Unterer Jura

Belegstück eines Liparoceras gallicum aus dem Unterpliensbachium Dorsets

Liparoceras gallicum ist nach Tragophylloceras, Androgynoceras und Oistoceras der vierthäufigste Ammonit in den Green Ammonite Beds (Unterpliensbachium, Unterer Jura) von Dorset. Eingebettet in graue Kalkmergelkonkretionen finden sich körperliche Exemplare, die jedoch normalerweise durch die geringe Größe der zu findenden Knollen (selten über 15 cm) in ihren Ausmaßen limitiert sind. Große Fragmente, die auf Durchmesser von 20 und mehr Zentimetern schließen lassen, kann man aber bei nahezu jedem Rundgang am Golden Cap sehen. Große Kalkknollen gibt es durchaus auch, doch sind sie außerordentlich begehrt und verschwinden entsprechend schnell vom Strand. So fand ich die vorgestellte und immerhin etwas mehr als 20 cm große Konkretion (es gibt freilich noch wesentlich größere Konkretionen, vgl. http://www.steinkern.de/fundorte/england-schottland-wales/808-stratigrafie-und-fossilien-der-jurassic-coast-suedengland.html) am 23. März 2014 zirka 2-3 Meter über dem Meeresspiegel. Eine Abrollung durch die Brandung hatte entsprechend noch nicht stattgefunden.

 

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Abb. 1: Blick vom Golden Cap in östlicher Richtung hinüber zum Thorncombe Beacon. Am äußeren vom Meer erreichten Rand der matschigen Fläche lag die große Konkretion, die ich vom Strand aus erkannt hatte, so dass sie gefahrlos eingesammelt werden konnte. Solche matschigen Flächen sollten jedoch nicht weiter begangen werden, da man unvermittelt einsinken kann. Auch angetrocknete Oberflächen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine reelle Gefahr des Einsinkens besteht.

 

Die relativ rundliche Form der äußerlich mit Mergel verschmierten Konkretion machte schon ein wenig Hoffnung, etwas anderes als einen der häufigen flachen Tragophylloceraten darin zu finden. Genau so gut, könnte sie jedoch taub sein - beim Anschlagen zeigte sich jedoch alsbald dieser Querbruch:

 

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Abb. 2: Die zerscherbte Konkretion nach dem Anschlagen. Oha - sie enthält eindeutig ein Liparoceras! Doch leider zeigt sich nur im Zentrum ein massiver Kalzitkern, außen sieht man lediglich eine stark verdrückte Wohnkammer. Die weißliche Schale im Randbereich der Knolle lässt zudem nichts Gutes für die Präparation erahnen. Kein Kalzit, also kann man das Strahlen mit Eisenpulver in diesem Bereich vergessen. Sticheln ist normalerweise mangels Trennfuge bei Ammoniten der Green Ammonite Beds nicht möglich, jedenfalls bei intakter Beschalung. Doch durch die Auflösung der Schale schien im Randbereich der Knolle partiell eine Fuge entstanden zu sein, auf die sich dann auch beim späteren Sticheln zurückgreifen ließe.

Alle Bruchstücke der Knolle wurden sorgfältig in Zeitung gewickelt und zusammen in einem Leinenbeutel verstaut, um sich nicht in den Funden von 14 Tagen mit anderen Knollenbruchstücken zu vermengen. Die Unterbringung zerbrochener Fossilien in Leinenbeuteln um diese beieinander zu halten und keine Teile zu verlieren, hat sich bewährt.

Einige Wochen nach der Dorset-Exkursion wurden derartige Trümmerhaufen nach und nach ausgepackt, die Bruchkanten gesäubert, Markierungen zur Lage des Fossils im Gestein an der äußeren Hülle der Konkretion angebracht und anschließend zusammengeklebt. Zu den auf diese Weise behandelten Stücken zählte auch das verdrückte Liparoceras vom Golden Cap.

 

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Abb. 3: Die Konkretion nach dem Zusammenkleben. Entlang des Querbruchs wurden auf der für die Präparation vorgesehenen Seite Markierungen zur Tiefe der Oberfläche des Ammoniten angebracht, für die vor dem Zusammenkleben entsprechend Maß genommen wurde. Vermerkt wurden auch im Querbruch sichtbare disartikulierte Scherben der Schale, die beim Sticheln sonst gewaltig irritieren, weil man sich bei Erreichen solcher Strukturen schnell schon am Ammoniten selbst angekommen wähnt.

 

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Abb. 4: Venteransicht - na ja, die Erhaltung lässt schon ein wenig zu wünschen übrig! Lohnt da überhaupt eine Präparation?

 

Um dem alles andere als überzeugenden Rohling auf den Zahn zu fühlen, wurde am dem freiliegenden Bereich gegenüberliegenden Teil der Konkretion, in der ich den Ammoniten anhand des Querbruchs nah an der Oberfläche erwarten konnte, ein "Fenster" hineinpräpariert. Hier erreichte ich dann auch den Übergangsbereich von der schlecht erhaltenen Wohnkammer zum besser erhaltenen und daher auch wesentlich stabileren Phragmokon:

 

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Abb. 5: Die Erhaltung der Außenwindung schwächelt, auch in dem anpräparierten Bereich. Der Ammonit gerät daher erst einmal für mehrere Monate aufs Abstellgleis.

 

Erst rund ein Jahr später läuft mir der Ammonit in der Werkstatt wieder durch die Hände. Da es mein größtes Liparoceras meiner bisherigen vier Exkursionen nach Dorset ist, entschließe ich mich dazu, es doch noch "quick & dirty" fertig zu präparieren, um den Zeitaufwand nicht vollkommen ausufern zu lassen. Dieser Entscheid führt dazu, dass die im Übergangsbereich von schlechter zu guter Erhaltung (in Richtung des Knollen-Zentrums) hauchdünne Schale sich an einigen Stellen löste und auch die schwachen, verdrückten und in ihrer Konsistenz mürben Knoten im nicht beschalten Bereich der Außenwindung z. T. abplatzen. Dies wäre vermutlich mit einem wesentlich höheren Zeitaufwand teilweise durch Härten zu verhindern gewesen. Da es sich eher um ein Fossil mit Belegstück-Charakter handelt und es im Rohmateriallager in Konkurrenz zu zahlreichen anderen Fossilien stand, wurden die kleinen Abstriche einer beschleunigten Präparation jedoch bewusst in Kauf genommen. Der besser erhaltene Bereich konnte gleichwohl mit relativ ordentlichem Ergebnis fertiggestellt werden, hier war es möglich alle Dornen ausnahmslos zu erhalten.

 

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Abb. 6: Zwischenstand der Präparation nach vielen Stunden Stichelns und Strahlens.

 

Nochmals einige Stunden später war der Ammonit bis ins Zentrum freigelegt und auch die Präparation von Außenwindung und Venter war abgeschlossen:

 

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Abb. 7: Ammonit nach Abschluss der Präparation im engeren Sinne.

 

Das Ergebnis sah nun doch überraschend passabel aus. Die beim Aufschlagen der Konkretion hervorgerufene Beschädigung auf 12 Uhr störte allerdings das Bild, ebenso bestand noch Potential einige Rissfugen zu kaschieren. Bei dieser Gelegenheit konnte dann auch gleich die etwas lädierte Bedornung des nicht beschalten Bereichs noch etwas aufgehübscht werden.

 

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Abb. 8: Zur Restauration wurde zunächst grob Gips aufgetragen. Das Foto zeigt den Auftrag vor dem Trocknen und in Form bringen, also mit einigem "Überhang", der später beim Formen mittels Skalpell wieder entfernt wurde.

 

Nach dem Durchtrocknen wurde der Gips grob in Form gebracht und mit Wasserfarbe farblich angeglichen. Nachdem der Ammonit zum Abschluss mit Rember Steinpflegemittel eingelassen wurde, könnte örtlich (das sehe ich erst auf dem Foto, Abb. 9) noch einmal eine Nachbearbeitung der Ergänzungen erfolgen, da die Farbe sich etwas verändert bzw. örtlich gleich ganz gelöst hat. Dies betrifft aber nur wenige Dornen und auf letzte Perfektion lege ich bei dem insgesamt doch eher rustikalen Charme des gesamten Exponats keinen so großen Wert.

 

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Abb. 9: Lateralansicht des Liparoceras gallicum SPATH 1936, 20 cm.

 

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Abb. 10: In der Schrägsicht zeigt sich die erhebliche Verdrückung der Außenwindung besonders deutlich. Links im Bild auf zirka 8 Uhr wurden vom äußeren Dorn zum Außenbug hin drei Rippen mit Gips ergänzt.

 

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Abb. 11: Der Phragmokon konnte dank der stabilisierenden Kammerung im Inneren dem Druck standhalten und ist - anders als die Wohnkammer - nicht kollabiert. Hätte sich die Außenwindung als noch schlechter erhalten entpuppt, hätte man das Zentrum herauspräparieren können und somit eine rund 10 cm große kalzitische Innenwindung freilegen können, allerdings wäre dies auf Kosten der weitgehenden Authentizität des Fossils gegangen. Aus dieser Perspektive betrachtet, lässt sich erahnen, dass auf der Gegenseite der äußere Teil der Wohnkammer gar nicht vorhanden ist.

 

Fazit:

Innerhalb von schätzungsweise 15-20 Arbeitsstunden konnte aus einem anfangs nicht sonderlich viel versprechenden Rohling durch eine schnell durchgeführte Strahl- und Stichelpräparation sowie mittels kleiner Schönheitskorrekturen ein instruktives Belegstück für die Sammlung gewonnen werden, welches das typische Phänomen kollabierter Wohnkammern bei Vertretern der Liparoceratidae aus den Green Ammonite Beds zeigt und trotz offensichtlicher "Mängel" einen eigenen Charme hat. Man kann im Hinblick auf künftige Exkursionen weiter von einem ähnlich großen Exemplar träumen, das in der Erhaltungsqualität gerne dem 10,5 cm großen und ebenfalls auf Steinkern.de vorgestellten Liparoceras vom selben Fundort aus dem Jahr 2013 entsprechen darf. Ein derartiges Topstück würde dann auch einen um das 2- bis 3-fache erhöhter Zeitaufwand bei der Präparation rechtfertigen. Das solche Topfunde durchaus möglich sind, kann in Karsten Genzels Bericht über die Stratigrafie und Fossilien von Dorset unter dem Titel "Die Belemnite Marls und die Green Ammonite Beds" nachvollzogen werden, in dem er ein von seinen Eltern gefundenes Exemplar mit sage und schreibe 25 cm Durchmesser in idealtypischer körperlicher Erhaltung abgebildet hat. Hierbei handelt es sich um einen Phragmokon mit Ansatz der Wohnkammer, was darauf hinweist, dass die Liparoceraten noch wesentlich größere Dimensionen zu erreichen vermochten als das von mir entdeckte Belegexemplar.

 

In diesem Sinne, es gibt noch Steigerungspotential - also viel Glück bei der Suche am Golden Cap!

 

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Abb. 12: Typisches Bild am Spülsaum vor dem Golden Cap: eine Konkretion mit Anschliff eines Androgynoceras oder Oistoceras.

 

Sönke Simonsen