Transferpräparation einer Seelilie der Gattung Chelocrinus aus dem Unteren Muschelkalk

Chelocrinus gehört im Muschelkalk zu den begehrten Raritäten, obwohl sie insbesondere im Unteren Muschelkalk lagenweise durchaus recht häufig vorkommt. Allerdings sind artikulierte Exemplare der 20-armigen Seelilie selten, da diese nach dem Absterben recht schnell in ihre Einzelteile zerfallen. Durch ein Sturmereignis wurden im Unteren Muschelkalk im Raum Göttingen jedoch eine Vielzahl von Chelocrinus schnell vom Sediment bedeckt und blieben somit vor weiterem Zerfall bewahrt.
Durch die plötzliche Verschüttung des untertriassischen Meeresbodens sind eine Vielzahl von Zerfallsstadien bei Crinoiden überliefert, diese reichen von der „Maiskolbenerhaltung“ (geschlossene Krone; häufig bei Encrinus liliiformis im Oberen Muschelkalk) über teilartikulierte Kronen bis hin zu in Einzelelemente zerfallenen „Trümmerhaufen“.
Das hier vorgestellte Stück stammt aus einem bekannten Aufschluss für untertriassische Echinodermen bei Göttingen, genauer aus dem Fundhorizont 1 (FH-1 nach Bielert & Bielert 2004), knapp drei Meter über der oberen Terebratelbank. Die hier überlieferten Echinodermen liegen in der Regel unter einer knapp zehn Zentimeter dicken Kalkbank, manchmal auch in ein dünnes Tonhäutchen eingebettet. So auch das bearbeitete Fossil, eine bis auf das Haftorgan fast vollständig überlieferte Chelocrinus aff. carnalli.
Gerade dieses Tonhäutchen blieb nicht an der hangenden Bank hängen und ermöglichte nur eine mühselige Bergung mit wenig Matrix. (Abb. 1, Abb 2). Daher wurde vor Ort spontan die Entscheidung gefällt, die Seelilie nach einem z. B. bei Fossilien aus Solnhofen und Holzmaden üblichen Verfahren, nämlich per Transferpräparation zu bearbeiten. Hierbei wird die ursprüngliche Matrix des Fossils auf ein Minimum reduziert, die Einzelteile „verblockt“ und dann in einen nach Form und Farbe dem Ursprungsgestein möglichst genau entsprechenden Trägerstein eingesetzt.

Abb1

Abb. 1: Die Krone im Fundzustand.

 

 

Abb2

Abb. 2: Die gesamte Seelilie im Fundzustand.


Nach der Bergung wurden die Einzelteile mit Akemi verstärkt und in mehrere Blöcke gegliedert zusammengesetzt. Da schon im unpräparierten Zustand die horizontale Ausdehnung des Fossils zu erkennen war, konnten die Blöcke mittels einer Trennscheibe und einer groben Fräse schon vor der eigentlichen Präparation passend formatiert werden, ohne das Fossil zu beschädigen. Anschließend wurde in den Trägerstein eine entsprechend der Dicke der Teilstücke der Seelilie zu vertiefende Fläche angezeichnet und mit dem Druckluftstichel HW-70 großzügig ausgehöhlt. Diese Mulde wurde als nächstes mit flüssigem Akemi aufgefüllt. Dann konnten die Einzelteile des Fossils passgenau eingesetzt werden. Hierbei war darauf zu achten, dass kein Epoxidharz auf die Schauseite des Fossils gelangte. Nach erfolgreichem Einsetzen wurde herausgequollenes, noch flüssiges Akemi mit einem alten Löffel vorsichtig entfernt, um später weniger schleifen zu müssen.

 

Abb3

Abb. 3: Die in den Trägerstein eingesetzte Seelilie der Gattung Chelocrinus.


Nachdem das Akemi über Nacht abgebunden war, wurde am nächsten Tag das noch überschüssige Harz entfernt, um eine saubere Übersicht zu bekommen.

 

Abb4

Abb. 4: Zwischenschritt vor der anschließenden Feinpräparation.

 

Abb5
Abb. 5: Die Krone nach erfolgter Vorpräparation.


Wichtig war es, im Folgenden äußerst vorsichtig zu arbeiten, um nichts zu beschädigen. Immerhin konnte die gesamte Seelilie nun ohne größere Sorgen gehandhabt werden, da sie nicht mehr so zerbrechlich war, wie vor der Umbettung.
Die anschließende Feinpräparation erfolgte überwiegend wechselnd chemisch und mechanisch. Gute Dienste leisteten dabei eine Essig-Wasser-Mischung sowie Spiritus.

 

Abb6

Abb. 6: Die Krone nach erfolgter Feinpräparation.

 

Bei der Feinpräparation wurde deutlich, dass die Krone nicht perfekt überliefert ist, da die Arme der Hangendseite erodiert und dadurch nicht überliefert waren. Vermutlich hatte die Seelilie vor der Einbettung schon einige Zeit offen auf dem Meeresboden gelegen. Allerdings wurde so ein nicht alltäglicher, ungewöhnlicher Blick ins Innere einer Chelocrinus-Krone möglich, sodass feinste Details wie zum Beispiel die Pinnulae gut studiert werden können.

 

Abb7

Abb. 7: Das Fossil vor der Koloration.

 

Nach der Feinpräparation galt es die noch sichtbaren und dadurch unschönen Klebstoffflächen zu kaschieren und zu kolorieren. Hierfür wurden vornehmlich Acrylfarben verwendet. Für kleinere Details und Nachbesserungen wurden Aquarellfarben benutzt.

 

Abb8
Abb. 8: Das fertige Präparat.

 

Abb9

Abb. 9: Detailansicht der Krone mit Maßstab.

 

Auch wenn die Chelocrinus vor der Präparation ein schwieriger Fall gegolten haben mag, haben sich durch den Fundzustand für den Unteren Muschelkalk etwas unkonventionelle Präparationsmöglichkeiten ergeben. Obwohl die Präparation etwas experimentell verlaufen ist, spricht das Resultat für sich. Trotz des Transfers in eine neue Matrix wurden die Klebenähte nicht komplett farblich angeglichen, denn dieser Arbeitsschritt kann und soll dokumentiert sein.

 

Abschließend noch einige allgemeine Daten zum Fossil im Überblick:

Spezies: Chelocrinus aff. carnalli
Fundort: Region Göttingen
Fundschicht: FH-1 (nach Bielert & Bielert 2004), Oberes Terebratelbank-Niveau, Unterer Muschelkalk
Größe: Krone: (mit ausgestreckten Armen: 5,6 cm); Gesamtlänge der Seelilie: 28 cm
Verwendete Materialien und Geräte: HW 70, Fräse mit biegsamer Welle, diverse Nadeln und Schaber, Skalpell, Spiritus, Essig, Wasser; Akemi (flüssig, fest), Acrylfarben, Aquarellfarben
Funddatum: Oktober 2016
Finder und Sammlung: Justus Güttler


Justus Güttler für Steinkern.de

 

Weiterführende Literatur:

Bielert, F. & Bielert, U.: Echinodermen-Lagerstätten der Oberen Terebratelbank des Unteren Muschelkalks von Südniedersachsen [Poster], S. 7-12 in: Reich, M. Hagdorn, H. & Reitner, J. (Hrsg.) (2004): Stachelhäuter 2004, 3. Arbeitstreffen deutschsprachiger Echinodermenforscher in Ingelfingen, 29. bis 31. Oktober 2004, Arbeiten und Kurzfassungen, Universitätsdrucke Göttingen.

 

Veröffentlichung über Seelilien des Unteren Muschelkalks in DER STEINKERN:

Hildner, R. (2016): Chelocrinus schlotheimi – pastellfarbene Seltenheiten mit 20 Armen, in: Der Steinkern, Heft 27, S. 14-34.