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Kanada: Das Paläozoikum Südwest Ontarios. Teil 1: Hungry Hollow

English abstract:

This is the first of a three part series written after the author’s 4 week sojourn in his homeland in Ontario, Canada. Thanks to the willing and friendly help from his colleagues in the North American internet platform http://www.thefossilforum.com/ he was able to tag along with them and visit several interesting paleozoic fossil collecting sites. This report tells about Hungry Hollow near Arkona in the west of the province of Ontario, where Formations belonging to the Givet, or Middle Devon, are exposed. Directions to the site and a detailed description of the layers and finds to be made there are given below.

 
 
 
Ontario ist die flächenmäßig zweitgrößte Provinz Kanadas. Mit einer Fläche von über 1 Million km² ist es 3-mal so groß wie Deutschland. Der Kanadische Schild mit seinem präkambrischen und archaischen Urgestein im Nordwesten und im Zentrum bedeckt rund die Hälfte der Provinzfläche. Alle Sedimentgesteine, die ursprünglich in das paläozoischen Flachmeer, das den mittleren Teil des Kontinents bedeckte, abgesetzt worden sind, haben die Gletscher der Eiszeit abgetragen, zerkleinert und als Kies, Sand, Geroll und erratische Blöcke im äußersten Süden der Provinz und zum Teil in den norden der USA deponiert. Die Eismassen haben auch nebenbei die Becken der fünf großen Seen ausgehöhlt. Nur im Südwesten haben die Gletscher ihre Schleifarbeit nicht zu Ende führen können. Die verbliebenen Sediment-Schichten streichen, wenn sie nicht gerade vom eiszeitlichen Schotter bedeckt sind, mit abnehmendem Alter vom Osten nach Westen dieses Provinz-Teils aus.

 

Die Schichten des Ordoviziums treten vom nördlichen Ufer des Ontariosees bis Georgian Bay im Norden und in der Gegend östlich vom Lake Simcoe zu Tage. Die westliche Grenze zu den silurischen Schichten bildet die Niagara Escarpment (Böschung), eine sehr markante geologische Formation die sich Tausende von Kilometern beginnend im Rochester, N.Y., über die Niagara  Fälle, hoch durch Georgian Bay und dann in langem Bogen über das nördliche Ufer des Obersees und dann herunter bis nach Chicago erstreckt. Dieser Streifens de Silurs, der durchschnittlich ca. 100 km breit ist, geht dann ins Devon über, und so bleiben die Aufschlüsse bis zum amerikanischen Grenze im Westen und darüber hinaus.
 
 
Im gerade vorangegangenen Sommer war ich dort fast 4 Wochen unterwegs. Ich wuchs in diesem Land auf und da ich seit über 20 Jahren kaum wieder dort war, gab es sehr viel mit Familie und Freunden nachzuholen, was natürlich überaus schön war, genauso wie das Land! Nichtsdestotrotz, war es mir gegönnt, 5 Sammeltage an verschiedenen Orten einzuplanen - und über einige dieser Fundstellen möchte ich hier in erster Linie berichten.

 

Beginnen möchte ich mit Hungry Hollow, einer der ergiebigsten Fundstellen im Devon Nordamerikas. Viele Sammler nehmen lange Reisen auf sich um dort ihre Säcke und Eimer voll zu machen, einige reisen manchmal aus den Südstaaten an! Dieser Ort ist auch die Typuslokalität für viele neue Gattungen und Arten, dank seiner Vielfalt und der überaus hohen Dichte an Fossilien. Man hat hier die Qual der Wahl, besonders wenn man seine Funde im Fluggepäck mitnehmen muss!

Hungry Hollow ist eine kleine Ortschaft nördlich der Autobahn 402 auf halbem Weg zwischen London und Sarnia. Man fährt von der Kleinstadt Arkona ca. 5 km. in östlicher Richtung auf die Landesstrasse 12 bis Sylvan Road. Links einbiegen und dann gleich wieder links in die Hungry Hollow Road fahren. Am Ende dieser Strasse kann man parken, denn dann ist das Ziel erreicht.


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Direkt vor einem ist der Ausable Fluss und gleich rechterhand ist der Eingang zur südlichen Tongrube. Am nördlichen Ufer des Flusses gibt es noch eine Grube, die man über eine Brücke ein paar hundert Meter weiter östlich erreichen kann. Man kann am Flussufer auch nach Westen wiederum einige hundert Meter laufen bis die Klippenwände erreicht sind. Hier sind auch gute Funde zu machen - Gummistiefel sind zu empfehlen!
Die beiden Gruben sind seit Jahren nicht mehr in Betrieb, aber die weichen Schichten verwittern leicht und garantieren bei jedem Besuch deshalb reiche neue Funde. Das Sammeln ist dort freigegeben und wird sogar vom Fremdenverkehrsamt gefördert. Überrannt war die Fundstelle nach meinem Eindruck trotzdem nicht.
Schichten des mittleren Devons sind hier aufgeschlossen, genauer gesagt, fast das ganze Givet, die am Fluss eine Mächtigkeit von 12 Meter erreichen. Sie setzen sich zusammen, von unten nach oben aus dem oberen Arkona Shale, der Hungry Hollow Member und der unteren Widder Formation. Diese Schichten sind überwiegend aus weichem Tonschiefer und Tongestein mit einigen Hartgründen und mit zwei oder drei eingeschalteten bis 50 cm. mächtigen Kalkstein-Bänken aufgebaut. In der südlichen Grube sind nur die ersten zwei genannten Formationen, beim Fluss hingegen sind alle drei vorhanden. Ich hatte leider nicht die Zeit, die nördliche Grube zu besuchen. Gehen wir also erst zur südlichen Grube.


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Die Liste der Fauna, die man hier finden kann ist unendlich lang. Zu meinen Funden von den zwei Sammeltagen zählen rugose und tabulate Korallen, Goniatiten, Gastropoden, Crinoiden-Teile, Bryozoen, Brachiopoden, Bactriten und Trilobiten. An der Stelle von der aus ich fotografierte, musste ich auf Händen und Knien gehen, um die Kleinfauna aufzusammeln, die immer wieder vom Regen ausgespült wird. Am Hang hinten im Bild, sieht man, wenn man auf den Boden schaut, häufig solche Gebilde:


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 Rugose Korallen. Hungry Hollow Member.

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 Ein großer Favosites in Situ. Hungry Hollow Member.

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 Brachiopode im Fundzustand. Rhipodomella penelope. Breite 4 cm.

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Jetzt im präparierten Zustand zeigt sich darauf die Koralle Aulopora  ?microbuccinata.

Nun sind wir schon bei den Funden. Mir wurde bei meinen Bestimmungen sehr von den kanadischen und amerikanischen Sammlerkollegen unter die Arme gegriffen, wofür ich ihnen allen zu Dank verpflichtet bin. Wo Unsicherheit wegen die Artbestimmung besteht, kommt ein Fragezeichen oder ein glattes "sp." dazu. Erst die Korallen, die alle aus der Hungry Hollow Member stammen.


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 Typische Stufe mit rugosen Korallen, Bryozoen, Crinoiden-Teilen, usw. 20x15cm.

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 Favosites ?emmonsi. Durchmesser 7 cm.

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 Rückseite

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 Heterophrentis sp. Länge 6 cm.

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  Favosites ?placenta. 9 x 8 cm.

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  Heliophyllum halli. Länge 4 cm.

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 Alveolites ?goldfussi. Durchmesser 5 cm.

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 Heliophyllum tenuiseptatum. Durchmesser 5 cm.

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 Favosites ?nitella. Bis 3 cm.

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 Eridophyllum ?subcaespitosum. Länge 6 cm.

Bryozoen sind auch in Hülle und Fülle zu finden. Hier sind vier Beispiele:

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 Fenestella sp. Breite 4 cm.

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 ?Stictoporella sp. Durchmesser 3 cm.

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 Halopora sp.  Länge 4 cm.

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 Loculipora perforata.6 x 4 cm.

Vollständige Trilobiten kommen nicht so häufig wie die Korallen vor, aber an einem Sammeltag kann man oft, außer den üblichen Bruchstücken und Häutungsresten, wenigstens einen davon finden.

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Eingerollter  Phacops rana milleri in Pyriterhaltung. 2cm. Ein Teil der hinteren Seite fehlt.

Brachiopoden sind sehr artenreich. Hier einige wenige Beispiele:

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 Innenseite vom Rhipodomella penelope. 3 cm.

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 Rhipodomella vanuxemi. 1,5 cm.

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  Strophodonta sp. 3,5cm.

Das letzte, was ich von der Grube zeige ist die Kleinfauna, die auch sehr artenreich ist. Erst eine so genannte „Hash plate“, wie die einheimischen Sammler diese pyritisierten Schichten nennen. Diese Funde stammen aus der Arkona Formation.

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 Tentaculites sp. auf Brachiopodenresten. Der größte misst 1,5 cm.

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 Goniatit Tornoceras arkonense. 1 cm.

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 T. arkonense.  8 mm.

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 Stengelglieder vom Crinoiden  Arthroacantha carpenteri.

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 Bactrites sp.  12 mm.

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 Gastropoden Platyceras arkonensis. 1,5 cm.

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Stachel von P.arkonensis auf Hash plate zwischen Tentaculiten und Crinoiden-Teilen. 12 mm.

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 So genannte „button coral“ Microcyclus thedfordensis. Durchmesser 1 cm.

Jetzt wandern oder  - besser gesagt - waten wir zum Fundstelle am Fluss. Bald trifft uns dieser Anblick:

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Auf dem Boden liegen die Korallen nur so herum:

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 Favosites sp.

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 Eridophyllum sp.

Die Aussichten auf gute Trilobiten Funde sind höher als in den Gruben, weil hier regelmäßig Gesteine aus dem anstehenden Klippen dem Hang hinunter poltern. Obwohl man hier auch die ganze Bandbreite der Fauna aus den Gruben finden kann, habe ich mich in erster Linie auf den „Bugs“ konzentriert. Die Grabspüren der urtümlichen Tiere sind überall zu sehen:

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Es dauerte aber nicht lange, bis ich anfing, echte Spuren zu finden:

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 Blöcke mit Trilobiten-Teile, die meisten davon Pygidien.

Und dann kam der erste richtige Fund:

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 Greenops widderensis.  Eingerollt 2 cm. breit.

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 So sah er aus als ich sein Pygidium entdeckte.

Ich war den ganzen Nachmittag dort und nahm unter anderem folgende Funde mit nach Hause, die ich jetzt in präpariertem Zustand zeigen möchte. Wenn nicht anders vermerkt, stammen sie aus der Widder Formation.

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 Mein zweiter ganzer Trilo: Eingerollter Phacops (Elredgeops) rana.  Breite 3cm.

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 Rückseite.

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 Brachiopode Mucrospirifer thedfordensis. Breite 4cm.

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 Hash plate mit Mucrospirifer arkonensis. Breite 7 cm. Hungry Hollow Member.

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Brachiopoden Pseudatrypa sp. 2 cm. (links oben),  Atrypa ?reticularis (rechts oben), und zwei Cyrtina angularis unten im Bild.


Jetzt ist der 1. Teil zu Ende. Ich werde in nächster Zeit über meine Erlebnisse und Funde aus anderen kanadischen Fundstellen noch zu berichten haben.

Ich möchte mich hier ausdrücklich bei meinen kanadischen Sammlerkollegen Peter Lee und Kevin Kidd für den überaus freundlichen Empfang und die stete Bereitschaft, meine vielen Fragen zu beantworten, bedanken. Auch den Amerikanern Dave alias Shamalama und Joe Konieki danke ich für die Bestimmungshilfe in schwierigen Fällen. Alle vier sind in diesem überaus empfehlenswerten amerikanischen Fossilien Forum unterwegs:

http://www.thefossilforum.com/

Joe hat eine sehenswerte Website, auf der er seine Funde aus 35 Jahren Sammeltätigkeit in Arkona und an anderen paläozoischen Fundstellen zeigt. Enjoy!

http://www.crinus.info/index.html

Liebe Grüße, Roger.

Alle Abbildungen: Sammlung und Fotos R. Furze.