Oberer Jura

Präparation eines Hybonoticeras aus dem oberen Kimmeridgium (Oberjura) Bayerns

Anfang August 2023 gelang Fabian Weiß ein herausragender Fund im oberen Weißjura (Oberjura, oberes Kimmeridgium) im Raum Mörnsheim (Bayern): ein körperlich erhaltenes Hybonoticeras mit Mundsaum und Bestachelung. Leider war der Ammonit durch Frost schon von zahlreichen Rissen durchzogen, was dazu geführt hat, dass er bei der Bergung regelrecht zersplittert und verrissen ist. Dennoch hat Fabian das enorme Potenzial direkt erkannt, alle noch so winzigen Splitter eingesammelt und das Fossil damit bestmöglich geborgen.

Da ich Erfahrung mit der Präparation bestachelter Malm-Ammoniten habe, hat mich Fabian gefragt, ob ich mich des "Brösel-Haufens" annehmen würde. So fand das gute Stück dann den Weg zu mir in die Werkstatt, wo ich Anfang Dezember mit der Präparation begonnen habe.

 

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Abb. 1: Ausgangssituation: Ein in mehrere Teile zerbrochener und auf beide Gesteinshälften verrissener Ammonit mit Schäden durch Frost/Verwitterung. Foto vergößern.

 

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Der erste Schritt bestand darin, den Hauptteil mit dünnflüssigem Sekundenkleber soweit zu stabilisieren, dass man überhaupt daran denken konnte, den Druckluftstichel anzusetzen. Leider waren einige Risse schon etwas offen und ich hatte überlegt, diese Teile komplett auseinanderzunehmen und dann sauber wieder zu kleben. Ich entschied mich aber letztlich doch dagegen, weil das ein gigantisches Puzzle mit unzähligen Klebungen geworden wäre. An sich wäre es kein wirkliches Problem gewesen, doch verursacht eben jede noch so exakte Klebenaht immer einen minimalen Versatz, denn der Kleber muss ja irgendwie zwischen den Bruchflächen Platz finden. Das summiert sich bei so vielen Nähten entsprechend und das Resultat wird dann auch nicht exakter als die Ausgangssituation – mit dem einzigen Unterschied, dass man zusätzliche Stunden investiert hat. So war die Entscheidung klar und ich habe den ultra-dünnflüssigen Sekundenkleber EM-02 von Starbond in die feinen Haarrisse laufen lassen. Man muss beim Verwenden von EM-02 besonders aufpassen, dass man nicht zu viel Kleber einsetzt, denn dieser läuft dann komplett durch und kann sehr schnell auch auf Flächen laufen, die man später für die aus dem Negativ zu übertragenden Teile unbedingt optimal sauber braucht. Auch zieht dieser Kleber zwischen Fossiloberfläche und Matrix, sodass eine Trennung beim Sticheln kaum noch gegeben ist. Ein Fehler beim Kleben und das Ergebnis wird hinterher gewaltig leiden, deshalb war beim Kleben höchste Aufmerksamkeit angesagt.

Als der Hauptstein dann so weit stabil war, konnte ich endlich mit der eigentlichen Präparation beginnen. Hier habe ich zunächst die innersten Windungen freigelegt, da der Ammonit in diesem Bereich nicht verrissen war und die kleineren Knoten/Stacheln alle noch gesteinsbedeckt waren. Leider musste ich nun feststellen, dass die Trennung zwischen Fossil und Matrix extrem schlecht war. Das hatte ich so nicht erwartet, da eigentlich bei solchen durchgewitterten Fossilien die Trennung in der Regel recht gut ist. Aber so ist eben jedes Fossil unterschiedlich.

 

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Abb. 3: Am Beginn der Präparation.

 

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Abb. 4: Die Innenwindungen sind freigelegt, Detailarbeit stand hier noch aus. Die Trennung zwischen Fossil und Matrix war bei dem Stück leider nicht gut. An den Innenwindungen tauchten aber schon sehr schöne Stacheln auf!

 

Nachdem die Innenwindungen freigelegt waren, habe ich begonnen, auch außen schon ein paar Bereiche aus dem Stein zu holen.

 

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Abb. 5: Zunächst habe ich mit dem Übertragen der größeren Bereiche begonnen.

 

Anschließend ging es dann auch schon ans Übertragen der verrissenen Teile der Außenwindung. Da diese in sich wiederum komplett mit feinen Rissen durchzogen waren, musste ich auch hier erst einmal stabilisieren und dann stückweise übertragen. Die Stacheln verblieben also zunächst noch im Negativ, da dieses nicht komplett zu kleben gewesen wäre, ohne die weitere Trennung deutlich zu erschweren.

 

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Abb. 6: Eines der zu übertragenden Teile: Nicht nur das Stück musste wieder auf den Ammoniten geklebt werden, sondern später auch noch dStacheln aus einem weiteren Gesteinsstück übertragen werden.

 

Normalerweise würde man so ein Fossil komplett wieder zusammenkleben und dann von einer Seite her freilegen. Aber hier lag zum einen schon zu viel der "fertigen" Oberfläche frei (diesen Bereich wollte ich nicht wieder zukleben), zum anderen passten die Teile auch nicht mehr einfach so zusammen. Wie eingangs schon erwähnt, passen bei so vielen Rissen und Klebungen in einer so splittrig harten Matrix die späteren Fugen oft nicht mehr ganz exakt zusammen und es hakt an diversen Kanten. Dieses Problem habe ich gelöst, indem ich einige Kanten und Grate einfach wegefräst habe, denn die Klebefuge muss ja nur auf der später sichtbaren Oberfläche des Exponats exakt sein, alles darunter ist zweitrangig, solange es stabil wird. Ich habe die Teile dann also nicht einfach nur geklebt, sondern schon fast eingesetzt, ähnlich einer Intarsienarbeit. Dies mag zunächst etwas seltsam klingen, war aber die einzige Möglichkeit, hier ohne störende Versätze im Endergebnis auszukommen.

 

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Abb. 7

 

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Abb. 8: Alle bei der Klebung potenziell störenden Über- und Unterschneidungen entfernte ich, bis die Naht auf der Oberfläche optimal passte.

 

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Abb. 9: Das Ergebnis nach der Klebung: Man konnte zufrieden sein. Leider passt das Teil an der Mündung nicht optimal, aber um das zu ändern, hätte man das Fossil anfangs weiter zerlegen müssen, was ich aus genannten Gründen nicht machen wollte. Der hier sichtbare Riss hat keinen Versatz in der Höhe und kann später einfach kaschiert werden.

 

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Abb. 10: Negativabdruck mit noch zu übertragenden Dornen.

 

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Abb. 11: Da wartete noch einiges an Arbeit auf mich: Eines der Negativ-Teile mit den noch darin eingebetteten Stacheln.

 

Nun ging es endlich daran, die Stacheln zu übertragen. Da die Option, alles komplett zu kleben und freizulegen, ausschied, habe ich mich für die Option entschieden, die Stacheln (bzw. die Bereiche, die Stacheln enthalten) mit der Diamantscheibe herauszusägen und aufzukleben. Das mag zunächst extrem aufwändig klingen, ist aber verhältnismäßig schnell und einfach gemacht.

 

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Abb. 12: Es galt die die Stacheln enthaltenden Bereiche der Matrix mit genügend Abstand zur Substanz auszusägen...

 

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Abb. 13: ... und nach dem Herauslösen exakt dort anzukleben, wo sie auf dem Positiv hingehören.

 

Nachdem ich den entsprechenden Bereich aufgeklebt hatte, habe ich die Stacheln dann mit dem Druckluftstichel (hier kam meist der HW-70 zum Einsatz) zunächst von einer Seite her freipräpariert und anschließend mittels Diamantfräser freigestellt. Die größte Schwierigkeit beim ersten Bereich war, dass hier auch die inneren Stacheln, welche sich im Verlaufe des Gehäusewachstums der nächsten Windung anschmiegen, noch freizulegen waren. Und daran wäre ich fast verzweifelt; die Trennung war absolut mies, das Gestein splittrig-hart, die Stacheln kalzitisch bis bröselig-weich. Die absolute Horror-Kombination! Da musste ich alle Register ziehen und mit verschiedenen Sticheln und Fräsern arbeiten bis das gewünschte Ergebnis erzielt war. Dabei habe ich nicht jeden Schritt fotografiert, da ich mich durch diese Phase möglichst ohne Unterbrechungen durchkämpfen musste.

 

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Abb. 14: Das Freilegen der aufgeklebten Stacheln machte teils sogar Spaß, weil man hier einen schönen Fortschritt sah.

 

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Abb. 15: Die ersten Dornen standen frei!

 

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Abb. 16: Schön zu sehen ist hier die angesprochene Problematik, dass nämlich die äußeren Stacheln der Innenwindung von den inneren Stacheln der Außenwindung überdeckt werden. Und das in hartem Gestein, das überdies von diversen Klebenähten durchzogen ist. Nachdem ich gut drei Stunden in diesen kleinen Bereich des Ammoniten investiert hatte, war ich mit dem Zwischenergebnis ziemlich zufrieden.

 

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Abb. 17: Weiter ging es mit dem Heraussägen eines weiteren Bereiches, der Stacheln enthält.

 

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Abb. 18: Das ausgesägte Teil sieht dann so aus und wird an seine ursprüngliche Position geklebt.

 

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Abb. 19: Anschließend werden auch diese Stacheln mit dem Druckluftstichel „gesucht“ und einseitig freigelegt. Das hat hier nur teilweise mit dem Stichel funktioniert, da die Trennung extrem schlecht, der Stein splittrig-hart und die Stacheln teils butterweich waren. In dieser Phase habe ich dann immer ziemlich schnell auf den Diamantfräser gewechselt. Auch musste die weiche Substanz immer wieder mit Sekundenkleber gehärtet und stabilisiert werden.

 

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Abb. 20: Nach weiteren zwei Stunden des Fräsens und Freilegens stand dann wieder ein Stück Stachelreihe frei.

 

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Abb. 21: Die nächsten drei Dornen durften sich einreihen.

 

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Abb. 22: So ging das Spielchen munter weiter: Hier hatte ich die äußere Stachelreihe Richtung Mündung bereits herausgetrennt.

 

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Abb. 23: Nach dem Kleben galt es erneut die Stacheln zu lokalisieren, einseitig freizulegen und anschließend freizustellen.

 

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Abb. 24: Nach ca. 14 Stunden Präparationszeit: Es waren zwar noch einige Stacheln zu übertragen, aber die widerspenstigsten Bereiche waren an diesem Punkt bereits geschafft!

 

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Abb. 25: Ein paar weitere Übertragungen später ging es im Wesentlichen nur noch um die rot eingekreisten Bereiche. Hier hatte ich noch von Fabian bei der Bergung eingesammelte lose Teile und Splitter vorliegen, die sich glücklicherweise gut wieder hinpuzzeln haben lassen.

 

Nach insgesamt ca. 17 Stunden Arbeit hatte ich dann auch alle losen Splitter wieder an ihre ursprüngliche Position geklebt sowie noch die letzten Stachelspitzen aus dem Negativ übertragen. Leider stellte sich hier auch heraus, dass ein paar Stacheln erhaltungsbedingt fehlten.

Nun stellte sich natürlich die Frage, ob man diese ergänzen sollte, oder nicht. Grundsätzlich halte ich das bei solchen herausragenden Fossilien so, dass alles, was bergungsbedingt fehlt, ergänzt wird und alles, was erhaltungsbedingt fehlt, eher nicht. Denn das Tier kann auch schon zu Lebzeiten Stacheln verloren haben durch verschiedene mögliche Szenarien. Auch die Einbettung der Schale im Sediment müssen nicht alle Dornen heil überstanden haben.
In dem Fall hier habe ich mich, nach Rücksprache mit Fabian, zum Ergänzen entschieden.



Es folgten dann noch so um die vier Stunden Detailarbeit: Risse kaschieren, Sekundenkleberreste entfernen, die inneren Windungen nachschaben, Ergänzungen farblich angleichen und natürlich auch die Matrix glätten. Das war hier aufgrund des spröden und harten Materials, das beinahe so splittrig wie Glas ist, ebenfalls nicht ganz so einfach. Es galt beim Glätten den Stichel immer auf der richtigen Höhe mit wenig Druck exakt zu führen, sonst wäre eine sehr unschöne Oberflächenstruktur entstanden. Aber alles in allem waren die letzten Arbeitsschritte hier im Bereich „Standard“ und im Vergleich zu den vorangegangenen Arbeiten eine eher lockere Aufgabe.

 

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Abb. 26: Das Endergebnis (hier noch nicht eingelassen): Ein 11 cm messendes Hybonoticeras kamicense mit Mundsaum und nahezu vollständig erhaltener Bestachelung.

 

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Abb. 27: Foto vergrößern.

 

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Abb. 28: Foto vergrößern.

 

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Abb. 29: Foto vergrößern.

 

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Abb. 30: Foto vergrößern.

 

Fazit:
Obwohl die Ausgangslage nicht gerade berauschend war, ist nach ca. 22 Stunden Arbeit ein ansehnliches Sammlungsstück entstanden. Die Präparation war zwar verhältnismäßig aufwändig, hat aber gut und ohne nennenswerte Komplikationen funktioniert. Die Vorgehensweise war im Grunde von vornherein klar, ich musste mich da nur "durchbeißen". Rückblickend war es hier sogar gut, dass das Fossil anfangs so verrissen war, denn dadurch konnte man vorab bereits sehr gut abschätzen, dass der Ammonit vollständig ist und sich der Aufwand damit am Schluss lohnen wird.
Hybonoticeras ist ohnehin schon ein eher seltener Ammonit im Süddeutschen Jura und noch dazu vor allem in den Plattenkalken (und damit flachgedrückt) zu finden. Umso beachtlicher ist Fabians Fund, der körperlich erhalten vorliegt. Mir ist tatsächlich bislang kein weiterer Fund dieser Qualität bekannt.

 

Angaben zum Fossil im Überblick:
Ammonit Hybonoticeras kamicense (Schopen 1888)
Größe: 11 cm
Stratigrafie: Oberer Jura, oberes Kimmeridgium
Fundort: Raum Mörnsheim
Arbeitszeit: ca. 22 Stunden
Präparation: Jens Kucharski
Sammlung: Fabian Weiß

 

Dank

Danke an Dr. Günter Schweigert (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart) für seine Bestimmungshilfe.

 

Jens Kucharski für Steinkern.de