute-Provence

 

 

Audouliceras renauxianum, Unteres Apt, Region Ulijanovsk, Russland