Bayern

Spazierfahrten durch den Muschelkalk bei Bad Neustadt a.d.Saale

Eigentlich wollte ich rund um Bad Neustadt a.d. Saale Radtouren unternehmen. Zu dumm aber auch, dass die Wege stets über fossilträchtigen Boden führen... Irgendwie hatte ich mir so was gedacht und vor Antritt des Wochenendurlaubs ein wenig "geo-googelt", mir aus der Sammlung Geologischer Führer die Nummer 74 "Mainfranken und Rhön" besorgt und auch bei steinkern.de gestöbert: Hier hatte Sönke Simonsen den Beitrag "Ein Tag im nordbayerischen Muschelkalk" mit großartigen Funden von Joachim Suchopar von der Baustelle der A 71 veröffentlicht. Um es gleich vorweg zu sagen: So schöne Funde wie Joachim konnte ich nicht machen. Die Autobahn ist fix und fertig gebaut. Zudem war ich ja nicht in der Lage, mit schwerem Gerät loszuziehen.

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Abb. 1: Eine wunderschöne Urlaubslandschaft: Das Tal der Saale.

Bad Neustadt liegt in der bayerischen Rhön, etwa 30 Kilometer östlich des Mains an der Fränkischen Saale. Das Zechsteinmeer hatte im Perm den fränkischen Raum überflutet und Salzlager hinterlassen, die den Grundstock für die Heilquellen in der Gegend  bildeten; erst der Vulkanismus im Jungtertiär steuerte die Kohlensäure im Wasser bei. In der Trias wurde vor 220 Millionen Jahren der Buntsandstein abgelagert, der anschließend von Norden her von einem Meer geflutet wurde, dessen Sedimente bis zu 250 Meter mächtig wurden und sich gliedern in: den Unteren Muschelkalk oder Wellenkalk den Mittleren Muschelkalk (selten fossilführend) und den Oberen- oder Hauptmuschelkalk.
Eine große Hilfe bei der späteren Einordnung meiner Funde dürften die Fachbeiträge der Autoren Joachim Suchopar und Oliver Schmid sein, die in 13 Folgen im Steinkern unter der Überschrift "Oberer Muschelkalk" nachzulesen sind sowie der jüngste interessante Beitrag von M. Henz, B. Neubig und J. Sell Beitrag "Der Untere Muschelkalk (Wellenkalk) von Unterfranken" auf Steinkern.de.
 
Der Hauptmuschelkalk ist im Saalegebiet rund 80 Meter dick, wurde beim erwähnten Autobahnbau angeschnitten - und zeigt sich ansonsten leider selten; die wenigen Aufschlüsse sind für "geologische Radfahrer" schlecht ereichbar. Allerdings sorgen die heimischen Landwirte auf einem Hochplateau östlich von Bad Neustadt immer wieder für unerhoffte Fundmöglichkeiten. Als Ausgangspunkt für eine kleine Radwanderung bietet sich der Parkplatz des östlich von Bad Neustadt auf dem Berg gelegenen Klinikums in dem Stadtteil Herschfeld an (von der Autobahn Richtung Herschfeld/Klinikum; bis zum Ende der Parkplatz-Sackgasse fahren). 50 Meter weiter führt ein Fußweg geradeaus zur Ruine der Salzburg; man kann um das alte Gemäuer herumgehen und einmal die Mauer in Augenschein nehmen: Teilweise wurden hier fossilhaltige Steine verbaut.

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Abb. 2: Baumaterial von der Salzburg.

Nach einer kurzen Einkehr beim Italiener in der Burg geht es ein Stückchen zurück an das Parkplatzende, wo in östlicher Richtung ein Fuß- und Radweg Richtung Dürrnhof/Rödelmaier abzweigt. Man erreicht besagtes Hochplateu, wo auf den Äckern alljährlich Material aus dem Oberen Muschelkalk herausgepflügt wird.

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Abb. 3: Frisch ausgepflügt: Ein Stück Meeresboden mit Brachiopode aus der Trias.

Am Ortseingang von Dürrnhof lohnt es sich, ab und zu bei den Leuten in die Vorgärten zu schauen; da liegen bizarre Schaumkalkbrocken herum und in einem anderen stehen prächtige Ceratiten. Meinen ersten Triasmeerbewohner habe ich an der höchsten Stelle des Plateaus an der Straße von Herrschfeld kurz vor dem Ortseingang Dürrnhof am Rande eines Maisackers gefunden: Einen Ceratites nodosus, schätze ich. Natürlich war das Ansporn, die Äcker genauer unter die Lupe zu nehmen. Das eine oder andere Bruchstück habe ich so noch gefunden.

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Abb. 4: Der erste Ceratit meines Sammlerlebens: Ein Zufallsfund am Ackerrand auf dem Höhenrücken nahe des Dorfes Dürrnhof.
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Abb. 5: Handstücke vom Acker: Muschelabdruck und ein Stück Schaumkalk.

Ein Glücksfall war allerdings der Neubau eines Wohnhauses am nordöstlichen Dorfrand Dürrnhofs; der Rohbau stand zur Hälfte, der Erdaushub lag einladend drumherum und der Hausbewohner meinte auf meine Frage hin, ob er was dagegen habe, wenn ich hier mal nach Fossilien suche, dass er derzeit andere Sorgen habe... Während der Mann also schuftete und rechnete, konnte ich mehrere Ceratiten aus dem Aushub bergen und in die Satteltaschen packen.

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Abb. 6: Aus der Baugrube: Ceratites nodosus.

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Abb. 7: Diesem Ceratiten hat der Bagger übel mitgespielt.

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Abb. 8: Ein weiterer Ceratit von der selben Fundstelle. Allen hier gezeigten Stücken fehlt übrigens noch der "letzte Schliff". Mit welchem Mittel kommt die Struktur wohl am besten zur Geltung?

Noch ein Glücksfall während der Radtouren rund um Bad Neustadt war der Bau einer Versorgungsleitung von Dürrnhof durch den Wald nach Herrschfeld. Ein Fachmann hätte sich über das zwei bis drei Meter tiefe Profil wahnsinnig gefreut. Ich konnte immerhin aus dem Erdaushub einige Muscheln und einen weiteren, wenn auch schlecht erhaltenen Ceratiten retten.

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Abb. 9: Muschel aus dem Baugraben für eine Versorgungsleitung.

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Abb. 10:  Ein weitere Muschel von der Leitungsbaustelle.

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Abb. 11: Auch dieses Stück stammt aus dem Baugraben; ich habe es mitgenommen, weil man die Lobenlinie sehr schön erkennen kann.

Wenn man schon in der Gegend ist, sollte man auch einmal den geologischen Rundweg "Durch den Muschelkalk" entlangradeln. Start des 4,8 Kilometer langen Weges mit einem Höhenunterschied von 90 Metern ist im Bad Neustädter Stadteil Mühlbach, und zwar an der Ecke Brunnenweg/Kurhausstraße. Von dort geht es auf einem Radweg an der Straße Richtung Löhrieth entlang; linker Hand sind mächtige Schaumkalkbänke zu sehen, in denen man Stromatolithen finden kann.

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Abb. 12: Ein Stück aus der Schaumkalkbank.

Der Weg zweigt auf halber Strecke nach Löhrieth über die Straße nach rechts ab. Hier biegt man schiebenderweise in den Weg auf dem Wurmberg ein. Der Name dürfte von den Fossilien stammen: Die Böschung auf der linken Seite birgt reichlich Material aus der Grenze mittlerer/oberer Muschelkalk, in erster Linie "Würmer", bei denen es sich um Gänge grabender Organismen handelt.

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Abb. 13: Mit Sediment ausgefüllte Grabgangbruchstücke aus einer Böschung am Lehrpfad.

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Abb. 14: Weitere Spuren grabender Organismen.

Der Weg führt weiter durchs Feld zu einem aufgelassenen Steinbruch, der als Naturschutzgebiet deklariert ist; auf den außerhalb liegenden Halden kann man sein Glück versuchen. Nächste Station ist der Steinbruchbereich, in dem noch abgebaut wird: Von einer Aussichtsplattform kann man gut 90 Meter tief in die Abaugrube mit senkrechten Wänden schauen. Ich schätze mal, dass die Betreiber Sammler da nicht hineinlassen. Über den Grasberg geht es zurück zum Ausgangspunkt.

Zum Schluss noch zwei touristische Hinweise für die, die im anbrechenden Frühling vielleicht mal ein langes Wochenende bei Bad Neustadt planen: Unter www.badneustadt.rhoen-saale.net gibt es Informationen über Gaststätten, Unterkünfte, den Wohnmobilstellplatz direkt an der Saale und den schönen Radweg entlang des Flusses. Was da freilich nicht steht: Meinen ersten Ceratiten habe ich mit einer "Abtpfanne" im Klostergasthof von Maria Bildhausen kulinarisch gewürdigt. Sehr zu empfehlen.

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Abb. 16: Das Kloster Maria Bildhausen birgt einen wunderschönen Gasthof nebst Biergarten.
 

Text und Bilder: Kurt Hoeppe