Frankreich

Das war Roquefort - "goldene" Amaltheen und mehr!

Im Frühjahr des Jahres 2006 war ich mit meinen Eltern zum dritten Mal in den südfranzösischen Causses zum Sammeln. Unsere erste Reise hatte uns 1999 in die Causse de Mende geführt, nachdem wir 2003 jedoch in der südlicher gelegenen Causse du Larzac bei Millau noch mehr und bessere Funde gemacht hatte, entschieden wir uns beim dritten Besuch wieder für die südliche Causse (du Larzac). Das dort keine Verbotsschilder aufgestellt sind (ganz anders am berühmten Truc de Balduc und auch sonst fast in der gesamten Causse de Mende, ausgenommen Ste. Hélène) war neben der landschaftlichen Vielfalt ("Terres rouges" Lac du Salagou) ein weiterer Grund für den wärmeren Süden.
Als wir am Tag nach der Ankunft vom etwa 30 Kilometer östlich der Causse gelegenen St. Jean de la Blaquière bei bestem Wetter und Temperaturen von 15 Grad aufbrachen, dachten wir noch, dass eine leichte Jacke trotz der geografisch etwas höheren Lage der Fundstellen (meist um 700 Meter über N.N.) ausreichen würde. Doch an der Steilstufe, welche der Dogger oberhalb von Le Clapier im Gelände bildet, hatte sich eine furchtbar neblige "Suppe" gebildet, die neben einer geringen Sichtweite auch Temperaturen von gerade einmal 3 Grad zur Folge hatte. Eine typische lokale Wetterschwankung - in den Causse sollte man stets für alles gerüstet sein, wir hatten zum Glück unsere Wintersachen im Auto!
Nun, die nächsten Tage waren dann etwas angenehmer, aber Funde, welche die Aufsammlungen aus den vorangegangenen Causse-Urlauben zu toppen vermochten, blieben weitestgehend aus. Ein kleiner Aufschluss in einem Bachbett in Canals, der noch 2003 reichhaltig Amaltheen lieferte, hatte nun gerade mal einen einzigen ausgewaschenen Amaltheus von 2 cm parat, was die damalige Ausbeute im Nachhinein nochmals in einem anderen Licht erscheinen ließ.
Als wir beinahe alle uns bekannten Fundstellen bereits besammelt hatten, wollten wir nach unserem ersten Besuch in Tournemire (recht beschwerlicher Anstieg, viel Gestrüpp) noch den uns ebenfalls unbekannten Steinbruch im Carixium von Lauras besuchen. Dieser war in unser Blickfeld gerückt, da wir bei einem erfolglosen Ausflug nach Rivière sur Tarn unterhalb der "Terres noires" des Toarciums und des Domeriums (Oberpliensbach) im Carixium mehrere Abdrücke und einzelne Bruchstücke beachtlich großer Lytoceraten gesichtet hatten. Auf dem Weg zum Bruch, der inzwischen eine Bauschuttdeponie ist (dort lagerte auch Aushub aus dem Domerium, nach Informationen von A.E. Richter liegt dort auch immer mal wieder von Häuserbaustellen in Lauras Carixium-Material), sahen wir erst links steil in der Straßenböschung aufragend die "Schistes cartons" (Papierschiefer des Unteren Toarciums), bis plötzlich eine Straßenbaustelle mit viel schwarzem Ton oder Schiefer vor uns lag. Es musste sich entweder noch um Unteres Toarcium oder bereits um Domerium handeln. Kaum aus dem Auto gestiegen, ließ sich schnell erkennen, dass es keine Papierschiefer, sondern Tonsteine des Domeriums waren, welches nach wenigen Minuten bereits zusätzlich durch eine handvoll Amaltheen belegt war.
Bis zu unserer Abfahrt blieb uns nun noch knapp eine Woche, die wir nutzten um der unverhofft entdeckten Fundstelle noch einiges abzugewinnen. Wir konnten eine verkieste Fauna sammeln, die in den Naturaufschlüssen in dieser Erhaltung nicht zu finden ist, da dort nich gegraben werden darf (außer vielleicht bei Einigung mit dem jeweiligen Grundstückseigentümer). Erfreulicherweise tauchten neben Amaltheen auch seltenere Formen von Ammoniten auf, darunter auf einen geringen Horizont beschränkt auch die begehrten Reynesoceraten (acanthoides und raggazoni). Ein wahres Dorado war es also, dass sich für den Liassammler, Ästheten und Domeriumfan auftat! Und das, wo man bei ziemlicher Trockenheit eigentlich nur noch mit Kleinfunden von den stark abgesuchten Naturaufschlüssen kalkuliert hatte... Selbst wenn man der Erste nach der Schneeschmelze ist, der einen solchen Naturaufschluss besucht, dürfte man schwerlich ähnlich gute Funde machen können!
Über den Fortgang der Straßenbauarbeiten ist mir nichts bekannt, vielleicht existieren jetzt an anderer Stelle erneut Fundmöglichkeiten? Wer sowieso bei Millau unterwegs ist, sollte sich dort ruhig umschauen. Im Zweifel sind St. Jean et St. Paul und Tournemire auch nicht weit entfernt. Noch näher liegt natürlich Roquefort, wo zwar keine mir bekannte Fundstelle ist, aber im Bergstock des Campalou der weltberühmte Schimmelkäse reift.
 
Der rote Marker bezeichnet die ungefähre Lage der Straßenbaustelle in Lauras bei Roquefort-sur-Soulzon, südsüdwestlich von Millau. In der Nähe der Dörfer Tournemire und St. Jean et St. Paul befinden sich bekannte und noch immer ergiebige Naturaufschlüsse (diese wurden u.a. durch RICHTER und MOOSLEITNER beschrieben).

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Abb. 1: Blick auf die Baustelle in Lauras bei Roquefort-s-Soulzon, das Haldenmaterial links neben dem weißen Auto (des einzigen(!) französischen Sammlers den wir trafen) bot die besten Fundmöglichkeiten.

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Abb. 2: Traumhafte Sammelmöglichkeiten, überall "spaltbares Material" aus den Amaltheenschichten.

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Abb. 3: Hermann Simonsen zeigt einen frisch gefundenen Amaltheus auf Matrix.

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Abb. 4: Pyritisiertes Phragmokon und deformierte Wohnkammer eines Amaltheus.

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Abb. 5: Nur noch eine dünne leicht zu entfernende kalkige Schicht verdeckt den Goldglanz dieses aus der Matrix gefallenen Amaltheus.
Stratigraphische Einordnung
In Lauras bei Roquefort waren die sog. Amaltheenschichten des Unteren Jura (Lias) aufgeschlossen. Sie sind dem Oberen Pliensbachium (Domerium) zuzuordnen und haben ein Alter von rund 185 Millionen Jahren.


Fossilführung
Den Hauptanteil der Fauna stellten Ammoniten der Gattung Amaltheus, seltener waren Reynesoceras und Amauroceras, fast nur in Einzelexemplaren liegen weitere Ammonitengattungen vor, die ich bislang nicht hundertprozentig sicher zuordnen konnte (vgl. Abb. 24 bis 32) Über die Ammoniten hinaus konnten zahlreiche Belemniten, viele Seelilien, ein einzelner Seeigel sowie eine einzelne größere Schnecke (Pleurotomaria amalthei) - ansonsten gelegentlich Ptychomphalus - und pectinide Muscheln nachgewiesen werden. Die durschnittliche Größe der Ammoniten liegt bei etwa 3 cm und damit deutlich über dem Durchschnitt, der sich ergibt, wenn man Lesefunde derselben Schichten aus den Naturaufschlüssen betrachtet (verwitterungsbedingt). Der größte Fund ist der auf Abbildung 7 und 8 gezeigte Amaltheus margaritatus, danach reihen sich ein paar Stücke mit 5 bis 10 cm Durchmesser ein, die im Folgenden teilweise gezeigt werden.

Fossilerhaltung
Die Ammoniten liegen in Schwefelkieserhaltung vor; die Wohnkammer war in der Regel flachgepresst oder fehlte ganz, was auch bei den Innenwindungen des Öfteren der Fall war. Abgesehen von Belemniten und Muscheln war die Begleitfauna ebenfalls verkiest.

Präparation
Die Präparation der Ammoniten konnte zunächst manuell mit Skalpell und Präparationsnadeln, später dann mit dem Sandstrahlgerät durchgeführt werden. Unter dem Strich erbringt die Sandstrahltechnik die überzeugendsten Ergebnisse in Verbindung mit dem geringsten Zeitaufwand. Teils hartnäckige Verkrustungen, die der Strahler nicht ohne weiteres bewältigte, konnten wiederum mittels Skalpell entfernt werden.
Die Begleitfauna konnte ebenfalls sandgestrahlt werden, abgesehen von den Muscheln, die nicht schalenerhalten, sondern nur als flache Abdrücke gefunden werden konnten. Hier erübrigte sich eine weitere Präparation. Eingelassen mit einem Steinpflegemittel (Rember) um einen besseren Kontrast zur Matrix herzustellen, waren sie schnell sammlungsfertig.

Konservierung
Bislang habe ich keine Zerfallserscheinungen ("Ausblühungen") festgestellt, weshalb ich auf eine Behandlung mit einem Pyritkonservierer verzichtet habe. Dieser würde den schönen natürlichen Glanz der Stücke mindern, so wie auch andere Steinpflegemittel zu einer Verfälschung des wunderschönen Originalfarbtons führen würden, weshalb auch diese nur bei wenigen Stücken zum Einsatz kamen.


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Abb. 6: Verschiedene Arten und Individuen von Amaltheus.

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Abb. 7 und 8: Amaltheus margaritatus (MONTFORT 1808) mit 155 mm Durchmesser mit Pyritüberzug und Seelilienstiel- bzw. Armgliedern.

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Abb. 9: Phragmokon eines typischen Amaltheus margaritatus (MONTFORT 1808) mit Anwachsstreifen und einem Durchmesser von 75 mm.

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Abb. 10 und 11: Amaltheus margaritatus (MONTFORT 1808) mit 62 mm Durchmesser.

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Abb. 12 und 13: Amaltheus margaritatus forma gibbosus (SCHLOTHEIM 1820) mit 102 mm Durchmesser. Von A. margaritatus ist dieses Exemplar durch die auffällige Bedornung der Innenwindungen zu unterscheiden.

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Abb. 14: Amaltheus margaritatus forma gibbosus (SCHLOTHEIM 1820) mit einem Durchmesser von zirka 30 mm.

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Abb. 15: Amaltheus margaritatus forma gibbosus (SCHLOTHEIM 1820) mit 25 mm Durchmesser.

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Abb. 16: Amaltheus margaritatus cf. forma subnodosus (YOUNG & BIRD 1828) mit 23 mm Durchmesser.

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Abb. 17 und 18: Amaltheus margaritatus cf. forma striatus (HOWARTH 1955) mit 28 mm Durchmesser.

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Abb. 19 und 20: Amauroceras ferrugineum (SIMPSON 1855); das kleinere Exemplar von 11 mm Durchmesser ist auf Abb. 19 einzeln zu sehen.

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Abb. 21 und 22: Reynesoceras cf. acanthoides (REYNÈS 1868) mit einer maximalen Abmessung von 25 mm Durchmesser. R. acanthoides ist sehr wahrscheinlich der Makrokonch zu R. raggazoni (Abb. 23).

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Abb. 23: Drei sehr schöne Reynesoceras raggazoni (HAUER 1861) von jeweils um 2 cm.

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Abb. 24 und 25: 52 mm großer Ammonit evtl. handelt es sich um einen Protogrammoceras depressum (QUENSTEDT 1883).

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Abb. 26 und 27: 34 mm messender Ammonit der eventuell zu Protogrammoceras (Matteiceras) zu stellen ist?

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Abb. 28 und 29: 27 mm großer Ammonit cf. Fieldingiceras fieldingii (REYNES 1868).

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Abb. 30 und 31: 35 mm großer Ammonit cf. Juraphyllites (Harpophylloceras) eximius (HAUER 1854).

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Abb. 32 und 33: 15 mm großer Ammonit cf. Juraphyllites libertus (GEMMELLARO 1884).

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Abb. 34: Begleitfauna - der größere Belemnit (Passaloteuthis cf. paxillosus) ist etwa 80 mm lang. Bei den Seelilienstielgliedern handelt es sich um Pentacrinus, die Schnecke ist eine Ptychomphalus, die Muschel eine Pseudopecten und der Seeigel ein Diademopsis cotteaui (Synonym für Pseudodiadema guestfalica???).

Über Bestimmungshilfe würde ich mich freuen, gerade bei den "Nicht-Amaltheen" handelt es sich um Arten, die mir bislang fast alle gänzlich unbekannt waren, weshalb ich mir bei der Bestimmung nicht sehr sicher bin, was durch die Verwendung von cf. (confer = vergleiche mit) Ausdruck findet.

Literatur:
SCIAU, J.: Coup d´oeuil sur les fossiles des causses, Lias moyen, Association des amis du musee de Millau 1991
SCHLEGELMILCH, R.: Die Ammoniten des süddeutschen Lias, 2. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York, 1992

Link:
http://perso.orange.fr/jean-ours.filippi/