Niedersachsen

Fossilien des unteren Kimmeridgium des Steinbruchs Pötzen

Versteinerte Lebensspuren des unteren Kimmeridgium aus dem Steinbruch bei Pötzen

Geologischer Überblick
Der Süntel ist ein kleines Gebirge, das südwestlich von Hannover in etwa zwischen Hameln, Hessisch Oldendorf und Bad Münder liegt.

Im südöstlichen Bereich besteht der Süntel überwiegend aus Wealdensandstein der unteren Kreide. Im nordwestlichen Bereich streichen Gesteine des oberen Juras an die Erdoberfläche.
Durch die im Wealdensandstein eingelagerten geringmächtigen Kohleflöze begünstigt, fand im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein untertägiger Bergbau statt.

Der Steinbruch
Das Gelände des stillgelegten Steinbruches liegt nördlich von Pötzen am  
374 Meter hohen Hohenacken.

1.jpg
Ein erster Blick in den Steinbruch.

Historisches
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde von der Firma August Mork aus Fischbeck ein kleiner, alter, bereits zum Wegausbau angelegter Steinbruch von der Süntelwald Genossenschaft erworben und ausgebaut. Dieser kleine Steinbruch wurde in Handarbeit mit zwei bis drei Loren betrieben.
Zu Beginn der 50er Jahre verhandelte die Firma ISV Dr. Schmid & Co. mit der Süntelwaldgenossenschaft über größere Anteile am Steinbruch. Nach der Bewilligung wurde der Steinbruch bis zum Berg Hohenacken ausgebaut. Es entstanden vier Bunker, ein Bürogebäude und eine große Waage.
Bis zur Stilllegung in Mitte der 70er Jahre wurden zwischen 300 000 und 400 000 Tonnen Gestein abgefahren.

Erschlossene Schichten
Im Steinbruch selbst wurde der harte Korallenoolith zur Schottergewinnung maschinell abgebaut. Am Hohenacken Streifen fossilreiche Schichten des überlagernden unteren Kimmeridgium aus. Dieser fossilreiche Schichtabschnitt soll hier näher beschrieben werden.

2.jpg
Ein kleiner Teil der erschlossenen fossilführenden Schichten.

Fossilfundpunkt
Vom Wanderparkplatz unterhalb des Steinbruches führt ein asphaltierter Weg direkt in den Wald. Diesem bis zur Kurve folgen. Gerade aus, jetzt den Trampelfart entlang gehen. Dieser Weg endet auf der untersten Sohle des Steinbruches. Nach links Richtung Abbauwand gehen, dann den rechten etwas steilen Pfad bis zur Hälfte folgen, nach links auf die letzte Sprosse. Am Ende stehen die fossilführenden Schichten des Unteren Kimmeridgiums an.


3.jpg
Hoch geht´s, in der Bildmitte oben, befindet sich der Fundpunkt.

Auf keinen Fall sollte versucht werden die hohen Felswände hochzuklettern. Lebensgefahr!!
Unbedingt die vorhandenen Wege benutzen!!!

4.jpg
Blick von der obersten Sprosse herunter in den ehemaligen Steinbruch.

Fossilisation
Die abgestorbenen Organismen (Muscheln, Schnecken, Brachiopoden…) wurden am Meeresboden von Sediment (Sand, Ton, Schlamm) bedeckt. Die Weichteile verwesten, es blieben nur die Schalen zurück. Die Schaleninnenräume verfüllten sich durch kleine Öffnungen der Schalen (Beschädigungen, natürliche Öffnungen) ebenfalls mit Sediment. In Laufe von Jahrtausenden lagerten sich immer mehr Schichten von Sediment an. Mit der Zeit wurde der weiche Schlamm immer härter. Die Mineralstruktur der Hartteile der eingebetteten Organismen wurden durch andere Mineralien ersetzt. Die Versteinerung begann. Durch verschiedene Lösungsstoffe z.B. Kohlensäure wurden die Aragonit-Schalen von leicht auflösbaren Lebewesen wieder aufgelöst. Zurück blieben die Steinkerne. Dieser Vorgang betraf in Pötzen alle Schnecken und bis auf Austern und Kammmuscheln auch alle Muschelarten. Da die Schalen von Austern und Brachiopoden überwiegend aus Calzit bestehen, wurden diese nicht aufgelöst. Sie wurden in Ersatzschalenerhaltung überliefert. Bei einigen Brachiopoden ist die Erhaltung so hervorragend, dass noch Wachstumsmarken abzulesen sind.

5.jpg
Ein mit Calcit ausgekleideter Brachiopode (1,3 cm)  aus Pötzen, als Beispiel eines nicht verfüllten Innenraumes.




Die Fossilien

Die Fundbedingungen sind insgesamt als gut bis sehr gut zu bezeichnen, dies obwohl der Abbau schon lange beendet ist.

Am häufigsten sind Brachiopoden zu finden. Zeilleria humeralis (Roemer 1836) tritt hinter Zeilleria bicanaliculata (Schlotheim) aber weit zurück. Neben den Brachiopoden kommen verschiedene Arten von Muscheln vor. Gervillia aviculoides (Sowerby), Nanogyra striata (Smith 1817),  Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836) und Eocallista brongiarti  (Roemer 1836), Myoporella clavellata (Townsend) sind recht häufig, Eocallista nuculaeformis (Roemer 1836)  und Mactromya concentrica (Muenster), eher selten.
Die Kammmuschel Camptonectes lens (Sowerby) ist eben so selten wie der Seeigel Hemicidaris hoffmanni (Roemer 1836), beide habe ich nur als Einzelfunde. Seltener wie die Muscheln aber doch wesentlich häufiger als Seeigel sind Schnecken.
Die beiden Arten Ampullina globosa (Roemer 1836) und Ampullina gigas (Roemer 1836) sind zahlenmäßig etwa gleich stark vertreten.  
Die Turmschnecken Nerinea visurgis und Pseudomelania heddingtonensis (Sowerby) stellen ebenfalls Einzelfunde dar.

Brachiopoden
Ergänzung vom 25. Januar 2008: Bei allen auf den nachfolgenden Bildern gezeigten Brachiopoden handelt es sich um Habrobrochus subsella (LEYMERIE 1846), nicht wie erst angenommen um Zeilleria humeralis (Roemer 1836) und Zeilleria bicanaliculata (Schlotheim). Zeilleria bicanaliculata ist heute ungültig. Beide Arten fallen in die Variationsbreite  von Habrobrochus subsella (LEYMERIE 1846).

Vielen Dank für die Bestimmung an unser Forenmitglied Jürgen Höflinger alias "klenkes4711"

6.jpg
Habrobrochus subsella (Leymerie 1846) 1,4 cm bis 3,2 cm.

7.jpg
Habrobrochus subsella (Leymerie 1846). 1,6 cm bis 4,0 cm.


Muscheln

8.jpg
Gervillia aviculoides (Sowerby)
1.) Gervillella aviculoides (Sowerby) 8,4 cm.
2.) Gervillella aviculoides (Sowerby) 5,5 cm.
3.) Gervillella aviculoides (Sowerby) 3,6 cm.
4.) Gervillella aviculoides (Sowerby) 9,2 cm.



9.jpg
Eocallista
1.) Eocallista brongiarti (Roemer 1836) 3,6 cm.
2.) Eocallista nuculaeformis (Roemer 1836)  6,0 cm.
3.) Eocallista brongiarti (Roemer 1836)  6,7 cm.
4.) Eocallista brongiarti (Roemer 1836)  4,6 cm.
5.) Eocallista brongiarti (Roemer 1836)  2,5 cm.



10.jpg
Nanogyra striata (Smith 1817)
Oben: Nanogyra striata (Smith 1817), linke Klappe.
Unten: Nanogyra striata (Smith 1817), rechte Klappe (Verschlussklappe).


11.jpg
Ein einige Meter weit abgestürzter Block mit Nanogyra stiata (Smith 1817).


12.jpg
Mactromya concentrica (Muenster)
1.) Mactromya concentrica (Muenster) Abdruck, 3,4 cm.
2.) Mactromya concentrica (Muenster)   2,8 cm.
3.) Mactromya concentrica (Muenster)  3,1 cm.
4.) Mactromya concentrica (Muenster)  1,9 cm.



13.jpg
Pholadomya cf. acuticosta
Oben:  Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836) 5,1 cm.
Mitte:  Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836) 4,6 cm.
Unten links:  Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836) 3,4 cm.
Unten rechts: Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836) 2,9 cm.



14.jpg
Camptonectes lens (Sowerby)
Camptonectes lens (Sowerby) 1,4 cm.


Schnecken
Die Arten der Raubschnecke Ampullina krochen auf der Suche nach fressbaren Lebewesen auf dem Meeresboden herum. Auf ihrem Speisezettel standen andere Wirbellose wie Muscheln und Armfüßer. Mit einer Bohrdrüse sonderten sie ein Sekret ab um aufgefundene „Opfer“ anzubohren und auszusaugen.



15.jpg
Schnecken 1
1.) Nerinea visurgis (Roemer 1836) 1,4 cm.
2.) Ampullina gigas (Roemer 1836) 0,8 cm.


16.jpg
Schnecken 2
1.) Pseudomelania heddingtonensis (Sowerby) 7,7 cm.
2.) Ampullina globosa (Roemer 1836), 1,7 cm.
3.) Ampullina gigas (Roemer 1836), 5,3 cm.





Seeigel

17.jpg
Seeigel
Hemicidaris hoffmanni, 1,6 cm.



Röhrenwürmer
An manchen Armfüßern und Austern heften noch Reste von kleinen Gängen auf der Schalenoberfläche, (siehe Seeigel). Sie können als Röhrenwürmer Glomerula gordialis (Schlotheim) angesprochen werden.



Lebensraum des Unteren Kimmeridgiums

Die gefundenen Fossilien deuten auf ein flaches Meer von höchstens 50 Metern Tiefe hin.
Der Meeresboden dürfte überwiegend steinig gewesen sein.

Die Brachiopoden und regulären Seeigel bevorzugten festen, nicht schlammigen Meeresboden. Armfüßer fanden im Schlamm keinen Halt, reguläre Seeigel wären beim Laufen mit ihren Stacheln im Schlamm stecken geblieben.

Die Wassertemperaturen dürften ähnlich denen der heutigen Nordsee zwischen 7-15 °C - je nach Jahreszeit - gelegen haben.


18.jpg
Paläogeographische Karte von Deutschland zur Zeit des Kimmeridgiums

Vergleich mit anderen Fundorten
Im Vergleich zu anderen Fundorten des unteren Kimmeridgium fällt die doch vorhandene Artenarmut der Fossilien auf. Besonders Seeigel sind am Langenberg oder Kalkriese in verschiedenen Arten häufiger anzutreffen.
Auffällig ist auch das fast völlige Fehlen von Kopffüßern. Diese Erscheinung ist aber in fast ganz Nordwestdeutschland festgestellt worden. Zu flaches Wasser oder für Kopffüßer ungünstiger Salzgehalt werden als mögliche Gründe diskutiert.


Fossilliste Pötzen

Brachiopoden
Zeilleria humeralis (Roemer 1836)
Zeilleria bicanaliculata (Schlotheim)

Muscheln
Gervillia aviculoides (Sowerby)
Eocallista brongiarti (Roemer 1836)
Eocallista nuculaeformis (Roemer 1836)
Pholadomya cf. acuticosta (Roemer 1836)
Nanogrya striata (Smith 1817)
Myoporella clavellata (Townsend)
Mactromya concentrica (Muenster)
Camptonectes lens (Sowerby)


Schnecken
Ampullina globosa (Roemer 1836)
Ampullina gigas (Roemer 1836)
Pseudomelania heddingtonensis (Sowerby)
Nerinea visurgis (Roemer 1836)

Seeigel
Hemicidaris hoffmanni (Roemer 1836)

Röhrenwürmer
Glomerula gordialis (Schlotheim)



Literatur

  • APH Heft 4-93: Fossilien aus dem unteren Malm des Hildesheimer Jurazuges bei Wendhausen
  • APH Heft 2-91: Fossilien vom Langenberg bei Oker
  • Fossilien Westfalens:  Invertebraten des Jura, Münstersche Forschungen zur Geologie und Paläontologie Band 40/41 3. Auflage.
  • Ernst Probst: Deutschland in der Urzeit; Von der Entstehung des Lebens bis zum Ende der Eiszeit, München 1986
  • Arno Hermann Müller, Lehrbuch der Paläozoologie Band 1 - Allgemeine Grundlagen, 5. Auflage 1992, Band 2, Teil 1 - Invertebraten
  • Arnolf Winkler: Jura- Fossilien erkennen und bestimmen, Sonderheft 1, März 1986, Zeitschrift Fossilien
  • F. A. Quenstedt: Der Jura, Nachdruck der Erstausgabe von 1858, Goldschneck- Verlag 1995
  • Fritz J. Krüger: Geologie und Paläontologie: Niedersachsen zwischen Harz und Heide. Kosmos Franckh Verlag 1983.