Bayern

„Tintenfische“ im Lias epsilon von Altdorf

Carsten Rohde & Matthias Weißmüller,
Norderstedt/Berg, Juni 2008

Seit vielen Jahrzehnten sind die Laibsteine und die Stinkkalkbänke der Lias-Sedimente im Raum Altdorf ein Begriff. Auch in diesem Forum wurde wiederholt über diese fossilführenden Schichten berichtet; jedoch vornehmlich aus Sicht der Ammonitenfauna oder durch Darstellung spektakulärer Einzelfunde von Fischen und Sauriern. An dieser Stelle soll über deren Beute gesprochen werden: Tintenfische.
 
Es ist den Verfassern wohl bewusst, dass die Fossilbeschreibungen aufgrund der beschränkten Zahl bearbeiteter Steine/Platten nur einen ersten Einblick in die Vielfalt der Coleoideenfauna des Lias ε liefern und bei der Bestimmung Irrtümer aufgetreten sein könnten.
 
Die Präparation der Gesteine erfolgte, sofern sie bei den Platten der Stinkkalke nicht schon von der Natur vorbereitet war, mittels Stichel, Fräse und Nassschleifpapier. Insbesondere dann, wenn sich die Rostren innerhalb des Gesteins fortsetzten, zeigte sich die Präparation als schwierig, da Fossil und Gestein miteinander inniglich verbacken waren. Es kam zu Brüchen im Rostrum und Oberflächenbeschädigungen, die nachgearbeitet wurden: Man mag es auch „schönen“ nennen.
 
Die 2. Laibsteine sowie die Stinkkalkbänke der Altdorfer Schichten zählen zu der Subzone tc1b des Harpoceras falcifer, wobei die Stinkkalke in die Zone tc1c des Hildoceras bifrons hinein reichen.
 
Die Belemnitenfauna dieses Lias ε 2+3 ist geprägt von nur zwei Gattungen:  Acrocoelites (Acrocoelites)  s. str. SCHLEGELMILCH,  1998  sowie Youngibelus RIEGRAF, 1980. Es ist augenscheinlich, dass sich in den Altdorfer Sedimenten einige wenige Arten aufdrängen: Acrocoelites (Acr.) trisulculosus SIMPSON, 1855, Acrocoelites (Acr.) gracilis HEHL in ZIETEN, 1831 sowie Youngibelus tubularis YOUNG&BIRD, 1822 aber auch Youngibelus ohmdenensis SCHLEGELMILCH, 1998.

Die Unterscheidung von tubularis und ohmdenensis, sowie dieser beiden mit gracilis ist schwierig, wenn wie hier die Rostren im Gestein belassen werden, sodass die wichtigen Unterscheidungsmerkmale, die Spitzenfurchen bei gracilis, durch die Schwierigkeit der Präparation oder die Lage des Rostrums verdeckt oder unkenntlich sind.
Unter den genannten Vorbehalten zeigen die Bilder 1 und 2 Acrocoelites (Acr.) gracilis in unterschiedlichen Längen (120 – 160mm)  in Verbindung mit Acrocoelites (Acr.) trisulculosus (100mm Bildmitte).


Bild_1_AcrAcr_gracilis_120_160mm.jpg

Bild_2_AcrAcrtrisulculosus_100mm__AcrAcrgracilis_140mm.jpg

Bei einigen Rostren sind die ventralen Spitzenfurchen zu erkennen, laterale dagegen nicht. Auf der Rückseite der Platte in Bild 2 ist ein Youngibelus simpsoni (60mm) mit feinen kurzen Striemen am Apex zu sehen (Bild 3).
Bild_3_Youngib_simpsoni_60mm.jpg

Auf Bild 4 ist neben gracilis ein Acrocoelites (Acr.) ilminstrensis mit langer Bauchfurche und zwei sehr kleinen Lateralfurchen abgebildet;
Bild_4_AcrAcrilminstrensis__lange_Ventrf__2_sehr_kurze_Latf___Ac.Acr_gracilis_140.jpg

Bild
5 zeigt zwei Dactyloteuthis incurvata (70mm), die aus der Matrix herausgelöst wurden. Dact. incurvata wird von Schlegelmilch in die Subzone tc1c gestellt. Die Funde demonstrieren, dass die Stinkkalke in der Tat an der Grenze von tc1b nach tc1c hineinragen.
Bild_5_Dact_incurvata_70mm.jpg

Bild 6a
veranschaulicht zwei Youngibelus tubularis, der kürzere (65mm) mit ausgeprägten Striemen am Apex.
Bild_6a_Youngibelus_tubularis_65_103mm.jpg

Bild 6b
zeigt einen ohmdenensis von 168mm Länge und ausgeprägtem Epirostrum, das von einer 1mm dicken Calcitschicht umhüllt ist;
Bild_6b_Youngibelus_ohmdenensis1__168mm.jpg
 
auf Bild 7 ist ein großer trisulculosus von 188mm Länge aus Bachhausen zu sehen.
Bild_7_Acr_Acr_trisulcolosus_188mm_Bachhausen.jpg

Aus einem 2er Laibstein wurde das in Bild 8 vorgestellte Rostrum eines trisulculosus mit gut erhaltenem Phragmokon herausgelöst. Das gesamte Rostrum ist 245mm lang, das Rostrum solidum (Protoconch bis Apex) gut 95mm. Die Alveole erfasst ebenfalls 95mm, ist indes nur in Ansätzen erhalten. Die Lage des Protoconch wird durch die Markierung auf dem Gestein angezeigt.
Bild_8_Acr__Acr__trisulculosus_Altdorf.jpg

Ebenfalls aus einem „Zweier“ stammt der in Bild 9 gezeigte Gladius eines Tintenfisches. Dieser Gladius wurde schon im Steinkernbeitrag vom 30.10.2006 „Tintenfisch mit Weichteilerhaltung im Laibstein???“ vorgestellt und soll hier näher untersucht werden.
Bild_9_Parabelopeltis_cf_flexuosa__Altdorf.jpg


Der Gladius gehört nach Fuchs zu dem Typus Loligosepia (Unterordnung Loligosepiina JELETZKY) und zeigt seine ventrale Seite. Der Konus ist nicht erhalten; ebenfalls fehlen – bis auf sehr geringe Reste (S in Bild 10)  - die Seitenfelder (Konusfahnen), Überbleibsel eines ehemaligen Phragmokons. Die Mittelplatte (M) ist kopfseitig nur fragmentarisch überliefert, zeigt aber einen gut ausgebildeten Tintenbeutel. Die Hyperbolarfelder haben sich über das Mittelfeld geschoben (siehe →). Daher ist der Kiel (K) nicht durchgängig zu erkennen. Er zeigt auf geringer Länge seitliche Mulden, die in Bild 11 aus der ventralen Sicht als Erhöhungen zu erkennen sind. Der Gladius ist 170mm lang.
Bild_10_Parabelopeltis_cf_flexuosa__Altdorf.jpg
Die obige Grafik in vergrößerter Form: Hier klicken.

Bild_11_Mulden_neben_Kiel.jpg
Fuchs betont, dass eine einwandfreie Identifizierung von Teuthidengladien nur bei dreidimensionaler Fossilerhaltung möglich ist. Aufgrund der breiten, weit nach vorne reichenden Hyperbolarfelder (J = mediale Asymptote), der Mulden rechts und links vom Kiel und aufgrund der etwas flacher verlaufenden Bogenstreifen auf dem fragmentarischen Seitenfeld (A = Seitenlinie), könnte es sich bei dem Gladius um Parabelopeltis cf. flexuosa MÜNSTER, 1843 handeln. Dies wäre nicht nur der erste Nachweis dieser Gattung im Lias ε Altdorfs, sondern – unseres Wissens – der erste Nachweis eines Gladius in den Altdorfer Laibsteinen überhaupt.



Literatur:

Fuchs, D. (2006): Fossil erhaltungsfähige Merkmalskomplexe der Coleoidea (Cephalopoda) und ihre Phylogenetische Bedeutung, Berlin;

Schlegelmilch, R. (1998): Die Belemniten des süddeutschen Jura, Stuttgart;

Suchopar, J. (1994): Altdorfer Laibsteine, Fossilien, Heft 2.