Sonstige Bundesländer
Fossilien aus dem Unteroligozän (Rupelium) des Braunkohletagebaus Amsdorf: Haie, Rochen und Chimären – eine Bilanz
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- Kategorie: Sonstige Bundesländer
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. September 2024 11:00
- Geschrieben von Hartmut Huhle
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Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkungen
2. Hinweise für die Haizahnsuche
3. Heutige Fundmöglichkeiten
4. Beschreibung der Arten
4.1 Haie
4.1.1 Notorynchus primigenius (Agassiz, 1843)
4.1.2 Squalus alsaticus (Andreae, 1892)
4.1.3 Squatina angeloides Van Beneden, 1873
4.1.4 Carcharias acutissimus (Agassiz, 1843)
4.1.5 Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843)
4.1.6 Isurolamna gracilis (Le Hon, 1871)
4.1.7 Otodus angustidens (Agassiz, 1843)
4.1.8 Keasius parvus Leriche, 1908
4.1.9 Scylorhinus sp.
4.1.10 Physogaleus latus Storms, 1894
4.1.11 Carcharhinus elongatus Leriche, 1919
4.2 Rochen
4.2.1 Dipturus casieri Steurbaut & Herman, 1978
4.2.2 Raja aff. terhagensis Steurbaut & Herman, 1978
4.3 Chimären
4.3.3 Chimaera cf. gosseleti Winkler, 1880
1. Vorbemerkungen
In den Deckschichten (Abraum) oberhalb der Braunkohle fand sich im Tagebau Amsdorf (Landkreis Mansfeld-Südharz, Sachsen-Anhalt) ein etwa 20 m mächtiges Schichtpaket mit marinen Ablagerungen aus dem Rupelium (Unteroligozän). Die Schichten beginnen mit dem Haizahnkonglomerat, einer zwischen 5 cm und 15 cm mächtigen Kiesschicht. Oberhalb der Kiesschicht – zum Teil durch altbergbaubedingte Senkungen auch innerhalb des Konglomerates – befindet sich in einigen Bereichen ein dünner fetter stark kohlehaltiger Ton. Anschließend folgt entkalkter Schluff. Dieser erreicht eine Mächtigkeit von etwa 3 Metern. Den Rest der Unteroligozän-Abfolge bildet eine Wechsellagerung aus Schluffen und Tonen.
Abb. 1: Fossiliensuche im Anstehenden des Haizahnkonglomerats im Jahr 2012.
Reste von Haien, Rochen und Chimären konnten wir über die gesamte Mächtigkeit der Oligozän-Schichten finden, konzentriert vor allem im Haizahnkonglomerat. Dort sind die Fossilien abgerollt und im frischen Zustand in der Regel lackschwarz. Manche Stücke haben - je nach Art und Erhaltung - noch Reste von Nebenzähnchen. Schon nach wenigen Tagen an der Luft beginnen sich die Zähne grau zu verfärben. Nach ein oder zwei Jahren sind sie dann meist vollkommen hinüber, sprich in Gips umgewandelt. Die abgerollten Haizähne gehören überwiegend zu den beiden vorkommenden Carcharias-Arten (C. acutissimus und C. cuspidatus). Weitere Arten finden sich nur sehr selten als Belege.
Abb. 2: Abgerollte Haizähne im Konglomerat.
Haizähne, die nicht abgerollt waren, kamen vor allem im Grenzbereich Konglomerat/Rupelschluff vor. Mal mit und mal ohne Wurzel, die – wenn vorhanden – immer leicht bräunlich gefärbt war. Die Zähne sind noch scharf. Sieht man einmal von der Farbe ab, sehen sie aus wie frisch aus dem Maul gefallen. Die Arten entsprechen denen aus dem Haizahnkonglomerat.
Darüber kommt vollkommen entkalkter Rupelschluff vor. Hier findet man mit viel Glück vollkommen in Markasit bzw. Pyrit umgewandelte Fossilien.
Abb. 3: Wirbel, möglicherweise von Squatina angeloides Van Beneden, 1873 (9 mm x 7 mm) aus dem entkalkten Bereich oberhalb des Haizahnkonglomerates in Markasit/Pyrit-Erhaltung.
In der den Abschluss der Oligozän-Schichten bildenden Wechsellagerung aus Rupelton und -schluff finden wir ebenfalls diverse Reste von Wirbeltieren. Die Zähne sind im frischen Zustand graublau und verfärben sich später weiß. Auch hier kommen Zähne mit und ohne Wurzel vor. Nebenzähnchen sind bei den Arten, die solche ausbilden, recht häufig noch vorhanden. Knochen und Schuppen haben eine graue bis schwarze Farbe. Auch hier überwiegen die beiden Carcharias-Arten C. acutissimus und C. cuspidatus. Alle anderen Fossilien sind selten, jedoch häufiger als in den vorher genannten Fundschichten.
Abb. 4: Zahn von Carcharias acutissimus im Schluff.
Unterhalb des Haizahnkonglomerats sind in letzter Zeit ein weiterer Schluffhorizont und darunter wiederum ein Kieshorizont aufgetreten. Der Kieshorizont enthält ebenfalls Haizähne. Die durchweg kleinen Zähne (maximal 20 mm) sind stark markasithaltig. Es ist noch nicht sicher, ob die Fundschicht noch dem oberen Eozän oder schon dem Unteroligozän zuzuordnen ist. Die Zähne sind nach der Entnahme aus der Schicht leider kaum erhaltungsfähig. Schon nach wenigen Tagen Aufbewahrung beginnen die ersten Zähne auszublühen. Ich habe trotz sorgfältiger Reinigung, anschließender intensiver Trocknung und Aufbewahrung unter Luftabschluss bisher noch keine zufriedenstellende Lösung für dieses Problem gefunden.
In der Zwischenschicht vom unteren Kieshorizont bis zum Haizahnkonglomerat wurden bisher noch keine Fossilien gefunden.
2. Hinweise für die Haizahnsuche
Bei der Suche im Haizahnkonglomerat bemustern wir zuerst einmal die Arbeitsebene. Ist dort bereits ein gewisser Kiesanteil festzustellen, so ist das Konglomerat nicht weit. Entweder steht es direkt auf der Arbeitsebene oder unmittelbar darüber in der angrenzenden Böschung an. Haizähne finden sich vor allem dort, wo in die Grundmasse größere Kiesel (ab 2 cm Durchmesser) eingebettet sind.
Jetzt benötigen wir einen Spaten oder eine kleine Schaufel, um das lose Material von der Böschung zu beseitigen. Anschließend können wir mit einem Messer, einer Fugenkelle oder einem breiten Schraubendreher das Konglomerat auskratzen. Das Konglomerat wird Schicht für Schicht aus dem Verbund gelöst und breitgestrichen. Nach jedem Breitstreichen mustern wir die Oberfläche. Bei frischem Material sind die Zähne lackschwarz und heben sich meist deutlich vom Konglomerat ab, da sie sich durch ihre länglichen, spitzen Formen klar von den gerundeten Kieseln abgrenzen. Zu Bergung vor Ort haben sich alte Filmdosen und Ähnliches bewährt. Verwitterte Zähne sind meist durch Anbackungen von Sandkörnern und Gipsbildungen hell gefärbt.
Abb. 5: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843).
Ein stark abgerollter Vorderzahn (37 mm) aus dem Haizahnkonglomerat.
Die Nebenzähnchen sind nur noch als kleine Huckel zu erahnen.
Abb. 6: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843).
41 mm langer Vorderzahn (angewittert) aus dem Rupelschluff (46 mm).
Abb. 7: Nicht mehr sammelwürdiger Zahn nach mehreren Jahren (42 mm) Verwitterung.
Die Zähne sind nach meinen Beobachtungen nicht in irgendeinem Bereich des Konglomerats konzentriert, sondern unregelmäßig darin verteilt.
Steht das Konglomerat auf der Arbeitsebene an, so heben wir vorsichtig die eventuell noch vorhandene Deckschicht ab. Dabei mustern wir den Grenzbereich aufmerksam. Dort liegen oft gut erhaltene, kaum abgerollte Zähne mit vollständiger Wurzel und Nebenzähnchen.
Abb. 8: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 31 mm. Ein nur wenig abgerollter Vorderzahn mit Nebenzähnchen aus dem Ton über dem Haizahnkonglomerat.
Im Konglomerat tragen wir wieder Schicht für Schicht ab und Bemustern die entstandenen Flächen.
Vollständig anders erfolgt das Sammeln in Rupelschluff und -ton. Hier bringt Graben gar nichts. Haizähne sind aufgrund der geringen Funddichte „Beifänge“ bei der Suche nach Muscheln und Schnecken aus dem Oligozän. Die Arbeitsebenen und die Böschungen müssen intensiv bemustert werden. Kleine und kleinste Zähnchen werden dabei nur sehr selten gefunden. Ich habe deshalb für diese Zusammenstellung die Skizzen von WOYDACK (1998) übernommen, um auch Arten aufzuzeigen, die ich selbst nicht finden konnte.
Abb. 9: Carcharias acutissimus (Agassiz, 1843). Ein 17 mm großer Zahn aus dem Rupelschluff mit schöner Schmelzstreifung auf der Außenseite.
Durchschnittlich fanden sich etwa ein bis zwei „Schluffzähne“, oft aber ohne Wurzel und Nebenzähnchen, pro Begehung.
WOYDACK hat aus einem Profil des Tagebaues mehrere Tonnen Material gewonnen und geschlämmt. Darin sind gerade einmal 10 Knorpelfischreste gefunden wurden.
3. Heutige Fundmöglichkeiten
Heute bestehen fast keine Fundmöglichkeiten mehr. Der Tagebau fährt die Endstellung an und erreicht momentan den Randbereich der Lagerstätte. Dort keilen die Oligozänschichten aus. Wenn überhaupt, kann man eventuell auf der Innenkippe noch Bereiche mit Oligozänschluff finden.
Wer trotzdem den Tagebau besuchen möchte, muss unbedingt vorab um Erteilung einer Genehmigung bitten:
ROMONTA GmbH
Chausseestr. 1
06317 Seegebiet Mansfelder Land
4. Beschreibung der Arten
Im Vergleich mit anderen unteroligozänen Knorpelfischfaunen ist in Amsdorf nur ein überschaubares Artenspektrum anzutreffen. Die Ursachen dafür können in der paläogeografischen Lage, aber auch in der Art und Weise der Aufsammlung (speziell bei kleinen Formen) liegen.
Bei der Auflistung der Fauna habe ich mich an die Aufstellung von WOYDACK (1998) angelehnt und diese durch Funde aus verschiedenen Sammlungen ergänzt.
Die Benennung der Arten orientiert sich an MÜLLER, MARTINI & HOHNDORF 2017.
Zur unteren Kiesschicht gibt es noch keine eindeutige Artzuordnung der Zähne. Auf eine Aufnahme in vorstehende Tabelle wurde deshalb verzichtet.
Literatur:
LEDER, R.-M. (2015): Fossile Reste von Selachiern und Chimaeren aus dem Muschelschluff und Phosphoritknollenhorizont von Zwenkau bei Leipzig, in: Geologica Saxonica, 61 (1), S. 73-90.
MÜLLER, A. (1983): Fauna und Palökologie des marinen Mitteloligozäns der Leipziger Tieflandsbucht (Böhlener Schichten), in: Altenburger naturwiss. Forsch., 2, 152 S., Altenburg.
MÜLLER, A., MARTINI, E. & HOHNDORF, G. (2017): Das Unteroligozän (Rupelium) von Amsdorf bei Röblingen (Mansfelder Land, Sachsen-Anhalt): Lithostratigraphie, Biostratigraphie und Fauna, in: Mauritiana 31; S. 71 – 151, Altenburg.
WOYDACK, A. (1998): Die Fischfauna des Rupeltons im Tagebau Amsdorf (Mitteldeutschland), in: Münstersche Forsch. Geol. Paläont., 85, S. 189-201.
Im Folgenden habe ich eine allgemeinverständliche und als Bestimmungshilfe gedachte kurze Vorstellung der Arten zusammengestellt:
4.1 Haie
4.1.1 Notorynchus primigenius (Agassiz, 1843)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Hexanchiformes Buen, 1926
Familie: Hexanchidae Gray, 1851
Gattung: Notorynchus Ayres, 1855
Funde von Notorynchus gehören in Amsdorf zu den absoluten Seltenheiten. In über 30 Jahren Sammeltätigkeit wurden bisher nur vier vollständige Unterkieferzähne im Schluff gefunden (die ich gesehen, aber leider nicht selbst gefunden habe) sowie wenige abgerollte Zahnfragmente im Haizahnkonglomerat. Dazu kommt noch ein Oberkieferzahn aus dem Konglomerat.
Von der Belegschaft des Braunkohlenwerkes werden in Erzählungen „Zahnleisten“ oder „Haiunterkiefer“ erwähnt, bei denen es sich um Zähne von Notorynchus handeln könnte. Das ist aber nicht sicher.
Die Unterkieferzähne der Art sind langgestreckt und besitzen 5 bis 7 größere zusammenhängende Schmelzspitzen, die nach hinten kontinuierlich an Höhe abnehmen.
Abb. 10: Notorynchus primigenius (Agassiz, 1843).
Vollständiger 26 mm langer Zahn aus dem Unterkiefer (Sammlung Hohndorf).
Die Oberkieferzähne sind kürzer und höher als die Unterkieferzähne und besitzen eine stärker ausgeprägte Hauptspitze.
Abb. 11: Notorynchus primigenius (AGASSIZ, 1843).
Stark abgerollter Oberkieferzahn (19 mm) aus dem Haizahnkonglomerat.
Sammlung: Huhle (gefunden am 3. Mai 2003 von U. Grobelny)
Nochmals vielen Dank für die Überlassung!
4.1.2 Squalus alsaticus (Andreae, 1892)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Squaliformes Goodrich, 1909
Familie: Squalidae Blainville, 1816
Gattung: Squalus Linné, 1758
Die Art besitzt kleine, meist unter 5 mm breite Zähne. Die Hauptspitze ist weit zurückgebogen. Auf der Innenseite befindet sich ein bis zur plattformartigen Wurzel reichender Schmelzfortsatz.
Abb. 12: Squalus alsaticus (Andreae, 1892). Skizzen entnommen aus WOYDACK (1998)
Selbst habe ich bisher noch keine Belege für die Art gefunden. WOYDACK erwähnt im Schlämmmaterial sieben Exemplare.
4.1.3 Squatina angeloides Van Beneden, 1873
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Squatiniformes Buen, 1926
Familie Squatinidae Bonaparte, 1838
Gattung: Squatina Dumeril, 1806
Die Zähne von Squalus besitzen eine schlanke Krone auf breiter Wurzelplattform. Diese ist von mehr oder weniger breitem, etwas rhombischem Umriss.
Die charakteristischen Wirbel besitzen breit ovale Gelenkflächen.
Bisher habe ich zwei Wirbel (einen in „Markasiterhaltung“ und einen sehr stark verwittert) sowie drei schlecht erhaltene Zähne gefunden.
Abb. 13: Zahn von Squatina angeloides Van Beneden, 1873 aus dem Haizahnkonglomerat, 5,5 mm hoch und 8 mm breit.
Abb. 14: Wirbel, 11 mm x 8 mm, möglicherweise von Squatina angeloides Van Beneden, 1873, stark verwittert.
4.1.4 Carcharias acutissimus (Agassiz, 1843)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Lamniformes Berg, 1958
Familie: Odontaspididae Müller & Henle, 1839
Gattung: Carcharias Rafinesque, 1810
Bei C. acutissimus handelt es sich um die kleinere der beiden in Amsdorf vorkommenden Sandtigerhaiarten. Die Art hat Zähne mit schlanken, geschwungenen Schmelzspitzen der Vorderzähne und je zwei Nebenzähnen rechts und links der Hauptspitze.
Häufig, aber nicht bei jedem Zahn, ist eine Schmelzstreifung auf der Außenseite der Kronen festzustellen.
Abb. 15: Carcharias acutissimus (Agassiz, 1843), hervorragend erhaltener Vorderzahn, 22 mm, aus dem Rupelschluff.
Neben Zähnen können auch Wirbel in den Unteroligozän-Schichten von Amsdorf gefunden werden. Diese sind fast kreisrund und sehr selten.
Abb. 16: Haifischwirbel, möglicherweise von Carcharias acutissimus (Agassiz, 1843), aus dem Schluff.
4.1.5 Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Lamniformes Berg, 1958
Familie: Odontaspididae Müller & Henle, 1839
Gattung: Carcharias Rafinesque, 1810
Die meisten Zähne aus dem Haizahnkonglomerat gehören zur Art Araloselachus cuspidatus. Auch die abgerollten Zähne ohne erhaltene Wurzel und Nebenzähne sind im Zweifelsfall am ehesten zu dieser Art zu stellen. Im Schluff überwiegt nach meinen Beobachtungen C. acutissimus. Die Größe der Zähne schwankt zwischen 30 mm und fast 50 mm. WOYDACK hat weitere ungewöhnlich große Zähne abgetrennt. Sie verzichtete jedoch auf die Festlegung einer Art (Carcharias sp.).
Nach Vergleich mit mir vorliegenden Zähnen von C. cuspidatus aus Espenhain kann ich der Abspaltung der großen Zähne als eigene Form nicht folgen. Ich belasse es deshalb bei zwei Carcharias-Arten.
Die Zähne von C. cuspidatus sind massiger, nicht so stark geschwungen und vor allem größer als die Zähne der vorher beschriebenen Art. Die Nebenzähnchen der Vorderzähne sind klein und spitz. Die Wurzeläste liegen relativ dicht beieinander.
Abb. 17: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 25 mm langer Symphysenzahn (leicht angewittert und abgerollt) aus dem Haizahnkonglomerat.
Abb. 18: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 40 mm langer Vorderzahn (leicht angewittert und abgerollt) aus dem Haizahnkonglomerat.
Abb. 19: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 29 mm, abgerollter Vorderzahn aus dem Haizahnkonglomerat.
Die Seitenzähne von C. cuspidatus sind kleiner als die Vorderzähne. Sie besitzen beidseits der Krone mehrere Nebenzähnchen. Die Nebenzähnchen können zu einem breiteren Zähnchen zusammenwachsen. Je weiter hinten im Kiefer die Zähne angeordnet sind, umso schräger neigt sich die Schmelzspitze zur Seite.
Abb. 20: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 32 mm langer Zahn aus dem Rupelschluff. Die Rückseite hat längere Zeit im nassen Sediment gelegen und ist deshalb schon angewittert.
Abb. 21: Araloselachus cuspidatus (Agassiz, 1843), 23 mm langer Seitenzahn aus dem Rupelschluff.
Auch von dieser Art können Wirbelkörper gefunden werden:
Abb. 22: Wirbel, möglicherweise von Araloselachus cuspidatus, Durchmesser 40 mm.
An dieser Stelle noch eine Anmerkung zur Zuordnung der abgebildeten Wirbelkörper. Ich habe diese aufgrund ihrer Größe, ihres Erscheinungsbildes und dem vorhandenen Nachweis von entsprechenden Zähnen im Fundmaterial den Arten zugeordnet.
Beide Carcharias-Arten decken weit über 90 % der Zahnfunde ab.
4.1.6 Isurolamna gracilis (Le Hon, 1871)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Lamniformes Berg, 1958
Familie: Lamnidae, Müller & Henle, 1839
Gattung: Isurolamna Capetta, 1976
Isurolamna ist ein selten zu findender Bestandteil der Unteroligozänfauna von Amsdorf. Insbesondere bei den Vorderzähnen können Stücke ohne Wurzeln nicht sicher zugeordnet werden. Aufgrund der generellen Häufigkeitsverteilung ist es allerdings unwahrscheinlich, dass in verschiedenen Aufsammlungen noch unerkannte Isurolamna-Zähne vorhanden sind.
Die Vorderzähne haben schlanke, hohe Kronen ohne Nebenzähnchen. Die Zähne machen insgesamt einen „schiefen“ Eindruck. Die Lateralzähne besitzen niedrige, breite Kronen und massive, plumpe Wurzeln. Die Nebenzähnchen der Seitenzähne sind stark entwickelt, niedrig und breit.
Abb. 23: Vorderzahn (Anterior) von Isurolamna gracilis (Le Hon, 1871), 33 mm. Ein sehr seltener Haizahn aus dem Unteroligozän von Amsdorf.
Vorder- und Seitenzähne weichen stark voneinander ab. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass beide früher verschiedenen Arten zugeordnet wurden.
Abb. 24: Kleiner Seitenzahn (Lateralzahn) von Isurolamna gracilis (Le Hon, 1871), 23 mm breit.
4.1.7 Otodus angustidens (Agassiz, 1843)
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Lamniformes Berg, 1958
Familie: Otodontidae Glickmann, 1964
Gattung: Otodus Agassiz, 1843
Otodus ist der Hai mit den größten Zähnen und gleichzeitig wohl auch der seltenste Hai aus dem Unteroligozän von Amsdorf.
Bei den kleinen Haien ist, nach meiner Auffassung, die Seltenheit der Funde nicht Ergebnis des geringen Vorkommens im Gebiet, sondern sie ist eher der geringen Größe der Fossilien geschuldet, d. h. es handelt sich wohl nicht um eine Überlieferungs-, sondern vielmehr um eine Sammellücke.
Die Vorderzähne von Otodus angustidens sind hoch-dreieckig, mit wenig verbreiterter Wurzel und relativ kleinen Nebenzähnchen. Diese sind bei den mir bekannten Stücken jedoch nicht erhalten. Ein typisches Merkmal, anhand dessen man auch Bruchstücke eindeutig zuordnen kann, sind die gezähnelten Schneidkanten der Schmelzspitzen.
Bisher kenne ich nur drei Zähne und ein Zahnfragment dieser Art . Weitere Stücke soll es gemäß Hörensagen geben. Ich habe jedoch noch keines selbst gesehen. Da in den mündlichen Berichten immer von „Gebiss“ bzw. „Zahnleisten“ gesprochen wird, tendiere ich dazu, dass es sich bei diesen Stücken um Notorynchus-Unterkieferzähne handelt.
Abb. 25: Otodus angustidens (Agassiz, 1843), 55 mm großer Zahn aus dem Rupelschluff (Kippenfund).
Gefunden von Steffen Rust in den 1980er-Jahren.
Vielen Dank für die Überlassung!
Abb. 26: Otodus angustidens (Agassiz, 1843), 69 mm.
Abguss des dritten mir bekannten Zahnes in der bisher besten Erhaltung aus dem Rupelton von Amsdorf.
Sammlung: Frank Trostheide.
4.1.8 Keasius parvus Leriche, 1910
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Lamniformes Berg, 1958
Familie: Cetorhinidae Gill, 1862
Gattung: Keasius Welton, 2013
Der Riesenhai aus dem Unteroligozän. Obwohl von gewaltigen Ausmaßen, hinterlässt uns dieser Selachier nur ganz kleine Zähnchen und etwas häufiger Kiemenreusendornen bzw. deren Fragmente.
Im Unteroligozän von Amsdorf hat WOYDACK Branchiospinae (Kiemenreusendornen) nachgewiesen. Dies sind dünne, gebogene Bildungen mit einer verbreiterten, plättchenartigen Basis.
Abb. 27: Kiemenreusendorn von Keasius parvus (Leriche, 1908), Skizze entnommen aus WOYDACK (1998).
Die kleinen verkümmerten Zähne wurden bisher noch nicht gefunden.
Abb. 28: Zähne von Keasius parvus (Leriche, 1908) Skizzen entnommen aus WOYDACK (1998)
4.1.9 Scyliorhinus sp.
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte, 1838
Ordnung: Carcharhiniformes Compagno, 1973
Familie: Scyliorhinidae Gill, 1862
Gattung: Scyliorhinus Bainville, 1816
Scyliorhinus hat für gewöhnlich sehr kleine Zähne, die beim bloßen Aufsammeln leicht übersehen werden. Sicher ein Grund dafür, dass bisher nur durch WOYDACK (1998) Funde gemacht wurden.
Die sehr kleinen Zähne (um 3 mm hoch) haben schlanke Kronen und relativ stark entwickelte Nebenzähnchen. Der Schmelz der Krone zeigt kräftige, etwas unregelmäßige und sich zum Teil verästelnde Schmelzfalten. Anhand dieser Merkmale sollten Zähne, so diese gefunden werden, leicht zuzuordnen sein.
Abb. 29: Scyliorhinus sp., Skizzen entnommen aus WOYDACK (1998).
4.1.10 Physogaleus latus Storms, 1894
Klasse: Chondrichthyes Huxley 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte 1838
Ordnung: Carcharhiniformes Compagno 1973
Familie: Carcharhinidae Jordan & Evermann 1896
Gattung: Physogaleus Capetta 1980
Physogaleus ist der dritthäufigste Selachier aus dem Unteroligozän von Amsdorf. Einzelne Schmelzkronen ohne Wurzel mitgerechnet, habe ich seit Beginn meiner Aufsammlungen in 1982 zirka 30 Zähne in unterschiedlicher Erhaltung gefunden.
Die Zähne besitzen eine nach hinten geneigte Hauptspitze. Der hintere Schmelzsaum ist für gewöhnlich gröber gezähnt als der vordere. Eine Verwechslung mit anderen Selachier-Zähnen aus Amsdorf ist kaum möglich. Die Amsdorfer Physogaleus-Zähne sind in der Regel etwa 10 mm groß.
Abb. 30: Physogaleus latus Storms, 1894, 14 mm.
Abb. 31: Physogaleus latus Storms, 1894, 10 mm.
4.1.11 Carcharhinus elongatus Leriche, 1910
Klasse: Chondrichthyes Huxley 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte 1838
Ordnung: Carcharhiniformes Compagno 1973
Familie: Carcharhinidae Jordan & Evermann 1896
Gattung: Carcharhinus Blainville 1816
Dieser Selachier ist bisher aus dem Unteroligozän von Amsdorf nur durch einen Einzelfund nachgewiesen. Auch wenn es sich bei dem Beleg nur um ein Fragment ohne vollständige Wurzel handelt, habe ich den Fund aufgrund des auf der Wurzel auslaufenden Schmelzes Carcharhinus zugeordnet. Einen eindeutigen Nachweis können nur zukünftige Funde bringen.
Die Vorderzähne von Carcharhinus besitzen eine hohe Krone und relativ schmale Wurzeln. Die Krone der Lateralzähne (Seitenzähne) des Oberkiefers ist durch eine ziemlich breite, deutlich zurückgebogene Hauptspitze und einen schwach gezähnten Schmelzsaum davor und dahinter gekennzeichnet.
Die Lateralzähne des Unterkiefers der Art haben eine Hauptspitze mit kaum gezähntem Schmelzsaum. Die Schmelzkronen der Unterkieferzähne sind gerade.
Abb. 32: Carcharhinus elongatus Leriche, 1910, Länge: 9 mm.
Die im Folgenden beschriebenen Rochenzähnchen sind allesamt sehr klein und bei einer “normalen” Aufsammlung leicht zu übersehen. Eine intensive Suche mit Lupe oder das Schlämmen größerer Sedimentmengen führt vielleicht zum Erfolg. WOYDACK erwähnt 1998 für jede Art einen Fund bei 2 t geschlämmtem Material.
4.2 Rochen
4.2.1 Dipturus casieri Steurbaut & Herman, 1978
Klasse: Chondrichthyes Huxley 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte 1838
Ordnung: Rajiformis Berg, 1940
Familie: Rajidae Blainville, 1816
Gattung: Dipturus Rafinesque, 1810
Sehr kleine Zähne (bis 1,5 mm Kronenbreite) mit recht massiver Krone. Relativ stark ausgeprägter Transversalgrat (senkrecht zur Hauptachse verlaufend), der in der Mitte zu einer deutlichen, breiten Spitze ausgezogen ist.
Abb. 33: Zähne von Dipturus casieri Steurbaut & Herman (früher Raja casieri), 1978, Skizzen entnommen aus WOYDACK (1998).
4.1.2 Raja aff. terhagenensis Steurbaut & Herman, 1978
Klasse: Chondrichthyes Huxley 1880
Unterklasse: Elasmobranchii Bonaparte 1838
Ordnung: Rajiformis Berg, 1940
Familie: Rajidae Blainville, 1816
Gattung: Raja Linné, 1758
Sehr kleine Form. Krone zu einer starken Spitze von etwa abgerundet-dreieckigem Querschnitt entwickelt, Kronenbasis von elliptischem Umriss.
Abb. 34: Zähne von Raja aff. terhagenensis Steurbaut & Herman, 1978, Skizzen entnommen aus WOYDACK (1998).
3.3 Chimären
3.3.1 Chimaera cf. gosseleti Winkler, 1880
Klasse: Chondrichthyes Huxley, 1880
Unterklasse: Holocephali Bonaparte, 1832
Ordnung: Chimaeriformes Berg, 1940
Familie: Chimaeridae Bonaparte, 1831
Gattung: Chimaera Linné, 1758
Im Fundmaterial aus dem Haizahnkonglomerat treten sehr selten fossile Reste auf, die nicht ohne weiteres zuzuordnen waren. Aufgrund der äußeren Form und der farblichen Strukturen bin ich der Auffassung, dass es sich dabei um Zahnplatten von Chimären handelt. In meiner Sammlung befindet sich ein Exemplar. Ähnliche Stücke mit analogen Strukturen kenne ich aus der Sammlung Hohndorf.
Abb. 35: Stark abgerollte Zahnplatte von Chimaera gosseleti Winkler, 1880, 19 mm x 9 mm.
Dank
Ich danke Andrea Woydack, die freundlicherweise das Verwenden ihrer Zeichnungen im Rahmen dieses Berichts gestattete.
Widmung
Während der Vorbereitungen zur Veröffentlichung dieser Arbeit ist leider Herr Prof. Arnold Müller verstorben, dem ich diese Arbeit widmen möchte.
Sammlung und Fotos, soweit nicht anders angegeben: Hartmut Huhle
Hartmut Huhle für Steinkern.de
Übrigens kann im Steinkern-Forum gern über den Beitrag diskutiert werden:
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