Bayern

Steinbruch Nr. 08/15 - und trotzdem der Erwähnung wert

Ein "vergessener" Steinbruch in der Oberen Felsenkalk-Formation im Landkreis Dillingen

In meinem kleinen Beitrag über einen Steinbruch im Oberen Felsenkalk (ki3) am Südrand der östlichen Schwäbischen Alb möchte ich Euch auf eine Entdeckungsreise mitnehmen in ein Fleckchen Erdgeschichte, dem in der geologischen Literatur noch keine einzige Zeile gewidmet wurde. Es gibt von dort keine veröffentlichten Fossilfunde, ja der unspektakuläre und doch im Donauried weithin sichtbare Aufschluss taucht nicht einmal auf einer geologischen Karte oder in einem Geotopverzeichnis auf. Und dennoch ist es einer meiner liebsten Sammelplätze im oberen Weißen Jura. Stundenlang lässt sich dort zwischen den Wildrosenhecken und dürren Gräsern verweilen, in die weite Ebene des Donauried hinabblicken und - natürlich - im Felsgestein nach Fossilien fahnden.

Der längst aufgelassene und bequem zugängliche Steinbruch liegt im nordwestlichen Landkreis Dillingen und bildet den Abschluss der Juraanhöhe hin zur quartären Schotterebene des Donaurieds. Er gehört zu den zahlreichen großen und kleineren Abbaustellen im Bereich von Haunsheim und Wittislingen im Landkreis Dillingen. In diesen Steinbrüchen ist samt und sonders der Obere Felsenkalk, früher auch als Malm Epsilon bezeichnet, in dicken Bänken aufgeschlossen.

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Der Steinbruch erstreckt sich über eine Länge von rund 150 Metern unmittelbar über der Kulturlandschaft das Donaurieds. Seine Wände sind sind an der höchsten Stelle gut 15 Meter hoch und verhältnismäßig leicht zu erklettern.

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Mein kleiner Beitrag möchte die Sammler - vor allem diejenigen, die gerade erst mit ihrem Hobby beginnen und bewundernd auf die prachtvollen Funde aus den bekannten Aufschlüssen wie Buttenheim, Drügendorf oder Gräfenberg schauen - dazu ermutigen, sich in ihrer unmittelbaren Heimat umzusehen. Dort warten noch so mancher kleine Steinbruch und so manche kleine Sandgrube auf einen Sammler, der sich ihrer annimmt und ein Auge auch für die kleinen, unscheinbaren Zeugnisse des urzeitlichen Lebens hat. Dieses spiegelt sich nicht nur in den perfekt präparierten Ammoniten, auf Hochglanz gebrachten Schnecken oder in den gewaltigen Kiefern der Saurier wieder, sondern eben auch in den kleinen Seeigeln und Brachiopoden.

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Im westlichen Bereich des Steinbruchs zeigt sich der Weißjura als zerklüftete Felsenmasse, während sich an der Hauptwand die Bankung gut beobachten lässt. Am fossilreichsten sind jedoch nicht die dicken Bänke, sondern der Mergel zwischen den Klüften und das Geröll am Fuß des Bruchs.

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Wer in dem kleinen Steinbruch Fossilien sammeln will, der benötigt neben einem gesunden Rücken auch ein scharfes Auge. In den Geröllhalden sind die Seeigel, hier ein Plegiocidaris cervicalis AGASSIZ (4 cm), auf den ersten Blick kaum auszumachen. Und doch hat der Autor dieses Beitrags auf fast jedem seiner Sammelgänge ein mehr oder weniger gut erhaltenes Exemplar entdecken können.

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Auch in den feinen Mergellagen an den Steinbruchflanken lassen sich Cidariden und Seelilienreste sammeln, hier zwei Fragmente von Millericrinus sp. (links) und der Überrest eines Plegiocidaris sp. (rechts).

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Zu den schönsten Fossilien im Bruch gehören die vielen Exemplare von Glypticus sulcatus GOLDFUSS, die zumeist recht gut erhalten sind. Das Foto zeigt einen solchen Seeigel einmal in Fundlage (unten mitte) und denselben nach dem Abbürsten mit Essigsäure (rechts). Im feinen Geröll lassen sich die nur einen Zentimeter großen Seeigelchen oft nur sehr schwer ausmachen.

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Die abgebildeten Glypticus sulcatus wurden ausschließlich im feinen Mergel zwischen den Grasbüscheln am Fuß der Steinbruchwände aufgelesen. Manche Exemplare verfügen noch über eine schöne Farbzeichnung.

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Nicht viel leichter sind im Geröll auch die zahlreichen Brachiopoden des Steinbruchs zu erkennen: In der Bildmitte eine Juralina insignis SCHUEBLER (2 cm) in Fundsituation und eine Ismenia pectunculoides SCHLOTHEIM (0,5 cm).

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Im oberen Bereich des Steinbruchs ist vermutlich noch eine geringmächtige Schicht der Zementmergel-Formation (ki5), früher Malm Zeta 2, erhalten. In dem lockeren Stein-Erde-Gemisch finden sich wiederum verschiedene Cidariden, so ein Holectypus sp. (oben, 1 cm) und ein Plegiocidaris sp. (4 cm). Leider hat an diesen Fossilien die Witterung ihr unschönes Werk verrichtet.

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Und wie es sich für einen ordentlichen Felsenkalk-Aufschluss gehört, kommen beim Durchwühlen des Gerölls immer auch einige Schwämme zutage. Der Schwamm rechts unten (5 cm) ist noch nicht bestimmt, bei dem kleinen Exemplar links oben handelt es sich um eine Sporadobyle obliqua GOLDFUSS (1,5 cm).

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Über seine Freude an der reichen Fauna in dem Steinbruch sollte der Sammler jedoch nicht vergessen, dass sich mit diesem Flecken Erde für manche Familie im nahen Gundelfingen eine traurige Erinnerung verbindet. Als der Zweite Weltkrieg in seinen letzten Zügen lag, flüchteten aus dem Donaustädtchen mehrere Einwohner in den Steinbruch, um vor den herannahenden Amerikanern Schutz zu suchen. Diese vermuteten zwischen den Felsen ein deutsches Widerstandsnest und feuerten mit ihren Panzern in den Steinbruch hinein. Dabei kamen zehn Menschen, darunter fünf Kinder, ums Leben. Heute erinnern eine Gedenktafel und ein schlichtes Holzkreuz oberhalb der Bruchkante an dieses tragische Ereignis.

Michael Ammich