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Rezension: Krebse und Krabben aus norddeutschen Geschieben von Stefan Polkowsky

 

 

Rezension: Krebse und Krabben aus norddeutschen Geschieben von Stefan Polkowsky

Autor der Rezension: René Kautz

 

Geschiebe im ehemaligen Vereisungsgebiet vergangener Eiszeiten bieten dem Fossiliensammler eine einmalige Vielfalt in nahezu sämtlichen Zeitaltern der Erdgeschichte. Für jeden Sammler ist es dabei ein besonderer Moment, in einem Geschiebe einen Dekapoden (Krebs oder Krabbe) finden zu können. Ein solches Finderglück ist relativ selten. Über die Jahre und mit der nötigen Gesteinskenntnis ausgestattet, ist die Chance aber recht gut, je nach Gesteinstyp sogar sehr gut.

Doch wie findet man einen Krebs oder eine Krabbe im Geschiebe?

Die Anzahl in Frage kommender Geschiebe ist enorm. Auffindbar sind Dekapoden in Geschieben aus der Zeitspanne von Jura bis Tertiär. Es gilt also unterscheiden zu lernen zwischen Geschieben, die „liefern“ können und älteren (jedenfalls hinsichtlich Dekapoden tauben) Geschiebetypen. Das Aufschlagen der Gesteine gehört in den allermeisten Fällen ebenfalls dazu, um Dekapoden zu entdecken. Grundsätzlich erfordert es für eine gezielte Suche also einiges an Übung im Gelände sowie ein umfassendes Literaturstudium.

 

Buchumschlag Krebse Krabben

 

Bereits im Jahr 2015 ist zu dieser Thematik ein Buch erschienen, welches dem interessierten Geschiebesammler so umfassend Zeit abnimmt und Einblick in Geschiebedekapoden gibt, wie kein weiteres Werk zuvor oder danach.

Stefan Polkowskys Buch „Krebse und Krabben aus norddeutschen Geschieben“ weist das Ziel aus, Begeisterung für Dekapoden aus Geschieben vermitteln zu wollen und darüber hinaus als Hilfe zur Bestimmung und zum Entdecken von Dekapoden aus Geschieben zu dienen.

Im Rahmen des Studiums anderer Bücher mit Bezug zu Geschiebe wurde mir vor kurzer Zeit klar, dass das hier besprochene Buch den Maßstab für gleich mehrere für den Geschiebesammler wichtige Bereiche darstellt:

 

Material des Buches: Hochwertiger Hardcopy-Einband und Fotopapier, Din A4-Format.

 

Qualität der Bilder: Nahezu alle Bilder in sehr guter Qualität.

 

Umfang: 444 Seiten mit 128 Tafeln (jeweils mit 1-12 Bildern), 9 Tabellen, 1 Karte, 202 Abbildungen und 28 Textfiguren.

 

Vergleiche Geschiebe und Anstehendes: Wo passend, werden Funde aus Schichten im Anstehenden mit Geschiebefunden verglichen.

 

Einordnung der Fundhäufigkeit: Aus den Texten und Bildunterschriften wird schnell ersichtlich, ob es sich bei eigenen Funden des Autors um Erstnachweise/Seltenheiten oder vergleichsweise regelmäßig auftretende Funde handelt.

 

Fundzustand von Geschieben mit Potential für Dekapoden: Diverse Geschiebe werden in ihrem Zustand vor dem Aufschlagen abgebildet. Dies hilft enorm, sie nach einem genauen Studium des Buches selbst im Gelände erkennen zu können. Nützlich ist auch, dass der jeweilige Fossilinhalt genannt wird: teilweise mit echten Seltenheiten in den Geschieben, teilweise leer.

 

Es folgen drei Beispiele für Raritäten außerhalb der Welt der Dekapoden, denen ebenfalls im Buch Platz eigeräumt wurde:

 

Wirbel

Auszug von S. 28 des Buches von Polkowsky 2015: Elasmosaurider Plesiosaurierwirbel in Köpinge-Sandstein Geschiebe (Oberkreide), Höhe des Wirbels mit Fortsatz 18 cm (Fund und Sammlung René Kautz).

 

Hexanchus

Auszug von S. 66 des Buches von Polkowsky 2015: Kammhaizahn Hexanchus agassizi (Cappetta, 1976), Breite 1,1 cm, 1991 in Pinnow bei Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) gefundenes Exemplar.

 

Nautilus

Abbildung von S. 44 des Buches von Polkowsky 2015: Nautilus Eutrephoceras bellerophon (Lundgren, 1867), 2,7 cm, Erstnachweis für Faxekalk-Geschiebe, Fundort: Zarrentin (Mecklenburg-Vorpommern), Fundjahr 2007.

 

Diese außergewöhnlichen Eigenschaften des Buches sind der Grund für die jetzt nachgeholte Rezension, auch im Hinblick auf vorhergehende Diskussionen mit dem Autor Stefan Polkowsky, das Werk den Lesern nochmals in überarbeiteter Form zugänglich zu machen. Von der Erstauflage wurden lediglich 100 Exemplare gedruckt. Zur Überarbeitung wünscht sich Stefan Polkowsky Ihre/Eure Mithilfe – siehe dazu seinen persönlichen Aufruf, den wir im Anschluss an die Rezension untergebracht haben. Sobald das neue Werk verfügbar ist, wird darauf im Steinkern-Rahmen aufmerksam gemacht werden.

 

Doch kommen wir nun wieder zurück zur 1. Auflage:

 

Nach der Einleitung inklusive Danksagung folgt ein Kapitel über die Geschiebeforschung und es werden anhand einer Karte 80 typische Fundpunkte für Geschiebefossilien in Norddeutschland aufgezeigt. Diese Karte stellt eine hervorragende Basis für Eigenfunde dar.

 

Die Morphologie der Zehnfußkrebse wird anhand hervorragender Grafiken gezeigt und benannt sowie ein kurzer Abriss zur Biologie der Krebse und Krabben gegeben.

 

Dekapode Schema

Von S. 9 des Buches von Polkowsky 2015: Schema eines Langschwanzkrebses von oben.

 

Mit Punkt 7 geht es dann mehr ins Detail. Von Jura bis Tertiär stellt der Autor potentiell Dekapoden führende Geschiebe vor. Anhand sehr guter Bilder werden Geschiebe im Fundzustand gezeigt und auch erläutert, welche Fossilien in den jeweiligen Geschieben zu finden sind. Diese bereits im Querbruch zu erkennen und korrekt zu interpretieren, ist unabdingbar beim Sammeln artikulierter Dekapoden. Bereits außen im Geschiebe sichtbare Krebse und Krabben sind nahezu immer deutlich beschädigt. Deswegen sind die im Buch enthaltenen Fundzustandsfotos besonders hilfreich – sie schulen das Auge.

 

Fundzustand

S. 140 des Buches von Polkowsky 2015 zeigt eine Krabbe im Heiligenhafener Kieselgestein (Eozän) im Querbruch. Solche Fotos sind für die Geländepraxis von unverzichtbarem Wert. Die am besten erhaltenen Geschiebe-Fossilien stammen fast immer aus derartigen Querbrüchen.

 

Zusätzlich werden den Geschiebefunden Dekapoden aus dem Anstehenden gegenübergestellt, die mitunter zusätzliche anatomische Details zeigen. Ergänzt werden die Darstellungen um Zeichnungen, die von Stefan Polkowsky selbst angefertigt worden sind.

 

Tasadia carniolica

S. 118 des Buches von Polkowsky 2015: Rekonstruktionszeichnung von Tasadia carniolica (Bittner, 1884), Dorsalansicht.

 

Tabellen zeigen Funde aus dem Anstehenden und vor allem aus dem Geschiebe auf. Inkludiert sind dabei u. a. Seltenheitsangaben und die Sammlungen, in denen die jeweiligen Dekapoden aufbewahrt werden. Zusätzlich zeigt das Buch Raritäten aus den jeweiligen Geschieben, welche über die Dekapoden hinaus gefunden worden sind, so wie den oben bereits gezeigten Plesiosauruswirbel aus einem Oberkreide-Geschiebe. Diese Vorgehensweise liefert dem Geschiebesammler einen einzigartigen Einblick in die spannendsten Geschiebe aus Jura, Kreide und Tertiär in Bezug auf besondere Fossilien und vor allem in Bezug auf Dekapoden. Mit 111 Seiten umfasst allein dieses Kapitel bereits genug hochwertige Informationen für ein eigenständiges Buch.

 

Nachfolgend sehen Sie einige Beispiele im Buch abgebildeter Dekapoden:

 

Necrocarcinus

S. 219 des Buches von Polkowsky 2015: Necrocarcinus cf. bispinosus (Segerberg, 1900) in Dan-Flint, Panzerbreite mit Seitenstacheln: 4,3 cm, Fundort: Zarrentin.

 

Hoploparia

S. 223 des Buches von Polkowsky 2015: Hoploparia suecica Schlüter, 1879 in Saltholmskalk (Danium, Tertiär), maximal messbare Länge des Krebses im Zustand der Einbettung: 11 cm, gestreckt zirka 18 cm. Foto vergrößern.

 

Hoploparia Schere

Auszug von S. 254-255 des Buches von Polkowsky 2015: Hoploparia gammaroides M´Coy, 1849, Länge 14,7 cm, in Heiligenhafener Kieselgestein von Groß Pampau (Sammlung B. Brüggmann).

 

Linuparus

Auszug aus S. 285 des Buches von Polkowsky 2015: Linuparus (Podocratus) stolleyi Haas, 1889, Cephalothorax 3,8 cm x 2 cm.

 

Homarus

Von S. 325 des Buches von Polkowsky 2015: Homarus (Homarus?) neptunianus Polkowsky, 2005, Consrader Gestein, Länge der Schere 6,6 cm, gefunden bei Schwerin.

 

Kapitel 8 befasst sich mit hervorzuhebenden Publikationen zu Dekapoden in der Geschiebeforschung. In chronologischer Reihenfolge werden die Arbeiten kurz erläutert und, wo dies dem Autor sinnvoll erschien, mit Anmerkungen versehen. Auf diese Weise erhält man einen sehr guten Einblick in der Entwicklung der Forschung und zahlreiche Ansatzpunkte für eigene Recherchen.

 

In Kapitel 9 wird der Leser nochmals intensiver an die Hand genommen und es wird für besonders ergiebige Geschiebetypen detailliert erläutert, wie man in diesen Dekapoden erkennen kann. Diese Details sind im Gelände äußerst hilfreich und verkürzen die notwendige Schulung der Augen doch enorm.

 

Die Kapitel 10 bis 13 stellen die Mitwirkenden vor und enthalten umfassende Literaturangaben.

 

Im Anschluss beginnt das eigentliche Herzstück des vorliegenden Werkes: hunderte hervorragender Bilder von Dekapodenfunden aus Jura, Kreide und Tertiär, versehen mit Informationen und Anmerkungen dazu. Die Tafeln nehmen die Seiten 165 bis 421 ein und bieten dem Betrachter durchgehend Fossilien und Fotos von außergewöhnlicher Qualität. In dieser Fülle gibt es kein Werk in der Geschiebeliteratur, dass an diese Übersicht auch nur annähernd herankommt. Dem Geschiebesammler geht hier wirklich das Herz auf!

 

Daher an dieser Stelle eine Auswahl besonders hervorzuhebender Funde. Bessere Stücke aus dem Geschiebe konnten bislang kaum bzw. nicht geborgen werden:

 

Ctenocheles Scheren

S. 233 des Buches von Polkowsky 2015: Ctenocheles-Scheren aus dem Saltholmskalk.

 

Jede einzelne dieser Scheren ist eine Rarität im Saltholmskalk, man ist schlicht erschlagen von der Fülle an Krebsscheren geballt auf einer Seite.

 

Tasadia carniolica Thiede

Von S. 387 des Buches von Polkowsky 2015: Tasadia carniolica (Bittner, 1884). Foto vergrößern. Diese Krabbe aus der Sammlung von Karina und Nils Thiede ist sicherlich eine der besten je im Geschiebe gefundenen Krabben.

 

Pagurus haasei

Von S. 299 des Buches von Polkowsky: Pagurus haasei Polkowsky & Fraaije, 2019, Scherenlänge: 1 cm, Sternberger Gestein (Oberoligozän), Brühl bei Sternberg (Mecklenburg-Vorpommern).

 

Im Buch wurden eine ganze Reihe möglicher neuer Arten vorgestellt, zu denen auch der vier Jahre nach Erscheinen des Buchs wissenschaftlich beschriebene Einsiedlerkrebs Pagurus haasei zählt, der dank der Beschreibung durch Polkowsky und Fraaije 2019 an dieser Stelle nun mit der neuen Bezeichnung versehen werden konnte.

 

Fazit

Wird das eingangs erläuterte Ziel des Werks erreicht? Sprich, weckt das Buch Begeisterung für Dekapoden aus Geschieben und eignet es sich als Hilfe zur Bestimmung und zum Entdecken von Dekapoden aus Geschieben? Die Antwort darauf lautet: und ob!

Kein anderes Werk für Geschiebesammler schafft es bislang, den Leser bzw. Sucher so gut an die Hand zu nehmen, um eine der seltensten Fossiliengruppen im Geschiebe auffinden und erkennen zu können. Wie eingangs erwähnt, stellt das Werk im Hinblick auf dieses Ziel den Rest der Geschiebeliteratur in den Schatten.

Einzig die recht hohe Zahl an einfachen Rechtschreibfehlern trübt die Freude am Studium dieses Werks etwas, hier wäre ein professionelles Lektorat am Ende sinnvoll gewesen. Die restliche Qualität der Publikation würde das ganz sicher rechtfertigen. Das kann in der geplanten Neuauflage jedoch relativ einfach und schnell korrigiert werden, stand dem Genuss aber bereits bei der 1. Auflage nur sehr begrenzt im Wege.

Sobald die Neuauflage erschienen ist, kann ich für jede/n von Ihnen mit Interesse für Seltenheiten aus dem Geschiebe nur sagen: Absolute Kaufempfehlung eines erfahrenen, begeisterten, aber trotzdem sehr kritischen, Geschiebesammlers!

Schon jetzt wünsche ich viel Freude mit dem hoffentlich bald verfügbaren Werk, lasst uns den großen Aufwand der Erstellung dieses Buchs maximal unterstützen, wenn es auf den Markt kommt!

 

Rezension: René Kautz für Steinkern.de

 

 


 Aufruf

 

Bitte um Mithilfe bei der Neuauflage von „Krebse und Krabben aus norddeutschen Geschieben“

 

Ich bitte Sie/Euch um Mithilfe bei der inhaltlichen Überarbeitung der Neuauflage meines Buches: „Krebse und Krabben aus norddeutschen Geschieben“!


Ich möchte mein 2015 erschienenes Buch verbessern und erweitern. Das Buch behandelt, wie René Kautz oben auch bereits angemerkt hat, nicht nur die Dekapoden im Geschiebe, sondern auch deren Begleitfauna in den jeweiligen Geschieben ausführlich. Die Darstellung der sonstigen Fauna soll ebenfalls verbessert und erweitert werden. Insbesondere sollen Material aus Geschieben des Kertemindemergels und Fossilien aus dem Münsterländer Kiessandrücken dazukommen. Auch neue Erkenntnisse und Neufunde aus den letzten Jahren, die nicht in der Erstauflage enthalten waren, sollen in der neuen Auflage Platz finden.


Wer möchte mich mit Geschiebefunden, Informationen und Erfahrungen unterstützen?


Gesucht werden Krebse und Krabben aus dem Geschiebe von Norddeutschland. Ebenso sind wichtige und besondere Begleitfossilien aus Geschieben von Jura bis Tertiär erwünscht.


Wer über Material verfügt, bitte gerne bei mir melden! 

 

Vielen Dank im Voraus für Ihre/Eure Unterstützung,

Stefan Polkowsky


Da St P