Oberer Jura

Shorttrack - ein kurzer Weg: Eine Momentaufnahme aus den Solnhofener Plattenkalken

Wir möchten Ihnen hier ein eigentlich alltägliches Fossil der Solnhofener Plattenkalke vorstellen. Es handelt sich um einen Mecochirus longimanatus, auch Schnorrgackel genannt. Erst der große Stein und die darauf überlieferte Fährte machen das Stück interessant. Es zeigt den letzten halben Meter aus dem Leben eines Krebses, ein Stück Leben, 145 Millionen Jahre alt, abgebildet auf einer Steinplatte aus verfestigtem ehemaligen Kalkschlick.

Fährtenfossilien aus den Plattenkalken sind schon lange bekannt. O. Abel vermutete im Jahre 1922 auf der Basis einer Fährtenfolge von Kouphichnium lithographicum, dass einige sehr kleine Dinosaurier sich hüpfend fortbewegten. Auch wurde diese Spur als Fortbewegungsspur von Flugsauriern gedeutet. Erst 1940 konnte K. Caster nachweisen, dass es sich in Wirklichkeit um die Fortbewegungsspuren von Mesolimulus walchi handelte.
Fossile Fährten kennt man aus den Plattenkalken in der Regel nur von Krebsen. Die von Mesolimulus und Mecochirus sind noch am häufigsten, sehr selten werden Laufspuren von Eryon oder Cyclerion gefunden.
Eine spektakuläre Ausnahme bildet eine mehrere Meter lange bipede (zweifüßige) Saurierfährte aus dem Malm Zeta von Painten, die entdeckt und fotografiert, aber leider nicht geborgen wurde. Aufgeschlossen war diese Fährte über einige Meter. Abbildungen findet man mehrfach in den Abhandlungen von Röper & Rothgaenger über die Plattenkalke (die Plattenkalke von Hienheim; Die Plattenkalke von Solnhofen - Mörnsheim - Langenaltheim)
Erst in jüngster Zeit konnten viele der allgegenwärtigen Schwoimarken im Solnhofener Revier als Dokumentation von Häutungen entschlüsselt werden. Großen Anteil daran hatte Dr. Günter Schweigert vom Stuttgarter Naturkundemuseum, der es hervorragend verstanden hat, die Privatsammler in seine Arbeit mit einzubinden.

 

Das Fossil
Was aber liegt uns vor? Beginnen wir mit der Bestandsaufnahme. Bei der Platte handelt es sich um die Hangendplatte, das eigentliche Positiv. Der Stein hat eine Höhe von 85 cm und eine Breite von 35,5 cm. Der Krebs präsentiert seine Bauchseite und die Menge an Substanz, die hier in phosphatischer Erhaltung vorliegt, beweist, dass es sich um eine Leiche und nicht etwa um eine Haut handelt. Es ist so, dass Krebse in den Plattenkalken vielfach nur Häutungshemden sind, aber keine echten Kadaver.
Der Krebs selber weist eine direkt messbare Länge von 15,5 cm auf. Über den Körper gemessen liegt er bei 18 cm. Hiervon erstrecken sich 10,5 cm allein auf das erste Beinpaar. Die Körperlänge ergibt messbar 7 cm und rekonstruiert 9,4 cm.

 

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Abb. 1: Mecochirus longimanatus ("Schnorrgackel"), 15,5 cm (Größenangabe einschließlich der Beine).


Neben dem Tier befindet sich auf der Platte die Fährte desselben. Sie ist ca. 47 cm lang und weist eine Besonderheit auf - es sind die Eindrücke der ersten Beinsegmente des 2. und 3. Beinpaares am Beginn der Fährte. Der Verlauf in einem leichten Bogen ist unauffällig. Deutliche Einschläge des Schwanzfächers, wie man sie sonst häufiger sieht, sind nicht zu beobachten

 

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Abb. 2 und 3: Gesamtansicht der Platte mit dem Krebs und Ausschnittsdetail der Fährte.

 

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Abb. 4: Streiflichtfoto des Mechochirus mit Fährte, hier wird die Fährte deutlich sichtbar. Es fällt auf, dass das Tier rückwärts gelaufen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang zum Vergleich und zur Vertiefung der Bericht "Dem Langarmkrebs Mecochirus auf der Spur" von Martin Sauter, der 2012 auf Steinkern.de erschien. Auf Seite 5 des PDF wird auf unterschiedliche Fährtentypen eingegangen.

 

Interpretation
Es gibt in unseren Augen zwei mögliche Interpretationen für das hier fossil überlieferte Drama:
Die erste Möglichkeit ist der Tod eines alten Individuums, das am Ende seines Weges angekommen ist. Da Mecochirus aber noch erheblich größer werden kann, halten wir das für nicht sehr wahrscheinlich.
Viel wahrscheinlicher ist die folgende Interpretation, bei der es sich um eine unvollendete Häutung handelt, bei der das Tier - aus welchen Gründen auch immer - in der alten Haut stecken geblieben ist und verendete. Der entscheidende Hinweis für diese Interpretation sind die am Beginn der Fährte überlieferten Beineindrücke. Oft befinden sich die Krebse durch starke Schläge mit dem Schwanz im Freiwasser und versuchen sich so ihrer alten Haut zu entledigen (was übrigens auch der Grund für häufig fehlende erste Beinpaare bei Mecochirus oder Scheren bei anderen Reptantiern ist). Sinken sie wieder zu Boden, kommt es zu den markanten Abdrücken.
Eine Interpretation als quasi „Herzinfarkt“ bei der Flucht vor einem Prädator (Fressfeind), die von einem Freund ins Rennen geschickt wurde, schließen wir kategorisch aus.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Udo Resch & Roger Frattigiani