Buchvorstellungen

Buchrezension: Einführung in die Sedimentologie

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Fritz Schlunegger & Philippos Garefalakis:

Einführung in die Sedimentologie

 

2023. 305 Seiten, 156 Abbildungen, 12 Zeichnungen von Stefan Werthmüller, 18x25cm, 900 g

Sprache: Deutsch

ISBN 978-3-510-65539-7, gebunden, Preis: 59,90 €

 

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Die Sedimentologie beschreibt alle jene Prozesse, die zur Entstehung von Sedimentkörnern führen, deren Transport- und schlussendliche Ablagerungsprozesse, sowie die Strukturen, die aus der Um- und Ablagerung von Kornansammlungen entstehen. Dementsprechend werden auch die Freisetzung, der Transport und die Ausfällung löslicher chemischer Stoffe wie Gips oder Steinsalz betrachtet.

 

Gegenstand der Sedimentologie sind damit Teilabschnitte eines Stoffkreislaufs, die maßgeblich zur permanenten Umgestaltung der Erdoberfläche beitragen, sowohl auf dem Land als auch in Gewässern und in den Meeren. Dies beinhaltet, in Form der Sedimente und Sedimentgesteine, die Bildung geologischer Archive, die Informationen über klimatische, topografische und biologische Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bewahren.

 

 

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Die Vorgänge der Gesteinsverwitterung und des Entstehens loser Körner und gelöster Stoffe, deren Transport und Ablagerung sind äußerst vielfältig, allerdings nicht regellos. Das vorliegende Buch gliedert sie im Sinne einer Einführung, ohne sich in Spezialfällen zu verlieren, in geschlossene Themenkomplexe. Anfänglich wird eine Übersicht über den Gesteinskreislauf und die nomenklatorischen Grundlagen gegeben. Hier findet der Leser bereits einen guten Teil der konzeptionellen und klassifikatorischen Einordnungen, die das Thema Sedimentologie strukturieren und verständlich machen. Im Weiteren wird dargelegt, wie sich Sedimentpartikel und Böden im Allgemeinen bilden, und welche spezifischen Prozesse von Partikelentstehung und -transport im Kontext von Vulkanismus, Gletschern und Massenbewegungen stattfinden. Den vielfältigen Aspekten des Sedimenttransports durch Wasser wird breiter Raum gegeben, ebenso der Beschreibung der damit zusammenhängenden Dynamik von Flüssen, Seen und Dünen. Dies geht mit der Darstellung der entsprechenden physikalischen Gleichungen einher, die im Fließtext in einer Weise erklärt werden, dass man ihre Bedeutung und Anwendungsbereiche verstehen kann, ohne den Rechenweg nachvollziehen können zu müssen. Im marinen Milieu geht es um Trübeströme und Turbidite, die Sedimentation auf der Tiefsee-Ebene sowie um die ganz besondere, weil stark biogen beeinflusste Entstehung und Verteilung flachmariner Kalksedimente. Bei allem sind die Autoren um rezente Beispiele bemüht, was dem Buch allgemein eine gute Anschaulichkeit und einen Bezug zu Oberflächenphänomen verleiht, die man heute auf der Erde beobachten kann. Dies gilt auch immer dann, wenn Sachverhalte durch Fotos und Skizzen rezenter Gewässer verdeutlicht werden können. Evaporiten als chemischen Sedimenten wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Das letzte Kapitel schließlich schlägt den Bogen von der einzelnen, sedimentologisch abgrenzbaren Schichteinheit zu den im Rhythmus natürlicher Veränderungen variierenden Schichtfolgen. Die Sequenz- und die Zyklostratigrafie entlocken diesen die ihnen innewohnenden Regelmäßigkeiten und ermöglichen die Interpretation der Veränderungen eines Ablagerungsraums über längere Zeit hinweg.

 

Das Buch schließt mit einem recht kurzen Literaturverzeichnis, das prägnant eine Anzahl hilfreicher weiterführender Lektüren anbietet. Ein Abkürzungs- und ein Stichwortverzeichnis erleichtern die Erschließung des Werks.

 

Alle Kapitel sind großzügig mit Blockbildern, Fotos, Skizzen und Diagrammen ausgestattet, die im Text ausführlich erläutert werden.

 

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Dort, wo das Buch andere Fachgebiete wie Mineralogie, Biologie, Tektonik und Paläontologie berührt, seien Studierende eher auf die Inhalte der jeweiligen Studienlektüre verwiesen – so lässt beispielsweise sofort die erste Abbildung 1-1 mit der Darstellung eines aktiven subduzierenden Kontinentalrands wesentliche Elemente aus. Auch ist eine Gleichsetzung von Horn- mit Kieselschwämmen unzutreffend. Etymologischen Betrachtungen, wie jener, dass sich das (althergebrachte) Adjektiv „spätig“ vom (modernen) Fachwort „Sparit“ ableite (es ist umgekehrt), ist nicht immer unbedingt zu folgen. Die Darstellung von Ursache und Ablauf der Korallenbleiche schließlich ist grob unrichtig.

 

Im Kapitel über Gletscher fehlt ein Hinweis auf die abrasive Wirkung der mitgeführten Gesteinsmassen als Hauptfaktor der glazialen Erosion, und dass für die Lößablagerungen in Europa ausschließlich die Gletscherbedeckung Großbritanniens und Skandinaviens als Quelle genannt wird, geht an den Tatsachen in Süddeutschland und am Alpennordrand vorbei. Dass angeblich entlang von Felsküsten keine Sedimentation stattfindet, ist der Verallgemeinerung etwas zu viel. Auch einige Formulierungen hätten ein besseres Lektorat verdient gehabt – beispielsweise, dass Flüsse sich an Seespiegelveränderungen „anpassen müssen“ ist eine Anthropomorphisierung natürlicher Kausalprozesse, wie sie Studierenden eines naturwissenschaftlichen Fachs nicht als valide Formulierung für ihre eigene künftige Arbeit angeboten werden sollte. Die „Überlagerung von Kraftfeldern“ als Ursache des Tidenhubs ist durchaus eine originelle Formulierung. Nebenbei ist den Autoren die Prägung eines neuen Fachterminus, der des „Sedimentologiehammers“, gelungen.

 

Positiv hervorzuheben ist, dass das Buch sich ganz auf die deutsche Sprache stützt und international gebräuchliche Fachbegriffe jeweils ergänzend anführt. Auch Beispiele und Abbildungen wurden, wo möglich, aus Aufschlüssen des mitteleuropäischen, meist alpinen, Raums gewählt, was für Leser in Deutschland, der Schweiz und Österreich einen konkreten Bezug zur eigenen Erfahrungswelt herstellt, etwa im Gegensatz zu den oft auf den angelsächsischen oder amerikanischen Raum konzentrierten bekannten Standardwerken für Studierende der Allgemeinen Geologie. Da die praktischen Anwendungen der Sedimentologie sich auch in einer Vielzahl von Tätigkeiten außerhalb des internationalen akademischen Bereichs wiederfinden – wie Bauwesen und Rohstoffgewinnung – ist dieser Fokus auf deutsche Begrifflichkeiten bei gleichzeitigem Brückenschlag zum internationalen Vokabular sehr zu begrüßen und äußerst hilfreich. Irritierend ist deshalb das konsequente Verwenden bestimmter Anglizismen wie des Punkts als Dezimaltrennzeichen („2.7 Millionen Jahre“) und des Hochkommas als eines außerhalb jeglicher Norm gewählten Tausender-Trennzeichens („20‘000 Jahre“). Dem gesellt sich die Unsitte bei, auf die im Deutschen übliche Durchkopplung oder die Verwendung des Genitivs konsequent dort zu verzichten, wo Begriffe aus dem Englischen stammende oder daraus abgeleitete Wörter enthalten, so „Dunham’s Charakteristika“, „Manning Zahl“, „Stokes Gleichung“, „Beaufort Skala“ und zahlreiche weitere. Damit empfiehlt sich das Werk Studierenden nicht unbedingt als eine Referenz für korrekte Schreibweisen und Notationen im Wissenschaftsbetrieb, weder im deutschen noch im internationalen. Mit Quellenangaben wird, einige wenige Abschnitte ausgenommen, äußerst sparsam gehaushaltet; manche sind von zweifelhafter Zielführung („Deutscher Wetterdienst“ ohne weitere Präzisierung).

 

Gewünscht hätte man sich für ein Buch, dem man eine Verbreitung im gesamten deutschsprachigen Raum zugedacht hat, noch einige Beispiele von Landschaftsformen und Gesteinsvorkommen über den Alpenraum hinaus. So finden sich auch in Deutschland nördlich der Alpen nennenswerte Kalkstein- und Dolomitgebiete.

 

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Resümee

Die kritischen Anmerkungen scheinen reichlich an der Zahl zu sein, es liegt an einem Lehrbuch aber auch ein besonders strenger Bewertungsmaßstab an. So soll die Kritik nicht verhehlen, dass das Werk in seiner Kerndisziplin dem Leser einen reichhaltigen und dabei sauber abgegrenzten Wissenskomplex auf dem aktuellen Stand in angenehmer, leicht verständlicher Form und Sprache vermittelt. Die Fakten und Abläufe werden in diesem Buch zu einem zeitlichen und räumlichen Gesamtbild verknüpft, mit dem sich sehr gut in die Praxis starten lässt und in das sich fachliche Spezialisierungen nahtlos integrieren lassen. Eine positive Erwähnung verdient auch das kompakte und stabile Format.

 

Für Studenten von angewandten geowissenschaftlichen Fächern ist das Buch sehr zu empfehlen. Auch für Hobbygeologen und -paläontologen, die im Gelände den Archiven der Erdgeschichte begegnen, ist es eine stets informative Interpretationshilfe. Spätestens nach der aufmerksamen Lektüre dieses Buchs dürfte sich ihnen erschließen, welche Schichtmerkmale sie auf gut erhaltene oder reichliche Fossilfunde hinweisen, und welches Typs diese voraussichtlich sein werden.

 

Rezension: Rainer Albert für Steinkern.de

 


 

Diskussion zum Buch und zur Rezension im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=36093