Buchvorstellungen

Rezension: Trias. Aufbruch in das Erdmittelalter

Trias. Aufbruch in das Erdmittelalter

 

Norbert Hauschke, Matthias Franz & Gerhard H. Bachmann (Herausgeber)

 

2021 (Deutsch), 2 Bände im Schuber,

insgesamt 668 Seiten, 549 Abbildungen,

40 Tafeln, 21 Tabellen, Hardcover 32,6 × 24,5 cm.


ISBN: 978-3-89937-245-8


Preis: 148 €

 

Verlag Dr. Friedrich Pfeil

 

Trias12 kl

 

Eine ganze erdgeschichtliche Epoche in einem länderübergreifenden Rahmen in all ihren Aspekten von der Geologie über die Lebewelt bis zur heutigen Nutzung der hinterlassenen Gesteine und Bodenschätze darzustellen, ist ein gewaltiges Unterfangen. Dessen nimmt sich, zumindest für Mitteleuropa und mit Fokus auf Deutschland, das vorliegende zweibändige Werk „Trias. Aufbruch in das Erdmittelalter“ an.


In einer thematisch gegliederten Zusammenstellung von insgesamt 58 Artikeln von Fachautoren – die meisten mit einer Vita langjähriger Forschungs- und Publikationstätigkeit – werden die vier Themenkomplexe „Paläogeographie, Stratigraphie und Fazies“, „Lebewelt“, „Fossilfundorte und Fossillagerstätten“ sowie „Wirtschaftliche Nutzung“ in jeweils einem Kapitel behandelt. Konstitutiv für die Wahrnehmung der Trias-Epoche in Europa als „Aufbruch in das Erdmittelalter“ ist einerseits das Mitteleuropäische oder auch Germanische Becken als von England bis ins Baltikum, über Polen bis Süddeutschland reichender geologischer Strukturkomplex und Sedimentationsraum, in dem die für die Trias namengebende Dreiheit der lithostratigraphischen Gruppen Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper zur Ablagerung kam. Dies wird im ersten Kapitel „Paläogeographie, Stratigraphie und Fazies“ herausgearbeitet. Ausführlich wird aufgezeigt, wie sich die verschiedenen Bereiche des Beckens über die Zeit veränderten, geologisch wie auch klimatisch, welche Fazies sich dort ausprägten, und wie dies zur Unterscheidung unterschiedlicher lithostratigraphischer Einheiten führte. Dazu gehört die Darlegung des Stands der zeitlichen Korrelation mit der internationalen Gliederung der Trias, basierend auf aktuellen Erkenntnissen der Biostratigraphie und Paläomagnetik. Damit ist schon einmal dargestellt, wie kompliziert und stellenweise auch erfolglos es immer noch ist, Befunde aus dem Germanischen Becken in einen globalen chronologischen Kontext zu bringen. Auch die gern gestellte Frage, inwieweit Impaktereignisse für das große Massensterben am Ende des Perms, das für die Ausprägung der spezifisch triassischen Lebewelt von eminenter Bedeutung war, sowie für das kleinere Artensterben am Trias-Jura-Übergang verantwortlich sein könnten, wird anhand bekannter und vermuteter triaszeitlicher Meteoriteneinschläge bearbeitet, kommt aber zu keiner klaren abschließenden Aussage.

 

 

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Kartenmaterial in dem Artikel „Der Muschelkalk im zentralen Germanischen Becken“ (S. 59).

 

Mit diesem Kapitel hat der Leser das umfassende Rüstzeug erhalten, um sich im folgenden Kapitel „Lebewelt“ in der Vielfalt der seinerzeitigen Fauna und Flora in ihrem räumlichen, zeitlichen und ökologischen Kontext zu orientieren. Diese Lebewelt ist der andere, für den „Aufbruch in das Erdmittelalter“ konstitutive Aspekt der Trias, mit aus dem Perm überkommenen paläozoischen Elementen wie auch sich neu entwickelnden und aus der Tethys einwandernden Arten, die einige für die kommende Jura-Epoche typische Nachfahren hervorbringen werden. Der Fokus liegt hier auf den Wirbellosen, angefangen bei den Stromatolithen über Mollusken und Brachiopoden bis hin zu den Arthropoden und Stachelhäutern. Einiger Raum wird auch den Vertebraten und Floren gegeben, bei Letzteren findet eine getrennte Darstellung für Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper statt, was ihrer Unterschiedlichkeit Rechnung trägt. Erkennbares Gewicht wird in diesem Kapitel auf die biostratigraphischen, faziellen und ökologischen Aussagefähigkeiten der einzelnen Organismengruppen gelegt. Die Beiträge ergänzen und vertiefen somit ausführlich die im Kapitel „Paläogeographie, Stratigraphie und Fazies“ dargelegten Sachverhalte. Unter anderem werden die außerhalb entsprechender Fachbereiche kaum wahrgenommenen Palynomorphen (pflanzliche Mikrofossilien) als äußerst wichtige Florenindikatoren und Hilfsmittel zur biostratigraphischen Korrelation der Strata im Germanischen Becken mit der tethydialen Trias und damit der internationalen stratigraphischen Gliederung umfassend vorgestellt.

 

 

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Bildtafel in dem Beitrag „Makrofloren der Germanischen Trias: Keuper“ (S. 237).

 

Beachtung verdient der Beitrag über Cephalopoden, der naturgemäß seinen Schwerpunkt auf die Ceratiten des Oberen Muschelkalks hinsichtlich ihrer Phylogenese und Verwendung als marine endemische Leitfossilien im Germanischen Becken legt, wegen seiner kritischen, aber immerhin stattfindenden Erwähnung und Bewertung einiger wesentlicher Aussagen der Arbeiten Siegfried Reins, der bei der Auswertung vorwiegend mitteldeutscher Ceratitenfaunen zu ganz anderen phylogenetischen und stratigraphischen Interpretationen gelangte als die „traditionelle“, nach Südwestdeutschland hin orientierte akademische Ceratitenforschung der vergangenen Jahrzehnte. Ein Überblick über die Spurenfossilien der Trias, die von Wirbellosen genauso wie von Amphibien und Reptilien hinterlassen wurden, rundet das Bild der Lebewelt ab.

 

 

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Aus dem Artikel „Cephalopoden der Germanischen Trias“ (S. 280).

 

Das Kapitel „Fossilfundorte und Fossillagerstätten“ stellt besonders bemerkenswerte Fundkomplexe und Fossilvergesellschaftungen einzelner Fundorte vor, vorwiegend in Deutschland, aber auch einzigartige Beispiele aus der Beckenfazies benachbarter Länder. Einige der im Kapitel „Lebewelt“ aufgeführten Arten werden somit in einen orts- und faziesbezogenen Kontext gebracht, wobei der Schwerpunkt auf Konservatlagerstätten liegt, deren gut erhaltene Fossilien naturgemäß eine besonders hohe Aussagekraft haben und oft erweiterte Einblicke in die ökologischen Zusammenhänge an dem Ort und zu der Zeit ihrer Entstehung geben. So ergeben sich Momentaufnahmen spezieller Plätze und Lebensräume aus der Triaszeit. Allein acht Beiträge widmen sich bemerkenswerten Fundorten von Floren und Faunen sowie Fährtenvergesellschaftungen im Buntsandstein – damit ist für den als fossilarm berüchtigten Buntsandstein eine erstaunliche Menge an fossilen Belegen aufgeführt –, vier dem Muschelkalk und sechs dem Keuper. Jeweils ein Beitrag zu den vielfältigen Funden aus der karbonatischen Flachwasserfazies des niederländischen Winterswijk (Unterer Muschelkalk) sowie der karnischen Flora von Lunz am See in Österreich und derjenigen des Buntsandsteins im Elsass und in Lothringen ergänzen die Befunde aus Deutschland um wichtige Einblicke in Beckenrandgebiete. Den Wirbeltierlagerstätten des Unterkeupers in Nordwürttemberg, deren Fundzahlen in die Zehntausende gehen, ist ein Artikel mit lediglich drei Seiten zugedacht.

 

 

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„Wirbeltierlagerstätten im Unteren Keuper Nordwürttembergs“ (S. 439).

 

 

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Funde aus Konservatlagerstätten in „Flora und Fauna im Voltziensandstein (Oberer Buntsandstein) von Elsass und Lothringen (Nordost-Frankreich)“ (S. 396).

 

Neben einer paläontologischen haben die während der Trias entstandenen Sedimentgesteine auch eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für weite Teile Deutschlands. Dem trägt das letzte Kapitel „Wirtschaftliche Nutzung“ Rechnung, in dem man erfährt, dass Gesteine aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper auf etwa einem Fünftel der Landesfläche oberflächennah anstehen, und dass ein Drittel aller Naturstein-Abbaubetriebe Deutschlands triassische Sand- und Kalksteine gewinnen. Diese finden nicht nur in der Bauindustrie Verwendung, sondern sind auch wichtige Rohstoffe in der chemischen Industrie und für moderne Technologien, bspw. Quarzsand als Siliziumquelle für Halbleiter und Photovoltaik-Elemente, Karbonate für chemische Prozesse, und natürlich Steinsalz für diverse Verwendungszwecke. Selbst Lösungen für aktuelle Probleme von Klimaschutz und Dekarbonisierung müssen auf triassische Rohstoffvorkommen setzen. So wird derzeit nahezu die Hälfte des inländisch verbrauchten Gipses aus der Rauchgasentschwefelung in Kohlekraftwerken erzeugt – die sich mit der Reduktion dieser Kraftwerke bald auftuende Lücke wird maßgeblich durch den intensivierten Abbau von Sulfatgesteinen der Trias kompensiert werden müssen. Dazu kommt noch die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen sowie die Speicherung von Erdgas in den dafür gut geeigneten triassischen Sandsteinkomplexen, die Nutzung geothermischer Reservoire sowie Aspekte der Hydrogeologie von Grundwasserleitern bis zu Mineralquellen. Nicht zuletzt gründet auch die Beliebtheit bekannter Weinbauregionen auf dem spezifischen triassischen Terroir.

 

 

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„Geothermische Reservoire der Germanischen Trias“ (S. 541).

 

Ein 63-seitiges (!) Literaturverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis schließen den zweiten Band ab.


Die Artikel sind reich mit einer Vielzahl großzügig gestalteter Tabellen, Diagramme, Blockbilder und Karten, Rekonstruktionszeichnungen und sehr vielen Fotos ausgestattet. Bei einem Seitenformat von 24x33 cm und insgesamt 668 Seiten inklusive der Verzeichnisse ergibt sich ein Tableau von fast 53 Quadratmetern, auf dem der aktuelle Wissensstand über die Germanische Trias in Deutschland und angrenzenden Gebieten ausgebreitet ist. Durch geschickte Referenzierung von anderen Artikeln innerhalb des Werks entsteht eine sehr gute Vernetzung und Zugänglichkeit komplexer Themen. Es wird auf diese Weise auf redundante Ausführungen oder lange Zitate anderer Stellen verzichtet, ohne dass dem Leser Zusammenhänge vorenthalten werden. So eignet sich das Buch, was für eine Kompilation von einzelnen Artikeln bemerkenswert ist, sowohl für ein kontinuierliches Studium vom Anfang bis zum Ende im Sinne eines Lehrbuchs, als auch als Nachschlage- und Referenzwerk für bestimmte Themen oder Stichwörter. In den Artikeln wird geologisches und paläontologisches Fachvokabular verwendet, entsprechendes Grundwissen wird in der Regel vorausgesetzt. Da aber der Gegenstand jedes Artikels umfassend erläutert wird, dürften sich die Ausführungen auch Lesern ohne geologische oder paläontologische Fachausbildung erschließen. Alle Beiträge bemühen sich um exakte Begriffsbestimmungen und deren korrekte Verwendung. Aufgrund des Formats und Gewichts selbst eines einzelnen Bandes ist das Werk mehr als Lektüre für den Schreibtisch denn als Begleiter für Exkursionen und Geländetouren geeignet.


Die großzügige Gestaltung des Werks spiegelt sich auch in einem auffällig breiten vertikalen Seitenaußenrand wider, der gestalterisch für Abbildungsbeschriftungen reserviert ist, aber die Größe mancher Fotos einschränkt, während in anderen Kapiteln Bildtafelseiten ohne Rand Verwendung finden. Auf reinen Textseiten verbleibt durch diesen Rand viel weißer Raum. Überhaupt trifft die größte Kritik die Fotos – einige Seiten wurden mit Fotos überfrachtet, die deswegen auf Abmessungen reduziert wurden, bei denen die Details, auf die explizit abgezielt wird, nicht deutlich genug zu erkennen sind. Das ist umso problematischer, als zahlreiche Fotos tendenziell etwas unterbelichtet sind. Die Gegebenheiten machen es mitunter schwer, erwähnte, sehr kleine Markierungspfeile zu finden oder bestimmte Details zu erkennen. Hier wären zumindest für diejenigen Fotos, die ausdrücklich Details zeigen sollen, ein größeres Format oder zusätzliche Ausschnittvergrößerungen angemessen gewesen. Die Herausgeber und die Redaktion haben für eine inhaltliche und gestalterische Konsistenz der Beiträge von vielen verschiedenen Autoren in hervorragender Weise gesorgt, dennoch sind einige wenige Irrtümer durchgeschlüpft, etwa wenn die stratigraphischen Beiträge das Muschelkalk-Keuper-Grenzbonebed gemäß der schon seit Jahrzehnten akzeptierten Lithostratigraphie dem Unterkeuper zuordnen, während der Beitrag „Fossillagerstätten der Germanischen Trias“ dieses Bonebed im Oberen Muschelkalk verortet.


Der Verlag selbst hebt das Werk explizit als sowohl eine Fortführung seines bereits lange vergriffenen Klassikers „Trias. Eine ganz andere Welt. Europa im frühen Erdmittelalter“ aus dem Jahr 1999 wie auch als eine weitgehende Neukonzeption mit veränderten Schwerpunkten hervor, insgesamt soll es eine Ergänzung sein. In den vergangenen 22 Jahren ist die Triasforschung vorangeschritten, und es wurde eine Vielzahl neuer Erkenntnisse gewonnen wie auch viele neue Fragen aufgeworfen, die noch einer Beantwortung harren. Im Vergleich ist der Themenumfang und auch die Autorenschaft des vorliegenden Buchs internationaler geworden, und es wurden in umfangreichem Maß aktuelle Fachpublikationen ausgewertet, die einen gegenüber 1999 merklich erweiterten und modifizierten Wissensstand widerspiegeln. Ebenso ist es gelungen, bereits lange und extensiv bekannte Themen – zum Beispiel historische Fossilbelege und Fundstellen – mit neuen Erkenntnissen und aktuellen Abbildungen anzureichern, so dass auch ihre an dieser Stelle erneute Vorstellung für kundige Leser noch ein Gewinn ist. Dieses Buch ist keine Ergänzung, sondern ein eigenständiges Werk von höchster Aktualität. Die beiden Bände arbeiten die Spezifika des Germanischen Beckens, auch mit Blick auf die Gegensätze zur tethydialen und globalen Trias, heraus.


Immer wieder kommt bei Studenten der Geowissenschaften und interessierten Hobbygeologen und –paläontologen die Frage auf, ob es das eine „große Buch von allem“ über eine bestimmte Epoche der Erdgeschichte gäbe. In der Regel muss das wegen der Nichtleistbarkeit einer solchen allumfassenden Übersicht verneint werden. Dem vorliegenden Werk ist es – mit der Beschränkung auf ein immerhin recht weit gefasstes geographisches Gebiet – in ausgezeichneter Weise gelungen, eine solche umfassende Übersicht über das Zeitalter der Trias zu bieten. Die geologischen und paläontologischen Grundlagen sind in einer für das Verständnis der Zusammenhänge geeigneten Weise ausgebreitet, und wo für größere Ausführungen kein Raum ist, werden Verweise auf aktuelle wissenschaftliche Quellen zur Vertiefung angeboten. Ähnlich wie das Vorläuferbuch ist „Trias. Aufbruch in das Erdmittelalter“ das Referenzwerk für Themen der Germanischen Trias und wird dies in den nächsten Jahren auch bleiben. Es leistet einen kaum zu überschätzenden Beitrag zur Darstellung der Geologie und Paläontologie Deutschlands auf höchstem Niveau.

 

Rezension: Rainer Albert für Steinkern.de