Kreide

Das nördlichste Fossil Deutschlands: ein Flint-Seeigel von der Insel Sylt

Wer die Nordsee liebt, fährt dorthin wegen schöner Wellen, Fisch (z. B. Essen bei Gosch, der nördlichsten Fischbude Deutschlands) und guter Erholung. Zum Sammeln ist die Nordsee nicht unbedingt die erste Wahl. Hier würde ich eher die Ostssee, insbesondere die Insel Rügen empfehlen. Gerade dort habe ich schöne Funde gemacht. Dennoch bin ich insbesondere mit der „Königin der Nordsee“, der Insel Sylt, stark verbunden. Schon allein weil ich dort viele Jahre als Rettungsschwimmer gearbeitet habe und sozusagen ein „Halbinsulaner“ bin.

Obwohl ich überhaupt nicht auf Fossiliensuche aus war, habe ich dort jüngst einen Seeigel aus dem Geschiebe gefunden. Zu Anfang des Urlaubs berichtete eine Familie, dass sie am Strand einen Seeigel gefunden hat. Auf die Idee mich selbst auf die Suche nach Fossilien auf Sytl zu machen, bin ich zuvor nie gekommen und nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass die vielen Gerölle, kristallinen Gesteine und Flintsteine ein Hinweis auf Geschiebe sind. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Nach tagelangen ergebnislosen Suchen am Strand, bin ich zum Angeln an den Lister-Ellenbogen gefahren. Nachdem ich einige Makrelen für das Abendbrot gefangen hatte, lag auf einmal einen Meter neben mir ein kleiner runder Stein. Ich dachte ich träume: Da lag er, ein Seeigel!

 

Seeigel

Abb. 1: Flintsteinkern eines kreidezeitlichen Seeigels (cf. Galerites), Größe 3 cm.

 

Er ist sicher nicht der schönste, aber der 3 cm große Seeigel ist mein erstes Fossil von der Insel Sylt. Während sich Jürgen Gosch mit der nördlichsten Fischbude Deutschlands rühmen kann, kann ich mich mit dem nördlichsten Fossil Deutschlands schmücken. Ein Souvenir das einmalig, originell und sogar kostenlos ist, eine Erinnerung an einen der sonnenreichsten und schönsten Sommer der letzten Jahre an der Nordsee.

 

Sylt Karte

Abb. 2: Der rote Pfeil markiert den Fundort auf der Insel Sylt. Die deutsch-dänische Grenze verläuft unmittelbar nördlich davon. Quelle: verändert nach Openstreetmap.org (Lizenz: ODbL).

 

Sylt 3

Abb. 3 und 4: Uthörn am Ellenbogen: Die nördlichsten Häuser Deutschlands.

Sylt 2

Abb. 5: Sonnenaufgang an der Fundstelle am Lister Ellenbogen.

 

Sylt 1

Abb. 6: Abendstimmung am Fundort.

 

Es gibt auch weitere interessante Möglichkeiten sich mit geologischen Themen und Exkursionen auf der Insel Sylt zu beschäftigen. Hier ist das Morsum-Kliff zu empfehlen: https://www.insel-sylt.de/tour/rundweg-am-morsum-kliff/

Das Morsum-Kliff zählt zu den eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten Sylts. Es umfasst ein Gebiet von 43 Hektar und steht bereits seit dem Jahr 1923 unter Naturschutz. Die aufgeschlossene Schichtenfolge gewährt einen für Norddeutschland einmaligen Einblick in die jüngere Tertiärzeit (NAUDIERT 1989).

Aus NAUDIERT 1989 (Die Insel Sylt) möchte ich auszugsweise einige Passagen zitieren:

„Immer wenn das Kliff nach einer Sturmflut von der Brandung angeschnitten wurde, erkennen Sie weiße, rostbraune und braunschwarze Schichten. Ursprünglich lagen der Glimmerton, der Limonitsandstein und der Kaolinsand waagerecht übereinander, wovon der erste als schlammiger Sand am Grunde der damals 30 bis 60 Meter tiefen Urnordsee (vor mehr als sieben Millionen Jahren) abgesetzt wurde. Neben Versteinerungen von Muscheln, Schnecken und Fischen können Sie auch Reste von Krebsen in apfelgroßen Steinknollen finden. Mitunter treten Flöze aus der Braunkohlenzeit unten am Hang zutage.

Später hob sich das Land, und der Glimmerton wurde durch Flüsse mit eisenhaltigen Sanden überschüttet. Daraus entstand der mürbe rostfarbene Limonitsandstein, aus dem sich oft Eisenerzscherben lösen. Noch später brachten Flüsse aus Skandinavien (die Ostsee gab es damals noch nicht) den hellen Kaolinsand mit. Wir finden ihn weithin im Untergrund Schleswig-Holsteins. [...] Aus diesem weißen Porzellansand besteht auch das Weiße Kliff Braderup und die unterste Schicht des Roten Kliffs. Während der vorletzten (Saale) Eiszeit war der Boden etwa 50 Meter tief gefroren. Unter dem ungeheuren Druck der Gletscher-Rammstöße zerbrachen die Erdschichten, sie wurden gestaucht und schuppenartig übereinander geschoben. So ist z. B. am Oststrand des Kliffs eine drei bis sieben Meter schmale Glimmertonscholle steil in die jüngeren Kaolinschichten gepresst worden. Insgesamt haben Geologen fünf solcher Schuppen ausgemacht.

Sylt Morsum Kliff schematisch

Abb. 7: Schematische Zeichnung des Morsum Kliffs, geringfügig verändert von Sönke Simonsen anhand einer Vorlage aus NAUDIERT 1989.

 

Im Wattenmeer vor dem Kliff liegen riesige Findlinge, mitgeführte Gesteine aus Skandinavien, die nach dem Zurückschneiden des Kliffs im Watt zurückblieben. Oben auf dem Kliff ist es nicht leicht, die Moränenreste zu erkennen, denn der aufgewehte Dünensand ist mit Heide bewachsen. [...] Einen schönen Fernblick haben Sie schließlich vom 300 Meter entfernten, 23 Meter hohen Munkhoog.“

 

Besonders am Morsum-Kliff wurden in der Vergangenheit Fossilien gefunden. Das Sammeln ist dort mittlerweile verboten, da es ein Naturschutzgebiet ist. Bei sachkundigen Führungen im Bereich des Kliffs, kann man sich aber noch heute mit der interessanten Geologie vertraut machen. Ein Fundstück aus einer Zeit, in der das Aufsammeln von Fossilien noch gestattet war, befindet sich in der Steinkern-Galerie. Es handelt sich um ein schönes Exemplar der Krabbe Chaceon cf. miocaenicus: https://www.steinkern.de/steinkern-de-galerie/sonstige-fundorte-tertiaer/chaceon-cf-miocenicus.html .

 

Fazit:
Das Kuriose ist einfach, dass man manchmal Glück hat, obwohl überhaupt nicht damit zu rechnen ist. Wunder beim Sammeln gibt es immer wieder. Wenn ich abergläubisch wäre, würde ich vermuten, der Meergeist Ekke-Nekkepenn hätte mir ein kleines Geschenk gemacht. :-)
Die Insel Sylt bietet viele Möglichkeiten für einen Urlaub: Wandern, Wassersport, Kultur, Angeln, Rad-Touren und vieles mehr. Ausschließlich der Fossilien wegen sollte man nicht hinfahren. Dennoch bin ich überzeugt, dass es durchaus möglich ist am Strand weitere Funde aus dem Geschiebe zu machen. In den Prielen lagern sich viele Gerölle und Flintsteine ab. Dort sollte man durchaus stöbern. Sylt ist übrigens nicht teurer als andere Inseln. Wer nicht jeden Tag in Kampen oder in der Sansibar in Rantum ein Drei-Gänge Menü bestellt, kann sich auch als Normalsterblicher einen schönen Urlaub leisten.

 

Literatur:

Naudiert, R. (1989): Die Insel Sylt, Verlag Hansen & Hansen.

 


 

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