Unterer Jura
Präparation eines Ichthyosaurierschädels aus dem Unteren Toarcium von Buttenheim
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- Kategorie: Unterer Jura
- Veröffentlicht: Montag, 21. Oktober 2019 14:00
- Geschrieben von Fritz Lang
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Hinweis der Steinkern.de Redaktion vom 7. Februar 2024:
Im Jahr 2024 erteilt Liapor – anders als dies in den letzten Jahren der Fall war – keine offiziellen Betretungsgenehmigungen an Sammler.
Im Februar 2019 fand ich völlig unverhofft auf der Suche nach der Schlangenstern-Schicht im Papierschiefer von Buttenheim (siehe hierzu Abb. 36-39 in diesem Bericht aus dem Jahr 2013) Ichthyosaurier-Reste. Ein paar Wirbel und Knochen waren im Fundzustand bereits zu erkennen, darunter auch zusammenhängende Teile des Schädels. Leider war ausgerechnet der Schädel zerrissen, er steckte zum Teil in der Hangend- und zum Teil in der Liegendplatte. Dennoch, was für ein Glück statt der eigentlich erhofften Schlangensterne auf ein Reptil gestoßen zu sein! Im Bonebed, ca. 1,5 Meter höher finden sich ja immer wieder mal einzelne Wirbel, Knochen, und Zähne oder gar zusammenhängende Wirbelketten. Sönke Simonsen beschrieb das besagte Bonebed ausführlich in Heft 35 - Der Steinkern.
Aus dem Papierschiefer von Buttenheim waren mir noch keine Überbleibsel von Ichthyosauriern bekannt, obwohl diese natürlich durchaus – wie überall im Posidonienschiefer – zu erwarten sind. Jedenfalls sind ganz oder teilweise artikulierte Ichthyosaurier-Überreste schon etwas Besonderes, zusammenhängende Schädelknochen ein Highlight für jeden Sammler.
Abb. 1: Fundsituation am 8. Februar 2019. Wirbel und Schädelfragmente lassen sich erkennen, leider aber auch, dass diese sich auf Liegend- und Hangendplatte verteilen.
Abb. 2: Der Schädel ist teilweise zerrissen.
Abb. 3: Wirbelkörper drücken sich durch den Kalkmergel. An den Rändern ist die Platte, auch wenn es nicht so aussieht, „butterweich“.
Nach der erste Überraschung und Freude über die unerwartete Entdeckung, drängte sich mir sofort die bange Frage auf, wie ich die sehr stark bitumenhaltige, 91 cm x 52 cm große Platte stabilisieren könnte. Wer schon einmal im Papierschiefer von Buttenheim in der "Fischchen-Schicht" gesammelt hat, kann ein Lied davon singen, was mit derartigen Platten passiert, wenn man keine Anstrengungen unternimmt sie zu stabilisieren. Beim Trocknen wölbt sich der Schiefer selbst bei kleinen, dünnen Platten und diese werden rissig. Deswegen habe ich die stellenweise sehr weichen Schieferplatten in Frischhaltefolie gepackt, um das Austrocknen hinauszuzögern und in Ruhe herausfinden zu können, wie ich die Präparation und Sicherung am besten angehe.
Abb. 4: Zuhause wurde die Platte sofort in Frischhaltefolie eingepackt, um ein allzu rasches Austrocknen zu verhindern. Zudem wurde eine Holzplatte zurecht gesägt, um das Fundstück sicher zu lagern und handhaben zu können.
Die Deckplatte konnte ich im Vorfeld der Präparation bereits kleiner machen, da nur im Bereich des Schädels Knochenmaterial enthalten war. Alle Wirbel waren in der Liegendplatte verblieben, sodass hier keine Fossilsubstanz zu transferieren war.
Während ich den Fund sicher wähnte, zogen die Monate ins Land. Als ich dann meinem Bruder den Fund zeigen wollte, war dieser mit einer dicken Schicht von weißem Schimmel bedeckt. Das so etwas passieren könnte, hatte ich überhaupt nicht bedacht. Durch den hohen Bitumenanteil und die Feuchtigkeit, die nicht entweichen konnte, hatte sich Schimmel gebildet. Bei mir kam leichte Panik auf. Was tun? Zunächst habe ich den Schimmel unter Schutzvorkehrungen mit einem geeigneten Sauger abgesaugt und abgewischt. Um nicht sofort wieder Schimmelbefall auf dem Gestein zu bekommen, habe ich die Papierschieferplatte eine Nacht lang an der Luft trocknen lassen – in nur einer Nacht passiert schon nichts. Diese Annahme wiederum stellte sich als nächster Denkfehler heraus. Am folgenden Tag fand ich die Deckplatte stark gewölbt und mit Rissen durchzogen vor. Ein größerer Teil war regelrecht zerbröselt und nicht mehr zu retten. Leider habe ich in der Hektik vergessen Bilder vom Schimmelbefall und dem einsetzenden Zerbröseln der Platte zu machen.
Abb. 5: Dieses Foto vermittelt einen Eindruck davon, wie bröckelig die Substanz der Knochen teils war. Zähne entlang der Bruchfläche deuten dennoch auf ein potenziell gutes Sammlungsstück hin.
Ich musste die Deckplatte nun nochmals verkleinern, um wenigstens den Schädelbereich passend auf die Basisplatte kleben zu können. Die Basisplatte selbst hatte es weniger in Mitleidenschaft gezogen. Es zeigten sich hier lediglich Risse am Rand und zwischen verschiedenen Schichten. Nun verklebte ich die Deckplatte mit der Basisplatte. Auch die horizontalen Risse zwischen den Schichten wurden mit Kleber getränkt.
Wie aber sichere ich den Fund auf Dauer? Gerade die Ränder waren durch natürliche Verwitterungsvorgänge entlang von Kluftfugen im Gestein teilweise sehr weich und bröckelig. Das Untere Toarcium von Buttenheim lagert schließlich sehr oberflächennah. Letztlich habe ich mich dazu entschlossen, die ganze Platte in Epoxidharz einzugießen, um so das Fundstück zu stabilisieren und gegen weiteres Austrocknen zu schützen. Dazu habe ich mir eine kleine Schalung gebaut, die ein wenig größer als das einzugießende Objekt war. Damit sich das Harz nicht mit der Schalung verbindet, wurden Boden und Wände mit Plastik verkleidet und zusätzlich mit Trennspray behandelt. Zur Stabilisierung des Epoxidharzes schnitt ich mir drei Kunststoff-Fliegengitter passend zu und goss diese mit ein. Zusätzlich wurden ein paar Abstandshalter eingelegt, damit der Schiefer auf der Rückseite nicht direkt auf einem der Gitter aufliegt und genügend Kunstharzdeckung erhält. Das ursprünglich klare Epoxidharz färbte ich ein, um einen sich deutlich gegen das Originalgestein abzeichnenden, farbigen Rahmen zu erhalten.
Nach dem Einlegen der Platte wurde diese mit Schraubzwingen fixiert.
Abb. 6: Verkleben von Deck- und Basisplatte und der Risse zwischen den aufgegangenen Schichten.
Abb. 7: Detail der schichtparallel verlaufenden Fugen, deren weiteres Aufbrechen es zu verhindern galt.
Abb. 8: Rechts hatte ich inzwischen den Bereich der Deckplatte aufgeklebt, der die zu transferierende Fossilsubstanz enthielt.
Abb. 9: Für das Eingießen in Epoxidharz wurde eine passende Schalung gebaut. Plastik und Trennspray stellten sicher, dass sich das Harz nicht mit der Umgebung verbindet, sondern nur mit der Platte.
Abb. 10: Fliegengitter zur Stabilisierung des Epoxidharzes.
Abb. 11: Die Schieferplatte wurde mittels Schraubzwingen auf die Abstandshalter gedrückt.
Das sehr dünnflüssige Epoxidharz füllte alle Risse an den Rändern vollständig aus. Überschüssiges Harz wurde abgepumpt. Nach dem Aushärten konnte das Fundstück endlich problemlos und sicher angepackt werden. Mit einer Holzleim-Wassermischung, im Mischungsverhältnis von etwa 1:8 wurde nun die komplette Oberfläche eingelassen, um weiteres Austrocknen zu verhindern.
Abb. 12: Nachdem ich die Schalung entfernt hatte, ließ sich die Platte sicher und problemlos handhaben. Das sehr dünnflüssige Epoxidharz war auch in kleinste Risse eingedrungen.
Danach konnte endlich mit der eigentlichen Präparation begonnen werden. Ich begann am Schädel, einerseits da ich hierauf am neugierigsten war und andererseits, da die Präparation auch ermöglichen würde, bröselige Fossilsubstanz frühzeitig zu sichern. Mit Schnitzmesser, Skalpell, Nadeln und Glasfaserstift wurden die ersten Knochen und Zähne freigelegt. Das ging verhältnismäßig gut, weil sich zwischen Schiefer und Knochen eine hauchdünne, verwitterte Schicht befand, die sehr gut trennte.
Allerdings wölbte sich die Platte trotz des Epoxidharzes. Zwar geschah dies sehr langsam, aber insgesamt sind es bis zu 14 mm Wölbung. Der Prozess der Aufwölbung kam erst nach ca. drei Wochen zum Erliegen.
Abb. 13: Dieses Foto illustriert die nicht unerhebliche schrumpfungsbedingte Biegung der maximal 91 cm langen Platte.
Nach jeder Präparationssitzung wurden die freigeschabten Stellen wieder mit der Holzleim-Wassermischung eingelassen. Stück für Stück präparierte ich den Schädel auf diese Weise frei.
Abb. 14: Die ersten Kieferknochen wurden freigeschabt. Eine dünne Trennschicht auf den Knochen sorgte dafür, dass es schnell voranging. In diesem Foto sind auch die mit Harz verfüllten Risse entlang des Plattenrands gut zu erkennen.
Abb. 15: Am Ende jeder Präparationssitzung wurden die freigelegten Stellen mit einem Holzleim-Wasser-Gemisch (Mischverhältnis ca. 1:8) eingelassen. Beim Trocknen wurde das Gemisch transparent.
Leider klaffte ausgerechnet im Bereich des Skleralrings eine Lücke. Es war nur noch der halbe Skleralring vorhanden. Auch von zwei Kieferknochen fehlten Stücke. Ob das fehlende Stück des Rings auf dem Weg von der Fundstelle zur Werkstatt verlorenging oder Teil der zerbröselten Masse war, kann ich heute nicht mehr sagen, jedenfalls ist die Fehlstelle ärgerlich.
Abb. 16: Freigelegte Zähne und Knochen.
Abb. 17: Zähne.
Abb. 18: Drei weitere Zähne.
Abb. 19: Ansammlung von Zähnen.
Abb. 20: Ansammlung von Zähnen über dem Skleralring, dessen eine Hälfte leider verlorenging.
Bei der weiteren Freilegung merkte ich, dass der Schiefer beim Bearbeiten „hohl“ klang. Offensichtlich löste sich ein bis zwei Schichten tiefer die Platte vom Untergrund. Kurz darauf brach mir tatsächlich ein Stück entlang des Schädelknochens aus. Ich beschloss daher, den Schiefer bis zu dieser Schicht, die etwas stabiler zu sein schien, zu entfernen. Dies natürlich nur dort, wo kein Knochenmaterial lag. Dort wo sich Knochen befanden, hob ich die Schicht leicht an und ließ Sekundenkleber hineinlaufen. So blieben die Ichthyosaurier-Reste an Ort und Stelle, exakt so wie sie einst eingebettet worden waren.
Abb. 21: Im Umfeld des Knochens bildeten sich während der Arbeit Risse.
Abb. 22: Beim Verschleifen der Platte traten erneut Hohlräume zwischen den fein laminierten Schichten zutage.
Abb. 23: Die gelöste Schicht wurde dort abgenommen, wo keine Knochen lagen.
Abb. 24: Unter die teilweise gelöste Schicht mit Knochen träufelte ich nun großzügig dünnflüssigen Sekundenkleber.
Abb. 25: Und wie immer zum Ende des Präparationstages wurden die Flächen mit einem Holzleim-Wasser-Gemisch getränkt.
Danach nahm ich mir die restlichen Wirbel vor. Später galt es noch die großen Flächen etwas plan zu schleifen und diese nochmals zu sichern.
Abb. 26: Trotz der Anstrengungen zum Stabilisieren des Gesteins tauchten immer wieder hauchdünne Risse auf.
Die abschließende Sicherung wollte ich mit Mowilith (in Aceton gelöst) ausführen. Beim Einlassen fiel schnell auf, dass die Platte einen leichten Glanz erhielt, schlimmer war jedoch, dass sie sich dunkelbraun verfärbte. Das sah wahrlich bescheiden aus. Warum wurde der ursprünglich graue Schiefer plötzlich braun? Ich vermute, dass das Lösemittel (Aceton) Bitumen im Stein gelöst haben könnte und sich dadurch die Farbe verändert hat, sicher bin ich mir aber nicht. Fakt ist, dass das Ergebnis unansehnlich war. Beim mit Wasser verdünnten Holzleim war nichts Vergleichbares passiert. Wer einmal in die Verlegenheit kommt, eine ähnliche fragile Platte aus dem Buttenheimer Posidonienschiefer zu bearbeiten, sollte die Ponal-Wasser-Mischung gegenüber in Aceton gelöstem Mowilith unbedingt vorziehen!
Abb. 27: Aufgrund der Risse behandelte ich die Platte mit einem Mowilith-Aceton-Gemisch. Dabei verfärbte sich die Platte allerdings hässlich braun mit leichtem Glanzeffekt – optisch nicht zumutbar, jedenfalls für meinen Geschmack.
Wegen des unerwünschten Farbumschlags musste ich leider noch einmal die ganze Fläche abschleifen, wozu im nicht mit Fossilien belegten Bereich Flex und Schwingschleifer eingesetzt wurden. Beim Abschleifen traten neue Risse zu Tage und es klang erneut „hohl“, immerhin aber kam die natürliche Farbe des Kalkmergels wieder unter dem furchtbaren Braun zum Vorschein.
Abb. 28: Mit Flex und Schwingschleifer abgeschliffen, tritt das schönere Grau wieder gegenüber dem hässlichen Braun hervor. Das Mowilith wieder zu entfernen, war die richtige Entscheidung. Im Umfeld der Knochen mussten die Relikte des Mowilithfilms zum Zeitpunkt der Aufnahme des Fotos noch von Hand abgeschabt werden.
Abb. 29: Im Schliffbild lassen sich sowohl bereits mit Epoxidharz verfüllte Risse erkennen als auch solche, die sich erst später bildeten oder aber vom Harz nicht erreicht wurden.
Abb. 30: Nach dem Abschleifen ließ ich die neuen Risse wieder kräftig mit Sekundenkleber volllaufen.
Die Risse wurden auch diesmal wieder mit Sekundenkleber stabilisiert. Dann konnten die mit den Maschinen unerreichbaren Reste um die Knöchelchen mit einem Skalpell abgeschabt werden. Anschließend versiegelte ich die komplette Platte noch zweimal mit dem bekannten Holzleim-Wasser-Gemisch.
Die unschöne Fehlstelle am Skleralring ergänzte ich mit Apoxie Sculpt und kolorierte sie anschließend.
Abb. 31: Nachdem die Platte wieder mit Holzleim eingelassen wurde, erschien sie mir endlich stabil genug zu sein, sodass ich mit dem Ergänzen der Fehlstellen am Skleralring und am Kiefer weitermachte.
Abb. 32: Es musste Farbe her, um das zum Ergänzen verwendete Apoxie Sculpt farblich anzugleichen.
Nun waren Fossil und Gestein eigentlich endgültig fertig bearbeitet. Doch schon zwei Wochen später zeigten sich wieder feine Risse. Es scheint so, als ob ich demnächst nochmals Hand anlegen und Fossil und Gestein dauerhaft im Blick behalten müsste.
Bestandsaufnahme
Der Schädel ist leicht zerfallen. Die Zähne sind ausgefallen und teilweise oberhalb des Skleralrings zusammengeschwemmt. Schädel, Knochen und Wirbel scheinen von der Strömung in Richtung Südost eingeregelt worden zu sein. Das zeigt sich deutlich an den deutlich unterschiedlich großen (also disartikulierten) Wirbeln, die eine Kette in Richtung Südost zum Schießberg bilden. Insgesamt befinden sich 21 Wirbel und Knochen, sowie der Schädel mit Kieferknochen und 41 Zähne auf der 91 cm x 52 cm großen Schieferplatte.
Abb. 33: Gesamtansicht der Platte. Die Mühen haben sich gelohnt. Es ist ein dekoratives Sammlungsstück geworden.
Abb. 34: Detail des Schädels
Abb. 35: Detailansicht eingeregelter Wirbel in verschiedenen Größen. Der siebte Knochen von links ist eine Phalange.
Abb. 36: Kleinste "Knöchelchen", links eine Phalange, mittig zwei Wirbel unterschiedlicher Größe und rechts isolierte Wirbelfortsätze.
Abb. 37: Pterygoid, ein Gaumenkochen.
Abb. 38: Parasphenoid.
Abb. 39: Unterkieferknochen.
Präparationszeit: insgesamt etwa 40 Stunden (mit Schalungsbau, Eingießen und Abschleifen des Mowiliths)
Werkzeug: Präparationsmikroskop, Skalpell, diverse Schnitzmesser, Stemmeisen (zum groben Abschaben), Flex (fürs Grobe), Schwingschleifer (fürs Feinere)
Material: Epoxidharz sehr dünnflüssig (4 Liter), Holzleim-Wasser-Mischung (ca. 1:8), Sekundenkleber, Apoxie Sculpt (für Ergänzung)
Vorläufige Zuordnung
Es könnte sich bei dem Fundstück um einen Stenopterygius handeln. Aufgrund der nicht vollständigen Erhaltung und weil er das Stück nur auf Fotos gesehen hat, hat der englische Ichthyosaurier-Spezialist Dean Lomax vorgeschlagen, das Individuum vorläufig als ?Stenopterygius sp. zu bezeichnen.
Fund, Präparation, Bericht und Bilder:
Fritz Lang für Steinkern.de