Präparation live: Ammonit aus einer Konkretion der Green Ammonite Beds von Dorset (endlich fertiggestellt!)

Seit Druckluftstichel und Strahlgeräte existieren, ist die Präparation von Ammoniten aus den Green Ammonite Beds (Unteres Pliensbachium, Unterer Jura) nicht mehr unmöglich. Noch vor fünfzehn bis zwanzig Jahren verfügte kaum ein Privatsammler über diese Techniken. Die Ammoniten aus den harten und zäh am Fossil haftenden Konkretionen der Green Ammonite Beds wurden dementsprechend vor allem geschnitten, geschliffen und poliert in Privatsammlungen eingereiht oder im Handel angeboten. Dieses Verfahren führte zwar zu optisch durchaus ansprechenden Ergebnissen, offenbarte das interessante (meist grünliche) Innenleben der Ammoniten, war allerdings keine eigentliche Präparation.

Inzwischen rüstet fast jeder, der das Fossilien sammeln intensiv betreibt, nach einigen Jahren auf und holt sich die angesprochene Technik ins Haus, um auch solche Konkretionsfossilien präparieren zu können. Auf Steinkern.de wurden bereits mehrfach mit Strahlgerät und Pressluftstichel durchgeführte Präparationen unterschiedlicher Ammoniten aus den Green Ammonite Beds dargestellt - jeweils jedoch erst nachdem die Präparation mehr oder weniger erfolgreich durchgeführt wurde. An dieser Stelle möchte ich es einmal anders aufziehen und versuchen, eine Präparation Schritt für Schritt darzustellen, die bisher noch gar nicht stattgefunden hat bzw. gerade erst begonnen wurde. Dies ist etwas gewagt, denn es ist beim Präparieren selten vorher genau abzuschätzen, ob das Ergebnis so gut wird, wie man es erhofft. Ein vollständig geglaubtes Fossil kann sich als bruchstückhaft entpuppen, eine Konkretion nach innen hin an Härte zunehmen und damit praktisch unpräparierbar werden, die Trennung Fossil/Gestein viel schlechter möglich sein als gedacht. Natürlich ist der Präparator selbst auch eine nicht unerhebliche Fehlerquelle beim Versuch einer optimalen Freilegung eines Fossils. Im Laufe zahlreicher Präparationsstunden kann der Stichel schon einmal ausrutschen oder man unbedacht zu nah ans Fossil kommen und dieses beschädigen.

Es kann daher immer sein, dass eine Präparation abgebrochen werden muss, weil sie nicht wie erhofft verläuft oder sich einfach nicht mehr lohnt, z. B. weil das Fossil einen zu großen Aussetzer hat. Auch hier ist das möglich und es kann daher sein, dass dieses Präparationsprojekt nie zu Ende geführt werden wird. Grundsätzlich wird aber eine Fertigstellung angestrebt und dieser Bericht soll auch der eigenen Motivation dienen, diese in den nächsten Wochen vollständig durchzuführen.

 

In diesem Fall bin ich guter Hoffnung, dass es sich lohnen wird, die begonnene Präparation durchzuführen. Die Voraussetzungen dafür sind gut:

- Der Ammonit liegt in einem relativ zentral durch die Konkretion verlaufenden sauberen Querbruch vor. Es ist entlang der Bruchfuge nicht mit größeren Fehlstellen zu rechnen und im Bereich der Innenwindungen deutet sich anhand des Bruchbilds keine Fehlstelle an.

- Das Fossil liegt zentral in der Konkretion, die nach außen hin nirgends eingedrückt ist. Dies lässt darauf schließen, dass das Fossil unverdrückt vorliegt.

- Das Gestein aus dem die Konkretion zusammengesetzt ist, zeigt keinen Farbwechsel in Richtung Zentrum, also ist eigentlich auch keine extreme Härtenzunahme nach innen zu befürchten. Der äußere Bereich ließ sich bei einer ersten Stichprobe mit dem Strahlgerät (beim beträchtlichen Betriebsdruck von rund 5-6 bar) bearbeiten und die Fossiloberfläche sich freilegen. Es besteht Anlass zur Hoffnung, dass die Konkretion insgesamt strahlbar ist. Dies ist wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche Freilegung, denn sobald das einbettende Gestein härter ist als das Fossil, versagt die Strahltechnik, über deren physikalische Rahmenbedingungen Thomas Bastelberger jüngst auf Steinkern.de berichtete. Eine Trennfuge existiert bei den Ammoniten der Green Ammonite Beds nicht oder allenfalls unterhalb der Schale, so dass mit dem Druckluftstichel nicht direkt am Fossil gearbeitet werden kann, denn das Ziel sollte selbstverständlich sein, die Schale komplett zu erhalten.

- Ammoniten aus den Konkretionen der Green Ammonite Beds haben generell im Bereich der Innenwindungen eher keine Aussetzer.

 

Gründe genug also, die Präparation hier einfach einmal Schritt für Schritt zu dokumentieren, frei nach dem Motto "es wird schon schiefgehen"!

 

Fundort und Fundstück

Der Fundort der Konkretion befindet sich an den westlichen Ausläufern des Golden Cap, gelegen zwischen den Küstenorten Charmouth und Seatown an der Jurassic Coast von Dorset. Die Knolle wurde am 28. März 2014 am Kliffuß in neuem Versturzmaterial gefunden und war dementsprechend noch nicht vom Meer bewegt worden und daher in keiner Weise abgerollt. Nach der in seinem Bericht "Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 3" von Karsten Genzel verwendeten Definition (charakteristische raue Oberfläche) handelt es sich vorliegend um ein "Stonebarrow Nodule". Stratigraphisch gehört die Konkretion in die Davoei-Zone (oberes Unterpliensbachium). In der lokalen lithologischen Gliederung entspricht diese Zone einem Ausschnitt der Green Ammonite Beds.

 

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Abb. 1: Stratigraphische Grobgliederung der Kliffs Stonebarrow und Golden Cap zwischen Charmouth und Seatown. Die Green Ammonite Beds stehen am Stonebarrow (in einiger Höhe) an und erreichen in östlicher Richtung im Gebiet zwischen Stonebarrow und Golden Cap das Srandniveau. Der Fundpunkt der vorgestellten Knolle liegt am äußersten westlichen Rand des Golden Cap. Umgestaltet nach Woodward 1893, Arkell 1933, Davies 1935, West 2011 und Simonsen 2012.

 

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Abb. 2: Stark abbruchgefährdete Felsnase in den Green Ammonite Beds an einem westlichen Ausläufer des Golden Cap. Etwas weiter westlich von hier, wo die Steilküste in Richtung Stonebarrow zunächst abflacht, wurde die hier vorgestellte Konkretion gefunden.

 

Am 28. März begann ich zunächst mit der Suche am Stonebarrow. Gemeinsam mit meinen Reisekollegen suchte ich dort nach einer Gesteinsbank mit Paltechioceraten, wobei ich kein großes Glück hatte. Zwar waren genügend Steine zu finden, doch waren sie zu unhandlich und nach dem Zerklopfen die Bruchfiguren meist so ungünstig, das einfach nichts Sammlungstaugliches herauskommen wollte. Zwischendurch wurde Ausschau nach verkiesten Ammoniten gehalten. Dies macht man am besten dort, wo viele Schwefelkieskonkretionen vom Meer bewegt werden oder auch unmittelbar am Klifffuß. Als das Meer zurückwich und somit die aktuellen Schlammströme passiert werden konnten, orientierte ich mich langsam aber sicher auf das Golden Cap zu. Entlang der langen Strecke knackte ich alle Green Ammonite Konkretionen, die ich finden konnte. Der hellgraue, manchmal auch etwas blaustichige Farbton der Konkretionen ist mit etwas Erfahrung leicht zwischen den anderen Geröllen auszumachen. Ich suchte also den Spülsaum und die Grobfraktion der vom Meer kontinuierlichen dem Kliff in diesem Bereich vorgelagerten Kiesschüttung ab. Leider fanden sich fast nur flache Konkretionen, die vergleichsweise fossilarm sind und meist aus recht hartem und somit kaum präparierbaren Gestein bestehen. Hin und wieder fand ich Tragophylloceraten oder kleine Ammoniten aus der Verwandtschaft von Androgynoceras. Größere gute Ammoniten zeigten sich leider nicht und so schien es ein eher magerer Tag zu werden.

Kurz vor dem Golden Cap suchte ich den Kliffsaum dann mit erhöhter Aufmerksamkeit ab, weil hier vor kurzer Zeit Material herabgefallen war. Der Bereich zwischen Stonebarrow und Golden Cap erodiert in den letzten Jahren vergleichsweise wenig und dies erklärt auch den geringen Nachschub an Funden. Außerdem ist das Kliff schon durch seine geringere Höhe grundsätzlich etwas weniger produktiv, als höhere Kliffbereiche, in denen mehr Profilmeter vertreten sind. Unmittelbar westlich vom Golden Cap wurde es aber nun interessanter und ich fand dann auch eine wohlgeformte Konkretion im Format von 16 cm Breite x 13 Höhe und bis zu 7 cm Stärke. Viel versprechend, relativ schmal, aber für ein größeres Tragophylloceras allemal gut, dachte ich mir und spaltete die Knolle mit einem oder zwei kräftigen Hammerschlägen auf, mit dem Ziel einen glatten Querbruch durch das Zentrum der Knolle zu erzeugen. Dies gelang auch einigermaßen:

 

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Abb. 3: Die 16 x 13 x 7 cm große Konkretion zeigte äußerlich keine Fossilführung und wurde daher mit beherztem Hammerschlag im Gelände quer durchgeteilt. Sie zebrach in zwei große Teile. Ein dritter mittelgroßer Splitter wurde ebenfalls geborgen.

 

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Abb. 4: Eine Bruchfigur wie sie im Buche steht. Es zeigt sich der quadratische Querschnitt eines Ammoniten, den ich als Oistoceras deute. Die Innenwindungen sind massiv in dem für die Schichten so charakteristischen grünen Kalzit überliefert. Die Wohnkammer zeigt sich hingegen ganz schlicht, nämlich sedimentgefüllt.

 

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Abb. 5: Detailausschnitt des glatt durch den Ammoniten verlaufenden Querbruchs. Während die Innenwindungen unterhalb der Schale mit Kalzit auskristallisiert sind, ist die Wohnkammer (rechter Bildrand) mit dem Kalk gefüllt, aus dem auch die Konkretion besteht.

 

Der Sammeltag hatte sich für mich mit einer Konkretion und einem Hammerschlag zum Guten gewandt - ein nicht kleines Oistoceras (etwa 8-9 cm) in einer vermutlich präparierbaren Konkretion, das ist ein schöner Fund. Was will man mehr? Auf dem Rückweg fand ich dann noch einen Flatstone aus dem Sinemurium mit Fossilgehalt, was den Tag für mich unvergesslich macht, doch dazu irgendwann an anderer Stelle. Hier soll es weiter um die Green Ammonite Konkretion gehen.

 

Die Präparation

Nun also zur Präparation des Fossils. Geplant ist, den Ammoniten nach dem Zusammenkleben der beiden Hälften von einer Seite freizupräparieren. Am Venter sollen zirka 60 % der Venteransicht freigelegt werden, um den Ammoniten auf der verbleibenden Konkretion möglichst plastisch erscheinen zu lassen. Da die Konkretion nicht riesig ist, bietet sich eine Darstellung des Ammoniten wie in eine Schale oder Schüssel - wie bei Green Ammonites häufig praktiziert - nicht an, die Konkretion wird wohl am besten wirken, wenn man sie einfach mit dem Flachmeißeleinsatz des Druckluftstichels am Ende der Präparation plan gestaltet.

 

Teil 1 - Beginn der Freilegung (Dienstag, 28. Oktober 2014)

Bevor mit dem Präparieren eines nur im Querbruch erkennbaren Fossils begonnen werden kann, muss man sich entscheiden, welche Seite am besten freigelegt wird. Oftmals ist die Unterseite eines Fossils besser erhalten als die Oberseite. Doch wie soll man bei einer Konkretion entscheiden, was Unter- und was Oberseite ist, wenn man diese nicht aus dem Anstehenden entnommen, sondern diese lediglich lose aufgesammelt hat? Meist ist die Unterseite von Konkretionen gewölbter als die Oberseite, doch vorliegend ergab sich für mich kein wesentlicher Unterschied. Da der Querbruch beiderseits gut aussah und der Ammonit auf keiner Seite zu schwächeln schien, entschied ich mich auf gut Glück für die auf Abb. 3 gezeigte Seite der Konkretion. Hier liegt die Wohnkammer nah am Rand der Knolle.

Anstatt mit einem Zollstock abzumessen und mit einem Filzstift auf der Konkretionsoberfläche den Abstand des Fossils zum Rand der Konkretion zu verzeichnen, arbeitete ich mich einfach ein Stück von der Bruchfuge entfernt - noch vor dem Kleben - auf das Fossil herunter. Wenn man die Bruchkante in der Nähe sehen kann, ist man recht gut orientiert, in welcher Höhe das Fossil knapp daneben zu erwarten ist (jedenfalls bei planspiral aufgerollten Ammoniten). Mit dem Stichel näherte ich mich also dem Ammoniten an und strahlte dann auf die Schalenoberfläche herunter, sobald ich mich mit dem Stichel in gefährlicher Nähe zur Fossiloberfläche wähnte. Als die Oberfläche des Ammoniten mit dem Strahler erreicht war, wurde das winzige "Schaufenster" noch etwas erweitert. Es stellte sich dabei heraus, dass die Wohnkammer fast unmittelbar nach der Bruchstelle endet, der Ammonit wurde also leider nicht mehr signifikant größer als nach dem Querbruch mindestens zu erwarten war.

 

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Abb. 6: Die Konkretion ist noch nicht zusammengeklebt, nur fürs Foto lose zusammengefügt. Da das erste kleine "Schaufenster" eindeutig das Ende der Wohnkammer zeigte, konnte ich es gefahrlos hin zum kleinsten Bereich der Außenwindung erweitern und hier zwei Rippen schon einmal ansatzweise freistrahlen. Nun lässt sich die gesamte Ausdehnung des Ammoniten in der Knolle bereits abschätzen und ich kann beide Hälften zusammenfügen, ohne Markierungen anzubringen, wie tief das Fossil im Einzelnen liegt. Ich werde mich einfach vom Sichtbaren zum Unsichtbaren Schritt für Schritt vorarbeiten.

 

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Abb. 7: Etwas jenseits der Bruchkante wurde ein "Probeschurf" mit Stichel und Strahler auf die Wohnkammer unternommen und anschließend auf einen benachbarten Teil des Phragmokons. Es wurde nicht unmittelbar an der Bruchkante in der Nähe zum Fossil gearbeitet, da hier unweigerlich Fossilteile absplittern würden und man am Ende eine überdeutlich sichtbare Fuge an der Klebestelle erhielte. Der Probeschurf zeigt eine ordentliche Erhaltung der Fossiloberfläche, die für die weitere Präparation hoffen lässt.

 

Als nächstes wurde die Konkretion mit dünnflüssigem Sekundenkleber geklebt und fast nahtlos zusammengefügt. Die Klebung härtet nun, so dass es in Kürze weitergehen kann mit dem Präparieren. Bis zu diesem Punkt hat die Präparation erst etwa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch genommen.

 

Teil 2 - Fortsetzung der Freilegung (Aktualisierung vom Mittwoch, 29. Oktober 2014)

Nach dem Aushärten der Klebung konnte die Arbeit am Fossil weitergehen. Der Grobabtrag wurde mit dem Druckluftstichel HW-70 durchgeführt, erst direkt am Fossil wurde dann mit dem in Sammlerkreisen bekannten, von Eckhard Petersen konstruierten Strahlgerät unter Verwendung von Eisenpulver gearbeitet. Die Problematik besteht darin, dass mit dem Strahlgerät trotz dessen Leistungsfähigkeit keine allzu großen Materialmengen fortgeschafft werden können bzw. der Zeitaufwand dafür extrem hoch ist. Daher muss man sich mit dem Druckluftstichel so nah wie möglich ans Fossil herantasten, was angesichts der kräftigen Berippung und leichten Bedornung bei Oistoceras durchaus schwierig ist. Manche Rippe ist etwas kräftiger ausgebildet als die vorherige und liegt dementsprechend schon einige Millimeter höher als erwartet, da kann es schon einmal sein, dass man das oberste Spitzchen eines Dorns tangiert. Solch ein Treffer ist dummerweise kaum vom Beschädigen von kleinen Fossilteilen, die in der Matrix isoliert eingelagert sind, zu unterscheiden. Bevor man also ein angeschossenes Teilchen einfach "beseitigt", muss ersteinmal wieder gestahlt werden, um sich zu orientieren und sicherzugehen, dass man hier nicht gerade in den Ammoniten hinein arbeitet. So dauert es recht lange, voranzukommen. Ich tastete mich etwas mehr als eine Stunde lang Millimeter für Millimeter und Rippe für Rippe entlang der Wohnkammer vor, immer mit Standortwechseln zwischen Stichel- und Strahlkabine. Die Erhaltung der Fossiloberfläche der Wohnkammer blieb bisher überwiegend gut, lediglich einem Dorn fehlte leider die Beschalung.

 

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Abb. 8: So sieht die Knolle mit dem Oistoceras mittlerweile aus. Noch gut zu erkennen, ist die zentral durch die Konkretion verlaufende Klebefuge. Die Außenwindung ist im Bereich des Bruchs bereits freigelegt und hier fehlt so gut wie nichts. Im Bereich der Klebenaht galt und gilt es besonders darauf zu achten flachwinklig zu strahlen, um die Nut nicht weiter auszuhöhlen.

 

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Abb. 9: Die Freilegung des Ammoniten ist ein Geduldsspiel. Hier wurde gestrahlt, als nächstes muss ersteinmal wieder mit dem Druckluftstichel - vorsichtig - etwas Platz geschaffen werden, denn die "Steilwände" allein mit dem Strahler abzutragen würde viel zu lange dauern, da das Gestein äußerst zäh und das abzutragende Volumen auf den gesamten Ammoniten bezogen noch riesig ist.

 

Teil 3 - Fortsetzung der Freilegung (Aktualisierung vom Donnerstag, 30. Oktober 2014)

Am späten Nachmittag trat ich noch einmal den Weg in die Präparationswerkstatt an und arbeitete rund zwei Stunden am Oistoceras weiter. Der Arbeitseinsatz war bedauerlicherweise nicht sehr erfolgreich - so ist das eben mit den Knollen, man steckt nicht drin! Leider war die siebte Rippe von außen beim besten Willen nicht aufzufinden. Hier hat der Ammonit eine starke Beschädigung erlitten, zur Beantwortung der Frage, ob die Beschädigung prä- oder postmortal erfolgte, fehlen mir leider jegliche Anhaltspunkte. Jedenfalls ist die Fehlstelle der Ästhetik des Exponats nicht gerade zuträglich, während kleinere Schalenfehlstellen rundherum beinahe vernachlässigt werden können. Wir dürfen nicht vergessen, dass hier ein 185 Millionen Jahre altes Fossil vorliegt und eben kein Industrieprodukt von der Stange, insofern wird hier auch nicht etwas ergänzt werden, was schon seit Jahrmillionen fehlt. Das Risiko dass etwas fehlt, hat man immer, da gibt es nur eins: weitersuchen bis ein perfektes Stück zu Tage kommt! Etwas anderes ist es natürlich bei bergungs- oder präparationsbedingten Fehlstellen, die kann man schon mal restaurieren.

 

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Abb. 10: Rund zehn Rippen der Außenwindung sind mittlerweile teils freigelegt. Leider klafft im Bereich der siebten Rippe ein großes Loch in der Schale des Ammoniten, das sich in Richtung Venter wieder verschmälert.

 

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Abb. 11: In der dünnen Schale der Wohnkammer des Ammoniten zeigen sich ein großes und mehrere kleine Löcher. Wie wohl die Gegenseite auf gleicher Höhe aussieht? Hätte man vielleicht diese präparieren sollen? Wer weiß, vielleicht ist diese aber auch noch löchriger, eigentlich müßig darüber zu mutmaßen. Aber beim Präparieren kommen einem unwillkürlich solche Gedanken. Es drängt sich natürlich auch die Überlegung auf, den Ammoniten doch noch entgegen des ursprünglichen Plans beidseitig freizulegen, um die Antwort auf die Frage tatsächlich herauszubekommen. Angesichts des hohen Zeitaufwands der Freilegung und dem ungewissen Ausgang möchte ich das aber eher nicht tun, zumal die in diesem Fall sehr schöne und handliche Knolle dann gänzlich verloren ginge.

 

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Abb. 12: Unerwartetes Leck an Rippe 7, schade, aber nicht zu ändern.

 

Jetzt hilft nur eines: weiter durchbeißen! Wenn der Phragmokon ersteinmal erreicht ist, dann sollte es eigentlich gut erhalten weitergehen, wenn man sich die schöne Kalzitfüllung des Querbruches nochmals vor Augen führt.

 

Teil 4 -  Nach einer "Zwangspause" geht es weiter (Aktualisierung vom Donnerstag, 18. Dezember 2014)

Wer sich zwischenzeitlich gefragt hat, ob es beim Oistoceras denn so gar keine Fortschritte zu vermelden gibt, dem sei gesagt, leider gab es tatsächlich bisher nichts Neues zu berichten! Denn nach dem zuletzt dokumentierten Stand und zirka 10-minütiger Weiterarbeit kapitulierte meine bisherige Absauganlage leider endgültig. Der Motor meines Nilfisk-Staubsaugers (IVB-5, Staubklasse M) hatte mit schätzungsweise rund 1000 Betriebsstunden seine Überlebensdauer überschritten. Eine Reparatur stellte sich als nicht ohne Weiteres durchführbar bzw. unverhältnismäßig teuer heraus (nahe am wirtschaftlichen Totalschaden), so dass nach einer neuen, etwas weniger Strom intensiven und noch leiseren Absauganlage Ausschau gehalten wurde. Die Suchfunktion des Steinkern-Forums war hierzu hilfreich, ebenso die konkrete Beratung von Sammlerfreunden, denen ich an dieser Stelle herzlich für Ihre wertvollen Tipps danke! Letztendlich bestellte ich mir den Staubsaugautomaten Purmat 1200 der Firma Barth Serienapparate. Das Gerät kam vor wenigen Tagen an und arbeitet auf niedriger Stufe angenehm leise. Es ist gut regulierbar und - für sich genommen - nicht allzu platzintensiv.

Zusätzlich wurden ein Zyklon (Grobabscheidung) mit Auffangeimer und eine Filterbox (ein Aschesauger [ohne Motor], in den ein Staubsaugerbeutel eingehängt wird) erworben und zwischen Arbeitskabinen und Absauganlage geschaltet. Bislang ist die Installation noch in Teilen provisorisch, u. a. was die Verbindung der Gerätschaften miteinander anbelangt, wurde aber heute erstmals im Einsatz erprobt. So konnte es an dem Oistoceras nach der längsten "Zwangspause", die meine Werkstatt bisher je erlebt hat, endlich weitergehen!

 

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Abb. 12: Vorläufige Installation - Absauganlage (Purmat1200, links im Bild), verbunden mit mit einem Aschesauger ohne Motor (rechts im Bild), in den ein handelsüblicher günstiger Staubsaugerbeutel als Filter eingehängt wurde, daran anschließend der Zyklonabscheider als Grobabscheidung (Bildmitte). Ziel der Konstruktion ist es, das Filtersystem der Absaugung zu entlasten, um häufigem Wechsel und Neuanschaffung der Filtermatten für das Barth-Gerät vorzubeugen. Bezüglich des Zyklons ist noch über eine Erdung nachzudenken, da sich das Plastik durch Reibung der abgesaugten Staubteilchen im Dauereinsatz statisch aufladen kann. Die Gefahr von Staubexplosionen wurde im Forum diskutiert, ungeachtet der dabei weitgehend ungeklärt gebliebenen Frage, ob diese bei Eisenpulver/Gesteinspulver reell besteht, sollte man über eine Erdung schon deswegen dringend nachdenken, um Stromschläge zu vermeiden, wenn man den Eimer berührt, um ihn zu entleeren (und nicht zu "entladen").

 

Doch zurück zum Fossil. Noch vor dem Blackout des Absauganlage hatte sich gezeigt, dass dieses nach zirka einem halben Umgang der Außenwindung eine größere Fehlstelle aufweist. Ziel der heutigen rund anderthalbstündigen Arbeiten war es, den Bereich der Fehlstelle etwas genauer einzugrenzen und sich von der anderen Seite an diese mit dem Strahlgerät heranzutasten. Da wo die Schale fehlt, fehlt nämlich auch beinahe jegliche Orientierung, wo der Ammonit wieder weiterläuft (mal abgesehen von dem in der Nähe verlaufenden Querbruch, der ja keine Fehlstellen zeigte!). So wurde der Innenbug der Außenwindung rundherum freigelegt. Zusätzlich wurde am Venter des Ammoniten die Konkretion um einige Millimeter mit dem Stichel ausgehöhlt, um den Ammoniten wieder ein Stück plastischer erscheinen zu lassen.

 

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Abb. 13: Der aktuelle Stand der Präparation: Der Innenbug der Außenwindung liegt nun überall frei. Auf der Flanke erkennt man eine große Fehlstelle auf zirka 7 Uhr und eine mittelgroße auf 10 Uhr. Das dürfte es dann aber gerne auch ersteinmal an Fehlstellen gewesen sein!

 

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Abb. 14: Die Fehlstelle am Beginn der Wohnkammer, über deren mögliche Ursache man vielleicht nach Ende der Präparation und Freilegung des Venters diskutieren kann.

 

Bis jetzt zieht sich Murphys Gesetz wie ein roter Faden durch dieses Präparationsprojekt: Hier eine kleine Fehlstelle, dort ein großes Leck, dann das "Ableben" der Absauganlage. Absehbar war diese Verkettung unglücklicher Umstände nicht, aber immerhin zeichnet sie ein realistisches Bild dessen, was beim Präparieren alles an Unwägbarkeiten existiert. Also, wenn Sie in der heimischen Werkstatt auch mit solchen Problemen plagen: Sie sind nicht allein damit! Die meisten Präparationsberichte lesen sich ja im Nachhinein eher so, als sei alles zu jeder Zeit nach Wunsch gelaufen, was auch bei den ausgewählten Objekten zutrifft. Nicht vorgestellt werden hingegen dann die Projekte, wo einmal nicht alles nach Wunsch lief. Oft genug liegt das schon daran, dass nicht perfekt erhaltene Fossilien von anspruchsvollen Präparatoren beiseite gelegt werden, weil man keine Zeit verschwenden möchte, etwas nicht perfekt Erhaltenes freizulegen. In diese Versuchung kommt man schnell, gerade bei zeitaufwendigen Präparationsprojekten, aber in diesem Fall gibt es für mich kein Zurück mehr, das Ergebnis bin ich den Lesern schuldig und auch selbst gespannt. Vielleicht klappt es ja noch dieses Jahr mit der Fertigstellung des Ammoniten vom Golden Cap.

 

Teil 5 -  Es geht in die nächste "Runde" bzw. Windung (Aktualisierung vom Donnerstag, 25. Dezember 2014)

Heute hatte ich Gelegenheit noch einmal rund anderthalb Stunden weiterzuarbeiten. Zunächst legte ich die Außenwindung weiter frei, wodurch nun die Fehlstelle noch etwas besser zu erkennen ist. Ich begann damit, diesen Bereich etwas "auszuhöhlen", so dass hier nach und nach das volle Ausmaß der Beschädigung sichtbar gemacht werden kann. Am Außenbug wurde der Ammonit rundherum wieder einige Millimeter tief freigestichelt und gestrahlt, so dass der Venter nach und nach immer besser sichtbar wird. Das erste Drittel der äußersten Innenwindung wurde ebenfalls freigestrahlt. Hier präsentiert sich der Ammonit in guter Erhaltung und es geht schnell voran. Das Freilegen des Zentrums dürfte nun sogar weniger zeitaufwendig sein, als rundherum den Venter zufriedenstellend freizulegen. Die folgenden beiden Fotos zeigen den aktuellen Stand.

 

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Abb. 15: Der aktuelle Stand am 25. 12. 2014.

 

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Abb. 16: Ventrale Ansicht des Ammoniten, in der nunmehr leicht schüsselförmigen Konkretion. Da die Konkretion recht schmal ist, erscheint diese Art der Freilegung geboten, um sie nicht zu flach werden zu lassen. Am Mündungssaum ist ein kleines pyritisiertes "Etwas" aufgetaucht, das ich bei der nächsten "Präparations-Session" ein Stück weiter freilegen möchte. Mal gucken, um was es sich dabei handelt.

 

Teil 6 - Endlich fertig! (Aktualisierung vom Donnerstag, 19. Januar 2015)

Am 17. Januar ergab sich endlich die Gelegenheit das Oistoceras fertigzupräparieren. Eigentlich wollte ich die Präparation nicht in die Länge ziehen und es somit spannender machen, als es eigentlich war, aber es hat sich aufgrund diverser Umstände so ergeben. Jetzt bin ich Ihnen jedenfalls das Endergebnis schuldig!

Zuletzt wurde im Wesentlichen nur noch gestrahlt, der Stichel lediglich für Restarbeiten und zum Glätten der Matrix eingesetzt. Für die Freilegung der Innenwindungen wurde zu einer feineren Strahldüse gegriffen, um hier etwas präziser am Objekt arbeiten zu können.

 

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Abb. 17: Das Präparationsergebnis vor der "Veredelung" durch Steinpflegemittel. Die Innenwindungen waren erwartungsgemäß vollständig vorhanden. Im Bereich der Fehlstelle wurde in die Tiefe präpariert, wobei sich zeigte, dass auch auf der Gegenseite die Schale in etwa diesem Bereich nicht mehr existiert. Die "Tiefbohrung" wurde ab einem gewissen Punkt jedoch eingestellt, um die Optik des Exponats nicht weiter zu beeinträchtigen.

 

Man hätte den Ammoniten so in die Sammlung stellen können, jedoch würde er in diesem Zustand etwas blass wirken. Dies ist häufig bei gestrahlten Fossilien durch die unvermeidliche Abrasion der Oberflächen der Fall. Aufgrund der Annahme, dass der Ammonit optisch durch Einlassen gewänne, behandelte ich ihn mit Rember Steinpflegemittel.

 

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Abb. 18: Der Ammonit kurz nach dem Einlassen mit Rember - subjektiv sieht er nun noch etwas besser aus, objektiv jedenfalls glänzender, speziell so kurz nach der Einlassprozedur.

 

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Abb. 19: Detailansicht des 9 cm großen Ammoniten. Bei genauer Betrachtung sieht man gut den Verlauf des Querbruchs - die Bruchlinie beginnt am rechten Teil der Fehlstelle und zieht sich senkrecht durch die zweitgrößte Windung bis hinauf zur Wohnkammer. Man erkennt nun auch, warum bei der Interpretation des Querbruchs keine Fehlstelle auffallen konnte.

Vielleicht war es gut so, denn ob man einen Ammoniten mit schon im Querbruch erkennbarer Fehlstelle präpariert hätte, ist fraglich. Am Ende halte ich den betriebenen Aufwand durchaus für gerechtfertigt, dazu ganz am Ende noch einige Worte.

 

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Abb. 20: Ja, und dann tauchte da noch dieses rundliche pyritisierte Etwas an der Mündung auf. Sicherlich ein kleiner pyritisierter Ammonit, denn Ammonitenbrut steckt ja häufiger mal in den Green Ammonites Konkretionen - so dachte ich zunächst.

 

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Abb. 21: Die weitere Freilegung belegte jedoch, dass es sich um die 5 mm große Corona eines regulären Seeigels handelt - trotz erheblich zurückgefahrenem Betriebsdruck beim Strahlen war die Oberflächenstruktur des Seeigels in der sehr harten Konkretion nicht optimal zu bewahren - ein weicheres Einbettungsmedium und eine andere Position wären hier dankbarer gewesen, aber hier überwiegt natürlich die Dankbarkeit, den Seeigel nicht mit dem Druckluftstichel "überfahren" zu haben, gegenüber dem Wermutstropfen ihn nicht ganz perfekt freilegen zu können. Ich freue mich über diesen in den Konkretionen der Green Ammonite Beds nicht so häufigen Zufallsfund beim Präparieren, der das Präparationsergebnis und -erlebnis zu einer insgesamt doch "runden Sache" macht!

 

Überlegungen zur Fehlstelle - ein Ammonit "zum Frühstück"?

Abschließend möchte ich noch einige Überlegungen zur auffälligen Fehlstelle des Ammonitengehäuses anstellen. Die Gestalt der Fehlstelle lässt für mich nämlich nicht auf eine - im Ablagerungsmilieu im Übrigen nicht zu erwartende - zufällige mechanische Beschädigung durch Wellenenergie oder sonstige postmortale Ursachen schließen, sondern eindeutig auf eine durch körperliche Kraftentfaltung zielgerichtet durch einen Prädator ausgeführte und für das Ammonitentier letale Attacke. Damit möchte ich ein ästhetisch nicht ganz einwandfreies Exponat nicht "schönreden", jedoch das Auge auf einen unter Fossiliensammlern nach meinem Eindruck nach wie vor eher wenig beachteten paläobiologischen Aspekt lenken, nämlich die Rolle der Ammoniten in der Nahrungskette - in diesem Fall aus der Opferperspektive betrachtet.

Anhand des Querbruchs, der entlang der letzten Kammerscheidewand des Phragmokons verlief, lässt sich genau belegen, dass die große, drei Rippen umfassende Fehlstelle am Außenbug unmittelbar nach Ende des Phragmokons am Beginn der Wohnkammer einsetzt. Sie liegt der Mündung des Ammoniten gegenüber (rund 180°).
In diesem Bereich befanden sich die Muskelansätze des Ammoniten, die zu durchtrennen für den Prädator der effizienteste Weg gewesen sein dürfte, die nahrhaften Weichteile des Ammoniten aus dem schützenden Gehäuse zu ziehen und zu verzehren. Bei Angriffen auf die Mündung hatte das Ammonitentier gegebenenfalls die Möglichkeit den Weichkörper ein Stück weit ins Gehäuse zurückzuziehen und somit auszuweichen, nicht so bei dieser Art der Verletzung.

Über in ähnlicher Weise beschädigte Ammoniten, wurde in den vergangenen Jahren in mehreren Publikationen berichtet, u. a.:

 

KEUPP, H. (2008): Wer hat hier zugebissen? Ammoniten-Prädation.- Fossilien 2008 (2): 109-112


KEUPP, H. (2012): Atlas zur Paläopathologie der Cephalopoden, Berliner paläobiologische Abhandlungen, Band 12, 390 S. Berlin.


ANDREW, C., HOWE, P., PAUL, C. and DONOVAN, S. (2010): Fatally bitten ammonites from the Lower Lias of Lyme Regis, in: Proceedings of the Yorkshire Geological Society, vol. 58, pp. 81-94.

Eine gekürzte Version dieser interessanten Arbeit ist online verfügbar unter http://www.lymeregismuseum.co.uk/research-papers/fatally-bitten-ammonites

 

Letale Bisse wurden vor allem an kleinen Ammoniten häufig beobachtet und sollen insgesamt bei flach-scheibenförmigen Ammonitenspezies verbreiteter sein. Hierfür nennt KEUPP 2012 als schlüssige Erklärung, dass der Angreifer bei flachen Ammonitengehäuse leichter erfolgreich zupacken konnte als bei kräftigeren Gehäusen.

ANDREW et al. 2010 stellen das Phänomen ausführlich anhand von Ammoniten aus derselben Gegend vor, aus dem auch das hier vorgestellte Exemplar stammt (Dorset, GB), sie beziehen ihre Beobachtungen allerdings auf die ein paar Millionen Jahre älteren Sinemurium-Ammoniten. Zwar sind hauptsächlich kleinere Ammoniten (genannt wird eine Größenordnung von 20% der Gesamtpopulation) von den letalen Bissen betroffen, doch wird auch ein über 10 cm großes Asteroceras mit vergleichbarer Fehlstelle am Beginn der Wohnkammer abgebildet. Dies zeigt, dass auch größere Ammoniten, wie das vorliegende Oistoceras vor Räubern nicht geveit waren.

 

Doch wer waren diese Räuber? Eine Frage, die sich bislang nicht mit letzter Sicherheit beantworten lässt. KEUPP 2008 erwähnt neben pycnodontiden Fischen auch andere Raubfische, coeloide Tintenfische und verschiedene Gruppen von Krebsen als Ammonitenjäger. In seiner späteren Arbeit aus 2012 erwähnt er, dass KLOMPMAKER et. al. (2009) ventrale Ausbrüche in der hinteren Wohnkammer-Region neben Fischen vor allem auch Coleoideen (Tintenfischen) zuschreiben.

ANDREW et al. 2010 gehen ebenfalls am ehesten von Tintenfischen als Verursacher aus und argumentieren, dass die immer wiederkehrende Position der letalen Verletzungen darauf schließen ließe, dass sich der Räuber sein Opfer quasi zurechtgelegt habe (mit Saugnäpfen bewährte Tentakel hätten hierbei ein praktisches Feature für den Angreifer dargestellt).

Woher die zweite lokale Beschädigung stammt (Fehlen der 7. Rippe), erklärt sich für mich zunächst nicht unmittelbar mit dem Angriff durch einen Fisch oder Tintenfisch. KEUPP 2008 erwähnt das Heuschreckenkrebse dazu in der Lage waren fensterartige Löcher in die Flanken von bodennah lebenden Ammoniten zu schlagen. Unabhängig davon, ob Oistoceras bodennah lebte oder nicht, dürfte sich das Gehäuse nach dem letalen Angriff am Boden befunden haben. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Prädator selbst oder ein anderes Tier durch das Eintrümmern im zentralen Bereich der Wohnkammer, noch einen Versuch unternahm an im Gehäuse verbliebene Weichteile zu gelangen, die über die Mündung und das Loch hinter dem Phragmokon noch nicht zugänglich waren. Möglicherweise ist dies aber auch eine Überinterpretation, zumal die zeitliche Abfolge der Beschädigungen des Gehäuses auch nicht rekonstruiert werden kann. Es wäre auch denkbar, dass die zweite Beschädigung ein Kollateralschaden des zielgerichteten Angriffs ist.

 

Letztlich muss an dieser Stelle die Frage offen bleiben, wer "meinem" Oistoceras vor rund 185 Millionen Jahren den Garaus gemacht hat, dennoch möchte ich dafür plädieren: auch "kaputte Fossilien" sollten beachtet und präpariert werden, denn sie können besonders interessant sein.

 

Eine Diskussion zum Thema "Ammoniten mit Wohnkammerverletzungen" ist im Steinkern-Forum unter folgendem Link zu finden: http://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=9&t=16583

Es wäre zu begrüßen, wenn dieser Diskussionfaden für das Vorstellen neuer Funde gelegentlich wieder aufgegriffen würde - das Phänomen ist nicht selten, zumindest jeder Jura- und Kreidesammler sollte hin und wieder auf entsprechendes Fundgut stoßen.

 

Literatur:

ANDREW, C., HOWE, P., PAUL, C. and DONOVAN, S. (2010): Fatally bitten ammonites from the Lower Lias of Lyme Regis, in: Proceedings of the Yorkshire Geological Society, vol. 58, pp. 81-94.

 

GENZEL, K. (2008): Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland, Teil 3: Die Belemnite Marls und die Green Ammonite Beds, Steinkern.de

 

GENZEL, K. (2011): Präparation einer Konkretion der Green Ammonite Beds aus Charmouth, Südengland, Steinkern.de

 

KEUPP, H. (2008): Wer hat hier zugebissen? Ammoniten-Prädation.- Fossilien 2008 (2): 109-112


KEUPP, H. (2012): Atlas zur Paläopathologie der Cephalopoden, Berliner paläobiologische Abhandlungen, Band 12, 390 S. Berlin.

 

SIMONSEN, S. (2012): Eine Exkursion in den Unteren Jura von Dorset (S. 18-39), Der Steinkern, Heft 8, S. 18-39.

 

SIMONSEN, S. (2012): Präparation einer Oistoceras-Konkretion vom Golden Cap (in 3D!), Steinkern.de

 

SIMONSEN, S. (2013): Beidseitige Präparation eines Androgynoceras aus einer Konkretion der Green Ammonite Beds von Dorset, Steinkern.de / Exklusivberichte für Abonnenten.

 

SIMONSEN, S. (2013): Liparoceras gallicum - ein Prachtkerl vom Golden Cap (Dorset), Steinkern.de.

 

WEST, I. M.: Geology of the Wessex Coast (including UNESCO Dorset and East Devon World Heritage Site - Jurassic Coast), www.soton.ac.uk/~imw, Version: 28. Oktober 2014.

 

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