Oberer Jura

Präparation eines großen Perisphinctiden aus der Burghorn-Formation (Kimmeridgium, Oberjura) der Schweiz

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Abb. 1: Rohzustand des etwa 30 cm großen Ammoniten nach der Bergung aus einem massiven Kalkblock.

 

Im Oktober 2017 stieß ich in Gesteinen der Burghorn-Formation (Kimmeridgium, Oberjura) des Kantons Aargau (Schweiz) auf einen rund 30 cm großen Ammoniten, der größtenteils in einem massiven Kalksteinblock steckte. Die Mündung sowie ein Stück der Außenwindung waren abgebrochen und nicht mehr auffindbar. Die frei aus dem Gestein heraus ragenden Teile waren leicht erodiert und von Sickerwasser angegriffen. Nach anfänglichem Zögern entschloss ich mich, das Stück abzutransportieren, was aufgrund des nicht unerheblichen Gewichts ein mühsames Unterfangen war. Zuhause verschwand der Fund vorerst weit hinten im Keller. Im April dieses Jahres erinnerte ich mich wieder an das Fundstück und wagte mich an die Präparation. Zuerst schlug ich mit Hammer und Meißel größere Partien des Kalksteins ab, der den Ammoniten einschloss. Das Material war hart und brach splitterig, eine Schutzbrille war daher bei diesen Arbeiten dringend notwendig. Nicht ganz unerwartet, zerbrach der Ammonit bei der Vorarbeit entlang einer bestehenden Bruchlinie in zwei unterschiedlich große Teile. Immerhin waren die so entstandenen zwei Werkstücke etwas handlicher als der ganze Ammonit, was für die weitere Präparation kein Nachteil war.

 

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Abb. 2: Natürliche Klüftungen im Gestein können beim Bergen und Formatieren sowie beim Präparieren tückisch sein. Wenn sie sich auftun, sieht es für einen kurzen Moment so aus, als sei das Fossil verloren, aber wer schon länger Fossilien sammelt und präpariert weiß natürlich: ein sauberer Bruch lässt sich gut kleben, also gilt es Ruhe zu bewahren. Und vielleicht sogar mit dem Kleben etwas abzuwarten und sich die bessere Handhabung der kleineren Stücke während des Präparierens zunutze zu machen, wie in diesem Fall.

 

Um zu beurteilen, ob sich die Weiterarbeit lohnen würde oder der Fund doch eher etwas für die Gartenmauer sei, setzte ich zu einem Suchschurf mit dem Stichel an. Dieser traf auf die Rippen des nächsten Umganges, der relativ gut erhalten war und sich dank einer braunen Kruste farblich gut vom umgebenden Gestein abhob. Ausgehend vom Suchschurf, legte ich die Windungen mit dem Druckluftstichel HW-25 und teilweise auch mit einzelnen Meißelschlägen frei. Bis zu einem Durchmesser von etwa 10 cm ging dies ohne größere Probleme. Das Gestein trennte recht gut vom Fossil, allerdings musste dazu nah an die Oberfläche des Ammoniten heran gestichelt werden. Dabei gelang es mir nicht immer, die Enstehung von Stichelspuren zu vermeiden.

 

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Abb. 3

 

Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Freilegung der inneren Windungen. Diese sind von einer Kalzitader durchzogen, die sich zu einem kleinen Hohlraum weitet. Im Bereich dieser Störungszone sind die Windungen aufgeworfen und aus der Windungsebene gedrückt. Einzelne Rippen sind durch kleine, dunkle Kristalle ersetzt oder fehlen ganz. Die übrigen Rippen stehen dicht und waren teilweise nur schwer erkennbar. Für die Bearbeitung der Innenwindungen setzte ich einen feineren Präparationsstichel (Suhner LGS 30) ein und arbeitete zudem unter Vergrößerung am Binokular.

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Abb. 4

 

Nach der Freilegung der Windungen klebte ich die beiden Teile des Ammoniten wieder zusammen und entfernte das restliche überstehende Gestein von der Bruchkante. Kleinere Fehlstellen im Bereich der Bruchkante besserte ich mit einer Modelliermasse aus dem Bastelbedarf sowie mit einer Mischung aus Gesteinsmehl und Weißleim aus. Ebenfalls ergänzt wurde der abgeschlagene Teil der Außenwindung. Hierzu verwendete ich eine Gipsspachtelmasse. Für das Einfärben dieser Ergänzungen und das Kaschieren gröberer Stichelspuren nahm ich Gesteinsmehl und Modellbaufarben, die sich gut mischen und mit Wasser verdünnen lassen. Auf das vollständige Einlassen mit Steinpflegemittel verzichtete ich. Die Oberfläche des Fossils schien mir dazu zu porös zu sein und die Gefahr einer unerwünschten Farbtonveränderung der orange-braunen Kruste zu groß. An stark beanspruchten Stellen trug ich sparsam etwas Rember mit Pinsel und Küchenpapier auf.

 

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Abb. 5: Resultat der Präparation des 29,5 cm großen Ammoniten, dessen Bestimmung sich aufgrund der nicht exakt bekannten Stratigrafie knifflig gestaltet, siehe dazu unten.

 

Fazit: Der Gesamteindruck des Ammoniten ist zufriedenstellend, obwohl die Innenwindungen nicht sehr gut erhalten sind. Feine Stichelspuren sind erkennbar und bei genauer Betrachtung zeigen sich auch kleinere Blessuren, die bei der Präparationsarbeit entstanden. Die gesamte Präparation dauerte rund 25 Stunden.

 

Bestimmung
Der Ammonit hat einen Durchmesser von 29,5 cm, die Nabelweite beträgt 16 cm (N = 54 %). Der Gehäusequerschnitt ist gerundet bis leicht oval. Auf den inneren Windungen sind die Spaltpunkte der Rippen von der überlagernden Windung verdeckt. Die Wulstrippen auf der äußeren Windung sind weitständig. Aufgrund der Erhaltung ist nicht eindeutig erkennbar, ob sich die Wulstrippen am Außenbug spalten. Die Externseite ist (erhaltungsbedingt?) glatt. Es könnte sich demnach um einen Orthosphinctes (Lithacosphinctes) handeln. Nach SCHLAMPP (1991) ziehen bei dieser Untergattung die Wulstrippen ab einem Durchmesser von 20 cm nur noch undeutlich oder gar nicht über die Externseite. Aufgrund der Größe und der Fundschicht (Burghorn-Formation) kommen die Arten evolutus, pseudoachilles und pseudolictor in Frage. Die Nabelweite, die Abfolge der Berippung und die eher flachen Wulstrippen gleichen Orthosphinctes (Lithacosphinctes) evolutus. Die Art kommt insbesondere in der Platynota-Zone vor. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht auch mit Orthosphinctes (Lithacosphinctes) villae GYGI, der in der älteren Villigen-Formation vorkommt.

Der Ammonit könnte aber auch jünger sein. Aufgrund des Gesteins stammt er jedenfalls nicht aus dem glaukonithaltigen Abschnitt des Baden-Members. Der hellgelbe, von Sickerwasser beanspruchte Kalk gleicht dem Gestein, das an derselben Fundstelle einen Pseudhimalayites uhlandi enthielt. Somit könnte das Stück möglicherweise aus der Uhlandi-Subzone stammen, die von GYGI zum Wettingen-Member gestellt wurde. Einen auf den ersten Blick ähnlichen Fund aus dieser Subzone beschrieb GYGI (2003, Fig. 163). Er hielt diesen für eine neue, späte Art eines Lithacosphinctes, nahm aber keine Erstbeschreibung vor.

Sofern der Fund aus der Uhlandi-Subzone stammt, könnte es sich stattdessen auch um einen Vertreter der Gattung Crussoliceras handeln, die in dieser Subzone ihr Lager haben und morphologische Ähnlichkeiten mit Lithacosphinctes evolutus aufweisen, wie u. a. der von SCHLAMPP (2018) im Steinkernheft 34, beschriebene Fund eines großen Crussoliceras zeigt.

Diagramme kl

Abb. 6 a bis c: Rippenkurven von Lithacosphinctes pseudolictor (GYGI 2003, Fig. 82) und Lithacosphinctes n. sp. (GYGI 2003, Fig. 163) im Vergleich mit dem beschriebenen Exemplar. Daten: Anzahl Rippen (y-Achse) pro Windung beim jeweiligen Gehäusedurchmesser in Millimetern (X-Achse). Die Diagramme können durch Anklicken vergrößert werden.

 

Zur Untergattung Lithacosphinctes: Die 1978 von OLORIZ aufgestellte Gattung wurde von ATROPS (1982) als Untergattung zu Orthosphinctes gestellt. GYGI & HILLEBRANDT (1991) erhoben Lithacosphinctes wieder in den Gattungsrang, wobei GYGI (2003) die nahe Verwandtschaft zu Orthosphinctes einräumte. Heute gilt Lithacosphinctes als makrokonche Form zu Orthosphinctes. In der aktuellen Ausgabe des «Treatise» (ENAY & HOWARTH, 2019) wird die Untergattung Lithacosphinctes dementsprechend nur noch informell erwähnt und als Makrokonch zu Orthosphinctes gestellt.

 

Mein besonderer Dank gilt Victor Schlampp, der das Manuskript durchlas und mir wertvolle Hinweise zur Bestimmung des Fundes gab.

 

Ronald Ottiger für Steinkern.de

 

 

Zitierte Literatur

ATROPS, F. (1982): La sous-famille des Ataxioceratinae dans le Kimméridgien inférieur du sud-est de la France; systématique, évolution, chronostratigraphie des genres Orthosphinctes et Ataxioceras.

ENAY, R. & HOWARTH M. K. (2019): Treatise Online, Number 120, Part L. Revised, Volume 3B, Chapter 7: Systematic Description of the Perisphinctoidea.

GYGI, R. A. (2003): Perisphinctacean ammonites of the Late Jurassic in northern Switzerland – Schweiz. Paläont. Abh. 123, 232 S.

GYGI, R. A. & HILLEBRANDT, A. v. (1991): Ammonites of the Oxfordian in northern Chile and time-correlation with Europe – Schweiz. Paläont. Abh. 113.

OLORIZ, F. (1978): Kimmeridgiense-Tithonico Inferior en el sector central de las Cordilleras Béticas (zona Subbetica). Paleontologia. Bioestratigrafia.

SCHLAMPP, V. (1991): Malm-Ammoniten – Ein Bestimmungsatlas.

SCHLAMPP, V. (2018): Fund eines großen Crussoliceras im Kimmeridgium von Gräfenberg, in: Der Steinkern, Heft 34, S. 62-65.

SCHLEGELMILCH, R. (1993): Die Ammoniten des süddeutschen Malm.

 


 

Hinweis:

Der Ammonit wurde auch bei den Mineralien- und Fossilien-Freunden Aargau veröffentlicht, wo er als PDF verfügbar ist:

https://www.mffa.ch/wp-content/uploads/Pr%C3%A4paration-eines-Lithacosphinctes_1.pdf

Die Steinkern-Version ist demgegenüber etwas abgewandelt worden.

 

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