Baden-Württemberg

Jura-Funde von der Eislinger B10 Baustelle - Teil 1: Das Obere Pliensbachium

Zwischen 2002 und 2006 wurde an der B10 Ortsumfahrung von Eislingen gearbeitet.
Eislingen liegt - direkt im Schwarzen Jura - wenige Kilometer östlich von Göppingen.

Schon vor Beginn der eigentlichen Erdarbeiten war den örtlichen Sammler klar, dass
im Zuge der Arbeiten nahezu der komplette Lias angeschnitten werden würde.

Bereits Pfarrer Dr. Engel hat vor fast 100 Jahren in der nahe gelegenen Fils bei Salach u. Eislingen schöne Versteinerungen aus dem Lias gefunden. Diese kann man in Jebenhausen im Naturkundlichen Museum der Stadt Göppingen bewundern.
 
http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=991

Jedoch geben diese Naturaufschlüsse schon lange nichts mehr her. Viele Flüsse u. Bäche sind verbaut bzw. die damals noch offenen Schichten verschüttet.

So gesehen war es nur normal, dass etliche Sammler Gewehr bei Fuss standen, als im Sommer 2002 die Bauarbeiten südlich von Eislingen im Lias Zeta starteten.


 

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Start der Tiefbauarbeiten im Sommer 2002 südlich von Eislingen beim sog. Näherhof. Was man zu der Zeit noch nicht wissen konnte ... wenige Meter hinter dem Bagger sollte man einige Wochen später den sog. Saurierfriedhof von Eislingen entdecken. Bei den hier angebaggerten Schichten handelt es sich um Lias Epsilon.


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Baumaschinen die nur darauf warten, endlich den Schwarzen Jura aufzureißen


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Erst Halde mit Lias Epsilon u. Lias Zeta. Die Bagger im Vordergrund haben sich bereits durch den sog. Saurierfriedhof hindurchgebaggert. Die hinteren Bagger stehen direkt darauf. Aber zu diesem Zeitpunkt wußte noch niemand, dass man schon wenige Tage später die ersten Saurierknochen finden wird.

 

Im Zuge der Arbeiten wurden über mehrere Jahre hinweg - auf einen ca. 2 km langen Bauabschnitt  - die Schichten des Lias Zeta, Epsilon, Delta u. Gamma nacheinander und vollständig angeschnitten.

In diesem Beitrag soll es jedoch nur um die Funde aus dem Lias Delta gehen.

Diese Schicht gehören in den Untersten Jura (Schwarzer Jura oder Lias) und umfaßt die international als Ober-Pliensbachium bezeichneten Schichtenfolge.

Der Bach Pliensbach beim gleichnamigen Ort, der dem Pliensbachium den Namen gab und somit Typuslokalität wurde, ist Luftline keine 10 km entfernt !

Bekannt wurde die Baustelle, als man im Lias Epsilon an der Grenze zwischen Lias Epsilon u. Zeta (im Bereich des sog. Belemnitenschlachtfeldes) den so. "Saurierfriedhof von Eislingen" entdeckt. Hobby-Sammler wurden auf Knochen aufmerksam und meldeten diese an die nächsten Wissenschaftler. In der in der Folgezeit wurden einige Grabungskampanien mit intessanten Funden durchgeführt.

http://www.steinkern.de/vermischtes/sonstige-berichte/155-ausstellungsankuendigung-ueber-den-fischsaurierfriedhof-von-eislingen-schwarzer-jura-lias-epsilon.html

http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=1055

 

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Die Ausgräber des sog. Saurierfriedhofs von Eislingen bei Ihrem ersten Schurf.
Von da an war es nicht mehr so einfach möglich, auf der Baustelle nach Fossilien zu suchen.


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Um diese Knochen von Fischsauriern ging es den Ausgräbern.


Das Ober-Pliensbachium

Das Ober-Pliensbachium umfaßt den obersten Teil des schwäbischen Lias Gamma (ab den sog. Zwischenkalken, die überhalb der Davoei-Bank beginnen) sowie den nach oben anschließenden Lias Delta.

Die sog. Zwischenkalke bestehen aus einer Wechselfolge von weicheren Mergelkalken und darin eingelagerten Kalkmergelbänken.

Im frischen unverwitterten Zustand ist alles eine ziemlich homogene Masse, die - aufgrund der Zähigkeit - kaum zu "bearbeiten" ist. Erst beim Verwittern heben sich die harten Bänke von den weicheren Schichten ab.

Die Grenze zum Lias Delta bildet das sog. Belemnitenschlachtfeld. Das ist ein ca. 15 cm mächtiger Bereich in dem unzählige Belemniten sowie einige verkalkte Amaltheen vorkommen. Darüber folgt dann der Lias Delta.


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Belemniten-Schlachtfeld von der Grenze: Lias Gamma/Delta


Der Lias Delta besteht fast ausnahmslos aus sehr dunklen, blau-grauen pyritreichen Tonen in die einzelne Lagen von fossilleeren Kalkknollen eingestreut sein können. Zum Lias Epsilon treten 2 übereinanderliegende, jeweils ca. 40cm mächtige nahezu fossilleere Kalkbänke auf, die im schwäbischen Jura auch als Spinatum-Bänke bezeichnet werden. Getrennt sind diese Bänke durch eine dünne Mergelfuge. Darüber folgen dann noch ca. 50 cm bläuliche Mergel die man ebenfalls noch dem Pliensbachium zurechnet.

 

Fossilien:

Typisches Fossil der tonigen Delta-Schichten ist die Ammonitengattung Amaltheus. Nahezu 99,9% aller Ammonitenfunde gehen auf sein Konto weshalb die Schichten auch zurecht als Amaltheen-Schichten bezeichnet werden.

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Pyrit-Amaltheen u. ein großer Belemnit "Passalotheutis" direkt nach der Bergung.


Das häufigste Auftreten der Amaltheen liegt in einem ca. 1,5 m mächtigen Bereich der sich ca. 2m unterhalb der der Grenze zum Lias Epsilon befindet.

Im restlichen Tonpaket sind die Ammoniten sehr selten.

Wie üblich in der Gegend - sind die Amaltheen fast immer in Pyrit erhalten.

Die Schichten des oberen Oberpliensbachiums - die auch als Pleuroceraten-Schichten bezeichnet werden - waren nur starkt reduziert vorhanden (ca. 1,5m) und verdienten ihren Namen kaum. Nur ein wenige Zentimeter mächtige Tonschicht enthielt überhaupt Pleuroceraten - jedoch waren alle verdrückt. Das ist für die hiesige Gegend normal.

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Im vordergründigen Rohrgraben wurde Amaltheenton angeschnitten und auf den etwas darüber liegenden Lias Epsilon Schiefer gekippt  ... wo er nun in Ruhe nach  Fossilien durchsucht werden kann.  Das war ganz am Anfang der Bauarbeiten als nur wenige Sammler vor Ort waren. Dementsprechend gut waren die Funde.

 

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Als gegen Ende der Baumaßnahmen die Fahrbahn nochmals abgesenkt wurde,
wurden kurzfristig großflächig Amaltheen-Schichten angeschnitten.
Leider war zu diesem Zeitpunkt das Klima zu den Baufirmen bereits so vergiftet,
dass diese am Feierabend die offenen Schichten mit eine Walze einplanierten, um
so das Sammeln von Fossilien zu erschweren bzw. zu verhindern. So wurden viele
Pyritammoniten unnötigerweise platt gemacht.


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Kleine Amaltheen mit max. 3,5cm Durchm. wie man sie in "großen" Mengen im Amaltheen-Ton finden kann.

 

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Bei solchen Prachtstücken versteht jeder ... dass Amaltheen zu den schönsten Ammoniten im Jura zählen. Dieses braun beschalte Exemplar eines Amaltheus gibbosus hat einen Durchmesser von 5cm.

 

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So sehen stinknormale Funde aus. Teilweise sind die Ammoniten mit Pyrit überkrustet. Durchm. des größten Exemplares ca. 4cm.

 

 

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Amaltheen. Durchm. max. 7cm.
Am schönsten sind natürlich Stücke, die noch auf der Tonmatrix sitzen.

 

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Typische Funde - Durchm. max. 7cm. Bei diesen Exemplaren kann man gut erkennen, dass die Wohnkammer meist fehlt bzw. nur teilweise erhalten blieb.

 

Pyrit-Amaltheen

Pyrit-Ammoniten sind eigentlich immer gesuchte Sammlerobjekte.

Nichts elektrisiert einen schwäbischen Lias / Jura Sammler mehr, als die Nachricht, dass mal wieder Pyrit-Ammoniten auf einer Baustelle in gehäufter Anzahl herauskommen.

Dabei lieben beileibe nicht alle Sammler diese glänzenden Objekte.

Der Grund liegt daran, dass diese Ammoniten meist nicht ewig leben.

Mal nach wenigen Monaten - mal nach Jahren - fangen die Ammoniten an auszublühen. Das Pyrit zersetzt sich und die daraus großteils bestehenden Ammoniten zerfallen nach und nach zu Staub.

Und trotzdem ... was gibt es schönerer als in einem dunkel-blauen Tonschiefer eine
metallisch glänzende Versteinerung herauszuziehen.

Das hat was von "Goldrausch in Alaska".

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Wer solche Prachtstücke fand ... konnte sich zu den glücklicheren Sammlern zählen.
Durchm. 8cm.


Folglich war spätestens von da an der Auflauf an Sammlern und sonstigen Steinlesuchern relativ groß.

Die max. Größe der Amaltheen überschritt nur selten die 10cm Marke.
Meist lag die Größe jedoch bei 2-4cm.

Ganz vereinzelte Funde von Protogrammoceras u. Arieticeras ... waren mit das Beste, was Sammler neben den Amaltheen an Ammoniten finden konnten.

 

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Arieticeras crassitesta, Durchm. 8cm.
Ein ganz seltener Fund für Eislingen !

 

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Protogrammoceras incertum aus der Stokesi-Subzone, ca. 3cm.
Ein ebenfalls sehr seltener Fund für Eislingen !


Begleitfauna

An Begleitfauna gab es das übliche Spektrum: Muscheln, Austern, viele Belemniten, und einige Schnecken - darunter evtl. eine neue Art einer "Riesen" Pleurotomaria.


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Hastites clavatus, Zwischenkalke, 5,7cm


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Belemnit mit Phragmokon, ca. 20cm.
Links im Bild ... Fanghaken des Belemnitentieres.



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Div. Belemniten - max. Länge ca. 15cm

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Schachtel mit Begleitfauna (Brachiopoden, Schnecken, Muscheln)
Bildbreite ca. 20cm

 

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Pleurotomaria amalthei, Durchm. 6,5cm

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Pleurotomaria n. sp.
Evtl. eine neue Art aus den Spinatum-Kalkbänken
Durchm. 15cm

 

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Probleme

Erschwert wurde die Suche eigentlich nur durch die Ausgräber des Saurierfriedhofes.

Aufgrund der unzähligen Meldungen in sämtlichen Medien (bis hin zu Bildzeitung)
war es nur natürlich, dass Leute aus Nah und Fern kamen, um den Ausgräbern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Das war wohl auch so gedacht (?).

Und als dann anscheinend einmal einige Knochen über´s Wochenende abhanden kamen (oder nur verloren gingen ???), da waren die Schuldigen in Person der örtlichen Hobby-Paläontologen schnell gefunden. Als Raubgräber - die bei Nacht u. Nebel in ihren Blaumännern kommen und nur auf schnelle Beute aus sind - wurde man öffentlich bezeichnet. Dabei waren es eigentlich die Sammler die die Wissenschaftler auf die Knochefunde aufmerksam gemacht hatten.

Aber das hatte die Ausgräber in Ihrem "Knochenrausch" schnell vergessen.

Stattdessen hagelte des Verbote und Verweise für die Sammler.

Vor da an war es zeitweise schwierig bis unmöglich, auf der Baustelle - selbst in weit vom Saurierfriedhof entfernten Bereichen ... und in anderen Schichten - auf Fossilsuche zu gehen.

Das war um so unverständlicher, da sich die Saurierausgräber nur für eine ca. 10cm mächtige Schicht interessierten die zudem noch ganz lokal am Rande der Baustelle auftrat. Für die übrigen Schichten bestand keinerlei Interesse.

Horizontierte Ammoniten-Aufsammlungen im Lias Gamma / Delta waren somit kaum
noch möglich. Aufgrund der Nähe zum Typus Ort des Pliensbachiums wären diese jedoch sehr interessant gewesen. Somit war man weitestgehend auf Haldenfunde angewiesen, die jedoch nicht die Aussagekraft haben, wie horizontiert entnommene Stücke.

Funde von dieser Baustelle - gefunden von einigen lokalen Sammlern - werden derzeit in Göppingen-Jebenhausen im Rahmen einer Sonderausstellung gezeigt.

Die gezeigten Funde geben einen sehr guten Überblick über den Fossilinhalt des Lias Gamma u. Delta (aber auch Lias Epsilon u. Zeta) der betreffenden Fundstelle und damit der Umgebung um Göppingen.

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2 Bilder aus der Ausstellung im Naturkundemuseum Göppingen-Jebenhausen.
Diese beiden Bilder zeigen jedoch Fossilien aus dem unteren Pliensbachium das
weitestgehend mit dem Lias Gamma gleichzusetzen ist.
Funde aus dem unteren Pliensbachium werde ich im 2. Teil über diese Fundstelle vorstellen.

 

Dank

Herzlichen Dank an das Naturkundemuseum in Jebenhausen das mir gestattete, außerhalb der Besuchszeiten Bilder zu knipsen und mir bereitwillig auch ein CD mit "fertigen" Bildern zur Verfügung stellte. Aufgrund der schwierigen Lichtverhältnisse
und wegen der Glasvitrinen waren meine eigenen Bilder teilweise dürftig.

Wem manche Bilder bekannt vorkommen ... der liegt richtig.
Im Fossilien Heft Juli-August 2006 kam ein Beitrag - eben zu Funden von dieser Baustelle.

Die gezeigten Bilder der Einzelfossilien stammen großteils aus der Sammlung von: Matthias Grupp. Jedoch sind auch einige Funde aus den Sammlungen: J. Klaschka u. E. Schneider darunter.

Die Bilder der Einzelfossilien stammen vom Museum in Jebenhausen.
Die Bilder, die die Ausstellung zeigen bzw. Fossilien in Vitrinen, habe ich gemacht - ebenso die Bilder von der Baustelle bei Eislingen.
 

Um die Anzahl der Bilder - und damit die Ladegeschwindigkeit im Internet etwas geringer zu halten - werde ich die Funde aus dem unteren Pliensbachium dieser Fundstelle in einem separaten Beitrag vorstellen.



Literatur:


Borngraeber, O. (1993): Die Geologie des Blattes 1:25 000, 7324 Geislingen-West.Dissertation. Stuttgart.

Schlegelmilch, R. (1976): Die Ammoniten des süddeutschen Lias. Stuttgart/New York.

Dr. A. Hegele, Dipl.-Geologe
Zur Geologie des Landkreises Göppingen
Erschienen 1987, Herausgeber: Landratsamt Göppingen


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