Mittlerer Jura

Anspruch und Wirklichkeit: Eine Cephalopoden-Stufe aus dem Parkinsonienoolith von Sengenthal

Am 12. Juni 2013 berichtete Jürgen Graf (Künzelsau) in Andreas E. Richters überaus informativem Internetmagazin Leitfossil.de über zwei Fossilienstufen aus dem berühmten Steinbruch bei Winnberg nahe Sengenthal i.d.Opf., die sich beim Anpräparieren als wesentlich schlechter erhalten entpuppten, als von Jürgen erhofft. Der in Anführungszeichen gesetzte Titel des damaligen Leitfossil-Beitrags ("Sengenthal Schrott") war vor dem Hintergrund der Ernüchterung, die sich zu Beginn der Präparation bei Jürgen einstellte, bewusst drastisch gewählt worden. Jeder der selbst auch schon solch herbe Enttäuschungen beim Präparieren hinnehmen musste, konnte richtiggehend mit dem Finder bzw. Präparator mitfühlen, als er las, wie sich nach und nach fast sämtliche auf den Stufen befindliche Individuen als schlechter entpuppten als ursprünglich erhofft, ja vielleicht sogar erwartet. Der am Ende des Artikels gefallene Satz "Da ich das Einsetzen von Innenwindungen ablehne, kann ich beide Stücke zurück auf die Halde werfen." war vermutlich nicht ganz ernst gemeint, ich interpretierte ihn aber offensiv und somit als Einladung mal bei Jürgen nachzufragen, ob er mir nicht die mir interessanter erscheinende der Stufen gegen einen kleinen Obolus verkaufen würde, was doch allemal besser wäre, als sie wegzuwerfen, denn so schlecht war sie ja auch wieder nicht. Jürgen lehnte ab – stattdessen schenkte er mir überraschend die Stufe!

 

Da das Stück etwas unhandlich war und ohnehin gerade das Steinkern-Treffen im Sengenthaler Bajocium vor der Tür stand, an dem ich leider nicht selbst teilnehmen konnte, wurde es dort von Jürgen an unseren Sammlerfreund Christian Hellmann (Velpe) übergeben, der es mir bei nächster Gelegenheit übergab – nämlich auf der Osnabrück Mineralien- und Fossilienbörse Ende November 2013.

 

Die Stufe aus dem Parkinsonienoolith (Bajocium, Mittlerer Jura) ist rund 30 x 22 cm groß und besteht zunächst – ich spreche hier vom Zustand nach Übergabe - aus zirka dreieinhalb Parkinsonien, einem leider schlecht erhaltenen Cadomiten, einer xenomorphen Auster und einem Belemniten der Gattung Belemnopsis. Die Fossilien sind von Jürgen sorgfältig vorgestichelt und geschabt und soweit gesäubert, dass bereits sämtliche Erhaltungsstärken und -schwächen erkennbar sind.

 

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Abb. 1 a-d: Zustand der Stufe nach Übernahme von Jürgen. Es ist schon viel Vorarbeit geleistet worden.

 

Nicht nur Jürgens Enttäuschung war für mich nachvollziehbar, sondern auch seine Anspruchshaltung. Jürgen ist schließlich einer der fleißigsten und langjährigsten Sengenthal-Sammler überhaupt und dürfte dementsprechend über Sammlungsstücke von dort verfügen, die die selbst bei nunmehr ideal verlaufender Präparation maximal erreichbare Qualität dieser Stufe bei Weitem übersteigen.

Auch ich sammle nicht erst seit gestern, so stellt sich vielleicht für die Leser die Frage, warum sollte ich solch eine Fossilstufe, die offensichtlich nicht perfekt erhalten – aber doch noch recht präparationsaufwendig ist – fertigstellen?

 

Mehrere Erwägungen spielen dabei eine Rolle:

 

  • Ich war bisher nur wenige Male in Sengenthal und habe damals nur eine einzige große Stufe (siehe Fossil des Monats August 2007 wurde) geborgen.

  • Ich habe schon seit langem kein eigenes Rohmaterial mehr aus Sengenthal.

  • Sengenthal-Material freizustrahlen macht mir i.d.R. (also, dann, wenn die Fossilien nicht gerade völlig "versintert" oder mies erhalten sind) großen Spaß.

  • Der Parkinsonienoolith ist ein Aufarbeitungshorizont, nicht jedes Fossil kann darin perfekt erhalten vorliegen.

  • Die größte Parkinsonia auf der Stufe hat nicht nur "Gardemaß" sondern ist auch durchaus respektabel erhalten.

  • Es wäre einfach zu schade, eine solche Stufe nicht zu präparieren.

 

Leider fehlte mir zunächst die Zeit mit der Präparation loszulegen. Im Februar aber passte dann alles zusammen: die nötige Zeit und Lust das Stück aus Sengenthal zu präparieren waren da. Etwa ein halbes Dutzend Stunden müsste man trotz Jürgens Vorarbeit schließlich schon noch investieren bis zur Fertigstellung.

 

Meinen ersten Plan, alles möglichst authentisch freizulegen, verwerfe ich schnell. Die Erhaltung des Cadomiten und der halben Parkinsonia, die zudem auch noch Teile der größeren Parkinsonia verdeckt, sind mir zu schwach – beide Stücke müssen weichen (den Cadomiten habe ich aufbewahrt, eventuell lohnt es sich noch die etwas besser erhaltene Rückseite zu präparieren). Insgeheim hoffe ich beim Entfernen der Stücke und dem Gestalten der Matrix darauf, dass währenddessen noch weitere Fossilien auftauchen, was bis auf einen ungünstig in die Tiefe des Gesteins laufenden und daher nicht vollständig darstellbaren Belemniten jedoch nicht der Fall ist.

Mit Eisenpulver und zwischen 3-6 bar Betriebsdruck lege ich die große Parkinsonia zur Hälfte frei. Die Qualität der Oberfläche ist vom Feinsten. Jürgen hatte fast überall bereits ausreichend dicht ans Fossil herangearbeitet, so dass zuvor keine großartige Stichelarbeit mehr erforderlich war. Die kleinere Parkinsonia kann mit etwas weniger Druck freigelegt werden und präsentiert sich mit einem ordentlich erhaltenen Zentrum und ebenfalls gut überlieferter Schalenoberfläche. Der markante Aussetzer der Außenwindung im Wohnkammerbereich könnte auf einen erfolgreich durchgeführten Angriff eines Prädators hindeuten.

 

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Abb. 2 a-c: Die Stufe in anpräpariertem Zustand.

 

Am Venter der größeren Parkinsonia gibt es einige Bereiche, in denen das Sediment unangenehm hart und verkrustet ist. Speziell dort, wo ich den kleineren Parkinsonien-Rest weggestichelt hatte und Röhrenwürmer die Schale zementiert haben, muss immer wieder zwischen Stichel und Strahlgerät gewechselt werden, um voran zu kommen. Zwischenzeitlich hilft es nur noch beim Betriebsdruck fürs Strahlen noch "eine Schippe draufzulegen", um das zähe Sediment zu beseitigen. Zum Glück sind nur kleinere Bereiche so schwierig freizubekommen, sonst hätte ich sicherlich irgendwann vorzeitig aufgegeben. Das Gros der Stufe lässt sich erfreulicherweise wirklich gut strahlen.

 

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Abb. 3 a, b: Die Parkinsonien-Stufe nähert sich der Fertigstellung an.

 

Und schon geht es an die Fertigstellung. Die rechte Seite der Stufe wird bereits geglättet, während "oben" noch einiges zu tun ist, um den Venter des "Eyecatchers" dieser Stufe noch etwas freizulegen. Man hat jetzt das fertige Stück bereits vor Augen, aber gut Ding will Weile haben: Bis das angestrebte Ergebnis dann auch wirklich erreicht ist, dauert es noch ein wenig.

Es wird weiter gestichelt und gestrahlt. Und letztlich dann Bahn für Bahn mit dem Flachmeißeleinsatz des HW-70 die Gesteinsmatrix geglättet. Am Ende wird die Matrix noch einmal übergestrahlt, wodurch sie wieder einiges von ihrem natürlichen Rot zurückgewinnt. Anschließend wird die Stufe unter fließend Wasser gewaschen und rasch abgetrocknet. Die Fossilien sehen nun schon viel besser aus als in der stets etwas staubigen Strahlkabine.

Nach dem Durchtrocknen gewinnen die Fossilien auf der Stufe nochmals stark durch eine Behandlung mit einem (reversiblen) Mowilith-Aceton-Gemisch. Mit dem Mowilith-Anteil sollte man es nicht übertreiben, 1:20 ist vollkommen ausreichend, ggf. nochmals nachpinseln, wenn der Überzug nach der ersten Behandlung zu dünn erscheint. Es genügt, wenn der Ammonit etwa die Farbtiefe des Nasszustands hat, er muss nicht wie glasierte Keramik spiegeln.

 

Am Ende der Präparation sehen wir auf der Stufe folgende Fossilien:

  • Eine 13 cm große Parkinsonia cf. parkinsoni, die fast bis zum Mundsaum erhalten ist. Es sind knapp vier Windungen erhalten, das Zentrum fehlt leider. Ansonsten ist es ein prachtvoller Ammonit; der durch den Serpelbewuchs (Mucroserpula sp.) noch optisch aufgewertet wird. Beachtenswert ist auch eine gewisse Einschnürung des Gehäuses etwa im Bereich der 7. Rippe vor dem Ende der Wohnkammer. Möglicherweise war dies ein erster Ansatz des Ammoniten einen Endmundsaum auszubilden, danach erfolgte aber nochmals ein Wachstumsschub.

  • Eine zirka 7,5 cm große Parkinsonia mit Beschädigung der Wohnkammer (letaler Prädatorschaden oder zufällige mechanische Beschädigung, wir lassen es dahingestellt, jedenfalls wurde die Beschädigung weder vom Hammer des Finders, noch vom Stichel des Präparators erzeugt, geht also nicht auf unsere Kappe!)

  • Ein rund 8,5 langer Belemnopsis sp. (und ein in die Tiefen der Matrix abtauchender zweiter Belemnit)

  • Eine 2,5 cm große xenomorphe Auster. Man beachte die Berippung - die Auster muss ursprünglich auf einem Ammoniten aufgewachsen sein.

 

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Abb. 4 a-f: Die Stufe in fertiggestelltem Zustand mit mehreren Detailansichten.

 

Schlussendlich könnte man nun über eine Ergänzung der fehlenden Innenwindungen der größeren Ammoniten nachdenken. Ich lehne Ergänzungen nicht ganz so prinzipiell ab, wie Jürgen, aber möchte mich doch möglichst auf solche Fälle beschränken, wo man die Fehlstellen selbst zu verantworten hat, etwa durch einen Hammertreffer beim Entdecken eines Fossils im Gelände oder einen Sticheltreffer bei überraschender Entdeckung eines Fossils beim Präparieren. In diesem Fall hat uns die Natur die Fossilien einfach nicht perfekt überliefert, also sollen die Parkinsonien bleiben, wie sie sind. Außerdem ist es nicht ganz unrealistisch, gelegentlich selbst mal wieder eine perfekt erhaltene Parkinsonia zu finden. Warum also die perfekten Stücke relativ häufiger Arten dadurch entwerten, dass man jegliche Stücke mit Schwächen aufhübscht? Man muss sich ja auch noch Ziele für die Zukunft stecken!

 

Und trotzdem, die Fantasie kann schon mit einem durchgehen, wenn man sich vor Augen führt, wie Jürgen die Stufe im Fundzustand vorgefunden hat, dann hätte sie im Idealfall ungefähr so werden können:

 

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Abb. 5: Was wäre wenn? Photoshop-Variante mit idealisiertem Bild der Sengenthal-Stufe (unter Verwendung eines Cadomites (Polyplectites) von Stephan (Salve) und einer Parkinsonia aus meiner Sammlung (einigen als Aufdruck des schwarzen Steinkern.de T-Shirts bekannt).

 

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Abb. 6: Und hier noch mal der Ablauf der Präparation im Überblick - inklusive Photoshop-Wunschtraum.

 

Ein bisschen Wunschdenken darf schon sein, aber nach rund 170 Millionen Jahren muss man gewisse Abstriche bei der Fossilerhaltung einfach in Kauf nehmen. Ich drücke Jürgen fest die Daumen, dass die nächste Großstufe ganz nach seinem Geschmack wird – die Chancen dafür stehen in Sengenthal - anders als an vielen anderen Fundpunkten - dafür gar nicht so schlecht.

 

Dank

Mein herzlicher Dank gilt Jürgen Graf für die großzügige Schenkung der Stufe. Ebenfalls danken möchte ich Christian Hellmann für den Transport und Heiko Sonntag für das Zwischenlagern des Parkinsonien-Brockens am Trifoss-Stand auf der Osnabrücker Messe.

 

Literatur:

Graf, J. (2013): Sengenthal Schrott, Rubrik: Präparation, Internetmagazin Leitfossil.de (archiviert auf der Leitfossil-Jahres CD 2013)