Unterer Jura

Ein Ichthyosaurierrest aus dem Blue Lias von Lyme Regis (Dorset, GB)

Im März dieses Jahres war ich mal wieder für eine Woche zum Fossilien sammeln an der Küste Dorsets. Die Gezeiten waren gut (starker Tidenhub!) und es gab aufgrund von wenig Wind ziemlich niedriges Niedrigwasser. Mein Freund Brandon Lennon (@lymeregisfossils auf Instagram und LymeRegisFossils auf Youtube) machte mir den Vorschlag, die sonst meist unter Wasser stehenden Abrasionsflächen westlich von Lyme Regis bei dieser Gelegenheit gemeinsam abzusuchen. Hier werden ab und zu Wirbeltierreste gefunden. Es handelt sich um Schichten, die in den Blue Lias (Hettangium und Unteres Sinemurium) zu stellen sind.

 

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Abb 1: Monmouth Beach mit einem vom Wasser im Laufe der Jahre herausmodellierten Blue Lias Ammoniten der Familie Arietitidae im Vordergrund. In der Bildmitte sieht man ansatzweise eine der Abrasionsflächen. Der Blick schweift nach Osten über Lyme Regis (mit dem Black Ven im Hintergrund) bis hin zum Stonebarrow Hill.


Da ich nach einiger Zeit gar nichts gefunden hatte und Brandon lediglich einen Rückenwirbel eines Ichthyosauriers, beschloss ich zum Strand zurückzugehen und dort nach Gesteinsbrocken mit herausschauenden Ammonitenkielen zu suchen. Hier hatte ich dann Erfolg und fand mehrere relativ handliche Stücke, die in meinem Rucksack landeten.

 

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Abb 2: Der Venter eines Ammoniten der Familie Arietitidae ist gut zu erkennen.


Nach einiger Zeit, es mochten wohl 2 oder 3 Stunden gewesen sein, traf auch Brandon wieder bei mir ein und wir beschlossen zurück zum Auto zu laufen. Brandon lief etwa 2 Meter neben mir, die Augen, genau wie ich, auf den Boden gerichtet, als ich eine Platte entdeckte, in der offensichtlich Knochen steckten. Die Platte war etwa 35 x 30 cm groß und 8 cm stark.

Wir nahmen den Stein natürlich direkt genauer „unter die Lupe“. Nach dem Abwaschen im Meerwasser entdeckte ich auf der Seite des Steins, die den schon von Anfang an sichtbaren Knochen gegenüberliegt, eine weitere Knochenstruktur. In mir keimte die Hoffnung auf, dass doch etwas mehr Knochenmaterial in dem Block stecken könnte. Relativ schnell erkannten wir, dass es sich bei den angeschliffenen Knochenresten, u. a. um einen Wirbelfortsatz, einen Wirbel und eine Rippe handelte. Da diese Knochen recht artikuliert – zumindest was den Anschnitt anbetraf – lagen, malte ich mir aus, dass in der Platte möglicherweise ein Stück Wirbelsäule mit Rippen und ggf. weiteren Knochen enthalten sein könnte.

 

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Abb 3: Deutlich sind die angeschliffenen Knochenreste an der Kante zu erkennen. Foto vergrößern. Foto: Sönke Simonsen


Zurück in der Heimat präparierte ich zunächst ein paar der mitgebrachten Ammoniten. Bei der Knochenplatte wechselten meine Gefühle zwischen Hoffen (Wirbelsäule mit mehr) und Bangen (vielleicht doch nur ein kleiner Rest) und ich konnte mich noch nicht sofort dazu entschließen, direkt mit der Präparation zu beginnen. Ich hatte in der Vergangenheit schon mehrere Stücke gefunden, in denen leider nur die Knochen steckten, die bereits im Anschnitt zu sehen gewesen waren.
Auf Drängen von Brandon nahm ich mich dann aber doch recht schnell dieses Stückes an. Vorsichtig begann ich an der Stelle, an der der Wirbel und der Fortsatz zu erkennen waren. Zunächst trug ich mit dem Stichel darüber liegendes Gestein ab, um dann mit dem Strahlgerät bei niedrigem Druck die Knochen freizulegen. Die Enttäuschung war groß, als nach drei Wirbelfortsätzen zunächst nichts mehr zum Vorschein kam.

 

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Abb 4: Freigelegte Wirbelfortsätze.


Ich begann die weiteren erkennbaren Knochenstücke auf dieselbe Art und Weise freizulegen. Hierbei hatte ich mehr Glück und fand weitere Knochen.

 

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Abb 5: Das Stück während der Präparation.

 

Nach und nach kamen immer mehr Knochen zum Vorschein, bis ich nach ca. 50 Stunden Arbeit das Stück fertig hatte:

 

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Abb 6: Fertig präpariertes Stück, 35 x 28 cm. Zu meiner Überraschung sind sogar einige Weichteilreste vorhanden. Ob es sich dabei um Organe oder um Hautreste handelt, konnte ich bisher noch nicht klären. Erfreulich war auch die Entdeckung von drei Ammoniten der Gattung Arnioceras während der Präparation. Foto vergrößern.

 

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Abb 7: Detailaufnahme der Weichteilreste (dunkle Substanz zwischen den Knochen).


Auf der ca. 35 x 28 cm messenden Platte konnte ich u. a. noch Schädelknochen, den Hinterhauptknochen, den Atlas und Teile des Schultergürtels des Ichthyosauriers lokalisieren. Die Knochen sind umgeben von drei Ammoniten der Gattung Arnioceras. Bei dem Saurier handelt es sich vermutlich um Reste eines Ichthyosaurus communis.

 


Falls jemand noch nähere Informationen aus dem Stück herauslesen kann, darf er sich gerne an mich wenden bzw. im Forum (Link siehe unten) dazu melden.

 

Karsten Genzel für Steinkern.de

 

 


 

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