Aus der Morgendämmerung: Pferdejagende Krokodile und Riesenvögel

geiseltal foto karl simonsen

Ausgrabungsarbeiten (vermutlich im Tagebau „Cecilie IV“) im Geiseltal um 1933/1934. Foto: Karl Boy Simonsen

 

Nur noch bis zum 29. Mai 2015 zeigt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Jägerberg 1, 06108 Halle/Saale) eine Sonderausstellung zum Thema Geiseltalfossilien. Die Ausstellung umfasst Originalfossilien (darunter auch das berühmte Geiseltal-Urpferd), bezieht aber auch Skelettrekonstruktionen und digitale Medien ein. Der Titel der Ausstellung lautet "Aus der Morgendämmerung: Pferdejagende Krokodile und Riesenvögel". Das im Geiseltal geborgene Fossilmaterial aus dem Eozän braucht den Vergleich mit den Funden aus der bekannteren Grube Messel mit ihren ebenfalls eozänzeitlichen Ablagerungen (mittlerweile UNESCO Welterbe) nicht zu scheuen. Die Geiseltal-Fossilien wurden im damaligen Braunkohletagebaugebiet Geiseltal in Sachsen-Anhalt über mehrere Jahrzehnte hinweg im Verlaufe von diversen Ausgrabungskampagnen gefunden. Erste Funde, deren wissenschaftliche Bedeutung aber zunächst noch unterschätzt wurde, stammen bereits aus dem Jahr 1908, erst ab Mitte der 1920er-Jahre wurde dann intensiver geforscht und in den 1930er-Jahren die Ausgrabungsarbeiten intensiviert. In den 1930er-Jahren wirkte auch mein Großvater Karl Boy Simonsen (1914-1994) im Rahmen des Arbeitsdienstes an den Ausgrabungen mit. Im Vorfeld der Ausstellung erhielt ich aufgrund meiner Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 unter dem Titel "Nostalgisches zur berühmten Fossillagerstätte Geiseltal" eine Anfrage vom Kustos der Geiseltalsammlung Dr. Meinolf Hellmund, dem ich daraufhin selbstverständlich gerne Fotomaterial aus unserem privaten Album zur Verwendung für die Ausstellung und den Ausstellungsführer zur Verfügung stellte. Auf einigen der historischen Aufnahmen konnten sogar von den Geiseltal-Spezialisten noch bedeutende damalige Ausgräber identifiziert werden, vgl. die Wiedergabe der Fotos mit Bildunterschriften im Ausstellungsführer. Von 1938 bis 1949 kamen die Ausgrabungen im Geiseltal aufgrund des Zweiten Weltkriegs zum Erliegen, bevor in den 1950er- und 1960er-Jahren nochmals ausgedehnte Ausgrabungen erfolgten, bei denen nochmals Fossilien in großer Zahl geborgen werden konnten.

Nachdem insgesamt 1,4 Milliarden Tonnen Braunkohle industriell abgebaut worden waren (und nochmals eine ähnliche Menge Abraum), wurde der Abbau im Geiseltal im Jahr 1993 eingestellt, 2003 begann man mit der Flutung des Tagebaus, die 2011 abgeschlossen wurde - es entstand der Geiseltalsee, der mit fast 19 Quadratkilometern derzeit der größte künstlich angelegte See Deutschlands und einer der zehn wasserreichsten Seen des Landes ist.

Die Überlieferung der Fossilien aus dem Eozän des Geiseltals ist einem kleinen Kalkplateau zu verdanken, das im Südwesten einer Moorlandschaft lag und aus dem kalkhaltige Gewässer entsprangen, welche die chemische Zersetzung von aus dem Pflanzenmaterial stammenden im Moorboden enthaltenen Säuren örtlich hemmten und somit eine sensationelle Fossilerhaltung (dreidimensional und z. T. sogar Weichteilerhaltung und Farberhaltung) ermöglichten. In weiter von diesem Kalkplateau entfernt gelegenen Bereichen  des Tagebaus waren die geochemischen Überlieferungsbedingungen mangels Eintrags von kalziumkarbonatreichen Wässern schlechter, so dass die Grabungskampagnen in den 1980er-Jahre, wie auch die Grabungserfolge, mehr und mehr zurückgingen. Mit der Einstellung des Abbaus 1993 endeten auch die größer angelegten Ausgrabungen.

 

Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Genaue Informationen zu den Öffnungszeiten, zur Anreise usw. finden sich auf der Website zur Ausstellung unter www.geiseltal-ausstellung.de

 

Wer es kurzfristig nicht mehr in die Ausstellung schafft, dem sei der Download des in deutscher und englischer Sprache verfügbaren Ausstellungskatalogs (Umfang: 122 Seiten, reiche Illustration) empfohlen, dessen Titel dem der Ausstellung entspricht:

 

Aus der Morgendämmerung: Pferdejagende Krokodile und Riesenvögel

Neueste Forschungsergebnisse zur eozänen Welt Deutschlands vor ca. 45 Millionen Jahren 

 

Gaining Ground: Horse-hunting Crocodiles and Giant Birds
New research results on the Eocene World of Germany ca. 45 Million Years Ago

 

Den Ausstellungskatalog erstellten Alexander K. Hastings und Meinolf Hellmund, die auch das wissenschaftliche Konzept der Ausstellung erarbeiteten und zur Umsetzung vielfältige Unterstützung erhielten.

 

Kostenloser Download des 122-seitigen Ausstellungskatalogs von der Website der LEOPOLDINA:

http://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Veranstaltungen/Ausstellungen/2015_03_06_CATALOGUE_Geiseltal.pdf

 

Viel Spaß!

Sönke Simonsen