Die Konservierung sulfidisierter Fossilien mittels Ethanolaminthioglycolat und Paraloid B67

Das Problem

Auf die zugrundeliegende Problematik, die in Sammlerkreisen umfassend diskutiert wird, sei zusammenfassend eingegangen: Der Markasitanteil, den viele augenscheinlich "pyritisierte" Fossilien enthalten, neigt unter der in Wohnräumen üblichen Luftfeuchtigkeit (> 40%) dazu, Schweflige Säure und Eisensulfate zu bilden. Durch Befall mit Sulfide verstoffwechselnden Bakterien wird dieser Prozess noch beschleunigt (SEILER). Damit verbunden ist eine strukturelle Schwächung des Fossils und ein optisch unattraktives Ausblühen, weitere Reaktionen der entstehenden Sulfate können das Fossil sprengen, außerdem entsteht Schwefelsäure, die das Fossil und umliegende Gegenstände angreift. Dieser Prozess ist autokatalytisch, d. h. er läuft nach seinem Einsetzen bis zum vollständigen Verbrauch der benötigten Edukte und mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Schlussendlich führt dies zur Zerstörung des Fossils. Durch gasförmige saure Zersetzungsprodukte können benachbarte verkieste Fossilien auf dem Luftweg "infiziert" und bei diesen ebensolche Zersetzungsprozesse ausgelöst werden.


Zur Lösung des Problems wurden zahlreiche Vorschläge gemacht. Da der Zerfall nicht zwangsläufig unmittelbar nach der Bergung des Fossils einsetzt, sondern er erst Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte später – oder überhaupt nie – beginnen kann, ist es schwierig, die Wirksamkeit dieser Methoden umfassend und langfristig zu beurteilen. Den meisten liegt der Ansatz zugrunde, den Zutritt von Feuchtigkeit und Sauerstoff zu unterbinden, bevor der Zersetzungsprozess des Markasits beginnt. Jedoch laufen dessen Anfänge zumeist unsichtbar im Inneren des Fossils mit dem dort vorhandenen Restporenwasser ab, so dass eine reine Oberflächenversiegelung eher verzögernden als vorbeugenden Charakter hat, und im schlimmsten Fall durch den Einschluss des Wassers und das Unterbinden seiner Ausdunstung den Zerstörungsprozess sogar noch beschleunigen kann. Die Aufbewahrung in wasser- und sauerstofffreien, pH-neutralen oder basischen Flüssigkeiten oder das Einschweißen in Vakuumbehälter gilt zwar als zuverlässig, ist für Privatsammler aber entweder hinsichtlich der Präsentation und Handhabbarkeit der Fossilien unbefriedigend, oder schlicht zu kostspielig.

Ein andersartiges Verfahren wurde zuerst von CORNISH & DOYLE (1984) vorgeschlagen und in der Folge sowohl vom Fachhandel propagiert als auch von verschiedenen Autoren (u. a. RICHTER 1992, BARLAGE & LOBBE) beschrieben: Der Komplexbildner Ethanolaminthioglycolat (diese Bezeichnung ist die gebräuchlichste und soll hier verwendet werden, auch wenn in der Literatur teilweise abweichende Namen genannt werden) soll lösliche und unlösliche Eisenverbindungen – nicht aber Pyrit! – aus dem Fossil lösen bzw. stabilisieren, saure Zerfallsprodukte neutralisieren und dabei gleichzeitig durch die intensive Farbe des ggf. entstehenden Eisenkomplexes einen optisch eindeutig wahrnehmbaren Indikator für den Grad des Zerfalls bzw. den Fortschritt der Stabilisierung bieten, so dass die Behandlung bis zur optimalen Wirkung durchgeführt werden kann. Im Idealfall sollen so sämtliche instabilen Komponenten entfernt und ein weiteres Ausblühen (vorläufig) verhindert werden.

Die persönlichen Reaktionen auf diese seit Längerem auch in Sammlerkreisen verbreitete Methode sind unterschiedlich, von "völlig unwirksam" bis "seitdem keinerlei Zerfall mehr feststellbar". BARLAGE & LOBBE weisen darauf hin, dass trotz dieser Behandlung weiterhin auf eine möglichst trockene Aufbewahrung der Fossilien geachtet werden muss. Die Luftfeuchtigkeit soll 30% (CORNISH & DOYLE: 40-50%) nicht überschreiten. Sowohl mangelnde Sorgfalt bei der Anwendung des Verfahrens als auch schwankende Luftfeuchtigkeit in den Sammlungsräumen dürften vor allem für Privatsammler die Ursache dafür sein, dass die Brauchbarkeit der Methode relativiert wird.

BARLAGE & LOBBE geben die Empfehlung, die derart behandelten Stücke anschließend mit einer hydrophoben und luftdichten Versiegelung zu versehen, um einen erneuten Feuchtigkeits- und Sauerstoffzutritt in das Innere des Fossils zu verhindern. Die meisten gebräuchlichen Versiegelungsagenzien erfüllen diese Voraussetzungen aber nicht vollständig oder müssen in bestimmten Abständen erneuert werden, um ihre Wirksamkeit zu erhalten. BARLAGE & LOBBE beschreiben die Verwendung von Paraloid B67 zur Versiegelung, einem Acrylpolymer, das die geforderten hydrophoben Eigenschaften aufweist. Unterschiedliche Paraloid-Derivate werden seit Längerem bereits erfolgreich in der Archäologie und im kunsthistorischen Bereich (unter anderem auch bei Freiluftdenkmälern) als Klebstoff, Versiegelung und Korrosions- bzw. Verwitterungsschutz für tönerne, steinerne oder metallene Artefakte eingesetzt.

Ich habe mich längere Zeit mit der Theorie der verschiedenen Konservierungsmethoden beschäftigt, von der reinen Vorbeugung des Markasitzerfalls durch Verwendung von Lacken und Imprägniermitteln über die Sterilisierung von schädlichen Sulfidbakterien bis zur Neutralisierung der Zersetzungsprodukte. Zugegebenermaßen bin ich zu keinem abschließenden Urteil gekommen, was "die" Methode schlechthin angeht. Mein Schluss ist, dass sich die Konservierungsmethode stark an den gegebenen Aufbewahrungsbedingungen und dem Ausgangszustand des zu behandelnden Materials zu orientieren hat.
In meiner Sammlung befand sich bislang verhältnismäßig wenig pyritisiertes Material. Verluste durch Ausblühen hatte ich auch bei Jahrzehnte alten Stücken nicht zu beklagen. Dies mag meiner Art und Weise, pyritisierte Fossilien eher unter ästhetischen Gesichtspunkten zu sammeln und bereits angelaufene oder sogar mit Rostflecken überzogene Stücke gar nicht erst mitgenommen zu haben, geschuldet gewesen sein. Mit umfangreichen Aufsammlungen in Gruibingen im vergangenen Jahr, bei denen auch "zweifelhafte" Pyritfossilien der Vollständigkeit halber meine Aufmerksamkeit fanden, hat sich dies nun geändert. Zahlreiche der schon länger auf abgeregneten Halden liegenden Ammoniten begannen schon kurz nach dem Aufsammeln Rostflecke zu zeigen, bei einigen dieser Stücke ist nun bereits der weißliche Anflug von Ausblühungsprodukten zu erkennen. Auch begann in diesem Winter eine seit 14 Jahren ohne äußerliche Anzeichen in der Vitrine stehende Goethit-imprägnierte Brustplatte eines Amphibiums aus dem Keuper plötzlich extreme Rissbildung zu zeigen, die immer weiter fortschritt. Beides hat mich dazu bewogen, von der Theorie in die Praxis zu gehen und mich für eine bestimmte Behandlungsmethode gegen den Markasitzerfall zu entscheiden. Es ging dabei nicht darum, alle vorhandenen Pyritfossilien der Aufsammlung vorbeugend zu behandeln, sondern lediglich diejenigen, die augenscheinlich von beginnendem Zerfall betroffen waren.

Die Wahl fiel auf die von BARLAGE & LOBBE beschriebene Methode. Die chemische Wirkungsweise des Ethanolaminthioglycolat-Bads ist nachvollziehbar, und auch die anschließende Tränkung mit einem dauerhaften, hydrophoben Polymer hat in meinen Augen Sinn. Vorbeugend wurden die Stücke auch noch pasteurisiert.


Die praktische Ausführung

Da Ethanolaminthioglycolat und seine Dämpfe giftig und die benutzten Lösungsmittel Spiritus und Aceton leichtentzündlich sind und vor allem deren Dämpfe in hohem Maße explosionsgefährliche Luftgemische bilden, und die Arbeit insgesamt den Arbeitsplatz stark verschmutzt, wurde eine entsprechende Umgebung gewählt: Durch freundliche Unterstützung von Dr. Lars Epple, Stuttgart, stand das nasschemische Labor des Instituts für Mineralogie und Kristallchemie der Universität Stuttgart für einen Tag zur Verfügung. Dr. Epple, der mit der Ethanolaminthioglycolat-Methode bereits praktische Erfahrungen gesammelt hat, gab darüber hinaus zahlreiche wertvolle Ratschläge. Parallel zu meinen Arbeiten behandelte er einige erhaltungswürdige historische Erzstufen aus der Sammlung des Instituts nach derselben Methode.

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Abb. 1: Die Zutaten: Ethanolaminthioglycolat 67%, Brennspiritus, Paraloid B67

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Abb. 2: Die zu behandelnden Fossilien: Überwiegend Pyritammoniten aus dem Callovium von Gruibingen aus dem Jahr 2009, ganz links Clavicula eines Amphibiums aus dem Keuper aus dem Jahr 1996 (Ausblühung Frühjahr 2010), oben teilweise pyritisierte Gagathölzer, ebenfalls aus Gruibingen.


Zuerst wurden die zu behandelnden Stücke für ca. 15 Minuten in Spiritus gewaschen, um das enthaltene Porenwasser zu verdrängen und Zerfallsprodukte bereits im Vorfeld so weit wie möglich zu entfernen. Dabei wurden die Stücke in Spiritus zusätzlich für einige Minuten in ein Ultraschallbad gegeben, um Luft aus dem Inneren zu entfernen und eine vollständige Tränkung zu erreichen. Diese Methode erzielt in etwa das gleiche Ergebnis wie eine Vakuumbehandlung, ist aber schonender für die Fossilien, da keine Luftblasen expandieren, die zerbrechliche Fossilien sprengen könnten. Das Glas ist nach wenigen Minuten aus dem Ultraschallbad zu entnehmen, sobald die Blasenbildung aufgehört hat.

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Abb. 3: Intensive Vorbehandlung der Clavicula mit Spiritus im Ultraschallbad. Es sind zahlreiche aufsteigende Luftblasen zu erkennen.


In der Zwischenzeit wurde eine 2%-ige Lösung von Ethanolaminthioglycolat in Spiritus hergestellt. Der Anteil von 6% an Vergällungsmittel und Wasser in handelsüblichem Brennspiritus beeinträchtigt lt. DOYLE & CORNISH den Behandlungserfolg nicht.

Für den ersten Durchgang wurden die Fossilien direkt aus dem Spiritus in die Konservierungslösung gegeben. Die Literatur macht keine genauen Angaben, in welchem Verhältnis Fossilvolumen zu Lösungsvolumen stehen sollte. So wurde für den ersten Durchgang jedes Becherglas großzügig, aber mindestens bis zur doppelten Höhe des enthaltenen Fossils aufgefüllt. Es ging zunächst darum, anhand der Bildung violetter Schlieren als Indikator besonders angegriffene Bereiche der einzelnen Fossilien zu identifizieren. Es zeigte sich bei den Ammoniten nach wenigen Minuten, dass Schlieren besonders an den Windungsnähten und an Löchern in der Windung auftraten, die Reaktion also besonders intensiv im Innern der Ammoniten ablief. Auch bei der Clavicula wies die Oberfläche so gut wie keine Reaktion auf, Schlieren traten vor allem aus Rissen und damit aus dem Inneren des Knochens aus. Überraschend war, dass auch alle Ammoniten, die äußerlich keine Zerfallserscheinungen zeigten, sondern nur prophylaktisch behandelt werden sollten, eine starke Reaktion hervorriefen.

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Abb. 4: Die Fossilien kurz nach Beginn des Ethanolaminthioglycolat-Bades. Die Flüssigkeit ist noch farblos.

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Abb. 5: Nach 15 Minuten ist bereits eine deutliche Färbung der Flüssigkeit eingetreten.


Darauf hin wurden die Gefäße einzeln erneut in das Ultraschallbad gegeben, um die Lösung besser in das Innere der Stücke zu transportieren. Bei der Clavicula kam bei der weiteren Behandlung zusätzlich ein Magnetrührer zum Einsatz, um dem besonders großen Stück in seinem Gefäß stets optimal Reaktionslösung zuzuführen.

Nach ca. 30 Minuten war bei allen Proben eine sehr intensive Violettfärbung zu beobachten. Nach insgesamt ca. 1,5 Stunden begann die Lösung bei allen Proben zu graubrauner Färbung umzukippen, ein Zeichen dafür, dass das Lösungsvermögen überschritten war und die Ausfällung von Ferrothioglycolat einsetzte. Die wirksamen Bestandteile der Lösung waren damit vollständig verbraucht, und der erste Durchgang wurde beendet.

Der Ferrothioglycolat-Niederschlag ist unlöslich, lässt sich aber mit Spiritus problemlos von den Fossilien abspülen, so lange diese nicht austrocknen!

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Abb. 6: Die Lösung in allen Gefäßen hat sich schließlich intensiv violett eingefärbt.


Die Lösung wurde dekantiert und die Fossilien zuerst kurz mit Spiritus abgespült, bevor sie zum Waschen in ein Spiritusbad gegeben wurden. Auch dieses erhielt eine Ultraschallbehandlung. Die Stücke wurden nun für insgesamt 2 Stunden in Spiritus gewaschen und dann bei 100 °C in den Trockenschrank gegeben und dort bis zur vollständigen Austrocknung belassen. Durch die Hitzeeinwirkung wurden auch eventuell vorhandene Schwefelbakterien abgetötet (Pasteurisierung).

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Abb. 7: Die gespülten Fossilien im Spiritusbad.

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Abb. 8: Die Fossilien bei 100 °C im Trockenschrank.


Anschließend wurde ein erneuter Durchgang mit Ethanolaminthioglycolat samt Ultraschallbad durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Reaktion noch schneller einsetzte als beim ersten Durchgang, da die Lösung nun optimal in die trockenen Poren eindringen konnte. Bei zahlreichen Stücken zeigte sich nach wenigen Minuten eine ähnlich intensive Färbung wie beim ersten Durchgang. Dr. Epple wies aufgrund seiner eigenen Erfahrungen darauf hin, dass der Vorgang bei solchen Stücken gegebenenfalls ad infinitum, beziehungsweise bis zur völligen Auflösung des Fossils, wiederholt werden könne, ohne dass nach dem zweiten Bad noch eine nennenswerte zusätzliche Stabilisierung des Zustands erzielt würde.

Entsprechend wurde die weitere Behandlung eingestellt. Die Stücke wurden wie oben beschrieben erneut mit Spiritus gespült, dann in reinem Ethanol gewaschen und anschließend getrocknet.

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Abb. 9: Ästhetik im Becherglas: Die Rippenanordnung bei diesem Ammoniten führt zu einem regelmäßigen Austrittsmuster der Farbschlieren.

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Abb. 10: Dieser Ammonit zeigt bereits eine deutlich schwächere Reaktion auf die Konservierungslösung als beim ersten Durchgang.


Zur abschließenden Versiegelung gegen Luftsauerstoff und Feuchtigkeit wurde in Anlehnung an BARLAGE & LOBBE eine 1,5%-ige Lösung des Acrylpolymers Paraloid B67 in Aceton hergestellt. Im Gegensatz zum üblichen Verfahren bei der Mischung von Flüssigkeiten wurde hier wegen des Feststoffs nach Gewichts- und nicht nach Volumenprozent abgemessen. Es zeigte sich, dass das Polymer nur schlecht in Aceton löslich ist und gut 40 Minuten gerührt werden musste, bis es vollständig in Lösung gegangen war. Die von BARLAGE & LOBBE beschriebene Konzentration von 10% kann durchaus hergestellt werden,  aber es ist fraglich, ob die resultierende Lösung nicht zu viskos wäre, um in die Poren im Inneren eines Fossils vollständig einzudringen. Wir haben uns daher für eine sehr gering konzentrierte Lösung und bei Bedarf besser mehrere Tränkungsgänge entschieden.

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Abb. 11: Paraloid B67: Transparente, plastikartige Körner.

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Abb. 12: Das Polymer geht langsam im Aceton in Lösung.


Die auf Raumtemperatur abgekühlten Fossilien wurden in die Lösung gegeben; mittels Ultraschallbad wurde sichergestellt, dass eine vollständige Tränkung erfolgte. Die Fossilien wurden anschließend entnommen und auf eine Pappunterlage gegeben, die sowohl saugfähig als auch fusselfrei sein muss. Innerhalb von Sekunden verdampft das Lösungsmittel oberflächlich, der zurückbleibende Polymerüberzug ist mit bloßem Auge nicht sichtbar und erzeugt auch keinen störenden Glanz oder Farbvertiefungen. Das Verfahren sollte sicherstellen, dass auch die Porenwandungen im Inneren der Fossilien versiegelt sind. Von der mechanischen Beständigkeit und den wasserabweisenden Eigenschaften des ausgehärteten Schutzfilms konnten wir uns anschließend beim Reinigen der benutzten Gefäße und Gerätschaften überzeugen. Neben der Versiegelung bringt der Schutzfilm eine gewisse Stabilisierung rissiger Teile mit sich.

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Abb. 13: Mit Pyritkonservierer behandelte, gespülte Ammoniten vor dem Trocknen und vor der Versiegelung. Der silbrige Glanz geht beim Trocknen wieder in Pyritglanz über.

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Abb. 14: Die Ammoniten aus Abb. 13 nach dem Versiegeln in trockenem Zustand.

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Abb. 15: Die Clavicula in Paraloid-Aceton-Lösung im Ultraschallbad. Deutlich sind die vielen aufsteigenden Blasen zu erkennen, die anzeigen, dass die Lösung noch nicht vollständig in das Innere vorgedrungen ist.

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Abb. 16: Die Clavicula nach dem Versiegeln. Trotz der durch das Ausblühen bereits entstandenen Risse ist das Stück während der gesamten Behandlung nicht zerbrochen.


Bei größeren oder porösen Fossilien ist zu beachten, dass diese noch einige Tage lang Aceton ausgasen können. Sie sollten in dieser Zeit an einem gut belüfteten Ort gelagert werden.

Nachdem die Fossilien vollständig getrocknet sind, ist die Konservierung abgeschlossen.


Probleme

Bei den Versuchen trat eine Reihe von Problemen auf, die in dieser Form nicht in der Literatur erwähnt waren:

  • Trotz optimaler Laborbedingungen und Beachtung der Hinweise zum sicheren Umgang mit den verwendeten Chemikalien traten im Lauf der Arbeiten Kopfschmerzen, Desorientierung und Konzentrationsstörungen auf und hielten auch noch mehrere Stunden nach Abschluss der Arbeiten an.
  • Die Verwendung von rund 100 ml des im Fachhandel erhältlichen 67%-igen Ethanolaminthioglycolats hatte das Anfallen von ca. 17 Litern verunreinigten Spiritus' und Ethanol zur Folge. Nach der Versiegelung der Fossilien blieben ca. 1,5 Liter verunreinigte Paraloid-Aceton-Lösung übrig. Die Lösungen wurden getrennt gesammelt und im Chemikalienabzug zum Eindampfen abgestellt. Nach dem Eindampfen, das im Fall des Spiritus-Gemischs mehrere Wochen dauern dürfte, müssen die nicht löslichen Bestandteile sachgerecht entsorgt werden.
  • Die Paraloid-Aceton-Lösung hinterlässt auf allen damit in Kontakt gekommenen Gefäßen, Werkzeugen und Arbeitsflächen eine dünne Kunststoffschicht, die bei größerer Dicke milchig erscheint. Eine mechanische Entfernung durch Scheuern ist nicht möglich. Verunreinigte Gegenstände müssen mit Aceton gesäubert werden.

Fazit

Ob die Behandlung schlussendlich gegen kurzfristiges Ausblühen erfolgreich war und vor allem auch langfristig wirksam ist, muss sich erst noch zeigen. Jedoch nehme ich von diesem Versuch einige Erkenntnisse mit nach Hause:

  • Die Behandlung mit Ethanolaminthioglycolat eignet sich nur für kleine Fossilien in begrenzter Stückzahl. Material aus umfangreichen Aufsammlungen oder gar ganze Sammlungen lassen sich damit nicht ökonomisch bewältigen. Das Problem stellt dabei nicht der Verbrauch des teuren Wirkstoffs dar, sondern die Unmengen an Lösungsmittel, die vor allem für das Waschen benötigt werden, sowie die sachgerechte Entsorgung der giftigen und leichtentzündlichen Abfallprodukte. Zudem sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die bei der Handhabung größerer Mengen der verwendeten Chemikalien auftreten können, beträchtlich.
  • Ein Nebeneffekt der Behandlung ist, dass alte Lacke und Imprägnierungsmittel, aber auch Klebungen und auf die Stücke aufgebrachte Inventarnummern, aufgelöst werden. Bei Ersteren ist dies zwar durchaus erwünscht, um eine optimale Durchdringung des Fossils mit den Lösungen zu erreichen, bereits geklebte Fossilien fallen aber auseinander und die Klebestellen müssen unter Umständen aufwändig von Klebstoffresten befreit werden.
  • Es ist unbedingt notwendig, bei allen Arbeitsgängen für eine vollständige Tränkung der Poren und Hohlräume im Innern der Fossilien zu sorgen. Dies kann mittels Ultraschallbad oder Vakuumtränkung bewerkstelligt werden. Sich allein auf die Diffusion der Stoffe zu verlassen, reicht nicht aus.
  • Das Verfahren eignet sich nicht für quellfähige Fossilien wie inkohltes oder gagatisiertes Holz. Diese verlieren in Spiritus oder Ethanol ihre Festigkeit und neigen zum Zerfallen.
  • Kaum oder nicht quellfähiges Sediment, das den Fossilien anhaftet, wie bspw. stark kalkiger Mergel oder Kalkstein, werden von dem Verfahren nicht beeinträchtigt.
  • Die so behandelten Fossilien müssen nach wie vor unter möglichst gleichbleibender Temperatur und geringer Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden, um das erneute Einsetzen von Ausblühungen zu verhindern. Diesen Nachteil haben jedoch auch alle anderen Konservierungsverfahren.
  • Das Paraloid B67 kann kaum "überdosiert" werden. Statt dickem Aufpinseln genügt eine kurze Tränkung in stark verdünnter Lösung, bei der sich jeweils nur ein dünner Film auf dem Fossil abscheidet. Dies genügt für einen durchgehenden Schutzfilm, ohne die Optik des Fossils zu beeinträchtigen. Bei sehr porösen Fossilien kann die Tränkung noch ein- oder zweimal wiederholt werden. Da das Polymer schwer löslich ist, wird eine vorhandene Schicht auf dem Fossil durch erneutes Tränken kaum angegriffen.
  • Das Einlassen mit Paraloid B67 stellt eine sehr attraktive Alternative zu herkömmlichen Behandlungen an Fossilien dar, die das Ziel haben, die Gesteinsoberfläche weniger staubempfindlich zu machen, oder die das Gefüge festigen sollen. In dieser Richtung werde ich auch jenseits des Themas Pyritkonservierung weiter mit Fossilien experimentieren.
Für die heimische Küche oder den Hobbykeller halte ich das Verfahren außer für kleine Fossilien-Stückzahlen für ungeeignet. Die Gefährlichkeit der Stoffe und die Entsorgungsproblematik stehen dem entgegen. Unter weniger kontrollierten Bedingungen mag der Vorgang im Freien mit den im Haushalt verfügbaren Mitteln durchgeführt werden können, praktisch erwarte ich von ungenauer Arbeit aber auch unzuverlässige Ergebnisse.


Sicherheitshinweise
 

  • Es dürfen sich keine Zündquellen in der Nähe befinden, also auch keine nicht explosionsgeschützen elektrischen Geräte. Alle verwendeten Lösungsmittel bilden bereits bei Raumtemperatur explosionsgefährliche Dampf-Luft-Gemische! Der Versuch, lösemittelgetränkte Fossilien beispielsweise in einem heißen Küchenherd zu trocknen, könnte katastrophale Folgen haben! Fossilien, Gefäße und Werkzeuge dürfen nach Erhitzung bei Trocknungsvorgängen erst weiter in Verbindung mit den Lösungen verwendet werden, wenn sie auf Raumtemperatur abgekühlt sind.
  • Ultraschallbecken können bei längerem Betrieb starke Hitze entwickeln. Brennbare Flüssigkeiten dürfen daher niemals direkt in die Wanne eines Ultraschallgeräts gegeben werden, sondern müssen in einem separaten Gefäß in ein normales Wasserbad in der Wanne eingestellt werden. Auch hier sind sicher wirksame Vorkehrungen zum Explosionsschutz zu treffen.
  • Die ausreichende Belüftung des Arbeitsplatzes ist sicherzustellen.
  • Bei Unwohlsein oder Vergiftungserscheinungen ist die Arbeit sofort abzubrechen und der Arbeitsplatz zu verlassen und erforderlichenfalls, bei Vergiftungserscheinungen zwingend, ärztliche Hilfe zu rufen.
  • Bei allen Arbeiten sind lösungsmittelresistente, flüssigkeitsdichte Handschuhe sowie eine Spritzschutzbrille zu tragen. Eine direkte Berührung der Chemikalien mit der Haut ist unbedingt zu vermeiden.
  • Bei allen Arbeiten dürfen nur Gefäße und Werkzeuge aus Materialien verwendet werden, die von den jeweiligen Lösungsmitteln nicht angegriffen werden. Für Gefäße empfiehlt sich Glas oder PE-Kunststoff (kein PET!), für Werkzeuge rostfreier Stahl.
  • Alle anfallenden Lösungen und Chemikalienrückstände sind gemäß den Angaben des Herstellers einer fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Keinesfalls dürfen die Restlösungen in den Ausguss gegeben werden, da in den Abflussrohren und in der Kanalisation explosionsfähige Dämpfe entstehen können.

Literaturverzeichnis

BARLAGE, M. & LOBBE, R. (undatiert): Konservierung sulfidisierter Fossilien – zwei Methoden im Vergleich. – Weblink ehemals: barlage-geo.de/konservieren.htm (Website existiert inzwischen nicht mehr, Stand: Juni 2014) (auch: http://www.steinkern.de/praeparation-und-bergung/tips-tricks-und-fallbeispiele/686-konservierung-sulfidisierter-fossilien-zwei-methoden-im-vergleich.html)

CORNISH, L & DOYLE, A (1984): Use of the Ethanolamine Thioglycollate in the Conservation of Pyritized Fossils. – Palaeontology 27 (2): 421-424.

RICHTER, A. E. (1992): Die Konservierung verkiester Fossilien. – Fossilien 1992 (1): 30-34.

SEILER, H. (undatiert): Pyritisierte Fossilien - Nährstoff für Bakterien?. - Weblink: http://www.mikrobenscout.de/7.html


Dank

Herzlichen Dank an Dr. Lars Epple für die umfassende Unterstützung sowie die sachkundige Beratung. Herrn Dr. Michael Rötzer danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
 
 
Rainer Albert für Steinkern.de