Das Museum Fischerhaus in Wangen am Bodensee

Am Bodensee lassen sich Natur und Kultur der Region auf abwechslungsreiche Art erleben. Auch die Museumslandschaft am "Schwäbischen Meer" ist sehr vielfältig. Eine besondere Museumsgestaltung mit der Verbindung zweier regionaler Fundkomplexe aus den Bereichen der frühen Kulturgeschichte und der Paläontologie zeigt das kleine Museum Fischerhaus in Wangen auf der Halbinsel Höri direkt am Seeufer. Schon das Museumsgebäude ist ein Musterbeispiel für die vorbildliche Erhaltung und Nutzung von Kulturgut. Das Museum befindet sich in einem 1618 im alten Ortszentrum von Wangen errichteten Speicherbau, der 1986 von einem Förderverein erhalten und an den jetzigen Standort versetzt wurde.

Bei Wangen standen von vor 6000 bis vor 4500 Jahren jungsteinzeitliche Siedlungen an den Ufern des Sees. Umfangreiche archäologische Grabungsstätigkeiten erbrachten viele Funde und neue Forschungsergebnisse über die Siedlungstätigkeit am Bodensee. Zusammen mit 110 weiteren Pfahlbausiedlungen rund um die Alpen wurden die Siedlungsreste bei Wangen mit in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Einige der Funde von Wangen sind im Museum ausgestellt. Direkt beim Museum befindet sich ein rekonstruiertes Pfahlbauhaus aus der Jungsteinzeit, das auch während der Öffnungszeiten des Museums besichtigt werden kann.

 

01 Fischerhaus

Abb. 1: Das Museumsgebäude Fischerhaus in Wangen.


01a Tafel

 

 

02 Pfahlbauhaus

Abb. 2: Originalgetreu rekonstruierter Pfahlbau aus der Jungsteinzeit am Seeufer.

 

03 Landschaft beim Museum

Abb. 3: Seeufer bei Wangen mit Blick auf die reich gegliederte Bodenseelandschaft.

 

Der zweite Teil des Museums widmet sich der Dokumentation der "Öhninger Schichten" und deren Fossilinhalt. Vor 13 Millionen Jahren sprengte ein Vulkan einen Krater in die Molasseablagerungen und es bildete sich ein Maarsee. Im See entstanden feingeschichtete Mergel und Kalkablagerungen in denen, aufgrund sauerstoffarmer Verhältnisse am Seegrund, eingelagerte Organismenreste in feinen Details erhalten blieben. Die Aushubtätigkeit des Bodenseegletschers legte die Schichten wieder frei. Seit dem 15. Jahrhundert wurden die Kalke und Mergel der tertiärzeitlichen Öhninger Schichten in Steinbrüchen am Schiener Berg bei Wangen und Öhningen abgebaut. Dabei wurden immer wieder Fossilien entdeckt und beschrieben.
Forschungsgeschichtlich interessant war die Entdeckung des Skeletts eines Riesensalamanders am Schiener Berg durch den Schweizer Naturforscher Johann Jacob Scheuchzer (1672-1733), das von ihm als "Bein-Gerüst eines in der Sündflut ertrunkenen Menschen" beschrieben wurde. Der wissenschaftliche Name Scheuchzers "Homo diluvii testis" bedeutet etwa soviel wie "ein die Sintflut bezeugender Mensch". Den vielzitierten Zusatz "betrübtes Beingerüst“ muss wohl noch ein Zeitgenosse Scheuchzers hinzugefügt haben, um die moralische Bedeutung des Fundes noch zu verstärken.
Die Fehldeutung Scheuchzers wurde durch den französischen Paläontologen Georges Cuvier (1769-1832) aufgedeckt. Er bestimmte das Skelett dann richtigerweise als das eines Riesensalamanders. Das Originalexemplar von Scheuchzer befindet sich heute im Teylers-Museum in Haarlem (Niederlande).
Der Paläontologe, Botaniker und Entomologe Oswald Heer (1809-1883) listete über 900 Tierarten und 450 Pflanzenarten aus den Öhninger Schichten auf. Er rekonstruierte auch ein Lebensbild der Umgebung von Öhningen zur Tertiärzeit. Die alten Steinbrüche sind längst verfallen und zugewachsen, die fossilführenden Schichten liegen unter meterdicker Bedeckung.
Im Museum Fischerhaus ist eine repräsentative Auswahl von Funden aus den Öhninger Schichten anzusehen. Die Fossilien dokumentieren die vielfältige Lebewelt des ehemaligen Maarsees und seiner Umgebung. Die fein erhaltenen Fossilien der Öhninger Schichten zeigen nicht nur anatomische Details, oft wirken sie auch wie grafische Kunstwerke der Natur.

 

04 Pappel

Abb. 4: Laubblatt einer Pappel, Populus.

 

05 Pappel

Abb. 5: Pappel, Populus. Früher war es durchaus üblich Sammlungsnummer und Fundort vorne auf dem Fossil zu vermerken.

 

06 Weide Salyx

Abb. 6: Einzelnes Blatt einer Weide, Salyx.

 

07 Blaetter Ulme 860px

Abb. 7: Blätter der Ulme. Foto vergrößern.

 

08 Ansammlung von Blattfossilien 860px

Abb. 8: Verschiedene Laubblätter. Foto vergrößern.

 

09 Fisch

Abb. 9: Auch die flachgedrückten Fischfossilien sind detailreich erhalten.

 

10 Fische Esox lepidotus Leuciscus oeningensis

 Abb. 10: Esox lepidotus, Hecht (oben) und Weißfische Leuciscus oeningensis (unten).

 

11 Esox

Abb. 11: Esox lepidotus, Hecht.

 

12 Schleie Tinca furcata 860px

Abb. 12: Tinca furcata, Schleie. Foto vergrößern.

 

13 Schildkroete

Abb. 13: Panzer und Skelett einer Schildkröte.

 

14 Andrias scheuchzeri

Abb. 14: Einer der berühmten Riesensalamander Andrias scheuchzeri.

 

15 Andrias scheuchzeri

Abb. 15: Teilskelett von Andrias scheuchzeri.

 

16 Lagomis oeningensis

Abb. 16: Knochen vom Pfeifhasen Prolagus oeningensis.

 

Wer möchte, hat noch weitere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in Wangen und Umgebung. Empfehlenswert ist zum Beispiel der Bänkleweg, der direkt am Museum Fischerhaus vorbeiführt oder auch der Höri-Erlebnisweg. Und natürlich sind in Wangen auch Möglichkeiten zur sportlichen oder gemütlichen Beschäftigung am und auf dem See möglich.

 

17 Seepromenade und Landschaft bei Wangen

Abb. 17: Seepromenade und Landschaft bei Wangen.

 

18 Gewitterstimmung am Bodensee bei Wangen

Abb. 18: Gewitterstimmung über dem Bodensee.

 

Fotos: 1-3 und 17: Sabine Osswald. 4-16 und 18: Norbert Wannenmacher.

 

Links zum Thema Andrias scheuchzeri, dort auch Literaturtipps:
http://www.geologie.uni-freiburg.de/root/people/andrias/scheuchzeri.html
http://www.erdkroete.de/id299.htm

 

Öffnungszeiten und aktuelle Veranstaltungshinweise entnehmen Sie der Homepage des Museums Fischerhaus:
https://www.museum-fischerhaus.de/

 

Zu den Wandertipps:
https://www.radolfzell-tourismus.de/touren/wangener-baenkleweg-1-ost-55db86f3f4
https://www.gaienhofen.de/touren/hoeri-erlebnispfad-oehningen-klingenbachschlucht-wangen-dea990df66

 

 Norbert Wannenmacher († 2020) & Sabine Osswald für Steinkern.de

 

 

 


 

 

 

Addendum von Sönke Simonsen

Am 23. September 2020 reichte Norbert Wannenmacher mir die abschließende Version des obigen Artikels "Das Museum Fischerhaus in Wangen am Bodensee" per E-Mail ein. Er war, wie ich es von allen seinen Artikeln gewohnt war, ausgezeichnet vorbereitet und sollte eigentlich im Laufe des Oktobers publiziert werden. Noch bevor es dazu kam, erreichte mich über unseren gemeinsamen Freund Volker Dietze die Hiobsbotschaft von Norberts viel zu früherem Tod. Norbert Wannenmacher verstarb am 11. Oktober 2020 nach schwerer Krankheit. Statt des Artikels habe ich im Oktober daher zunächst im Steinkern-Forum zunächst den Beitrag "In Gedenken an Norbert Wannenmacher" veröffentlicht. Die Publikation von Norberts letztem Bericht wurde bewusst auf Neujahr 2021 gelegt, um das neue Jahr nicht nur mit einem hervorragenden Bericht zu begrüßen, sondern auch mit der Erinnerung an den verstorbenen Autor.

Steinkernredakteur Norbert Wannenmacher

Norbert Wannenmacher im Jahr 2016. Foto: Volker Dietze

 

Norbert Wannenmacher war seit 12 Jahren Mitglied im Steinkernforum, schrieb 2009 seinen ersten Forenbeitrag und wurde danach zu einer festen Säule unserer Community. Im Jahr 2019 folgte er unserer Einladung der Steinkern-Redaktion beizutreten und gehörte seitdem zu den engagiertesten Mitgliedern der Redaktion. Er schrieb nicht nur Artikel, sondern arbeitete auch im Hintergrund mit großer Kontinuität an Verbesserungen der Struktur und des Inhalts der Steinkern-Galerie (v. a. Jura-Rubriken, Spurenfossilien), lud eigene Fotos in die Galerie hoch, bearbeitete aber auch Fotos für Sammlerfreunde und stellte sie zum Nutzen aller ins Galeriesystem ein. Als gelernter Geologe und langjähriger Fossiliensammler war er sehr kenntnisreich und ließ andere gern an seinem Wissen teilhaben, ohne in irgendeiner Weise im Mittelpunkt stehen zu wollen. Für seine bescheidene, hilfsbereite und zuverlässige Art wurde er allseits sehr geschätzt.

 

 

Norbert Wannenmacher Gedenken

Todesanzeige in einer Regionalzeitung.

 

Norbert Wannenmacher trug von 2009 bis 2019 insgesamt 615 Beiträge zum Steinkern.de Forum bei. Seit 2017 verfasste er redaktionelle Berichte für die Steinkern.de Homepage. All diesen Berichten war eine hohe Qualität gemein, da Norbert im Vorfeld stets detailliert zu den jeweiligen Themen recherchiert hatte und sich bei der Zusammenfassung große Mühe gab. Mit großer Sorgfalt schrieb er in den vergangenen Jahren auch viele Artikel für die Zeitschrift FOSSILIEN. Die auf Steinkern.de erschienen Artikel werden hier in der Chronologie der Publikation aufgelistet:

 

11. August 2017: Das „Museum im Kräuterkasten“ in Albstadt-Ebingen

 

25. Dezember 2017: Die geologisch-paläontologische Abteilung der Zehntscheuer Balingen

 

15. Oktober 2018: Unterlias in Ofterdingen – ein Einblick in die Arietenschichten

 

7. Februar 2019: In und um Biberach – eine Exkursion ins Tertiär und Quartär Oberschwabens

 

5. März 2019: Ein Cyamodus aus dem Oberen Muschelkalk (Trias, Anis, Trochitenkalk-Formation) von Schopfloch im Schwarzwald (SW-Deutschland)

 

17. Juli 2019: Der Muschelkalk von Freudenstadt und Rottweil

 

7. September 2019: Geologisch-paläontologische Einblicke in das Steinheimer Becken

 

13. Dezember 2019: Mineralienfunde bei der Fossiliensuche

 

5. Mai 2020: Spurenfossilien aus dem Jura der Schwäbischen Alb

 

Norbert Wannenmacher hat sich mit seinen Homepage-Artikeln und durch seine kontinuierliche Beteiligung an Galerie und Forum große Verdienste um die Steinkern.de Fossilien-Community erworben. Er hat daher zwischenzeitlich den Status eines Steinkern-Ehrenredakteurs erhalten und sein Profil verbleibt dauerhaft in der Redakteursliste. Für Heft 44 (2-2021) der Steinkern-Zeitschrift wird ein Nachruf erarbeitet. Die Steinkern.de Community wird Norbert Wannenmacher als einem der ihren ein ehrendes Andenken bewahren. Sein Tod ist für unsere Redaktion und die ganze Fossilien-Community ein schwerer Verlust und wir sind traurig, dass Norbert uns viel zu früh verlassen musste.

 

Sönke Simonsen