Kreide

Schloenbachia varians - Eine interessante Formengruppe aus der Oberkreide

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Abb. 1: Ein markanter Ammonit aus dem unteren Cenoman des Ruhrgebietes.

 

Verfasser: Kalle, im Juni 2011

 


 

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Grafik: Das Münsterländer Kreidebecken, umgezeichnet nach H. Arnold, Die Oberkreidestufen im Münsterland 1 : 300 000, 1964.

 

Farblich hervorgehoben sind auf dieser Übersichtskarte die Schichten des Cenoman. Sie streichen am Südrand im Ruhrgebiet diskordant über dem Karbon aus.             

 

Das Untersuchungsgebiet befindet sich im Bochumer Stadtgebiet.
 

 

Zur Geschichte

Als Sowerby 1817 diese Art als "Ammonites varians" erstmals beschrieb, ahnte er nicht, wie oft es seiner Bestimmung noch an den Kragen gehen sollte. Viele Wissenschaftler haben sich seither den Kopf zerbrochen. Bis 1996 wurde diese Art von vielen verschiedenen Autoren mindestens 45 Mal umbenannt oder neu beschrieben. Heute ist dieser Ammonit als Schloenbachia varians bekannt.

 

Nach wie vor wird die Artbestimmung dieser Ammonitengattung heftig diskutiert, so können wir gespannt darauf sein, was sich in Zukunft noch ändern wird. Der Artenname varians lässt bis dahin auf alle Fälle tief blicken, denn der Name ist hier Programm. Aus diesem Grund möchte ich in diesem Bericht einmal diese attraktive Ammonitenart aufgreifen und im Rahmen meiner Möglichkeiten beschreiben.

 

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Abb. 2: Einige der Ammoniten, die exemplarisch für den Formenreichtum stehen
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Ich konnte in der Vergangenheit eine große Anzahl von Fragmenten und vollständigen Exemplaren aus einer Fundstelle im Ruhrgebiet aufsammeln. Basierend auf diesem Material möchte ich hier nun meine Untersuchungsergebnisse zu Gehör bringen.  

 

Fazies
Die vorliegenden Ammonitensteinkerne sind allesamt Lesefunde aus einem Kondensationshorizont, der die Einstufung in die  saxbi- /dixoni-Subzone des unteren Cenoman erlaubt. Die vorgefundenen grünsandigen Kalkmergel und Mergelkalke enthalten eine Vielzahl an Geröllen, die aus transgressiven Prozessen stammen. Es kann hier von der Kreidetransgression gesprochen werden, die während des untersten Cenoman einzusetzen scheint. Kreide- und Karbongerölle, zahlreiche Gastropoden, Bivalven, Wirbeltierreste sowie eine Vielzahl weiterer Cephalopoden geben ein typisches Bild der oberkreidezeitlichen Küste wieder.
Vor- und frühdiagenetische Prozesse haben dafür gesorgt, dass der Erhaltungszustand der meisten Exemplare zu wünschen übrig lässt. Viele Gehäuse sind gebrochen, verdriftet oder nur als Fragmente erhalten. Letztere waren die häufigsten Fundstücke, sie machten etwa 80% aller Funde aus.

 

Jedoch sind alle Ammoniten, im Gegensatz zu denen aus dem Münsterland, unverdrückt und wunderbar in 3D erhalten.

 

Präparation
Die Präparation stellte mich vor ganz neue Herausforderungen, die ich hier kurz anreißen möchte. Es erfolgte zunächst das grobe Herausarbeiten mit dem Stichel. Danach wurden die Feinheiten bearbeitet, dazu kam dann das Binokular zum Einsatz.


 

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Abb. 3: Die Arbeit mit dem Stichel.

 

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Abb. 4: Die Feinarbeiten wurden unter dem Bino ausgeführt
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Abb. 5: Freigelegte letzte Windung, im Nabel ist der Grünsand gut erkennbar
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Abb. 6: Die feine Verwitterungsschicht ist hier rot markiert
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Die Schwierigkeit bestand darin, dass es sich bei dem vorliegenden Material ausschließlich um Steinkerne handelt, deren Oberfläche lediglich mit einem feinen Anflug von Eisenoxid behaftet ist, so musste ich darauf achten nicht zu schnell „durchzustechen“. Aufgrund des dreischichtigen Aufbaus der ehemaligen Schale waren viele Steinkerne von dem Verwitterungsprodukt des Peristracum umgeben. Diese ursprünglich aus Conchiolin bestehende äußere Schicht der Schale ist als fast pulverig phosphatische Verwitterungsschicht überliefert.

Diese manchmal nur wenige hundertstel Millimeter dicke Schicht galt es mit der Stichelspitze zu treffen. Den Rest erledigte der Luftausstoß der Sticheldüse. In der Regel zeigte während des Stichelns lediglich ein Farbwechsel die ehemalige Oberfläche an.

 

 

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Abb. 7: Letzte Arbeiten am Nabel.

 

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Abb. 8: Nach dem Einlassen.



Morphologie

 

Schloenbachia ist der evolutionäre Nachfolger der aus der unteren Kreide bekannten Hopliten. Hoplites hatte noch keinen ventralen Kiel, die am Venter unterbrochenen kräftigen lateralen Rippen alternieren hier.
Grundsätzlich sei erwähnt, das bei dem hier vorliegenden Material die Erhaltung sehr unterschiedlich ist, was die Einordnung in eine bestimmte Formengruppe oftmals erschwert hat. Es handelt sich durchweg um Steinkerne in phosphatischer Erhaltung. Nur ein Teil der Exemplare zeigt erhaltene innerste Windungen. Häufig sind diese auch nur unverfestigt überliefert.

Bei Schloenbachia varians ist in der Regel ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus zu beobachten, der sich in der Größe der Ammoniten zeigt. Diese Merkmale, die eine eindeutige Geschlechtseinordnung zugelassen hätten, sind bei den vorliegenden Exemplaren bedauerlicherweise nicht eindeutig zu erkennen. Somit müssen Aussagen über Mikroconche und Makroconche in Diskussion bleiben.

Bei dieser Gattung zeigt sich an adulten Exemplaren am Mündungsende eine Drängung der lateralen Rippen. Auch eine Mündungsapophyse, die sich als rostraler Fortsatz zeigt, ist in der Literatur bereits beschrieben worden.

Diese formenreiche Gruppe von Ammoniten variiert von involut hochmündig bis evolut und aufgebläht. Der ventrale Kiel ist schwach bis stark ausgebildet. Laterale Rippen können sich gabeln oder setzen auf der Flankenmitte an; diese Rippen sind immer nach vorn zur Mündung geneigt.

Bemerkenswert ist die nahezu übergangslose Variabilität der Gehäusesformen. In der Literatur werden wesentlich mehr Formen beschrieben als ich hier aufzählen werde. Augrund der Übersichtlichkeit möchte ich mich daher auf vier Formengruppen dieser Art beschränken.


 

Schloenbachia varians forma subplana (Mantell)

Hochmündige, schmale Exemplare mit sehr feinen Streifen bzw. Rippen, werden als forma subplana (Mantell) eingeordnet, hier ist der Kiel am Venter nur als leichte Wölbung erkennbar. Die Gehäuse sind meist glatt oder wellig, weisen leichte umbilicale und mäßig vetrolaterale Knoten auf.


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Abb. 9: forma subplana, ein sehr hochmündiger Vertreter dieser Gattung (Höhe: 8,5 cm).

 

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Abb. 10: Schloenbachia varians forma subplana (8 cm)




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Abb. 11: Ventrolaterale Ansicht einer forma subplana (2,5 cm).


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Abb. 12: Ansicht auf den hohen Windungsquerschnitt (H. 4,5cm)
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Schoenbachia varians forma subvarians (Spath)

Ammoniten mit differenzierten Rippen und umbilicalen Knoten, sowie innere laterale und ventrolaterale Knoten werden als forma subvarians (Spath) bezeichnet. Ventral zeigen diese Exemplare einen deutlichen Kiel. Der Querschnitt ist noch recht hochmündig und die Flanken leicht konvex gewölbt. Die Rippen verlaufen schwach sinusförmig zur Mündung gerichtet.

 

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Abb. 13: Zwei Exemplare von Schloenbachia varians forma subvarians (3,7 / 4,4 cm).

 

 

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Abb. 14: forma suvarians (3,7 cm).


 

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Abb. 15: Blick auf den Venter (3,7 cm)
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Schoenbachia varians forma subtuberculata (Sharpe)

Exemplare mit deutlich hervortretenden Rippen und Knoten, die sich wie schon bei der forma subvarians sowohl umbilical, lateral als auch vetrolateral zeigen, werden in die forma subtuberculata (Sharpe) eingestuft. Der Windungsquerschnitt ist hier bereits mäßig rund bis breit, der Kiel ist deutlich prägnanter ausgebildet und die lateralen und ventrolateralen Knoten tendieren zu dornenartigen Gebilden.


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Abb. 16: Schloenbachia varians forma subtuberculata; trotz der geringen Größe sind die feinen Suturlinien auf dem Steinkern erkennbar (3,3 cm).


 

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Abb. 17: Ventrale Ansicht auf den markanten Kiel und die ventrolateralen Knoten, auch hier sind die Suturlinien schön zu sehen.

 

 

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Abb. 18: Die wunderschön berippte und bedornte Skulptur ist bei dieser Formenreihe schon gut zu erkennen.




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Abb. 19: Schrägsicht auf eine forma subtuberculata (4,5 cm).



Schloenbachia varians forma ventriosa (Stieler)

Die extremste Formengruppe von Schloenbachia varians  stellt die forma ventriosa (Stieler). Bei diesen Ammoniten verlieren sich die umbilicalen und lateralen Rippen nahezu völlig in sehr ausgeprägte, und zu großen Dornen ausgebildeten Knoten. Die vetrolateralen Knoten gehen hier scheinbar als Flügel bis an den scharfen Kiel, der bei dieser Formengruppe sehr ausgeprägt ist. Der Querschnitt ist bei diesen Exemplaren stark aufgebläht bis breit. 

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Abb. 20: Schloenbachia varians forma ventriosa (3,4 cm)
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Abb. 21: Selbiges Exemplar wie auf Abb. 20.

 

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Abb. 22: forma ventriosa mit ausgeprägter lateraler und ventrolateraler Bedornung (3,5 cm).




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Abb. 23: Auch hier ist die Bedornung schön zu sehen.


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Abb. 24: Die Dornen der vorigen Windung schmiegen sich an die Nabelkante an.


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Abb. 25: Beeindruckende Formen in mäßiger Erhaltung.

 

 

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Abb. 26: Licht und Schatten lassen die Skulptur erst richtig zur Geltung kommen




Wohnkammern

 

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Abb. 27: Verdrifteter Wohnkammerrest?

 

Wohnkammerreste konnten bisher nicht sicher bestimmt werden, jedoch zeigt sich bei einem Exemplar (Abb. 27) möglicherweise ein Wohnkammerfragment das verdriftet auf die linke Flanke des Gehäuses eingeregelt wurde. Bei einem weiteren Exemplar zeigt sich möglicherweise ein Rest des Mundsaumes, dies muss allerdings wegen des nicht gesicherten Befundes in Diskussion bleiben.

 

 

Resümee:

Es lassen sich bei dieser Gattung keine klaren Grenzen im Formenreichtum ziehen, so gehe ich davon aus, dass es sich ausschließlich um Übergangsformen handelt.

 

 

Literatur

Kaplan, Kennedy, Lehmann, Marcinowski (1998): Stratigraphie und Ammonitenfauna des westfälischen Cenoman, Heft 51, Geologie und Paläontologie in Westfalen, Landschaftsverband Westfalen Lippe.


Weitere Literatur zum Thema Oberkreide des Ruhrgebiets:

Stekiel, K. (2011): Fossilien des Ruhrgebietes - Teil 1: Einführung und Seeigel, Der Steinkern, Heft 7, S. 27-45.