Mittlerer Jura

Auflösung zum Aprilscherz mit der Parkinsonia: Die wahren Fundumstände und die Duplizität der Ereignisse

Liebe Steinkernleser,

den meisten von Ihnen / Euch ist es sicherlich nicht entgangen: Mit dem ungewohnt reißerischen Bericht vom 1. April 2014 "Neufund: Eine 28 cm große Parkinsonia als Lesefund vom Burton Kliff" habe ich Sie in den April geschickt - oder es zumindest versucht. :-) Die angebliche Huminsäure-Präparation und der wie durch ein Wunder vom Ammoniten unbeschadet überstandene Sturz das Kliff herab waren in dieser Form einfach nur zusammengesponnen - ein Unsinn. Die Fundfotos - was besonders bei dem Ammoniten im Versturzmaterial sofort aufgeflogen sein dürfte - Montagen. Einiges in dem Bericht stimmte aber auch, wie das Bemerken, dass ich zum Zeitpunkt der Publikation wieder in Charmouth weilte - den Bericht hatte ich allerdings schon vorher in Bielefeld präpariert (genau wie die Parkinsonia convergens, die ich bereits bei meiner Exkursion im März 2013 fand).

Wie im Bericht angekündigt ("Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich gelegentlich noch mal unter einem anderen Blickwinkel auf die Fundumstände eingehen."), möchte ich die Geschichte nun auflösen, denn auch die wahren Fundumstände des Jahres 2013 sind nicht uninteressant. Zudem konnte ich der Geschichte bei meinem diesjährigen Besuch in Burton unverhofft noch ein weiteres Kapitel hinzufügen.

Am 19. März 2014 besuchte ich mit meinen Sammlerfreunden und Reisegenossen das Burton Cliff. Wir trafen es fast menschenleer an - nur zwei Sammler waren dort zugange. Aus der Ferne spekulierten wir, dass es britische Profi-Sammler seien, auf Halbdistanz stellten wir fest: Es waren die Sammlerfreunde Eckhard Petersen und Uli Linke, zwei Steinkern-Mitglieder. Ein unverhofftes Mitgliedertreffen fern der Heimat!

Was folgte, war eine mustergültige Studie von Eckhard zum Thema Abbautechnik. In Burton gesellt sich zu den zum erfolgreichen Suchen stets wichtigen Aspekten Schichtkenntnis und Glück ein weiterer Faktor hinzu: der Faktor Technik. Die richtige Technik ist hier so wichtig, wie an nur wenigen anderen Fundpunkten, die ich bisher besammelt habe. Das Gestein ist so unfassbar zäh. Nur wer es mit eigenem Meißel- und Kräfteverschleiß bezahlt hat, weiß wovon ich spreche. Eckhard jedenfalls machte uns vor, wie man dem Gestein trotzdem beikommen kann. Es gilt zunächst das Gestein vor dem Meißel setzen genau auf Risse hin zu studieren. Außerdem ist es nötig, mit kleinen Meißelchen anzufangen und erst dann immer größere Meißel anzusetzen und zwischendurch sinnvoll immer mal wieder das Meißelloch mit einem Körner vom Gesteinsstaub zu säubern. Und nachdem ein großer Meißel sitzt, heißt es, diesem einen kontrolliertem kräftigen "Bums" und keine Salve von Schlägen zu versetzen. Man sollte nicht sofort wieder blind auf den Meißel dreschen, sondern zwischendurch dem Gestein Zeit geben, einen Riss auszubilden. So oder so ähnlich hat Eckhard das angepackt - jedenfalls gab es als nächstes ein Knirschen, ein Knacken - der Riss war da und die knapp zwei Meter lange Brechstange konnte angesetzt werden.

 

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Abb. 1: Eckhard (links) erklärt die Technik - Rolf lauscht andächtig - und das brettharte Truellei-Bed arbeitet.

Natürlich arbeitet Eckhard nicht mit irgendeinem Brecheisen, sondern mit einer Aluminiumbrechstange mit Stahlspitze. Das Werkzeuge schleppen über längere Strecken ist beim Stapfen durch den Kies recht kräftezehrend. Spätestens beim Abtransport der möglichst reichlichen Ausbeute zählt dann jedes Kilo weniger beim Equipment.

 

Über meine eigene 2013 zum Einsatz gebrachte und für Burton Bradstock völlig ungeeignete Technik will ich gar nicht viele Worte verlieren. Nach der Bergung eines Nautiliden durch Meißeln (ohne hinreichenden "Idiotenschutz" am Meißel) mit dem Estwing-Fäustel in der langstieligen Version (und mit gerundeten Kanten) hatte ich nicht nur einen recht hässlichen Nautilus aus dem Aalenium mehr, sondern auch eine tüchtig schmerzende, angeschwollene linke Hand. Immerhin, die Bergungsaktion war letztlich geglückt und außerdem hatte ich mit der schmerzenden Hand eine ideale Ausflucht, um weiteren Burton-Bradstock-Expeditionen in den nächsten Tagen zu entgehen und mich den von mir ohnehin bevorzugten Unterjura-Kliffs zuzuwenden.

 

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Abb. 2: Das "Blut-Schweiß-und-Tränen-Cenoceras" aus dem Aalenium - unten links als Größenvergleich die "Tatwaffe".

 

Dass man Aalenium-Fossilien auch verschleißfreier zu finden vermag, zeigte derweil Uli Linke, der bei seinem Spaziergang dem Kliff entlang ein großes Lytoceras fand.

 

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Abb. 3: Uli Linke mit seinem Lytoceras aus dem Aalenium - mehr oder weniger einfach so aufgelesen und dann noch ein wenig freigemeißelt.

 

Ich fand dann im Laufe des Tages nur noch ein wenig "Kleinkram". Eckhard gab mir noch einige Tipps zum Erkennen und Bearbeiten des Truellei Beds, in dem mitunter hervorragend erhaltene Parkinsonien sowie der namensgebende Ammonit Strigoceras truellei gefunden werden können. Kenntlich ist die Schicht meist durch eine Anhäufung von terebratuliden Brachiopoden.

Eckhard und Uli mussten wenige Tage später bereits abreisen. Wir waren gerade erst angereist und hatten noch Zeit, doch ich blieb Burton bis auf Weiteres fern. Erst am 25. März 2014 konnten mich die Sammlerkollegen dann doch noch mal umstimmen - na gut, also noch mal ein Tag Burton.

Als wir ans Kliff kamen, sahen wir einen mächtigen frischen Absturz - und erinnerten uns Eckhards Worten (aus der Erinnerung heraus zitiert): "Die Ecke sollte man meiden, denn das kommt sehr bald ´runter." Da es während unserer Anwesenheit am Kliff noch zu erheblichen Nachrutschungen der überdeckenden Mergels kam, der sich an der Abbruchkante abböschte, mied ich - trotz verlockender Fundsituation - diesen Bereich. Ich hatte mir ohnehin vorgenommen, mir einmal anzusehen, was Eckhard von seinem Brocken übrig gelassen hatte und die handlichen Teile weiter zu zertrümmern, in der Hoffnung auf eine Parkinsonia oder ein Strigoceras. Doch wo war das übrig gebliebene Blockwerk überhaupt?

Die Restblöcke ragten kaum noch aus dem Kies - was ein paar Fluten doch ausmachen! Ich überlegte, welchen Brocken ich als erstes aus dem Kiesbett freigraben sollte. Diese Frage sollte sich sehr bald klären, als ich des Venters einer Parkinsonia gewahr wurde, der von der Brandung leicht angeschliffen und dadurch erkennbar geworden war. Dank Eckhards Vorarbeit war der Block so handlich, dass ich ihn mir - auch ganz ohne Brechstange - passend zur weiteren Bearbeitung herausziehen und drehen konnte. Würde der Ammonit gut sein? Eher wohl nicht, die meisten Stücke sind "Gurken", haben keine oder nur schlecht erhaltene Schale oder es sind gar nur Fossiltrümmer. Das Truellei Bed ist nun mal ein Kondensationshorizont - so wie der ganze Inferior Oolite, zu dem es gehört. Aber herausklopfen muss man einen Ammoniten in so einem handlichen Stein immer. Beim Freilegen aus einem mehrere Kubikmeter großen Felsen muss man sich das hingegen jedesmal gut überlegen.

 

 

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Abb. 4: Einer von Eckhards Restblöcken gab nach mehrtägigem Brandungsschliff einen Ammonitenrücken frei. Würde der Ammonit etwas taugen?

 

Nach einiger Zeit entstand durch meine Meißelarbeit ein Riss im Stein, der sich nach einem Versatz direkt auf den Ammoniten hin fortsetzte - oha! Jetzt galt es...

 

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Abb. 5: Der Stein gab den Ammoniten zunächst halb frei. Nicht schlecht, denn die Schale verblieb beim Spalten auf dem Ammoniten.

 

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Abb. 6: Detailansicht.

 

Ich erwägte schon, den Brocken so wie er war (Abb. 5 und 6) zum Auto zu schleppen, um nichts zu risikieren. Allerdings war der Ammonit mit anhaftendem Gestein noch mächtig schwer - die mit dem Ballast zurückzulegende Strecke ganz schön lang - und außerdem zeigte sich da noch eine Fuge entlang des Ammoniten. Ich klopfte also nach Ermunterung durch meinen Sammlerfreund Hartmut Stych vorsichtig weiter.

 

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Abb 6: Welch ein Glück, auch die zweite Hälfte des Ammoniten kam ohne großartige Beschädigung der Schale frei! In trockenem Zustand gab der Ammonit durch die Reste des Bewuchses der Schale ein etwas verunziertes Bild ab.

 

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Abb. 7: Nass sah die Sache schon gleich viel besser aus!

 

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Abb. 8 und 9: Links oben als Reminiszenz an den 1. April 2014 die Bildmontage, die das präparierte Stück zeigt. Großformatig das Original, wie es sich während einer Tragepause in den Sand vor dem Burton Kliff eindrückte. Im Hintergrund sieht man den frischen Kliffsturz, der sich während unserer Reise ereignet hatte. Der Unterschied ist gar nicht so groß!

 

Nun, ein wenig gab es - wieder zu Hause angekommen - dann schon noch an der Parkinsonia zu präparieren. Es dauerte erstmal einige Monate, bis ich dazu kam, denn auf ein paar andere Stücke war ich noch etwas neugieriger - bei der Parkinsonia ließ sich bereits im Fundzustand erahnen, dass sie nicht ganz so schlecht werden würde, bei anderen Stücken gab es diesbezüglich größere Fragezeichen.

 

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Abb. 10: Zunächst wurde ein abgesplittertes Teil mit einem Restück der Wohnkammer vor dem Ankleben mit einem Edding markiert. Die Markierung diente als Erinnerungsstütze, was vor dem Ankleben des Fragments ans Gehäuse an Gestein entfernt werden durfte und was nicht. Bei Betrachtung der Abbildung fällt auf, dass man die Anwachslinie der Wohnkammer etwa bis 5 Uhr auf dem Ammoniten verfolgen kann. Die Wohnkammer ist trotz des Durchmessers von 28 cm nur im Ansatz überliefert.

 

Nach dem Ansetzen des abgebrochenen Stücks und der ersten Strahl-Session - wie immer, verwendete ich Eisenpulver - zeigte sich folgendes Bild:

 

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Abb. 11: Die Parkinsonia in anpräpariertem Zustand.

 

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Abb. 12: Vor- und während der Präparation. Ich entschied mich für die Variante ohne Bewuchs, da im Wesentlichen nur unansehnliche Reste der Epöken auf der Schale des Ammoniten vorhanden waren. Nur auf den Innenwindungen waren sie etwas besser erhalten, doch gerade die inneren Windungen wollte ich gerne freilegen. Hierbei kam es leider wegen der ungemein zähen Anhaftungen zu kleinen Schalenverlusten am Ammoniten, die in der Gesamtansicht aber zu verschmerzen sind.

 

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Abb. 13: Der Ammonit nach der Strahl- und Stichelpräparation. Jetzt nur noch Einlassen, um den schon im Fundort wesentlich ansprechenderen Nasszustand (vgl. Abb. 7) nachzuempfinden.

 

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Abb. 14: Das mit einem Mowilith-Aceton-Gemisch eingelassene Fossil. Es fällt auf, wie für größere Ammoniten typisch, dass die Skulptur sich nach außen immer mehr abschwächt. Insofern ist es fast ein Glücksfall, dass die Wohnkammer nicht erhalten ist, denn der Ammonit wäre sonst im Bereich der Außenwindung fast skulpturlos und damit recht langweilig anzuschauen.

Es handelt sich um eine Parkinsonia cf. dorsetensis aus dem Truellei-Bed des Bajociums (Parkinsoni-Zone) von Burton Bradstock.

 

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Abb. 15: Blick auf das Zentrum des Ammoniten. Die Schale der Innenwindungen ist in bläulichem Kalzit überliefert. Manche Ammoniten aus dem Truellei Bed von Burton Bradstock sind vollständig blau kalzitisiert - solche Stücke sind sehr begehrt bei Sammlern.

 

Eigentlich wäre der Bericht an dieser Stelle zu Ende gewesen. Doch am zweiten Exkursionstag der Tour des Jahres 2014, dem 24. März (da war der Aprilscherz schon längst zur Publikation vorbereitet), besuchten wir wieder einmal das Burton Cliff. Beim Herumstromern entdeckte ich zwischen Aalenium-Blockwerk einen Ammonitenrücken. Ich dachte mir: Sieht aus wie eine Parkinsonia - sicherlich nur ein Bruchstück, denn lose kann sie ja unmöglich heil dort liegen!

 

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Abb. 16: Ein Parkinsonia-Bruchstück, so denke ich zunächst...

 

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Abb. 17: Bis ich mich bücke und weitere Umläufe des Ammoniten erahnen kann.

 

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Abb. 18: Und noch einmal aus der Nähe. Der Ammonit scheint recht vollständig zu sein! Die Fundsituation ist nicht gestellt - ich musste mich jetzt tatsächlich etwas zügeln, erst die Fotos zu machen und dann das Ammonshorn aus dem Kies zu ziehen.

 

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Abb. 19: Und tatsächlich: Die Parkinsonia läuft herum und bis ins Zentrum hinein - und gut und gerne 20 cm Durchmesser hat sie auch.

 

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Abb. 20: Die Rückseite, kurz nach Entdeckung und noch vor weiterer Säuberung. Auch hier liegt der Ammonit (leider) schon bis ins Zentrum frei. Großartig präparieren kann man dieses Stück dementsprechend nicht mehr.

 

Wäre die Erhaltung nicht den entscheidenden Tick schlechter - der Ammonit wurde offenbar schon etwas vom Meer durchgeschüttelt und die Schale dabei fast vollständig abgeschliffen, wodurch man allerdings die Lobenlinien schön zu sehen bekommt - hätte ich meinen Aprilscherz beinahe zurückrufen und stattdessen dieses Stück vorstellen müssen. Es ist schon erstaunlich, was für Zufälle es manchmal gibt. Das zeigt: Beim Sammeln ist fast nichts unmöglich. Dank der guten Trennfuge zwischen Fossil- und Gestein sind im Idealfall selbst "Kliffsturz-Präparate" nicht völlig ausgeschlossen. Wäre der neulich gefundene Ammonit nicht von der Brandung geschliffen worden, wäre er fast ähnlich gut, wie mein mühsam herausgemeißeltes Stück aus dem Vorjahr. Ich glaube nicht, dass ihn ein Sammler herausgemeißelt und liegen gelassen hat, angesichts der Qualität, die er gehabt haben dürfte, als er frisch aus dem Gestein geplatzt ist.

 

Dank

Mein Dank gilt Eckhard Petersen (Unna) für die Vorarbeit an dem Truellei Bed Block und die Tipps zu diesem Gestein und seiner Bearbeitung. Ohne Eckhards Vorarbeit hätte ich ich diese Parkinsonia definitiv nicht gefunden. Parkinsonia ist in Burton zwar ein häufiger Ammonit, aber eine große Parkinsonia in ordentlicher Erhaltung findet man dennoch nicht oft.