Oberer Jura

Bestachelte Seeigel aus dem Oberjura der Charente-Maritime (1. bis 7. Teil), Serie komplettiert am 13.11.2019

Im März 2019 hatte ich im Artikel „Transferpräparation eines Pseudocidaris mammosa mit Stachelkranz aus Frankreich“ die Freilegung eines regulären Seeigels von der Küste des westfranzösischen Departements Charente-Maritime vorgestellt. Zwischenzeitlich habe ich sieben weitere Seeigel vom selben Küstenfundpunkt fertigpräpariert, von dem auch der besagte Pseudocidaris stammte. Die Suche dort beschränkt sich auf Auflesen, während Grabungen im Kliff oder das Zerklopfen von großen Gesteinsbrocken verboten sind.
Vor und während der Präparation der Seeigel machte ich jeweils Fotos, sodass der Vorherzustand und einige Zwischenstände dokumentiert sind, die nochmals unterstreichen sollen, dass das relativ schwierig zu präparierende Material selbst bei auf den ersten Blick hoffnungslos erscheinenden Ausgangszuständen noch gerettet werden kann und ansehnliche wie auch instruktive Exponate entstehen. Kleineren Abstrichen bei der Erhaltungsqualität der Fossilien steht die Tatsache gegenüber, dass reguläre Seeigel mit in situ überlieferter Bestachelung zumindest bei uns in Deutschland sehr selten vorkommen. Auch weltweit ist die Anzahl entsprechender Vorkommen relativ begrenzt, sodass jedes bestachtelte Einzelstück Wertschätzung verdient.

An dieser Stelle erscheinen in den kommenden Wochen insgesamt sieben kurze Präparationsdokumentationen, die als Teil 1 bis 7 zu einem Gesamtartikel zusammenfließen sollen – doch genug des Theoretisierens, beginnen wir mit dem 1. Teil:


1. Teil: Präparation eines Acrocidaris nobilis

Viele Sammler pflegen eine kleine Halde im Garten, die meist aus Abraum vom Präparieren oder minderwertigen Stücken besteht, vielleicht auch aus solchen, die auswittern sollen oder nur der Zierde dienen. Der Acrocidaris, dessen Präparation nachfolgend dargestellt wird, entstammt einer solchen Gartenhalde. Es nimmt nicht wunder, dass er dort landete, denn besonders toll sieht das Exemplar tatsächlich nicht aus: die Kapsel ist kaputt und die Stacheln sind beschädigt – naja.

 

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Abb. 1 a und b: Das Foto wechselt nach einigen Sekunden: die roten Striche markieren das Coronenfragment und die Stacheln. Fortgeschrittene Sammler bedürfen sicherlich keiner solchen Interpretationshilfe, jedoch ist diese für Neueinsteiger eventuell nützlich – man hätte sonst als Bildunterschrift nämlich auch den alten Spruch „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“ wählen können.

 

Die in Abb. 1 sichtbare Seite bietet leider kaum Potenzial. Daher fällt der Entschluss, das Stück von der anderen Seite zu präparieren. Zu diesem Zweck wird die freiliegende Seite mit einem Stück Matrix von der Fundstelle verstärkt, das mit einer Mischung aus Kleber und Gesteinsmehl befestigt wird. Dieses Vorgehen dient dazu, später im Verlauf der Präparation der Schauseite überhaupt noch eine Matrix zu haben.
Nach Fertigstellung der Klebearbeiten und Härten des Klebers, geht es einige Zeit später von der anderen Seite mit der eigentlichen Präparation los und dem Fossil an den Kragen. Zunächst einem schon partiell sichtbaren Stachel folgend, tun sich immer mehr Stacheln auf. Da man die genaue Lage bestenfalls erahnen kann, muss man sehr aufpassen, dass Fossil nicht zu treffen, zumal das Gestein förmlich am kalzitischen Fossil „klebt“ und nur sehr schlecht trennt.

 

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Abb. 2: Die Stacheln kommen förmlich „aus dem Nichts“ zum Vorschein, liegen aber immerhin ziemlich in Reih und Glied, was die Orientierung bei der Präparation etwas vereinfacht. Dennoch ist zu diesem Zeitpunkt klar, dass noch reichlich Arbeit mit der Nadel bevorsteht, bevor das Stück in der Vitrine Platz finden kann.

 

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Abb. 3: Die Stufe verfügt inzwischen dank Banschleifer über eine plane Standfläche.

 

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Abb. 5: Nach einem ersten Gang mit der Nadel lässt sich die Gesamtoptik des fertigen Exponats nun bereits gut erahnen. Es geht nur noch um Details. Einiges an Fleißarbeit steht allerdings noch bevor.

Einige Nadeleinheiten später erfolgt nochmals ein letzter Gang, die Matrix um die Stacheln herum wird etwas „getrimmt“, dann gewaschen und nach dem Trocknen wird fixiert. Dafür, dass es eigentlich nur ein Probestück sein sollte, ist das Resultat letztlich dann doch recht nett geworden.

 

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Abb: 6: Das Resultat der Präparation. Foto vergrößern.

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

 

Fossil: Acrocidaris nobilis

Größe: maximale Breite 6 cm

 

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 


 

2. Teil: Ein weiterer Acrocidaris nobilis

 

Auch dieses Exemplar entstammt der oben erwähnten Halde im Garten eines Sammlers und wurde ursprünglich an der Küste des Departements Charente-Maritime geborgen.

Wie schon beim ersten Seeigel ist die Ausgangslage auch in diesem Fall nicht berauschend. Man erkennt Reste der Kapsel, ein paar Stacheln sowie ein paar Stachelwarzen (Abb. 7).

 

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Abb. 7

 

Es wird zunächst etwas an der Seite des Steins mit den schon sichtbaren Fossilteilen herumgestochert, wobei ein weiterer Stachel zum Vorschein kommt (Abb. 8).

 

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Abb. 8

 

Danach wird probehalber vorsichtig „um die Ecke“ gebuddelt, wobei ich feststelle, dass es dort besser aussieht (Abb. 9).

 

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Abb. 9

 

Da mir das Glück schon einmal bei solch einer Aktion hold war, fällt der Entschluss nicht mehr schwer, auch dieses Stück von der „Rückseite“ anzugehen. Um dieses Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, gilt es einen Trägerstein passend vorzubereiten. Nachdem ein Gesteinsstück vom Fundort ausgewählt wurde, wird in dieses mit dem Druckluftstichel eine Mulde zur Aufnahme des Fossils eingearbeitet (Abb. 10). Ziel dabei ist es, Corona und Stacheln möglichst passgenau einzusetzen, um am Ende so viel originale und so wenig künstliche (aus Gesteinskomponenten und Kleber zusammengemengte) Matrix wie möglich als Trägerfläche des Seeigels zu haben. Hierfür sind immer wieder Passproben und entsprechende Nacharbeiten nötig, bis die Fuge zwischen Fossil und Gestein eine vertretbare Stärke hat.

 

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Abb. 10

 

Die verbleibende Fuge wird mit grob gemahlenem Gesteinsmehl und Kleber verschlossen (Abb. 11).

 

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Abb. 11: Der Pfiel markiert den Aufbau aus Kleber und Gesteinsmehl.

 

Dann wird die Standfläche auf dem Bandschleifer gesetzt und anschließend auch mit dem Druckluftstichel noch eine Menge Staub produziert. Immerhin gewinnt der Seeigel hierbei an Gestalt. Zwischendurch müssen Gestein und Fossil gewaschen werden, damit man nicht aus den Augen verliert, wo man mit dem Stichel unterwegs ist. So geht es Stück für Stück vorwärts (Abb. 12).

 

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Abb. 12

 

Direkt über der Kapsel stoße ich leider wieder auf Kalk, der flächendeckend zäh am Fossil haftet. Nicht immer lässt er sich ohne Schaden entfernen. Insgesamt lässt das Zwischenresultat bereits erkennen, dass sich die Fertigstellung des Exponats lohnen wird (Abb. 13).

 

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Abb. 13

 

Am Ende wird noch der quer liegende Stachel von seinem Sockel befreit (Abb. 14).

 

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Abb. 14: Noch haftet Gestein an einem schräg über den anderen Stacheln liegenden Stachel.

 

Gegenüber der Ausgangslage ist das Teil recht ansehnlich geworden. Es braucht sich nun nicht mehr zu verstecken, wie Abb. 15 zeigt.

 

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Abb. 15: Foto kann vergrößert werden.

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Acrocidaris nobilis

Größe: maximale Breite mit Stacheln 9,7 cm

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 

 


 

3. Teil: Präparation eines Balanocidaris marginata

Beim dritten Seeigel handelt es sich um einen Balanocidaris mit Resten der Bestachelung in situ. Bereits vom vorherigen Besitzer anpräpariert, vermittelt auch dieses Stück zunächst nicht unbedingt den Charme eines nicht erkannten Schatzes. Ein Interambulakralfeld der Corona ist stark angegriffen und die sichtbaren Stacheln leider alle ziemlich nah an der Basis des Stachelschafts abgebrochen.

 

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Abb. 16

 

Nach der Sichtung und ersten Überlegungen, wie das Stück am besten in Szene gesetzt werden kann, wird erst einmal gestichelt und dann am Bandschleifer formatiert. Der Stein wird in diesem Zuge immer kleiner, das Stück gleichzeitig jedoch attraktiver, denn es zeigen sich beim Sticheln nach und nach mehrere intakte Stacheln, die zuvor in der Matrix verborgen waren.

 

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Abb. 17

 

Dann geht es wieder an Stichel und Nadel. Zwischendurch wird das Stück immer wieder von Staub befreit, um sich besser am Objekt orientieren zu können.

 

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Abb. 18

 

Zwischendurch wird hin und wieder ein Binokular zur Hilfe genommen. Und siehe da: es taucht noch ein weiterer Stachel auf. Ein kurzes(!) Bad in verdünnter Essigsäure bildet den Abschluss. Ein kritischer Kontrollblick ergibt die Erkenntnis, dass man das erst einmal so belassen kann. Einzig das Stück zu strahlen, würde noch etwas bringen.

 

 

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Abb. 19

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Balanocidaris marginata

Größe: max. Breite 6,5 cm (zwischen den Stacheln)

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 


 

4. Teil: Präparation eines weiteren Balanocidaris marginata

Der Rohling des vierten Seeigels sah maximal unansehnlich aus. Hätte man die Möglichkeit dazu, selbst des Öfteren direkt an der Fundstelle zu sammeln, wäre das Fossil vielleicht in hohem Bogen weit in die Fluten bugsiert worden. Da Westfrankreich aber recht weit weg ist, verwendet man eben das, was man bekommen hat und probiert aus, was noch zu retten ist. Das große Manko im vorliegenden Fall ist die kaputte Kapsel. Da fehlt schon reichlich Substanz, aber man sieht immerhin rundherum einige Stacheln.

 

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Abb. 20

 

Die Arbeit beginnt damit, dass die Fehlstelle verschlossen werden muss. Dies passiert in bewährter Manier mit Steinmehl und Klebstoff. Dann geht es von der anderen Seite heran an den Speck. Mit Nadel und Stichel wird erstmal eine Menge Material pulverisiert, dass Corona und Stacheln überdeckt. Immer mal wieder wird das Stück im Waschbecken vom Staub des Stichelns befreit. Dann sieht man klarer und Stichel und Nadel können wieder gezielter angesetzt werden, wo es noch nötig ist. Allmählich erkennt man in dieser Phase bereits, worauf es hinausläuft, wenngleich im Einzelnen noch viel zu tun ist, um die Corona richtig freizulegen.

 

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Abb. 21

 

Weitere Nadelorgien und Waschgänge werden noch nötig sein, aber das Stück entwickelt sich besser als gedacht und erste Stachelwarzen kommen zum Vorschein.

 

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Abb. 22

 

Nun muss zunächst auf der Rückseite an der Basis ein Stein „angeflanscht“ werden, damit man das Stück später angemessen präsentieren kann, denn es fehlt rückseitig doch so einiges an Fossilsubstanz. Zudem ist ein solcher Seeigel mit Stachelkranz auch ungleich schöner anzusehen, wenn er ohne Plastikständer präsentiert wird. Verwendet wird auch in diesem Fall wieder ein Abfallstein von der Fundlokalität.

Das Gestein auf der Kapsel klebt derartig, dass man über Strahlen oder Chemie nachdenken muss – mangels direkter Verfügbarkeit eines Strahlers, kam erst einmal nur Chemie ist der erste Versuch. Verdünnte Essigsäure schafft einiges, aber lange nicht alles. Vorerst muss es dabei bleiben:

 

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Abb. 23

 

Rückblickend betrachtet wäre dieses Stück dann doch zu schade dazu gewesen, es dem Atlantik zu überantworten.

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Balanocidaris marginata

Größe: max. Breite mit Stacheln 7 cm

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundort: Charente Maritime

 


 

5. Teil: Präparation eines dritten Balanocidaris marginata

 

Im fünften Teil der Serie geht es erneut um einen Seeigel der Art Balanocidaris marginata. Dieser Bericht wird leider zeigen, wie leicht beim Präparieren etwas gehörig schiefgehen kann, wenn man die Lage eines Fossils im Gestein falsch einschätzt.

Auch dieser cidaride Seeigel ist wiederum ein Strandfund. So wie es anfänglich aussieht, ist er eher dritte Wahl. Der Stein ist handlich und vom Meer gerundet. Das annähernd kreisförmige Loch (Abb. 25) interpretierte ich auf die Schnelle als durch die Brandung etwas in Mitleidenschaft gezogene Oralöffnung.

 

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Abb. 24

 

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Abb. 25: Die vermeintliche Oralöffnung.

 

Beim Sticheln und beim Arbeiten mit Nadeln im Umfeld des Lochs finden sich bald die ersten Stacheln. Nun entscheide ich mich, den Stein erst einmal zu formatieren und mit einer Standfläche zu versehen. Da es eine Zeit fressende Angelegenheit gewesen wäre, all dies mit Nadel und Stichel zu machen, setze ich einen Bandschleifer ein. Schließlich ist ansich klar wie das Fossil liegt, da kann man eine Menge Zeit sparen und erhält zudem eine wirklich plane Fläche.

 

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Abb. 26

 

Das Desaster offenbart sich dann später, denn auf der Rückseite wurden beim Schleifen einige Stacheln rasiert!

Der Igel zeigte mit dem Loch nämlich nicht wie von mir angenommen die Oralseite. Es war vielmehr eine große, Stachelwarze wegerodiert unter der eine Kaverne im Gehäuse zum Vorschein gekommen war. Der Seeigel lag also völlig anders als gedacht, somit war die Standfläche viel zu nah am Fossil angelegt bzw. zum Teil im Fossil selbst. So ein Mist, wenn man nicht genau hinschaut! Der Ärger ist groß, aber es hilft alles nichts. Es stellt sich die Frage, was nun noch zu retten ist. Die einzelnen Stacheln beziehungsweise das was noch von ihnen übrig ist, werden freigelegt. Es wird klar, dass dieser Seeigel ein traumhaftes Teil hätte werden können. Es liegt eine nahezu unverdrückte Kapsel mit schön dreidimensional im Raum frei stehenden Stacheln vor, ganz wie bei einem lebendigen rezenten Seeigel.

 

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Abb. 27

 

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Abb. 28

 

Es wird zwecks Freistellens des Seeigels immer mehr Gestein entfernt. Das Stück verliert dadurch zwar zunehmend an Stabilität, gewinnt aber an Attraktivität. Ein Minimum an Stabilität kann nur durch vereinzelte Stege zwischen den Stacheln gewährleistet werden.

 

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Abb. 29

 

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Abb. 30

 

Dann passiert es. Die mittlerweile fast vollständig von der Matrix isolierte Kapsel nebst der meisten anhaftenden Stacheln beziehungsweise deren Resten löst sich aus dem Verbund. Nun wird lose in der Hand weitergemacht, was den Zugang zu einigen Bereichen des Seeigels verbessert. Ich nehme immer mehr Gestein weg. Zwischendurch bricht hin und wieder ein Stachel ab und muss wieder angeklebt werden. Vorsichtiges Abwaschen zwischen den jeweiligen Arbeitsschritten verbessert die Sicht aufs mittlerweile trotz allem doch recht ansehnliche Fossil.

Bevor der Seeigel zurück auf seine Matrix geklebt wird, wird die Standfläche umgestellt, die anfänglich ja auf eine ganz andere vermutete Lage des Gehäuses ausgerichtet worden war. Hierzu werden geschliffene Flächen künstlich aufgeraut, um wenigstens annähernd das Bild einer natürlichen Bruchfläche wiederherzustellen.

Dann wird die Kapsel wieder an ihren ursprünglichen Platz verbracht. Nun hieß es noch, die Klebestellen zu versäubern, alles abzuwaschen und wieder trocknen zu lassen. Nach all diesen Arbeiten zeigen sich inzwischen die in situ vorliegenden Mundwerkzeuge. Was hätte das für ein Traumstück werden können! So ein Missgeschick passiert mir nicht wieder.

Das Stück bleibt erst einmal so wie auf den folgenden Abbildungen (Abb. 3135), bis ich mal wieder Zugang zu einem Feinstrahlgerät habe.

 

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Abb. 31: Gesamtansicht auf Matrix.

 

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Abb. 32

 

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Abb. 33: Gesamtansicht aus anderer Perspektive.

 

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Abb. 34

 

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Abb. 35

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Balanocidaris marginata

Größe: max. Breite 6 cm

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 

 


 

 

6. Teil: Präparation eines Pseudocidaris mammosa

 

Wer kennt es nicht, da bekommt man ein seltenes Fossil in eher bruchstückhaftem Zustand in die Finger und denkt sich: “Nun ja, besser so als nichts“. So erging es mir auch bei diesem Pseudocidaris mammosa. Der Kapsel, deren Inneres auf dem Stein zunächst als klaffendes Loch in Erscheinung tritt, fehlt einiges an Substanz. Um sie herum gruppieren sich etliche keulenförmige Stacheln, von denen leider jedoch einige beschädigt sind. Es zeigen sich aber auch schon mehrere intakte Keulen. Unglaublich, dass so etwas beim Vorbesitzer im Garten gelandet war und dort vor sich hin witterte. Hier angekommen, entpuppte sich das Gesteinstück mit dem Seeigel als eine ordentliche Wacke mit ein paar Kilos. Angesichts der bei den vorherigen Stücken bei teilweise ähnlicher Ausgangslage noch erzielbaren Ergebnisse, besteht verhaltener Anlass zur Hoffnung, dass sich eine rückseitige Freilegung auch bei diesem Exemplar rentieren könnte.

 

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Abb. 36

 

Einen Tag lang wird die Wacke vorsichtig bearbeitet. Das gibt eine Menge Staub und noch mehr Abraum. Würde man das Gestein schnellstmöglich abtragen, wäre eine hohe Fehlerquote vorprogrammiert, man muss also behutsam vorgehen. Ein Erlebnis wie beim letzten Balanocidaris im 4. Teil dieser Reihe wollte ich um jeden Preis vermeiden. Allzu schnell ist ein dislozierter Stachel in entsprechend unerwarteter Lageposition zerstört, der rechtzeitig entdeckt einen großen Beitrag zur Attraktivität der Stufe leisten könnte. Oder es könnte passieren, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst und man am Ende nur noch Scherben hat.

 

Während der Abtragungsarbeiten wird die Kapsel mit Präparationsschrott verfüllt und verfestigt. Auch die beschädigten Stacheln werden rückseitig gesichert, so dass sie sich nicht noch weiter zerlegen können. Das Gesteinsstück wird stetig kleiner und die immer deutlicher zu Tage tretenden weiteren Keulen machen allmählich Hoffnung darauf, dass sich die Arbeit tatsächlich lohnen wird.

 

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Abb. 37: Die Rückseite nach dem Formatieren und Auffüllen der Kapsel.

 

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Abb. 38

 

Nun wird das Stück von der erodierten Seite her komplett zugespachtelt und so für das Übertragen auf einen Trägerstein vorbereitet. Hierzu habe ich einen geeigneten Stein vom Fundort ausgesucht und von der Form her den Bedürfnissen angepasst.

 

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Abb. 39

 

Jetzt werden beide Steine zusammengefügt. Erst zur Anprobe zusammengehalten und dann direkt verklebt. Als nächstes werden die Fugen und Hohlräume aufgefüllt und ebenfalls verklebt.

 

 

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Abb. 40

 

Inzwischen sieht es schon ganz gut aus. Jetzt, da sich die Lageposition des Seeigels klar abschätzen lässt, können mit dem Bandschleifer die nächsten Tatsachen geschafffen werden. Es wird eine Standfläche geschliffen und hierbei der Präsentationswinkel ein für alle Mal festgelegt. Da der Trägerstein nicht allzu dick ist, gibt es hierbei nämlich nur einen Versuch. Glücklicherweise klappt dies auf Anhieb. Anschließend wird begonnen zwischen den Stacheln zu stochern, um diese dreidimensional herauszumodellieren.

 

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Abb. 41

 

Nun wird die Stocherei fortgesetzt. Zwischen den Stacheln wird mehr und mehr Gestein ausgeräumt. Die Stacheln liegen dicht an dicht, dazwischen geht es mitunter richtig tief rein.

 

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Abb. 42

 

Zwischendurch muss immer wieder der beim Arbeiten anfallende Staub mit Druckluft entfernt werden oder mit Wasser abgespült werden und dann nach dem Trocknen nötigenfalls brüchiges Material fixiert werden. Die Oralseite der Gehäusekapsel ist kaum zu erkennen, da alles voller kleiner Stacheln sitzt und diese dann auch noch mit Kalk und Kalzit verbacken sind. Das lässt sich auch im weiteren Präparationsverlauf kaum mehr ändern.

 

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Abb. 43: Blick auf die sich hinter dem Stachelkleid verbergende, leider schwerlich zu präparierende Corona.

 

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Abb. 44

 

Langsam wird es. Fast zum Schluss kommt ein einziges Mal verdünnte Essigsäure zum Einsatz. Danach lassen sich erneut einige Krümel mit der Nadel entfernen.

 

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Abb. 45: Foto vergrößern.

 

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Abb. 46: Foto vergrößern.

 

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Abb. 47

 

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Abb. 48: Die Phalanx der Keulenstacheln, ist sicherlich die "Schokoladenansicht" dieses Pseudocidaris mammosa.

 

Nun gilt es nur noch drei Stacheln, die beschädigt waren, zu ergänzen und in Form zu bringen, ein letztes Mal die Stufe abzuwaschen und dann kann das Stück nach dem Trocknen eingelassen werden. Zuletzt werden noch kleine Filzgleiter unter die Stufe geklebt, damit das Stück keine Kratzer in den heimischen Möbeln hinterlässt.

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Pseudocidaris mammosa

Größe: max. Breite 10 cm

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 

Ein weiteres Exemplar von Pseudocidaris mammosa aus dem Kimmeridgium der Charante Maritime habe ich bereits im März 2019 in diesem Steinkern-Artikel vorgestellt.

 

Udo Resch für Steinkern.de

 


7. Teil: Präparation eines Acrocidaris nobilis

Ich möchte die Serie der Seeigel-Präparation mit diesem 7. Teil beschließen. Wie schon im 1. und 2. Teil geht es noch ein drittes Mal um die Freilegung eines Acrocidaris nobilis.

Der Rohling ist wieder ein Strandgeröll mit einem angeschliffenen bestachelten Seeigel. Die aufgescheuerte Kapsel und einzelne Stacheln sind zu erkennen und das Einbettungestein sieht nicht gerade so aus, als ließe es sich dankbar bearbeiten.

 


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Abb. 49

 

Da in diesem Fall klar ist, welches die Oberseite des Fossils ist, wird der Stein auf dem Bandschleifer bearbeitet. Dabei wird so verfahren, dass zwei potenzielle Standflächen entstehen. Und beim Schleifen bestätigt sich, was sich bei der ersten Sichtung bereits andeutete: das Gestein ist ordentlich hart. Durch das Schleifen spart man sich ein paar Stunden Arbeit.

 

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Abb. 50

 

Nachdem dies geschehen ist, wird die Kapsel mit dünnflüssigem Sekundekleber geflutet, um die Stabilität zu verbessern. Die beiden bereits sichtbaren langen Stacheln sichere ich mit dickflüssigem Kleber gegen seitliches Ausbrechen.
Jetzt kann Platz geschaffen werden. Mit dem Stichel geht es um Stacheln und Corona herum auf die andere Seite. Eine Trennung gibt es nicht. Fossil und Gestein sind regelrecht miteinander verbacken. Die Arbeit ist ein reiner Blindflug. Meist sieht man die Stacheln unter diesen Umständen erst, wenn man sie schon mit dem Stichel erwischt hat. Zwischendurch muss alles immer wieder abgepustet und abwaschen werden, um die Orientierung nicht gänzlich einzubüßen.

 

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Abb. 51

 

Letzteres gilt auch für die kleinen Schildstacheln auf der Oberseite der Kapsel.

Im feuchten Zustand nach dem Waschen lässt sich das Gehäuse am besten erkennen.

 


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Abb. 52

 

Nun kommt die Fräse zum Einsatz. Langsam drehende große Rosenbohrer raspeln sich durch das Gestein. Immer mehr lange Stacheln kommen ans Licht und auch die Corona kommt mehr und mehr zum Vorschein. Der Detailreichtum hält sich mangels Härtekontrast zwischen Fossil und Gestein und mangels Trennung jedoch etwas in Grenzen.

 

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Abb. 53

 

Die folgende Abbildung zeigt die angeschliffene Rückseite. Viel war vor der Präparation nicht vom Acrocidaris zu sehen gewesen.

 

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Abb. 54

 

Aufgrund von weiteren unter diesem liegenden Stacheln musste einer der dicken Stacheln getunnelt werden. Die Primärstacheln haben einen dreieckigen Querschnitt.

Gegen Ende der Arbeiten habe ich mit dem kleinen Rosenbohrer noch einmal vorsichtig zwischen den „Knöpfen“ der Corona gearbeitet. Danach ging es mit Nadel und Skalpell dem großen Stacheln zuleibe.

Beschädigte Stellen werden mit Steinmehl und Sekundenkleber verfüllt und danach die Oberfläche des ausgebesserten Bereichs auf das Niveau der Originalsubstanz heruntergeschliffen.

Als all dies getan war, stand ein letzter Triathlon an: Waschen, Trocknen und Versiegeln.

Am Ende steht zwar – einbettungsbedingt – kein Traumstück, aber doch ein weiteres, recht hübsch anzusehendes Exemplar von Acrocidaris nobilis.

 

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Abb. 55: Foto vergrößern.

 

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Abb. 56: Foto vergrößern.

 

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Acrocidaris nobilis

Größe: maximale Strecke von Stachelende zu Stachelende 9 cm

Stratigrafie: Oberer Jura, Kimmeridgium

Fundgebiet: Charente Maritime

 


 

Zur Diskussion zum Bericht im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=28306