Geologische Denkmäler und Attraktionen
Geologisch-paläontologische Einblicke in das Steinheimer Becken
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- Kategorie: Geologische Denkmäler
- Veröffentlicht: Samstag, 07. September 2019 15:38
- Geschrieben von Norbert Wannenmacher
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Auf der Hochfläche der östlichen Schwäbischen Alb liegt das Steinheimer Becken (Landkreis Heidenheim, Baden-Württemberg). Es handelt sich bei dieser runden Kraterstruktur mit einem Durchmesser von 3,5 Kilometern um einen Impaktkrater, verursacht durch den Einschlag eines kosmischen Körpers. Dieser Einschlag war vor 14,5 Millionen Jahren (Mittelmiozän) vermutlich eine Begleiterscheinung des großen Ries-Impakts, welcher ganz Süddeutschland in eine Trümmerwüste verwandelte. Der Einschlagskörper des Steinheimer Beckens wird auf etwa ein Zehntel der Größe des Impaktkörpers von Nördlingen geschätzt. Deshalb ist der Meteorkrater von Steinheim am Albuch viel kleiner als das Nördlinger Ries – seine geringe Größe macht ihn gleichzeitig aber auch sehr anschaulich und man kann alles aufgrund der geringen Entfernungen gut erwandern.
Entlang eines Geologischen Lehrpfades lässt sich die Geschichte des Einschlags nacherleben. Der kurz nach dem Impakt entstandene Lebensraum des Steinheimer Kratersees und dessen unmittelbare Umgebung werden dargestellt. Der Kraterrand, ehemalige Seeböden und der durch den Aufprall entstandene Zentralhügel sind immer im Blickfeld. Der Fossiliensammelplatz bietet Gelegenheit, Belegstücke wissenschaftsgeschichtlich bedeutsamer kleiner Schnecken zu sammeln. Das Meteorkratermuseum zeigt einmalige Funde und erklärt die Geschichte des Kraters sowie die Lebewelt des ehemaligen Biotops des Kratersees.
Abb. 1: Blick vom Kraterrand am Burgstall zum Zentralhügel. Im Hintergrund der nördliche Kraterrand. Foto vergrößern.
Ich starte die Tour am Museumsparkplatz in Sontheim und gehe zunächst in Richtung Süden zum Burgstall. Dort liegt ein sehr schöner Felsaufschluss mit durch den Einschlag stark zertrümmerten Oberjuragesteinen.
Abb. 2: Aufschluss am Fuße des Burgstall mit Trümmerbrekzien aus Kalkgestein des Oberjura.
Abb. 3: Trümmerbrekzie vom Burgstall, Breite 60 mm. Slg.: N. Wannenmacher
Von dieser Stelle geht es steil aufwärts auf den Burgstall. Festes Schuhwerk ist zu empfehlen. Der Ausblick über den Krater zum Zentralhügel Steinhirt-Klosterberg und zum gegenüber liegenden Kraterrand zeigt die ganze Dimension des Einschlagskraters. Kurz nach dem Impakt mit Wasser gefüllt, bildete der Krater einen See und somit neuen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Der Zentralhügel ragte als Insel aus dem Wasser. Für einige Zeit war auch dieser Hügel mit Wasser bedeckt. Der Geologischen Lehrpfad bietet natürlich auch Einblicke in die heutige Tier und Pflanzenwelt in und am Krater.
Abb. 4: Typische Pflanzengesellschaft auf Oberjurakalk auf dem Burgstall. An den Wegen des Geopfades lässt sich die Vegetation im Verlauf der Jahreszeiten gut beobachten.
Nur 500 Meter weiter liegt der Aufschluss am Knillhang. Hier sind am Kraterrand die schräggestellten Kalke der Mergelstetten-Formation zu sehen. Im Hangenden befindet sich der Kontakt zu den Trümmerbrekzien, die auch manchmal verstreut im Gelände zu finden sind.
Abb. 5: Aufschluss am Knillhang. Schräggestellte Oberjurakalke der Mergelstetten-Formation am südlichen Kraterrand.
Abb. 6 (eingeblendet): 20 cm breites Stück Trümmerbrekzie mit einer zerscherten Hornsteinknolle am Knillhang.
Es ist dann nur noch ein kurzes Wegstück bis zum Knill-Wäldchen zu gehen. Von dort gibt es die Möglichkeit für einer kürzere Variante der Tour direkt zum Zentralhügel oder man wählt eine längere Route in einer weiten Schleife über Steinheim.
Abb. 7: Das Knill-Wäldchen. Am Geopfad können auch Zeugnisse der alten Weidewirtschaft im Krater beobachtet werden. Das Weidevieh hat das Unterholz und die tief liegenden Äste kurz gehalten und somit ein natürliches Dach als Unterstand geschaffen.
Abb. 8: Auch bei schlechtem Wetter ist ein beeindruckender Blick auf den Zentralhügel und die Kraterränder des Steinheimer Beckens möglich. Foto vergrößern.
Ich folge dem direkten Weg zum Klosterberg durch den ehemaligen Talboden. Nachdem der Wentalfluss den Kraterrand durchbrochen hatte, fiel der See trocken. Durch den Durchbruch wurde das Seesediment teilweise abtransportiert und das heute sichtbare Relief mit dem Kraterrand und der Erhebung des Zentralhügels erosiv herauspräpariert. Am Wegesrand auf den Äckern sind gerundete Gerölle zu entdecken, sogar Schneckenkalke habe ich hier schon gesehen.
Nach dem Anstieg auf den Klosterberg fällt der Blick auf den markanten Wäldlesfels – ein Kalkalgen-Riff, das sich zu einer Zeit gebildet hat als der Seespiegel im Krater den Zentralhügel überragte. Solche Riffe reihten sich einst um den ganzen Hügel. Mit der Nutzung als Schotter-Steinbrüche für den Eisenbahnbau um das Jahr 1860 verschwanden fast alle.
Abb. 9: Der Wäldlesfels. Ein stehengebliebenes Kalkalgen-Riff auf dem Zentralhügel.
Abb. 10: Anschauliche Erklärungstafeln dienen zur Information am Geologischen Lehrpfad.
Abb. 11: Durch umfangreiche Auslichtungsmaßnahmen wurde der Blick auf ein weiteres Kalkalgen-Riff auf dem Zentralhügel frei.
In unmittelbarer Nähe hat eine moderne Berghütte eröffnet und bietet Rastgelegenheit und Verpflegung. Danach beginnt der langsame Abstieg zum Sammelplatz. Hier bietet sich Gelegenheit, einige der berühmten Schneckchen des Steinheimer Beckens aufzulesen. In einer Arbeit von Franz Hilgendorf (1839-1904) wurde im Jahr 1866 eine Abfolge der unterschiedlichen Morphotypen/Arten von Gyraulis "multiformis" dargestellt. Dieser Stammbaum befeuerte die Diskussion um Darwins Abstammungstheorie und gilt als Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte.
Eine ausführliche Darstellung der "Schneckengeschichte" mit Hilgendorfs Schnecken-Stammbaum ist hier zu finden:
http://www.paleoweb.net/hilgendorf/index.htm
Abb. 12: Am Sammelplatz bestehen Fundmöglichkeiten für die Steinheimer Schnecken.
Abb. 13: Vom Regen ausgewaschen, lassen sich die kleinen Schneckchen leicht auflesen.
Abb. 14: In dünnen Kalkbänkchen liegen die Schneckengehäuse oft dicht beieinander. Größte Schnecke 5 mm. Slg.: N. Wannenmacher.
Abb. 15: Radialstrahliger Aragonit aus einem Schneckenkalkbänkchen. Bildbreite 30 mm. Slg.: N. Wannenmacher.
Der Weg führt schließlich hinunter zur ehemaligen Sandgrube am Ortsrand von Steinheim. Diese lieferte die größte Menge der berühmten Funde aus dem Steinheimer Becken, die zeitlich mit einem Alter von 13 bis 14 Millionen Jahren in das mittlere Mittelmiozän einzuordnen sind. Neben den wissenschaftshistorisch bedeutsamen fossilen Schnecken, sind es besonders die zahlreichen hervorragend erhaltenen Wirbeltierfunde, die den Ruf des Steinheimer Beckens als eine der bedeutendsten Tertiärfundstellen Europas begründen. Einige Funde sind, nur wenige hundert Meter von ihrem Fundort und ihrem ehemaligen Lebensraum, im Meteorkrater-Museum in Sontheim ausgestellt. Einen guten Überblick über die fossile Fauna und Flora bietet auch das Buch "Der Steinheimer Meteoritenkrater"(Heizmann & Reiff 2002). Grabungen an dieser Stelle sind natürlich weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen vorbehalten.
Abb. 16: Die ehemalige Pharionsche Grube. Funde aus dem aktiven Abbau und den wissenschaftlichen Grabungen sind im Meteorkratermuseum ausgestellt.
Der Weg zurück nach Sontheim und zum Museum führt über ebenes Gelände. Eine Station des Geopfades ist noch den Bohrungen im Steinheimer Becken gewidmet. Danach geht es zurück zum Parkplatz.
Ein Besuch des Meteorkratermuseums ist unbedingt zu empfehlen. Die nachfolgenden Bilder aus dem Museum zeigen nur einen kleinen Auschnitt der sehenswerten Ausstellung.
Abb. 17: Im Meteorkratermuseum.
Abb. 18: Diorama der Lebewelt am Kratersee.
Abb. 19: Der Pfeifhase Lagopsis verus. Foto vergrößern.
Abb. 20: Unterkiefer und Schädelrest vom Pelikan Miopelecanus intermedius. Foto vergrößern.
Abb. 21: Backenzähne des Mastodonten Gomphotherium angustidens steinheimensis, Länge des Kiefers 60 cm.
Abb. 22: Blatt des Walnussbaums Juglans acuminata, Höhe der Platte 30 cm.
Abb. 23: In dieser Vitrine werden unter anderem Schildkrötenreste präsentiert.
Abb. 24: Strahlenkalk mit typischer Musterung – entstanden im Augenblick des Einschlags. Foto vergrößern.
Literatur (Auswahl):
Heizmann, E. P. J. & Reiff, W. (2002): Der Steinheimer Meteorkrater, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München.
Hilgendorf, F. (1866): Planorbis multiformis im Steinheimer Süßwasserkalk. Ein Beispiel von Gestaltveränderung im Laufe der Zeit, in: Monatsberichte der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin, S. 474–504.
Tipps zum Thema Steinheimer Becken im Internet:
Kurze Beschreibung, schöne Bilder, Literaturverzeichnis:
https://de.wikipedia.org/wiki/Steinheimer_Becken
Umfassende Seite mit vielen Infos:
http://www.steinheimer-becken.de/
Link zum Meteorkratermuseum:
https://www.steinheim-am-albuch.de/
(Infos zum Museum bei Unterpunkt Tourismus zu finden)
Öffnungszeiten Meteorkratermuseum Hochfeldweg 5 89555 Steinheim – Sontheim i. St. (Stand 8/2019):
Vom 01.03. bis 31.10. eines jeden Jahres:
Donnerstag und Freitag: 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr
An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen: 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Von November bis einschließlich Februar eines jeden Jahres ist das Museum geschlossen, für Gruppen kann es aber nach Vereinbarung und Voranmeldung geöffnet werden.
Eine Fernsehsendung der Reihe "Spuren im Stein" zum Thema Nördlinger Ries und Steinheimer Becken in der ARD Mediathek:
https://www.ardmediathek.de/swr/player/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEwMTE4NjU/spuren-im-stein-das-noerdlinger-ries
Norbert Wannenmacher für Steinkern.de
Zur Diskussion zum Bericht im Steinkern.de Forum:
https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=28442
Weiterführende Artikel zu den Impaktstrukturen Steinheimer Becken und Nördlinger Ries auf Steinkern.de und in der Steinkern-Zeitschrift:
Kalbe, J. & Albert, R. (2013): Eine Exkursion ins Nördlinger Ries - Fossilien sammeln im "Geschiebe", in: Der Steinkern, 12, S. 56-66.
Albert, R. (2013): Meteoritenkrater Nördlinger Ries: Das Geotop Kalvarienberg, Steinkern.de, Rubrik: Geologische Denkmäler.