Präparation eines Hummers aus einer Phosphoritkonkretion von Espenhain, oder: Fossilpräsentation einmal anders

Liebe Steinkerne,

dieses Mal möchte ich euch eine ungewöhnliche und auch recht schwierige Vorgehensweise bei der Fossilienpräparation präsentieren. Zudem habe ich einfach mal ein wenig über den Tellerrand hinaus geschaut, mit dem Ziel einer neuen, nicht alltäglichen Fossilienpräsentation.

Ab und zu trudeln in meiner Präparationswerkstatt unpräparierte Fossilien aus längst erloschenen Fundstellen ein, organisiert durch Freunde oder über neue Kontakte, teils stammen die Stücke auch aus Nachlässen etc.
Solches Material verdient die allergrößte Aufmerksamkeit, erst recht, wenn man sich vor Augen führt, dass sich in Zukunft solche Gelegenheiten wahrscheinlich nie wieder ergeben werden.

Beim folgenden Präparationsbeispiel verhält es sich so. Es geht um eine mittelgroße, ziemlich schwere Konkretion mit einem Hummer aus dem ehemaligen Tagebau Espenhain (Landkreis Leipzig, Sachsen), deren Präparation mit all den mit der Bearbeitung verbundenen Höhen und Tiefen beschrieben werden soll.

 

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Abb. 1: Aussichtsplattform am Störmthaler See, dem heutigen rekultivierten bzw. gefluteteten Tagebau Espenhain (Foto vergrößern). Von 1937 bis 1994 wurde hier Braunkohle gefördert. In einem Phosphoritknollenhorizont konnte man eine Vielzahl von Fossilien entdecken: Pflanzen, Foraminiferen, Mollusken, Fisch- /Haireste bzw. deren Zähne, Reptilien, Vögel und Säugetierreste sowie Krebse und Hummer. Um Letztere soll es in diesem Bericht gehen.

Wer sich einen Überblick über die sonstige Fauna und die Geologie verschaffen möchte, findet hierzu vielfältige Informationen unter http://www.squatina.de/geologie.htm

 

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Abb. 2: Neue Informationstafeln weisen auf die Geschichte der Region hin und es fällt fast ein wenig schwer zu glauben, dass dieser riesige See wirklich von Menschenhand erschaffen worden ist. Infos über den Tagebau kann man auf Wikipedia.org nachlesen.

Die Tafel kann durch Anklicken vergrößert werden.

 

Präparation des Hummers aus Espenhain

 

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Abb. 3: Querbrüche durch den Hummer Homarus percyi, BENEDEN, 1872 aus dem Oligozän in der besagten Phosphoritkonkretion, die zusammengesetzt einen Durchmesser von ca. 37 cm aufweist. Die Geode ist entlang natürlicher Risse auseinandergebrochen.Wer es schon einmal mit diesen Konkretionen aufgenommen hat, der erahnt die bei einer solchen Präparation zwangsläufig auftretenden Schwierigkeiten.
Denken wir an den unglaubliche Härtegrad, der sogar den gröbsten Präparierhammer des Öfteren wie Gummi von der Oberfläche abspringen lässt. Dem Equipment wird wirklich viel abverlangt.
Dann wären da noch schwärzliche Bereiche in der Konkretion, die der Optik der Fossiloberfläche selbst mitunter recht nahe kommen und einem somit quasi Teilbereiche des jeweiligen Fossil vorgaukeln können. Letzteres kann den Präparator nahezu zur Verzweifelung bringen, wenn nicht gar zur Aufgabe bewegen.
Hummer sind unglaublich komplexe Fossilien und es gilt bei ihrer Präparation eine Vielzahl von Faktoren zu beachten. Sie laufen nicht einfach nur stur auf einer Ebene, sondern können sich durch nahezu sämtliche Bereiche der Geode dreidimensional hindurchziehen - das gilt ganz besonders für Schreitbeine und Scheren.

 

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Abb. 4: Der jeweilige Querbruch kann einem Präparator sehr viel Informationen über die Lage des Fossils liefern. Deutlich sind in diesem Bild links ein Bereich des Carapaxes und rechts ein Querschnitt durch das Abdomen zu erkennen. Die Fossilsubstanz ist hauchdünn.

 

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Abb. 5: Der nun durchgeführte Arbeitsschritt ist sehr knifflig und verlangt zugleich Mut. Er sollte daher bei wertvollen Stücken nur mit genügend Erfahrungwerten vollzogen werden – und bei der Durchführung natürlich auch auf die eigene Sicherheit geachtet werden. Die Konkretion wird so weit wie möglich vom Fossil entfernt eingeschnitten, ohne dabei jedoch den äußeren Geodenrand zu beschädigen.

 

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Abb. 6: Das Einsägen vollzieht sich einmal rundherum, immer mit Respektsabstand zum Fossil. Hierbei sollte lieber etwas mehr Toleranz einkalkuliert werden als zu wenig. Nichts wäre schlimmer als das Fossil anzusägen. Die abgetrennten Bereiche (rot) sind vorsichtig abgemeißelt worden. Jetzt mag sich der eine oder andere wohl fragen: warum so kompliziert? Warum kann man sich nicht einfach direkt von oben in den Stein hineinarbeiten? Ich möchte es noch etwas spannend machen, die diesbezügliche Erklärung folgt daher erst weiter unten. Vielleicht ahnt Ihr aber auch schon, worauf es hinauslaufen wird.

 

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Abb. 7: Nun wird die Geode passgenau zusammengeklebt. Damit vor dem Aushärten des Klebers nichts verrutscht, wird sie direkt nach dem Zusammenfügen von außen mit Panzertape umwickelt.

Auch die abgetrennten Teile werden immer wieder an die Konkretion angepasst und Stück für Stück miteinander verklebt, nur nicht mit dem das Fossil beinhaltenden größeren Teil der Konkretion.

 

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Abb. 8: Angaben über die Tiefe des Hummers entlang der Querbrüche sind vor dem Kleben abgemessen und auf der Geode vermerkt worden. Links die Daten zum Carapax und rechts die zu den beiden Scheren. Dies wird später noch eine große Hilfe sein!

 

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Abb. 9: Jetzt wird die Matrixoberfläche vorsichtig abgemeißelt. Nach kurzen Stößen mit einem groben Druckluftstichel muss die Oberfläche jedesmal auf schwärzliche Bereiche kontrolliert werden.

 

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Abb. 10: Der erste Hinweis. Der untere Scherenarm ist gefunden! Um die Beinregion nicht zu beschädigen wird linkseitig im oberen Carapax und im Abdomenbereich mit feinerem Meißel weitergesucht. Im Bild kann man sehr gut die Meißelspuren erkennen.

 

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Abb. 11: Erste Zweifel machen sich breit. Im Bereich des roten Kreises liegt der Carapax. Der Pfeil markiert den Hinterleib, der viel höher liegt als erwartet. Habe ich es hier mit einer Exuvie zu tun oder handelt es sich um den Rest eines anderen Tieres? Der Arbeitstag war lang genug und ein wenig genervt und frustiert lasse ich das Stück ersteinmal ruhen.

 

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Abb. 12: Anhand von Erfahrungswerten mache ich mir keine allzugroßen Hoffnungen und gehe vom Schlimmsten aus. Sollte eine Woche Arbeit wirklich umsonst gewesen sein? Noch will ich nicht aufgeben, ein weiterer Versuch muss her!

 

Zuerst prospektiere ich mit dem Stichel weiter im vorderen Bereich, um zu sehen wie der Hummer sich dort fortsetzt. Erste Beinchen geben sich zu erkennen und auch die Scheren laufen sehr gut weiter ins Gestein hinein. Die Problemzonen sind ausgemacht - der Übergang Abdomen/Carapax sowie der vordere Bereich des Carapax. Dieser scheint unter die Scheren abzutauchen und wird somit später beim fertigen Präparat wohl auch nicht zu sehen sein. Es nützt alles nichts – Zähne knirschend beschließe ich zwei erneute Querbrüche an den beiden Problemzonen zu schlagen um nicht noch mehr Zeit in eine vermutliche Exuvie zu investieren.

Mit vollem Erfolg, denn es zeigt sich, das der Carapax leicht eingedrückt und etwas verschoben überliefert, aber dennoch mit dem Schwanzbereich verbunden ist! Endlich wieder voll motiviert geht es mit der Arbeit weiter, denn zu diesen Zeitpunkt ist klar, dass der Hummer nahezu komplett erhalten ist und es sich letztendlich wirklich lohnen wird ihn fertigzustellen, auch wenn es noch ein sehr weiter Weg werden wird.

 

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Abb. 13: Weitere Geodenteile werden von der Seite eingeschnitten und abgemeißelt bis alles die gewünschte Form erhalten hat. Der Hinterleib ist sogar dreidimensional überliefert.

 

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Abb. 14: Endlich sind alle Schreitbeine lokalisiert. Rundherum sieht man auf dem Foto bereits die ersten Ansätze zum Glätten der Matrix. Um die Diamantschleifer zu schonen, wird die Matrix mit einer Flex und einem groben Präparierhammer vorgeglättet. Bald gilt es den vorderen Carapaxbereich mit seinem sternförmigen Rostrum zu suchen und freizulegen.

 

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Abb. 15: Es erfolgen weitere Schleifarbeiten und das Verfüllen von Löchern und Rissen steht an.

 

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Abb. 16: Endlich! Das sternförmige Rostrum konnte gefunden werden und es liegt in super Erhaltung vor, ein echter Glücksfall! Ansicht kann vergrößert werden.

 

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Abb. 17: Abschluss der Feinbearbeitung. Mit zermahlenem Pulver des Carapax einer Exuvie werden die Klebenähte am Fossil farblich angeglichen/kaschiert. Ziel ist es diese so zu colorieren, dass sie kaum noch sichtbar sind. Foto kann vergrößert werden.

 

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Abb. 18: Endlich fertig! Den Abschluss bildete das Bepinseln mit einem klaren Präparationslack! Der betriebene Aufwand hat sich zu guter Letzt wirklich gelohnt. Vor allem, wenn man den Seltenheitswert derartiger Konkretionen heutzutage bedenkt. Der Hummer ist zwar mittig etwas gestaucht, doch machen die zentrale Lage im Gestein und seine nahezu komplette Erhaltung dieses wieder wett.

 

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Abb. 19: Dieses Foto lässt nun auch den Sinn des zu Anfang betriebenen Aufwands bei der Bearbeitung der Konkretion erkennen. Der „Deckel“ sollte erhalten werden. In der Zwischenzeit habe ich seine Einzelteile zu einem Ganzen zusammengeklebt und angepasst. Somit kann das gesamte Präparat wieder verschlossen und damit äußerlich in den Original-Fundzustand zurückversetzt werden. Dies vermittelt dem jeweiligen Betrachter, welch wahre Schätze sich in einer zunächst wenig ansprechenden Geode verbergen können.
Auch im Hinblick auf die Präsentation eröffnet diese Art der Freilegung ansprechende Möglichkeiten. Mit einem selbstgebauten U-Stativ kann das ganze Präparat geöffnet präsentiert und mit LED-Technik von der Innnenseite des Deckels aus direkt und zugleich diskret beleuchtet werden - Fossilpräsentation einmal anders.

 

Weitere Beispiele von Konkretionsfossilien mit Deckel

 

1. Tumido aus Neuseeland

 

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Abb. 20: Liegt ein Rohling nicht im Querbruch vor, besteht die Möglichkeit vorzugehen, wie ich es bei einer ausgewachsenen Krabbe der Art Tumido giganteus (ca. 35 cm) von Afric Glen Beach aus Neuseeland durchgeführt habe.
Dort wo die Oberseite vermutet wird, wird mit einer kleinen Flex die Konkretion mit einem Primärschnitt angeschnitten und auch hier vorsichtig abgemeißelt.Dann wird die Carapax-Oberseite mittels "Fenstertechnik" gesucht, um auch wirklich sicher zu gehen, die Präparation von der für die Präsentation des Fossils vorgesehenen Seite durchzuführen. War dieser Schritt erfolgreich, wird unter Berücksichtigung der zu vermutenden Lage des Fossils im Gestein weiter eingeschnitten und abgemeißelt ohne dabei den Außenrand zu beschädigen.

 

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Abb. 21: So wird der „Deckel“ step by step immer weiter aufgebaut. Der bei dieser Vorgehensweise notwendige Primärschnitt wird als einzige Beschädigung mit farblich an die Oberfläche der Konkretion angepasstem Akemi wieder verschlossen.

 

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Abb. 22: Das fertige Präparat mit freigestellten Scheren und Beinen.

 

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Abb. 23: Die Präsentation der Tumido giganteus samt Deckel im Stativ.

 

2. Ein zweiter Hummer aus Espenhain bei Leipzig

 

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Abb. 24: Auch bei diesem etwas kleineren Hummer (Konkretionsdurchmesser 32 cm) aus Espenhain habe ich den äußeren Rand der Konkretion vollständig bewahrt. Foto kann vergrößert werden.

 

Fazit
Auch wenn diese Schritte sehr aufwendig sind, wird man doch mit der späteren Optik ausreichend belohnt. Die Stative kann man individuell gestalten, sei es in Form gedrechselte Stative aus Holz oder durch geschweißte Metallverbindungen. Der jeweiligen Präsentation und auch den verschiedenene Beleuchtungsmöglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt.

 

Danke für Euer Interesse!

 

Axel Cordes für Steinkern.de. Alle Rechte beim Autor.

www.fossilcrabsandmore.de

 

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