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Gotland für "Dummies"

Einleitung

Ziel des Artikels ist es, dem "Neusammler" auf Gotland einen schnellen und erfolgreichen Zugang zu den häufigsten Silur-Fossilien dieser Region zu verschaffen. Dafür werden fünf besonders erfolgversprechende Fundpunkte angesteuert und besprochen.

Hallo, da sind wir mal wieder!

Wir, das sind meine Frau, unsere mittlerweile achtjährige Tochter und ich (siehe Foto beim Autorenporträt am Ende des Berichts).

 

Unseren Sommerurlaub 2015 wollten wir an einem guten Ort zum Fossiliensammeln verbringen. Aber auch der Badespaß für unser Kind, sollte nicht zu kurz kommen. Nach kurzem Überlegen entschieden wir uns für die Insel Gotland, die in der zweiten Augusthälfte klimatisch sehr stabil sein sollte. Außerdem ist eigentlich schon Saisonende, da die Schweden die Insel eher im Juli besuchen.

 

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Abb. 1

 

Nach zwei kurzen Flügen: Berlin-Stockholm-Visby, und Entgegennahme des Mietwagens waren wir dann auch schon, nach etwa sechs Stunden Reisezeit, im Ferienhaus, bei Lummerlunder, angekommen. Es sei darauf hingewiesen, dass Gotland sehr zentral organisiert ist. Aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und der wenigen größeren Orte, spielt sich alles Geschäftliche rund um Visby (Inselhauptstadt) ab.

 

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Abb. 2

 

 

Es gibt also nicht in jedem Ort Lebensmittel zu kaufen, und auch eine Tankstelle sollte man rechtzeitig aufsuchen. Die meisten Tanksäulen können nur bargeldlos genutzt werden.

Desweiteren ist bei der Wahl eines Quatiers darauf zu achten, dass Gotland ca. 170 km lang und 40 km breit ist. Das klingt ersteinmal mittelgroß, aber da auf den meisten Straßen Tempo 60 vorgeschrieben ist, braucht man schon mal zwei bis zweieinhalb Stunden, um die Insel der Länge nach zu durchqueren. Schneller zu fahren ist nicht empfehlenswert, da schon eine geringe Tempoüberschreitung durchaus mit 200-300 Euro Bußgeld geahndet wird. Wir selber haben einmal versehentlich falsch geparkt – das Resultat war ein Bußgeld in Höhe von 120 Euro.

Aber nun zum Thema:

Als guter Standort zum Fossilien sammeln und Baden hat sich der Bereich um Lummerlunder und Martebo erwiesen (etwa 20 km nörtlich von Visby). Von dort erreicht man etliche aussichtsreiche Fundpunkte in ca. 30-45 min. Außerdem kann man abends noch schnell nach Visby zum Einkaufen fahren. (Öffnungszeiten der zwei großen Supermärkte z.Zt. Mo.-So. 9.00-23.00 Uhr).

Um einen Einblick in die Geologie der Insel zu bekommen, empfehle ich das Standardwerk, Fossilien auf Gotland von Sara Eliason. Hier wird das Schichtensystem des gotländischen Silurs anschaulich beschrieben. Geologische Anschnitte werden jeweils mit Anfahrtsweg benannt, und lassen sich auch gut auffinden. Typische Fossilien werden teilweise abgebildet. Hier nun allerdings zeigt sich ein großes Manko des Buches, denn die Fossilienpopulation erscheint mir, nach intensiven Sammeln, eher theoretisch erarbeitet. Man hatte selten den Eindruck, dass der Autor selbst die Stellen besammelt hat. Die praktische Funddichte weicht zu sehr von der im Buch dargestellten ab. Das bedeutet, man kann viel Zeit verschwenden, wenn man sich nur auf die existierende Literatur verlässt.

So kommt es, dass ich mich dafür entschieden habe, exemplarisch fünf "totsichere" Stellen zu benennnen, so dass es auch bei einem Kurzaufenthalt möglich ist, vielfältige Fossilien zu sammeln, die für die Insel typisch sind.

Wir selber haben in zwei Wochen Urlaub, zu dritt ca. fünfzig Stunden gesammelt und über 20 kg schönster Fossilien mit in den Flieger genommen.

Da man auf Gotland nicht im Anstehenden graben, oder Steine brechen darf, benötigen wir für unsere Exkursionen nur das nötige Verpackungsmaterial und ausreichend Proviant. Alle fünf Stellen sind gut mit dem Auto zu erreichen und setzten danach noch einen maximal 20 min. Fußweg voraus. Die Fundpunkte sind von Norden nach Süden sortiert.

 

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Abb. 3

 

1. Ireviken (Abb. 3)

Ireviken liegt in den Visby-Schichten. Diese Mergelschichten sind wohl die am reichlichsten mit Fossilien gesegneten Schichten Gotlands. Wir erreichen diesen Fundpunkt, indem wir von Visby aus auf der Straße Nr. 149 bis zum Abzweig Iraviken fahren und dort links abbiegen. Wir fahren immer geradeaus, durch eine kleine Ferienhaussiedlung und erreichenn schließlich einen kleinen Parkplatz. Von dort wenden wir uns nach links und folgen der Uferlinie ca. 200 Meter. Dort beginnen die geschichteten Steilhänge und wir können mit dem Sammeln beginnen.

Typische Fossilien vom Fundpunkt Ireviken zeigen Abb. 4-6.

 

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Abb. 4: Korallen.

 

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Abb. 5: Kettenkoralle.

 

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Abb. 6

 

Eine etwas unbekanntere Stelle ist am anderen Ufer der Bucht zu finden. Dazu fahren wir an der Ausfahrt Ireviken vorbei und biegen den zweiten Weg dahinter links ab. Wir folgen einem relativ schlechten Sandweg durch ein Naturschutzgebiet (Befahren ist erlaubt) bis zum Ende des Weges. Dort lassen wir den Wagen stehen und wandern einen Trampelpfad hinunter zum Meer. Wenden wir uns nach rechts, stehen nach ca. 300 m die entsprechenden Schichten an. Da diese Stelle offensichtlich nicht besammelt wird, finden wir hier deutlich mehr Fossilien. So haben wir z.B. in zwei Stunden über 500 Knopfkorallen gefunden (Abb. 7-8).

 

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Abb. 7

 

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Abb. 8: Solitärkorallen.

 

 

Zu achten ist auf Kühe, die manchmal ans Meer kommen und nicht immer freundlich drein schauen. Die Stelle ist auch schön, um aus herumliegenden Steinen eine kleine Feuerstelle zu bauen (wird im Rahmen des „Jedermannsrechts“ geduldet, wenn es an einer Stelle durchgeführt wird, wo es sich nicht ausbreiten kann und niemandem schadet). In diesem kann man Köttböller am Spieß grillen, Folienkartoffeln in der Glut zubereiten und dabei in den Sonnenuntergang schauen (Abb. 9).

 

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Abb. 9

 

 

2. Valleviken (Abb. 10)

 

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Abb. 10: Valleviken.

 

Dieser Fundpunkt liegt in den Slite-Schichten. Er ist mit Hilfe des angesprochenen Geoführers gut zu finden. Es ist der einzige Fundpunkt, der nicht an der Küste liegt. Vielmehr handelt es sich um einen alten Steinbruch, der zum großen Teil mit Wasser vollgelaufen ist und von den Insulanern als Badesee genutzt wird. Wir parken seitlich am Weg und laufen rechts am See vorbei, bis zum hinteren Ende des Bruches. Dort können wir in zwei flachen Uferstufen nach Trilobitenschwanzschilden, Brachiopoden und vor allem nach Schnecken (meist in Steinkernerhaltung) Ausschau halten. Die Stelle ist auch schön für ein Picknick. Allerdings sollte man langärmlig bekleidet sein. Es gibt nämlich viele fliegenähnliche Insekten, die bei Windstille kleine, blutige Löcher in unsere Arme beißen wollen. (Abb. 11 und 12).

 

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Abb. 11: Schalenerhaltene Gastropoden.

 

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Abb. 12: Schneckensteinkerne.

 

Auf der Rückfahrt können wir noch einen Stop am Tingstäde See einlegen (Straße 148). Dort gibt es eine kleine Badestelle mit guter Wasserqualität und Wiese.

 

3. Rövar Liljas hála (Abb. 13)

 

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Abb. 13

 

Fundpunkt 3 befindet sich südlich von Visby, dort können wir erneut die Visby-Schichten besammeln. Zusätzlich finden wir dort bereichsweise auch Fossilien aus den diese überlagernden Högklint-Schichten. Wir folgen der Wegbeschreibung des Geoführers und landen am Rande einer kleinen Ferienhaussiedlung. Von dort gehen wir über eine Wiese in Richtung Steilküste. Dort schlängelt sich ein Trampelpfad nach rechts, der bis an die Küstenlinie führt. Am Strand gehen wir nach rechts zu einer steilen Felswand. Hier können wir in den herabgefallenen Brocken und im Spühlsaum nach Fossilien Ausschau halten. Besonders schön sind die frischen Bruchflächen, die voller Korallenstöcke sind und eine herrliche rosa Patina aufweisen. Die Wände selber sind sehr bröcklig, es gilt also gebührenden Abstand zu halten. (Abb. 14 und 15)

 

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Abb. 14: Koralle in situ.

 

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Abb. 15

 

4. Blahäll (Abb. 16)

Fundpunkt 4 ist etwas Besonderes. Hier steht die eher seltene Muldeschicht an. Benannt ist diese nach einem ehemaligen Steinbruch nahe der gleichnamigen Ortschaft. Dieser Steinbruch lieferte perfekt erhaltene Trilobiten in großer Menge. Wir parken zum Erreichen des Aufschlusses unseren Wagen in der Nähe des Campingplatzes Blahäll. Von dort wenden wir uns nach links und sehen ein ca. vier Meter hohes Steiluferstück. Dieses ist etwa 150 Merter lang. Bei niedrigem Wasserstand finden wir davor einen zwei Meter breiten, kiesigen Uferstreifen. Diesen können wir nach zwei Fossilienarten absuchen, die nur hier vorkommen und ausgesprochen attraktiv sind. Zum einen ist dies der Brachiopode Leptaena depressa und zum anderen die Trilobitengattung Calymene, die beide in sehr gutem Erhaltungszustand vorkommen können (Abb. 17 und 18).

 

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Abb. 17: Leptaena depressa.

 

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Abb. 18: Eingerollter Trilobit.

 

 

5. Grogarnshuvud (Abb. 19)

 

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Abb. 19

 

Fundpunkt 5 ist der am südlichsten gelegene der an dieser Stelle besprochenen Fundorte. Er liegt unterhalb des Naturschutzgebietes Grogarnsberget. Also immer nach unten fahren. Man parkt auf einer Wiese und läuft dann neben dem Zaun (rechts vom Zaun bleiben) bis zum Meer. Wir gehen hundert Meter nach rechts und erblicken zwei übereinanderliegende Strandwälle. Der untere enthält überwiegend Kopffüßer, der obere eher unscheinbare Schneckensteinkerne. Es ist immer gut, eine Jacke mitzuführen, da wir uns auf der Festland abgewandten Seite der Insel befinden und der mitunter starke Wind empfindlich kühl sein kann (Abb. 20 und 21).

 

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Abb. 20: Belegstücke paläozoischer Kopffüßer. Beim linken Exemplar kann man gut die zentrale Lage des Siphons erkennen.

 

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Abb. 21: Angeschliffener Trilobit.

 

Transport und Präparation

Der Abtransport der Fossilien ist zur Zeit unproblematisch. Selbst auf dem Flughafen von Visby gab es keine Problem beim Durchleuchten, so dass der Transport mit dem Auto nach Deutschland erst recht ungestört vonstatten gehen konnte. Was uns als Sammler die Zukunft bringt, steht jedoch in den Sternen.

Die Reinigung der Fossilien gestaltet sich denkbar einfach. Die meisten Stücke müssen nur mit Wasser und einer Bürste gereinigt werden. Stärker anhaftender Mergel wird weggestrahlt. Den größeren Solitärkorallen und Korallenstöcken tut eine Behandlung mit Gesteinspflegemittel sichtlich gut.

So, das war unsere kleine Exkursion auf der schönen Insel Gotland. Nachfolgend zeigen wir noch einige Inselimpressionen in der Hoffnung, viele Leserinnen und Leser für dieses tolle Urlaubsziel begeistern zu können.

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Dank

Danken möchte ich meiner lieben Frau Sina dafür, dass sie Verständnis zeigt, wenn auch die dritte Hose ein Loch im Knie hat und unserer Tochter Kahina, für ihre Leidenschaft beim Mitsammeln. ("Papa, ich kriege nicht alle Korallen in meine Hosentasche. Kannst du mir helfen?")

 

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Autor:

Christian Prutz sammelt seit über zehn Jahren Fossilien. Am liebsten jagt er den Haizähnen, Scaphiten und regulären Seeigeln des Campan nach.

 

Fotos:

Sina-Lucyle Schoepke-Prutz, sie folgt ihrem Mann durch Matsch und Dreck, liebt die Würmer des Campan und die Schneckenvielfalt von Groß Pampau.