Paläogen, Neogen und jünger

Fossile Floren aus der Oberen Süßwassermolasse der Landkreise Freising und Pfaffenhofen

Geologischer und geografischer Rahmen

Nördlich von München, kurz hinter dem Autobahnkreuz der A9 Neufahrn bei Freising endet die geologisch wenig abwechslungsreiche Münchener Schotterebene. Das darauffolgende tertiäre Hügelland ist gekennzeichnet von Sedimenten der Oberen Süßwassermolasse. Diese besteht hauptsächlich aus Sanden und feinen Kiesablagerungen, welche in diversen Gruben abgebaut werden. Der typische Sandboden wird auch landwirtschaftlich genutzt wie zum Beispiel für den Spargel- und Hopfenanbau.

Diese Sande und Kiese wurden als Teil der Nördlichen Vollschotter-Abfolge in einem nach Westen zeigenden Stromsystem als fluviatile Sedimente abgelagert. Zahlreiche Belege der tertiären Fauna, wie zum Beispiel Urelefanten, Nashörner und viele andere heutzutage eher aus tropischen Klimazonen bekannte Tierarten sind durch etliche Funde aus diesem Bereich bekannt. Nicht minder interessant sind die Vorkommen fossiler Florenelemente. In Altarmen oder Altwasserbereichen des Stromsystems haben sich immer wieder feine Mergel und Tone abgelagert. Diese finden wir heutzutage in zahlreichen Sandgruben als Tonlinsen. Manche dieser Linsen sind fossilleer oder nur schwer zugänglich, andere beinhalten hingegen wunderbar erhaltene Pflanzenfossilien.

 

Fossile Pflanzen aus einer Sandgrube im Landkreis Pfaffenhofen

Erfreulicherweise war eine dieser Tonlinsen in der Sandgrube bei Entrischenbrunn im Landkreis Pfaffenhofen im Sommer 2018 großflächig freigelegt worden, so dass aus dieser zahlreiche Pflanzenfossilien geborgen werden konnten. Zeitlich sind diese Funde in das Badenium einzustufen und ca. 14,9 bis 14,7 Millionen Jahre alt.

Die damals in mittlerer Höhe der Grube im östlichen Grubenteil erschlossene hellgraue Tonlinse hatte eine Ausdehnung von geschätzt 15 Metern Länge, ca. 6-10 m Breite und mindestens 50 cm Mächtigkeit. Im Liegenden fanden sich Sande und Feinkiese, das Hangende war bereits abgetragen. Nach Norden wurde sie durch eine Rutschung begrenzt, nach Süden keilte sie aus. Pflanzenfossilien wurden aus diversen Höhenlagen innerhalb der Linse geborgen. Das Farbspektrum der Pflanzenfossilien reichte von beige, über gelblich bis rostbraun.

 

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Abb. 1: Gesamtansicht der Sandgrube. Foto: Martin Sauter.

 

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Abb. 2: Detailansicht der Tonlinse. Foto: Martin Sauter.

 

Die Funde im Einzelnen:

Unter den Blättern dominierten Daphnogene und Populus, bei den Früchten Hemitrapa. Weiterhin fanden sich Quercus, Rhamnus, Gleditsia und Viburnum. Hemitrapa-Nüsse lagen in diversen Formen vor und zeigten ein rostfarbiges Äußeres. Ebenso wurden Früchte von Populus geborgen. Als Besonderheit kann auch der Fund von Rhizomen von Sauergrasgewächsen (Cyperaceae gen indet.) erwähnt werden. Die Größe der Blätter/Nüsse reichte von zirka 1 cm bis über 15 cm.

 

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Abb. 3: Populus sp. (Fruktifikation) und Gleditsia lyelliana, ca. 1,0 und 2,0 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 4: Rhamnus rossmässleri, 3,4 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 5: Gleditsia lyelliana, 2,5 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 6: Daphnogene polymorpha (Typ scheuchzeri), Matrix 10 x 8 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 7: Hemitrapa heissigii, ca. 4,5 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 8: Rhizomen von Sauergras (Cyperaceae gen indet.), ca. 4,5 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 9: Populus mutabilis, 5,8 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 10: Populus balsamoides, ca. 5,5 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 11: Populus mutabilis (Variationsbreite?). Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 12: Hemitrapa heissigii, Nuss 1,3 x 0,9 cm mit Ausleger bis 2,5 cm, Handstück 8 x 3 x 3 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 13: Hemitrapa heissigii, Nuss, Ausschnittvergrößerung von Abb. 12. Foto vergrößern.

 

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Abb. 14: Hemitrapa heissigii, 3 Nüsse bis 5,5 cm mit Ausleger, Platte 11,5 x 8 x 2 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 15: Hemitrapa heissigii, Nuss 2 x 2 cm mit Ausleger. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 16: Hemitrapa heissigii, Nuss 2,8 x 2,5 cm mit Auslegern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 17: Populus balsamoides, 5 cm großes Blatt auf max. 9,1 cm langer Matrix. Ausschnittvergrößerung anzeigen. Foto und Sammlung: Stefan Werner. 

 

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Abb. 18: Populus mutabilis, Größe des Blattes 4,3 x 3,7 cm. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 19: Platanus cf. platanifolia, Blattfragment 15,5 x 10,5 cm, Platte 18,5 x 12,5 x 3,5 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 20: Quercus drymeia und cf. Berchemia parvifolia, 2,5 x 1,9 cm großes Blatt. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 21: Daphnogene polymorpha, 7,2 x 2 cm großes Blatt auf Handstück mit Abmessungen von 9,3 x 4,2 x 3,3 cm. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 22: Daphnogene polymorpha, 4,8 x 2,1 cm großes Blatt auf 6,9 x 4,8 x 3,6 cm messendem Handstück. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 23: Daphnogene polymorpha, 4,2 x 0,75 cm großes Blatt auf 6,5 x 5,6 x 2,5 cm großer Matrix. Vergrößerten Bildausschnitt anzeigen. Fotos und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 24: Daphnogene polymorpha, Größe des Blattes 5,5 x 1,6 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 25: Daphnogene polymorpha, 4,3 x 1,0 cm großes Blatt auf 7,3 x 3,6 x 2,6 cm großem Gesteinsuntergrund. Vergrößerte Ansicht des Blatts anzeigen. Fotos und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 26: Zwei Blätter von Daphnogene polymorpha sowie je eines von Populus mutabilis und Viburnum atlanticum. Das größte Blatt misst 5 x 3,5 cm, die Matrix 16,5 x 9,8 x 4,2 cm. Foto vergrößern. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

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Abb. 27: Omphalobium relictum, Größe des Blattes 1,7 x 1,0 cm. Foto und Sammlung: Stefan Werner.

 

Aufgrund der Florenzusammensetzung und der von anderen Autoren bereits festgestellten und ausgewerteten Anteile der einzelnen Arten am Gesamtbild der Flora, kann man von einer Auwald-Flora eines mäandrierenden Flusssystems mit verlandenden Altarmen ausgehen. Das Klima dürfte sommerlich, subtropisch und damit warm temperiert gewesen sein (SCHMITT & BUTZMANN 1997, HEYNG & GREGOR 2011).

 

Die Tonlinse wurde vom Grubenbetreiber im Herbst 2018 komplett abgebaggert, so dass im Moment leider keine Neufunde zu erwarten sind.

 

 

Fossile Pflanzen aus einer Sandgrube im Landkreis Freising

Ein weiteres interessantes, leider ebenfalls nur kurzfristig erschlossenes Vorkommen lag in einer Sandgrube bei Unterkienberg bei Allershausen. Diese Sandgrube war bisher nur für Faunen-Funde bekannt (UNGER 2003, HASZPRUNAR 2012). Auch der Erstautor hatte das Glück hier einen Talus (veraltet Astragalus, also ein Sprungbein) eines mittelgroßen Paarhufers zu finden, welcher leider nicht näher zu bestimmen ist (Abb. 32).

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Abb. 28: Ansicht der Tonlinse Allershausen, Breite des Bildausschnitts ca. 1,5 m. Foto: Martin Sauter.

 


In den Jahren 2015 und 2016 war dort eine vergleichsweise kleine Tonlinse aufgeschlossen, welche einige Florenelemente lieferte. Die Mächtigkeit der Linse betrug etwa 40 cm, die Breite belief sich auf ca. 10 Meter, nach links und rechts keilte die Linse aus. Die Mitte war durch Regen runsenartig ausgewaschen. Der untere und obere Teil der Linse trennten sauber durch eine Fuge, welche durch eine Zwischenlage mit etwas gröberem Sand gebildet wurde. Der untere Teil hatte einen etwas höheren Mergelanteil und war fossilleer. Ein Fund eines großen Pappelblattes auf der Trennschicht ist zu erwähnen. Im oberen, hauptsächlich tonigen Bereich konnten einige Fossilien geborgen werden. Die Funde umfassten, abgesehen von einem großen Holzstück (Abb. 31), ausschließlich Blätter. Früchte oder Nüsse konnten nicht beobachtet werden. Zeitlich sind diese Funde in das obere Badenium bis Sarmatium einzustufen. Eine noch genauere stratigrafische Einordnung lässt sich anhand der vorliegenden Funde nicht vornehmen.

 

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Abb. 29: "Fundfrisches" Pappelblatt. Foto: Martin Sauter.

 

Die Qualität der Erhaltung reicht zwar nicht an die anderen Molasse-Fundorte heran, dennoch konnten einige gute Exemplare geborgen werden, so dass zumindest ein grober Überblick von der vorkommenden Flora gewonnen werden konnte. Die Flora wurde durch das Vorkommen von Pappel-Blättern der Art Populus balsamoides dominiert, wohingegen Populus mutabilis nur selten gefunden wurde. Die weitere Häufigkeitsverteilung, soweit erfasst, war der Reihe nach Salix, dann Ulmus, eher selten Daphnogene. Das Gesamtbild deutet auch für diesen Fundpunkt auf eine Feuchtflora (Auwald) hin.

 

Schon im Jahr 2016 wurde diese Tonlinse im Zuge von Abbaumaßnahmen komplett entfernt, so dass hier keine Neufunde mehr zu erwarten sind und weitere Untersuchungen nicht mehr möglich sein werden.

 

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Abb. 30: Populus balsamoides auf Trennschicht der Linse, Blattgröße ca. 15 x 12 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 31: Holz indet. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 32: Talus (Sprungbein), ca. 3,0 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 33: Salix sp., ca. 7 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

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Abb. 34: Ulmus pyramidalis, ca. 6,5 cm. Foto und Sammlung: Martin Sauter.

 

 

Danksagung

Wir danken Herrn Dr. Hans-Joachim Gregor (Olching) und Herrn Dr. Markus Sachse (München) für die Durchsicht des Skripts, Bestimmungshilfe und Verbesserungsvorschläge.

 

Martin Sauter & Stefan Werner

 

 

Kontaktdaten der Autoren:

Martin Sauter, Ismaninger Str. 22a, 85356 Freising, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Stefan Werner, Pestalozzistr. 2, 08115 Lichtentanne, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Literatur

 

DOPPLER, G., HEISSIG, K. und REICHENBACHER, B. (2005): Die Gliederung des Tertiärs im süddeutschen Molassebecken. - Newsl. Stratigr., 41 (1-3), S. 359-375.

 

GREGOR, H.-J. (1982): Eine Methode der ökologisch-stratigraphischen Darstellung und Einordnung von Blattfloren unter spezieller Berücksichtigung der Tertiär-Ablagerungen Bayerns. - Verh. Geol. B.-A. - Heft 2/82, S. 5-19.

 

HASZPRUNAR, G. (Herausgeber) (2012): Jahresbericht 2011 der Generaldirektion der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, 186 S.

 

HEYNG, A. M. & GREGOR, H.-J. (2011): Die miozäne Kiesgrube STOWASSER in Entrischenbrunn (Ldkr. Pfaffenhofen/Ilm), Geologie und Funde. - Documenta naturae 184, S. 85-89.

 

SCHMIDT, C. (1976): Obermiozäne Flora von Derching bei Augsburg. - Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben e.V., Jg. 1976, S. 53-56.

 

SCHMID, W. & GREGOR, H.-J. (1983): Gallenbach - eine neue mittelmiozäne Fossilfundstelle in der westlichen Oberen Süßwassermolasse Bayerns. - Berichte des naturwiss. Vereins für Schwaben, S. 51-63.

 

SCHMITT, H. & BUTZMANN, R. (1997): Statistische Untersuchungen an einer neuen Florenfundstelle aus der Oberen Süßwassermolasse im Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm. - Documenta naturae, 110, S. 55-87.

 

UNGER, H. J. (2003): Geologische Karte von Bayern. - Erläuterungen zum Blatt 7535 Allershausen, Geol. Kt. Bayern 1:25000.

 

WALLNER, T. & GREGOR, H.-J. (2011): Die Auwald-Vergesellschaftung in Entrischenbrunn (Ldkr. Pfaffenhofen/Ilm) vor ca. 15 Mio. Jahren: können die Arten der nordamerikanischen Flora zugeordnet werden? - Documenta naturae, 184, S. 99-103.

 

 


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