Baden-Württemberg
In und um Biberach – eine Exkursion ins Tertiär und Quartär Oberschwabens
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- Kategorie: Baden-Württemberg
- Veröffentlicht: Donnerstag, 07. Februar 2019 15:00
- Geschrieben von Norbert Wannenmacher
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Bei einem Aufenthalt in Oberschwaben im Frühjahr 2016 ergaben sich für mich einige Gelegenheiten die Umgebung von Biberach an der Riß zu besuchen und Einblick in die abwechslungsreiche und interessante Geologie der Gegend zu nehmen. In diesem Bericht werden einige Stationen der geologischen Ausflüge vorgestellt.
Die Stadt Biberach an der Riß liegt im nördlichen Oberschwaben, 40 Kilometer südlich von Ulm. Sehr hübsch zeigt sich die Stadt mit vielen geschichtsträchtigen Gebäuden, netten Lokalen und einer lebendigen Geschäftswelt. Durch Biberach fließt die Riß, ein Flusslauf nach dem eine Kaltzeit benannt ist.
Abb. 1: Der Turm der Stadtpfarrkirche und eine Eselskulptur von Peter Lenk am Marktplatz von Biberach.
Unweit der Stadtirche befindet sich das Museum, welches als Ausgangspunkt für die Exkursionen und den Bericht dient.
Das Museum in Biberach an der Riß (Braith-Mali-Museum)
Abb. 2: Zugang zum Braith-Mali-Museum.
In dem Museum mit seinen vielen Abteilungen kann durchaus ein ganzer Tag verbracht werden. Konzentriert man sich auf die geologische Abteilung, ist etwas über eine Stunde ausreichend. Den Hauptanteil der geologischen Ausstellung bildet die Sammlung von Pfarrer Josef Probst (1823-1905), der seine bedeutenden Funde aus dem Oberschwäbischen der Stadt überließ.
Pfarrer Josef Probst gilt als der Pionier der Erforschung der Geologie Oberschwabens. Er stand mit vielen Geologen seiner Zeit in Verbindung. Im Laufe seines Lebens verfasste er zahlreiche Veröffentlichungen, die vor allem in den Jahresheften des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg erschienen. Auch war er Mitglied in geologischen und naturkundlichen Vereinen. Für seine Verdienste um die Geologie Oberschwabens wurde er mehrfach mit Ehrungen bedacht.
Abb. 3: Funde aus der miozänzeitlichen Meeresmolasse um Biberach.
Abb. 4: Miozäne Pilgermuscheln aus einem Steinbruch bei Baltringen, auf den unten noch näher eingegangen wird.
Abb. 5: Biberach im Miozän.
Abb. 6: Säugetierfunde und Pflanzen der Süßwassermolasse.
Abb. 7: Rekonstruktion des Lebensraums, in dessen Umfeld die Fossilien der Süßwassermolasse zur Ablagerung gelangten.
Abb. 8 (links): Der Pfarrer und Geologe Josef Probst (1823-1905) auf einem Bild im Museum.
Abb. 9 (rechts): Pflanzenfossilien der Fundstelle an der Heggbacher Mühle und Dokumente aus dem Leben des Geologen.
Abb. 10: Für den Beginn der Erforschung des oberschwäbischen Tertiärs wesentliche Fundstellen liegen auf engem Raum. Etwa einen Kilometer östlich von Baltringen liegt der Steinbruch im miozänen Meeressand. Die Fundstelle an der Heggbacher Mühle mit Landpflanzen und Landsäugetieren befand sich wenig südlich davon. An diesem einstigen Fundpunkt ist allerdings nur noch ein bewaldeter Hang zu sehen.
Baltringer Sandstein
Etwa 10 km nördlich von Biberach liegt die Ortschaft Baltringen. Dort wurde der Baltringer Sandstein abgebaut. Als Werkstein dient eine dickere grobkörnige Kalksandbank, die voller Fossilien und Gerölle steckt. Sie ist als Zeugnis eines Vorstoßes des Meeres zur Zeit der Oberen Meeresmolasse vor etwa 18 Millionen Jahren anzusehen. Darüber liegen geschichtete Feinsande mit Sedimentstrukturen, die sehr flaches Wasser zum Zeitpunkt der Ablagerung anzeigen.
Abb. 11 (links): Am Treppenaufgang der Kirche in Baltringen kann der grobkörnige Muschelsandstein betrachtet werden.
Abb. 12 (rechts): Baltringer Sandstein an einer Ruhebank. Im Anschnitt sind Muschelquerschnitte und größere Gerölle sichtbar.
Abb. 11 und 12 können durch Anklicken vergrößert werden.
Abb. 13: Längsbruch einer turmförmigen Meeresschnecke im Gemäuer der Baltringer Kirche.
Abb. 14: Der aufgelassene Steinbruch östlich von Baltringen. Stationen des Geopfades "Wattwanderung". Der grobkörnige Muschelsandstein liegt nur knapp über der Sohle des ehemaligen Steinbruchgeländes.
Abb. 15: Härtere Lagen bilden Gesimse, während weichere Lagen von Wildbienen besiedelt werden.
Abb. 16: Geschichtete, fossilfreie Sande im Steinbruch. Die Fischgrätenschichtung zeigt eine Ablagerung im Gezeitenbereich an. Rücksichtslose Zeitgenossen hacken in diese Lagen auf der Suche nach Fossilien und zerstören damit die Wohnbauten der Insekten.
Abb. 17: An Station 6 der geologischen Wattwanderung: Diese submarin an einem flachen Hang – vermutlich durch Erdbebenstöße – abgeglittene Sandschicht wurde an einem Hindernis aufgestaucht.
Abb. 18: Einige der berühmten Baltringer Haizähne. Pfarrer Probst soll 60 000 Haifischzähne gesammelt haben, allerdings zu Zeiten des aktiven Abbaus.
Abb. 19: Bei der Begehung im Frühjahr 2016 tauchte immerhin noch ein kleiner Haizahn im Schutt des alten Steinbruchs auf.
Abb. 20 (links): In den Sandstein eingegrabene Keller bei der Ortschaft Mietingen werden als Lagerräume genutzt.
Abb. 21 (rechts): Einblick in einen verlassenen Sandkeller.
Abb. 20 und 21 können durch Anklicken vergrößert werden.
Eiszeit in Oberschwaben
Eiszeitliche Ablagerungen sind in der Gegend um Biberach allgegenwärtig und werden auch heute noch intensiv abgebaut.
Abb. 22: Einblick in einen aktiven Abbau in eiszeitlichen Schottern und Sanden bei Biberach.
Pfarrer Probst erforschte auch die Geschichte der Eiszeiten intensiv. Einige anschauliche Funde aus der Gegend sind im Museum ausgestellt.
Abb. 23: Erläuterungen zur Eiszeit und ihren Ablagerungen.
Abb. 24: Säugerfossilien der Eiszeit um Biberach im Braith-Mali-Museum.
Abb. 25: Oberschenkelknochen vom Fellnashorn.
Die Umgebung von Biberach lädt dazu ein, die Glazialgeologie im Gelände zu entdecken.
Abb. 26: Aufgelassene und unter Geotopschutz stehende Schottergrube Scholterhaus am nördlichen Stadtrand von Biberach. Die ehemalige Grube ist die Typlokalität der Riß-Kaltzeit. Foto vergrößern.
Bei Bad Schussenried, 16 km südwestlich von Biberach, erschließt ein Geopfad die besondere Landschaft und die Geländeformen, die beim Rückzug der Gletschereises entstanden sind.
Abb. 27: Klosteranlage Bad Schussenried.
Abb. 28: Nahe der Schussenquelle bei Schussenried. Der Blick nach Süden zeigt die durch eiszeitliche Gletscher eingeebnete oberschwäbische Landschaft.
Abb. 29: Am Olzreuter See nahe Schussenried. Die Landschaft ist gespickt mit Toteislöchern, in welchen sich Seen gebildet haben. Diese bilden heute wertvolle Biotope und Naherholungsräume.
Abb. 30: Am glazialgeologischen Lehrpfad bei der Schussenquelle liegt ein Findling mit über 50 Tonnen Gewicht aus helvetischem Kieselkalk. Dieser wurde auf dem Rücken eines eiszeitlichen Gletschers aus den Alpen bis ins nördliche Oberschwaben transportiert.
Abb. 31: Gedenkstein an der Schussenquelle. Der Stein erinnert an Funde einer Grabung des Jahres 1866 unter der Leitung von Oscar Fraas. Bei diesen Erforschungen wurde eine Rentierjägerstation mit Knochen von Rentieren und anderen eiszeitlichen Tieren und Werkzeugen und Geräten der Eiszeitmenschen vor 13 000 Jahren gefunden. Unten rechts ist die Gedenktafel zur besseren Lesbarkeit vergrößert eingeblendet.
Abb. 32: Bemerkenswerte neue Kunst zwischen alten Bäumen: drei "Wasserhüterinnen" der Künstlerin Theresia Moosherr am Zugang zur Schussenquelle.
Alle Fotos: Norbert Wannenmacher
Links:
Baltringer Sandstein:
http://www.baltringer-haufen.de/hai.htm
Geopfad "Wattwanderung":
https://www.mietingen.de/index.php?id=640
Glazialgeologischer Lehrpfad Bad Schussenried:
https://www.biberach.de/tourismus/natur-abenteuer/geopfad.html
https://www.bad-schussenried.de/index.php?id=380
https://albverein.net/2016/02/03/wandertipp-geopfad-bad-schussenried/
Infos zum Museum Biberach:
https://biberach-riss.de/Tourismus-Kultur-Freizeit/Kultur/Museum-Biberach
Portal zur Erdgeschichte Oberschwabens:
http://www.oberschwaben-portal.de/bego.html
Porträt und Links zu Schriften von und über Pfarrer Josef Probst:
https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Probst
Diskussion zum Bericht im Steinkern.de Forum: