Trilobiten

Drei auf einen Streich: Präparation einer Harpes-Stufe aus dem Devon der belgischen Ardennen

Trilobiten der Familie Harpetidae gehören zu den beliebten und gesuchten Raritäten unter den devonischen Fossilien. Treten sie in Marokko noch relativ zahlreich auf, so sind Harpetiden aus der Eifel oder Belgien schon um einiges schwieriger zu bekommen. Umso überraschter war ich, als Benedikt Magrean mich um die Präparation eines Fundstücks bat, in dem neben einem kompletten Harpes noch zwei weitere Kopfschilde steckten. Über die schwierige Präparation dieses besonderen Fundes soll im Folgenden berichtet werden.

Die Stufe konnte in vier Bruchstücken geborgen werden, wobei Benedikt vorbildlich auch kleinere Splitter aufbewahrte, die noch Schalensubstanz beinhalteten. Es ist ungemein wichtig, die Bruchkanten genau zu studieren und gegebenenfalls Schalensplitter aufzulesen, damit diese später an den passenden Stellen verklebt werden können.

Sehen wir uns zunächst drei Teilstücke der Stufe genauer an:

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Abb. 1: Drei Teilstücke zusammengesetzt – noch ist kein Trilobit erkennbar!

 

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Abb. 2: Nimmt man den obersten Stein ab, so erkennt man deutlich das Negativ eines Harpes.

 

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Abb. 3: Das kleinste Bruchstück der Stufe: Der Kopfschild und die wunderbar artikulierten Pleuren lassen sich sehr gut erkennen. Leider erkennt man auch, dass unterhalb des Trilobiten nur ganz wenig Gestein vorhanden ist. Hier muss im Laufe der Präparation unterfüttert werden! Dieser komplette Harpes wird im Folgenden als Harpes 1 bezeichnet.

 

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Abb. 4: Im Gegenstück muss man schon genauer hinschauen, um etwas zu sehen, kann aber bei eingehender Betrachtung deutlich Kopfschild und Pleuren erkennen.

 

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Abb. 5: Ebenfalls auf dem großen Hauptstein und kurz unterhalb von Harpes 1 liegt ein isolierter Kopfschild, nachfolgend Harpes 2 genannt, welcher schon schwieriger zu erkennen ist. Leider liegt dieser genau in einer Kluft, die recht stark angewittert war, sodass ein großer Teil des Siebsaums fehlt und die vorhandene Schale etwas beschädigt ist.

 

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Abb. 6: Harpes 1 und 2 liegen dicht beieinander. Harpes 1 befindet sich zum Teil auch in der erwähnten Kluft, ist aber nicht so stark angewittert, wie Harpes 2. Lediglich die letzten Pleuren laufen in die Verwitterungszone hinein.

 

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Abb. 7: Das vierte Gesteinsstück der Stufe. Unten, etwas rechts der Bildmitte, ragt ein weiterer Kopfschild (Harpes 3) hervor. Auch hier ist nur sehr wenig Matrix unterhalb des Fossils vorhanden, sodass sich bereits abzeichnet, dass im Verlaufe der Präparation stabilisierende Maßnahmen von der Unterseite vorgenommen werden müssen.

 

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Abb. 8: Nahaufnahme des von Benedikt bereits anpräparierten Kopfschilds. Fehlende Schalenstücke wurden aufgehoben, sodass sie später wieder angefügt werden konnten.

 

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Abb. 9: Hält man den großen Hauptstein und das vierte Gesteinsstück aneinander (Rückseite), so fällt auf, dass, wie es leider oft unvermeidbar ist, ein paar Stücke der Matrix verlorengingen, sodass der vierte Teil des Stücks nur noch an wenigen Millimetern Matrix mit dem größeren Teil der Stufe verbunden ist. Zudem hatte Benedikt zur Entnahme der Gegenstücke von Harpes 3 ein wenig Sägen müssen. Es steht fest, dass einiges an Matrix geschaffen werden muss, um die drei Trilobiten gemeinsam auf einer Stufe darstellen zu können.

 

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Abb. 10: Die Stufe ohne den „Deckel“. Der vierte Stein wurde schräg daneben gestelllt, damit man die Position von Harpes 3 erahnen kann. Er liegt tief unten im Gestein und ist relativ steil geneigt, sodass auf jeden Fall einiges an Matrix abgetragen und teils rückseitig angesetzt werden muss. Größere Ansicht des Fotos anzeigen.

 

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Abb. 11: Hier sind die Positionen der drei Trilobiten markiert. Mit ein wenig Fantasie lässt sich schon das Potenzial für eine schöne Stufe erahnen, oder?

 

Eine intensive Vorbetrachtung von Rohlingen ist – insbesonderem im Falle von Fossilstufen – äußerst wichtig, da jeder Schritt während der Präparation auf das erwünschte Ergebnis ausgerichtet sein muss. Wenn man nicht genau weiß, welche Bereiche der Matrix abgetragen werden sollen bzw. dürfen und welche unbedingt stehen bleiben müssen, kann man schnell Fehler machen, durch welche die gemeinsame Darstellung aller Fossilien schlimmstenfalls nicht mehr oder nur noch mit Abstrichen möglich ist. In diesem Fall würde kein Weg daran vorbei führen Matrix anzusetzen, um ein schönes Schaustück unter Einschluss aller Individuen erhalten zu können. Doch bevor entschieden werden kann, wo genau und wie viel Stein nachgebildet werden müsste, gilt es die Trilobiten anzupräparieren, um ein genaues Bild der Stufe zu gewinnen.
Hierzu wird bis kurz vor Erreichen der Schale überwiegend gestichelt und dann gestrahlt. Insbesondere in den härteren Bereichen der Matrix kann fast nur gestrahlt werden, da die Schale nur äußerst schlecht trennt.

 

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Abb. 12: Harpes 3 liegt dagegen in deutlich mergeligerem Gestein vor und lässt sich vergleichsweise gut freilegen. Stück für Stück wird die Schräglage des Kopfschilds im Sediment deutlicher.

 

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Abb. 13: Harpes 2 nach dem Anpräparieren. Die angewitterten Schalenteile wurden vorab mit dünnflüssigem Kleber getränkt. Gleich 1-2 Millimeter von der Verwitterungszone entfernt wird der Kalk sehr hart und „fies“ – er trennt sehr schlecht.

 

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Abb. 14: Harpes 3 nach dem Einsetzen der Schalenfragmente. Bis auf zwei kleinere Fehlstellen konnte erfreulicherweise alles gesichert werden, später wird daher nur wenig aufgefüllt werden müssen. Leider ließ sich nur noch eine Pleure, nicht aber ein ganzer Panzer finden – bei Vertretern von Harpes ist diese Unvollständigkeit allerdings der Normalfall. Der Siebsaum und die kleinen Stacheln an den Spitzen konnten durch sanftes und langsames Strahlen sehr gut freigelegt werden.

 

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Abb. 15: Beide Seiten von Harpes 2 sind weitestgehend freigelegt worden und eine erste Suchgrabung offenbart bereits, dass auch hier nicht mit einem kompletten Harpes zu rechnen ist. Wie schon bei Harpes 3 ist dies keine große Überraschung, findet man doch meistens „nur“ die Kopfschilde dieser Trilobiten. Da diese einen Großteil der Oberfläche des Trilobiten ausmachen, wirken diese auch für sich genommen.
Bei Harpes 1 habe ich nach dem Anpräparieren der rechten Seite das Ansetzstück mit der linken Körperhälfte angeklebt.

 

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Abb. 16: Zur Stabilisierung ist es unbedingt nötig gewesen, das Ansetzstück mit Kleber zu unterfüttern. Da später der gesamte Stein noch „modelliert“ werden muss, kam es hierbei nur auf die stützende Funktion an; auf eine Einfärbung oder harmonische Anpassung konnte zunächst verzichtet werden.

 

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Abb. 17: Harpes 1 von der Oberseite nach weiterer Freilegung. Die Pleuren tauchen tief in das Gestein ab. Die linke Seite zeigt den angewitterten Steinkern. Die Schale muss noch aus dem Negativ ausgesägt und aufgeklebt werden.

 

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Abb. 18: Geschafft! Das Transferieren der Schale aus dem Gegenstück verlief problemlos und die Oberfläche offenbart nach weiterer Präparation eine überraschend gute Erhaltung, wie sie im Fundzustand nicht zu erwarten war.

 

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Abb. 19: Harpes 1 und 2 während der Präparation. Harpes 2 zeigt leider weitaus deutlichere Schäden durch Witterungsprozesse, aber auch hier war es möglich große Teile des Kopfschilds zu retten. Lediglich der vordere Siebsaum lag genau in der Kluft – Benedikt und ich entschieden uns dafür, den verwitterungsbedingt fehlenden Bereich zu rekonstruieren.

 

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Abb. 20: Zur Orientierung ist es wichtig, die Teile der Stufe während der Präparation hin und wieder aneinanderzulegen und zu schauen, wie viel Matrix noch entfernt werden muss. Hier wurde schon einiges an Gestein bewegt, wodurch sich die angestebte spätere Form des Stücks bereits langsam herausbildet. Man beachte die minimalen Ansetzstellen für Harpes 3 – ohne eine Matrixrekonstruktion wäre es nicht möglich gewesen, die drei Harpes in ästhetisch ansprechender Form wieder zu vereinen.

 

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Abb. 21: Zur Rekonstruktion der verwitterten Schale und zum Auffüllen von Fehlstellen im Bereich des Bruchs wird Epoxidharz mit Steinmehl eingefärbt und aufgetragen.

 

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Abb. 22: Nach dem Aushärten kann das Harz in Form gebracht werden und komplettiert nun das Erscheinungsbild der Trilobiten. Mit Harpes 3 wird ebenso verfahren.

 

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Abb. 23: Harpes 1 im Überblick nach Abschluss der Freilegung und mit Wasser benetzt. Das Pygidium liegt entweder verrutscht und eingeklappt unter den Pleuren (wie es sehr oft der Fall ist) oder lag tatsächlich ausgestreckt vor, wäre dann aber leider der Verwitterung zum Opfer gefallen. Glücklicherweise lag der Panzer nicht noch weiter in der Kluft.

 

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Abb. 24: Nach Abschluss der eigentlichen Präparation habe ich die Matrix geglättet, damit waren alle Voraussetzungen dafür geschaffen, mit dem Komplettieren der Stufe zu beginnen.

 

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Abb. 25: Hierzu werden rückseitig und seitlich Stücke der Matrix angeklebt, die während der Präparation von der Oberseite entnommen wurden. Auf diese Weise muss kein „Fremdgestein“ verwendet oder allzu viel Matrix durch Epoxidharz nachgebildet werden.

 

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Abb. 26: Zwischenstand auf der Vorderseite: der eingefärbte Kleber muss noch geschliffen werden. Auch fehlen links neben Harpes 1 und 2 noch kleinere Gesteinsstücke, um das Gesamtbild abzurunden.

 

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Abb. 27: Diese werden zunächst mit Sekundenkleber in der richtigen Position fixiert und dann die Fugen mit Epoxidharz aufgefüllt. Die geglättete Matrix wird gestrahlt, um eine natürlichere Gesteinsfarbe zu erhalten. Dies ist reine Geschmackssache und je nach Stück kann es auch besser aussehen, einen „Spot“ um das Fossil herum weiß zu sticheln anstatt die Matrix zu strahlen.

 

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Abb. 28: Im letzten Arbeitsschritt wird Apoxie Sculpt mit reichlich Steinmehl vermengt und zum Auffüllen letzter verbliebener Fugen und Zwischenräume eingesetzt.

 

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Abb. 29: Das fertige Präparat. Ansicht vergrößern.

 

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Abb. 30: Harpes 1 und 2 nach Abschluss der Präparationsarbeiten.

 

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Abb. 31: Ansicht vergrößern.

 

Die wichtigsten Angaben zur Stufe im Überblick:

Fossilien:

Harpes cf. macrocephalus (Goldfuss, 1839)

 

Maße:

Breite der Stufe: 14 cm
Länge des kompletten Harpes: 2,4 cm

 

Stratigrafie:

Mitteldevon (Jemelle-Formation)

 

Fundregion:

Belgische Ardennen

 

Werkzeuge und Materialien:

Verschiedene Stichel aus dem HW-Sortiment, Feinstrahlgerät, Akemi Marmorkitt sowie Apoxie Sculpt zur Matrixmodellierung

 

Arbeitsaufwand:

25 Stunden

 

Fund und Sammlung:

Benedikt Magrean

 

Weiterführende Hinweise
Über Trilobiten der Gattung Harpes wurde im Rahmen von Steinkern.de bzw. der Steinkern-Zeitschrift schon mehrmals berichtet – bisher gezeigte Vertreter stammten aus dem Devon Marokkos (RESCH & RÜCKERT, 2012) bzw. dem Eifeldevon (FREITAG, 2017). Jeweils handelte es sich dabei um Stufen mit mehreren Individuen bzw. Kopfschilden. Mit den hier vorgestellten Vertretern aus den belgischen Ardennen gesellen sich Exemplare aus einer weiteren Fundregion hinzu.
Wer sich näher mit Trilobiten aus dem Devon Belgiens beschäftigen möchte, kann u. a. VAN VIERSEN & VANHERLE, 2018 weitere Informationen entnehmen. Die Arbeit kann kostenlos heruntergeladen werden. Der Finder der hier vorgestellten Harpes-Stufe, Benedikt Magrean, wurde durch die Autoren bei der Vergabe eines neuen Gattungsnamens eines Trilobiten aus dem Devon Belgiens berücksichtigt. Die derzeit zwei Arten umfassende neue Gattung, deren Holotypus Benedikt fand und zur wissenschaftlichen Bearbeitung zur Verfügung stellte, trägt zu seinen Ehren den Namen Magreanops.

 

FREITAG, P. (2017): „Auf links gedreht“: Präparation von zwei Kopfschilden des Trilobiten Harpes aus dem Devon der Eifel, in: Der Steinkern, Heft 31, S. 60-65.

 

RESCH, U. & RÜCKERT, A. (2012): Präparation einer Harpes-Lumachelle aus dem Pragium von Marokko, in: Der Steinkern, Heft 11, S. 60-66.

 

VAN VIERSEN, A. P. & VANHERLE, W.(2018): The rise and fall of Late Devonian (Frasnian) trilobites from Belgium: taxonomy, biostratigraphy and events, in: Geologica Belgica, Vol. 21/1-2, S. 73-94. Download: https://popups.uliege.be/1374-8505/index.php?id=5944

 

Paul Freitag für Steinkern.de

 


 

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