Sonstige Bundesländer

Fundstelle für Belegmaterial aus miozänen Pseudoriffen bei Landau in der Pfalz

In diesem Artikel möchte ich einige Fundstücke aus den Pseudoriffen (auch Kalkalgenriffe genannt) aus dem Gebiet des Oberrheingrabens zeigen. Im Speziellen gehe ich auf die Sammelmöglichkeiten für Riffkalk-Stücke bei Landau in der Pfalz ein, wo mir – quasi direkt vor meiner Haustür – entsprechende Funde glückten. Diese Fundstücke und vor allem die ersten Schliffergebnisse motivierten mich zu einer etwas näheren Beschäftigung mit dem Thema.

 

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Abb. 1: Pseudoriffkalkstein auf einem Getreidefeld bei Bornheim – vom Feldrand aus fotografiert. Es versteht sich, dass nur brachliegende Äcker begangen werden dürfen und dass man die Eigentümer zuvor um eine Sucherlaubnis bittet.

 

In der Nähe von Bornheim bei Landau in der Pfalz treten auf Äckern des Öfteren faustgroße Kalkbrocken zu Tage. Dieses Jahr sah ich mir einige davon beim Spazierengehen näher an. Aus Neugier nahm ich einzelne Exemplare mit, sägte sie auf und schliff sie. Vom Ergebnis dieser Prozedur war ich positiv überrascht, denn abgesehen von ihrer etwas monotoneren Farbe, können sich die Muster dieser Stücke beinahe mit den hübschen Crazy Lace Achaten Mexikos messen.

 

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Abb. 2: Anschliff eines größeren Fundstücks: Es zeigen sich viele kleine tunnelartige Zementierungen aus Kalkablagerungen und kleine Drusen mit Calcitkristallen. Die Größe des Steins beträgt 8 x 7 x 3 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 3: Anschliff eines Stücks mit abweichender Komposition: Die Matrix ist hier dunkler und zeigt ein Gemisch aus groben und feinen Algen sowie Zwischenfüllungen mit mikrobiellen Kalkabscheidungen, die Stromatolithen ähneln. Der Stein ist 9 x 5 x 2 cm groß. Foto vergrößern.

 

Stratigrafische Einordnung
Die Kalkablagerungen dürften aus dem Aquitanium (unteres Miozän) stammen, als brackische Gewässer den Oberrheingraben ausfüllten und gehören lithostragrafisch wohl in die sogenannte Landau-Formation. In der klassischen Schichtenfolge des benachbarten Mainzer Beckens entspricht die Rüssingen-Formation (Mainz-Gruppe) von der Altersstellung her am ehesten diesem Bereich der Landau-Formation.

 

Entstehungsmilieu
Im Mainzer Becken (und damit wahrscheinlich auch im benachbarten Bereich des Oberrheingrabens) schwankte der Salzgehalt des Wassers stetig zwischen limnisch und brackisch hin und her, je nachdem ob gerade eine Verbindung zu Urnordsee bzw. Paratethys bestand oder nicht. Immer wieder gab es flache Brackwasserbereiche, die mit Karbonaten übersättigt waren. An organischer Materie schieden sich in diesem Mileu kryptokristalline, laminierte Mineralien ab, welche die Algenform im Inneren als Negativabdruck "versteinerten". Obwohl Riffbildner wie Stromatolithen und fadenförmige Algen der Gattung Cladophorites vorkommen, wurde anders als bei echten Riffen der Kalk in den Riffen der Mainz-Gruppe zum größten Teil nicht von Lebewesen gebildet, sondern entstand durch chemische Fällung bei wiederholtem Trockenfallen (Süßwasserzementation) – daher spricht man von Pseudoriffen (vgl. KADOLSKY & KOCH 1988 sowie NOHL et al. 2021).

 

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Abb 4: Außenansicht des Stücks von Abb. 2 im Detail (Bildausschnitt ca. 4 cm breit, Foto vergrößern): Unten links sind regelmäßig eingeschnürte Strukturen erkennbar. Die der Bildung zu Grunde liegende Algenart konnte ich nicht sicher bestimmen. Ich gehe aufgrund der fingerartig eingeschnürten und eher makroskopischen Strukturen sowie aufgrund des Durchmessers der "Tunnel" im Schliff nicht von einer feinfaserigen Cladophora sp. aus, sondern vermute eher eine Codium sp. oder vielleicht sogar noch treffender eine Chaetomorpha (melagonium?), da dort die leicht eingeschnürten Zellen ebenfalls mit bloßem Auge sichtbar sind. Chaetomorpha ist überdies als im Brackwasser lebensfähige Art belegt (TSUTSUI et al. 2015).

 

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Abb 5: Herbarisiertes rezentes Exemplar von Chaetomorpha melagonium, einer Grünalge, die mit Chladophora verwandt ist. Quelle: Gabriele Kothe-Heinrich, CC BY-SA 3.0.

 

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Abb 6: Ausschnitt aus Abb 2: Auch in diesem Anschliff sind Einschnürungen zu erkennen. Die Wandstärke der Umkrustung ist gleichmäßig, weshalb die Form auf die tatsächliche Struktur der Algen gründet und nicht etwa durch botryoidales Kristallwachstum entstanden ist. Foto vergrößern.

 

An einigen Bruchstücken und nicht so gerade geschnittenen Teilen, habe ich Trommelschliffe durchgeführt. Man sieht auf den folgenden Abbildungen sehr gut die unterschiedliche Mineralisation mit harten, polierfähigen Bereichen und eher kalkigen, ungeordneten Sedimentfüllungen.

 

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Abb. 7: Pseudoriff-Trommelstein, 5,5 x 3,5 x 2,5 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 8: Pseudoriff-Trommelstein aus Abb. 7, fotografiert von der Unterseite, 5,5 x 3,5 x 2,5 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 9: Pseudoriff-Trommelstein, 4 x 4 x 1 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 10: Pseudoriff-Trommelstein. 6 x 4,5 x 1 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 11: Pseudoriff-Trommelstein, 6 x 4 x 3 cm. Foto vergrößern.

 

Beschreibung der Lokalität
Zum Schluss noch einige Worte zur Lokalität: Im schwarz umrahmten Bereich "A" auf Abb. 12 sind Lesefunde im frisch gepflügten Acker möglich. Das kleinere schwarze Viereck "B" markiert eine Brachfläche, auf der mit fossilienhaltigem Abraum vom Bau der Autobahnauffahrt, bzw. Erweiterung der Bundesstraße 10 bei Landau auf eine Stärke von 5-6 m angefüllt wurde. Auch hier habe ich schöne Calcitdrusen und Pseudoriffkalke gefunden.

 

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Abb 12: Karte mit Fundbereichen um Bornheim nordöstlich von Landau in der Pfalz. © OpenStreetMap-Mitwirkende (um fundträchtige Flächen ergänzt). CC BY-SA 2.0.

 

Danksagung
Ich danke Thomas Magiera für die Anregung den zunächst im Forum erschienenen Artikel zu Überarbeiten und zu Ergänzen. Kai Nungesser für das Bereitstellen von Literatur und Sönke Simonsen für die Bearbeitung des Skripts und der Fotos sowie die Veröffentlichung auf der Steinkern-Homepage.

 

Literatur

KADOLSKY, D. & KOCH, R. (1988): Pseudoriffe im Landschneckenkalk und in den tieferen Oberen Cerithienschichten (Oberoligozän) des Mainzer Beckens, in: Geologisches Jahrbuch A 110, S. 135– 163.

NOHL et. al 2021: Brackish water algal reefs – facies analysis as a tool to identify palaeoenvironmental variations in Miocene deposits (Mainz-Weisenau, Germany)", https://doi.org/10.1002/gj.4067

TSUTSUI et al. (2015): High tolerance of Chaetomorpha sp. to salinity and water temperature enables survival and growth in stagnant waters of central Thailand. Int Aquat Res 7, S. 47–62. https://doi.org/10.1007/s40071-014-0092-4

 

 

Mario Braun für Steinkern.de

 


 

 

Diskussion zum Beitrag im Forum:

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