Zu Besuch im Museum de l’Ardèche in Balazuc (Südfrankreich)
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- Kategorie: Museen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 28. September 2023 13:17
- Geschrieben von Wolfgang Wiesenmüller
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Die Ardèche ist ein Fluss im Süden von Frankreich, der im Zentralmassiv entspringt und nach etwa 120 km in die Rhône mündet. Zwischen den Orten Vallon-Pont-d’Arc und Pont-St.-Esprit hat sie sich tief in das verkarstete Gestein gegraben und dadurch eine der spektakulärsten Schluchten Europas geschaffen. Ihr Wahrzeichen ist der Pont d’Arc, eine natürliche Steinbrücke, die den Fluss überspannt (Abb. 1).
Abb. 1: Pont d’Arc, eine natürliche Steinbrücke über die Ardèche.
Dieses und alle weiteren Fotos können durch Anklicken vergrößert werden.
Die Region ist reich an Höhlen, die in prähistorischer Zeit teilweise von Menschen bewohnt wurden. Das berühmteste Beispiel hierfür ist die Grotte Chauvet mit ihren beeindruckenden Höhlenmalereien, die erst 1994 entdeckt wurde. Zwar ist sie zum Schutz der empfindlichen Kunstwerke für die Öffentlichkeit gesperrt, doch wurde inzwischen eine Nachbildung der Höhle gebaut, in der man die Höhlenmalereien in natürlicher Größe bewundern kann.
Zu Unrecht weit weniger bekannt ist ein kleines geologisches Museum in Balazuc, einem hübschen mittelalterlichen Dorf (Abb. 2), etwas nördlich von Vallon-Pont-d’Arc gelegen. Dieses Museum zeigt wirklich einzigartige Fossilien aus der Umgebung, die nachfolgend kurz vorgestellt werden sollen.
Abb. 2: Balazuc, ein hübsches mittelalterliches Dorf im Departement Ardèche.
Die im Departement Ardèche gelegene ehemalige Fossilfundstätte La Boissine (La Voulte-sur-Rhône), die heute leider nicht mehr zugänglich ist, ist berühmt für die Weichteilerhaltung ihrer Fossilien, einer Meeresfauna aus dem mittleren Jura, etwa 165 Millionen Jahre alt.
Man nimmt an, dass damals Gase hydrothermalen Ursprungs aus Verwerfungen am Meeresgrund hin und wieder in größerem Umfang austraten und ihre Umgebung vergifteten, so dass es zu wiederholten lokalen Massensterben kam.
Der Schlüssel zu der außergewöhnlichen Weichteilerhaltung der überlieferten Fossilien war das Fehlen von Sauerstoff. Dadurch wurde das Verwesen der Weichteile der erstickten Tiere verhindert. Diese waren damit dem normalen „Recycling“ entzogen. Nur einige spezielle Bakterien, deren Stoffwechsel nicht vom Sauerstoff abhängig ist, bauten Teile des organischen Materials langsam um. Als Abbauprodukte entstanden Apatite (Kalziumphosphate) oder auch Siderite (Eisenkarbonate). Das Kalzium und der Phosphor stammten aus der abgebauten organischen Substanz, das Eisen und das Karbonat kamen eher aus dem umgebenden Wasser. Die ausgefällten Mineralien überkrusteten die Gewebeoberflächen, teilweise durchdrangen sie auch das Gewebe und führten so dazu, dass unter anderem Kopffüßer komplett mit sämtlichen Fangarmen überliefert werden konnten (Abb. 3–9).
Abb. 3: Proteroctopus ribeti, einer der ältesten bekannten Oktopoden der Welt.
Abb. 4: Ein Kalmar aus der Gruppe der zehnarmigen Tintenfische.
Abb. 5: Ein Vampir-Tintenfisch aus der Gruppe der achtarmigen Tintenfische.
Abb. 6: Der Panzerkrebs Cyclerion giganteus, stolze 24 cm lang.
Abb. 7: Der Schwimmkrebs Aeger brevirostris.
Abb. 8: Ein Vorfahre der heutigen Rochen.
Abb. 9: Ein Schmelzschupper der Gattung Ophiopsis.
Auch die Geschichte dieser Fundstelle selbst ist sehr interessant. Napoleon Bonaparte beauftragte einst den Geologen Faujas de Saint-Fons, Eisen für die Bewaffnung seiner Männer zu finden. Die Entdeckung einer Eisenlagerstätte in La Voulte führte dann zu deren Ausbeutung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Gießereien geschlossen, weil sie die Stahlherstellung nicht beherrschten. Der Ort geriet in Vergessenheit und wurde zu einem Bauernhof. In den 1970er Jahren führte ein Enthusiast, Bernard Riou, dann dort mehrere Jahre lang Ausgrabungen durch. 1982 machte er eine seiner größten Entdeckungen, den Oktopus Proteroctopus ribeti (Abb. 3), benannt nach dem Besitzer der Stätte: Edmond Ribet. Seit 2006 ist dieses Gebiet als ENS (Espace Naturel Sensible, Sensibles Naturgebiet) eingestuft und damit nicht mehr zugänglich.
In Deutschland gibt es übrigens ebenfalls Fundstellen mit Weichteilerhaltung, so zum Beispiel die Ölschiefergrube Messel, die Schieferbrüche rund um Holzmaden und die Solnhofener Plattenkalke.
Als zweiten Themenschwerpunkt präsentiert das Museum auch wundervoll erhaltene Fossilien einer weiteren, viel jüngeren Fundstelle der Umgebung. Im Steinbruch Saint-Bauzile auf dem Berg Andance werden Kieselgurschichten abgebaut, die sich dort im Miozän vor etwa 8 Millionen Jahren in einem Maar abgelagert haben. Das Maar entstand durch heftige Wasserdampfexplosionen beim Zusammentreffen von Grundwasser und heißem Magma. Die dadurch gebildete schüsselförmige Mulde füllte sich anschließend mit Wasser und bot einen perfekten Lebensraum für Kieselalgen (Diatomeen).
Deren Schalen bestehen zum größten Teil aus amorphem (nicht-kristallinem) Siliciumdioxid (SiO2) und weisen eine sehr poröse Struktur auf. Diatomeen, die auch heute noch in Seen und Meeren leben, können sich alle paar Stunden durch Zweiteilung der Zellen vermehren. Man schätzt, dass unter idealen Bedingungen in einem Monat aus einer Kieselalge eine Milliarde Exemplare heranwachsen können. Diese schwebten im Wasser, sanken nach dem Absterben zu Boden und bildeten so allmählich mächtige Ablagerungen, die sogenannte Kieselgur. Dieses weiße Sedimentgestein ist sehr leicht – Kieselgur schwimmt sogar auf Wasser. Da es über vorzügliche Absorptionseigenschaften verfügt, wird es hauptsächlich zum Filtern von alkoholischen Getränken oder Schwimmbadwasser verwendet.
Die sterile Sedimentumgebung hat zu einer regelrechten Mumifizierung der Organismen geführt, die in den Schichten der Kieselgur rasch eingebettet wurden. Die Fossilien sind daher nicht nur vorzüglich erhalten, sondern aufgrund des starken Kontrasts zwischen Fossil und umgebenden Sediment auch wunderschön anzusehen (Abb. 10–20).
Abb. 10: Trächtige Stute der Art Hipparion mediterraneum.
Abb. 11: Vitrine mit verschiedenen Fischfossilien.
Abb. 12: Schädel der Antilope Graecoryx andencensis.
Abb. 13: Der Nager Prolagus crusafonti mit gut erhaltenem Fell.
Abb. 14: Eine Kröte der Gattung Bufo.
Abb. 15: Ein Vorfahre der heutigen Tauben im Federkleid.
Abb. 16: Ein Bockkäfer. Es handelt sich um ein Weibchen, das erkennt man an der ausgefahrenen Legeröhre.
Abb. 17: Die Zikade Miocenoprasia grasseti mit schön erhaltener Flügeladerung.
Abb. 18: Eine Heuschrecke mit gut erhaltener Farbzeichnung auf den Beinen.
Abb. 19: Vitrine mit Pflanzenfossilien.
Abb. 20: Ast mit Früchten.
Natürlich werden neben diesen wirklich außergewöhnlichen Stücken auch typische Fossilien aus Südfrankreich gezeigt, so zum Beispiel wunderschöne heteromorphe Ammoniten aus der Kreide und dem mittleren Jura (Abb. 21, 22).
Abb. 21: Der kreidezeitliche heteromorphe Ammonit Macroscaphites yvani.
Abb. 22: Stufe mit einem heteromorphen Ammoniten und einem Nautilus aus dem mittleren Jura.
Der Besuch dieses Museums ist sehr empfehlenswert. Im Sommer ist es täglich von 10-18 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet 9 Euro für Erwachsene und 6 Euro für Kinder (Stand 2023). Aktuelle Informationen finden sich unter https://museum-ardeche.fr/de/
Alle Fotos stammen vom Verfasser.
Literaturhinweise zur Sammlung des Museums und den Fossilien in Südfrankreich:
MOOSLEITNER, G. (2002): Fossilien sammeln in Südfrankreich: Fundstellen in den Causses und der Provence, Goldschneck-Verlag, Weinstadt.
RICHTER, A. E. (1979): Südfrankreich und seine Fossilien: Geologie und Paläontologie von Causses und Provence, Franckh’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.
RIOU, B. (2006): Les fossiles d’Ardèche … et d’ailleurs. Publication du Musée de Paléontologie de La Voulte-sur-Rhône, Valence.
Wolfgang Wiesenmüller für Steinkern.de