Ein Riesentintenfisch aus den Solnhofener Plattenkalken

Ein Riesentintenfisch aus den Solnhofener Plattenkalken

Fund- und Präparationsbericht zu einem Leptoteuthis gigas

von Guido M. Berndt

 

Die Fauna der Solnhofener Plattenkalke weist bekanntermaßen einen außergewöhnlichen Artenreichtum auf. Zu diesem gehören auch unzählige Spezies von Kopffüßern (Cephalopoda). Was die Tintenfische betrifft, so werden z. Zt. in der Ordnung der Vampyromorpha sechs verschiedene Familien unterschieden. Die zu dieser Ordnung zählende Familie Leptoteuthidae wiederum wird in zwei Arten unterteilt, wobei nicht ganz sicher ist, ob Donovaniteuthis schoepfeli (ENGESER & KEUPP 1997) nicht doch mit Leptoteuthis gigas gleichzusetzen ist. Letztere Art wurde 1834 von Hermann von Meyer aufgestellt. Dirk Fuchs gibt die Gesamtlänge dieser Riesentintenfische mit über einem Meter an, wobei er ein Gewicht von bis zu zwei Zentner kalkuliert (FUCHS 2015, 233). Fossile Tintenfische dieser Größe sind sehr selten. Umso größer war die Freude über den Fund eines solchen Giganten, der einem Berliner Nachwuchssammler im Juli 2016 im Fossiliensteinbruch für Hobbysammler auf dem Blumenberg bei Eichstätt geglückt ist. Von diesem Fund, seiner Bergung und Präparation soll im Folgenden berichtet werden.
Als Geschenk zu seiner „Jugendweihe“ hatte sich Niclas Rohr von seinem Vater eine einwöchige Reise nach Eichstätt zum Fossiliensuchen gewünscht und bekommen. Schon nach kurzer Suche im Steinbruch entdeckte er eine länglich-ovale Beule in den freigeschaufelten Schichten.

 

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Abb. 1: Der glückliche Finder in seinem Claim im Hobbybruch.

 

Für ihn bestand kein Zweifel: Hier musste ein wirklich großer Fund verborgen sein. Obwohl der eine oder andere Sammler eine sog. Fäulenbeule vermutete, war der Finder sich sicher, etwas Besonderes entdeckt zu haben. Und tatsächlich konnte ein ortsansässiger Sammler mit geschultem Blick das Fossil noch in situ als Riesentintenfisch bestimmen. Die Frage war nun, wie man das Stück bergen könnte. Dies konnte nicht ohne Einsatz schweren Geräts bewerkstelligt werden. Nach großflächigem Abtrag der umgebenden Schichten und einem Aussägen des fossilführenden Blocks musste schließlich ein Baggerfahrer hinzugerufen werden, um den mehrere Zentner schweren Brocken herauszuheben.

 

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Abb. 2 und 3: Vor Ort stets zu tatkräftiger Mithilfe bereit: Hobbysammler beim Aussägen des mächtigen Steinblocks.

 

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Abb. 4 und 5: Der hinzugerufene Bagger im Einsatz.

 

Eine nicht alltägliche Aktion, die auch der lokalen Presse einen kurzen Bericht wert war. Die weitere Vorformatierung erfolgte dann mit handlicherem Werkzeug vor der Pension.

 

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Abb. 6-9: Vorsichtig werden überzählige Schichten abgespalten und der Block verkleinert.

 

Der Körper des Tintenfischs steckt in der Hauptplatte, der Kopf des Tieres in mehreren Steinen, die bedauerlicherweise in einer Kluft lagen. Allein der größte dieser Brocken wiegt über 13 Kilogramm.
Da das Fossil – glücklicherweise – nicht als Spaltfossil vorliegt, sondern tief im Stein verborgen ist (ein Querbruch im Kopfbereich zeigte Tiefen von bis zu drei Zentimetern), war die Präparation, mit der mich der Finder und sein Vater beauftragten, der nächste Schritt.

Angekommen in meiner Werkstatt (das Hochtragen in meine Dachgeschosswohnung an einem heißen Sommerabend war schon eine Plackerei) stelle ich fest, dass der Stein gerade noch auf meinen Präparationstisch passt, das sonst übliche Herumrangieren unter dem Mikroskop sollte also schwierig werden. Ich plane die Präparation in mehreren Schritten: Zunächst soll die Substanz in der Hauptplatte freigelegt werden, anschließend soll dann das Ansetzen der Steine mit dem Kopf und dessen Freilegung erfolgen. Da in diesem Bereich bereits im Steinbruch Substanz offen lag, müssen diese Stücke zunächst wieder zusammengeklebt werden, auch weil die Hangendseite des Fossils präpariert werden soll, die in der Regel eine bessere Erhaltung als die Liegendseite verspricht.

 

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Abb. 10: Verkleben der Kopfpartie unter Einsatz einer großen Schraubzwinge, um ein möglichst geringes Fugenmaß zu erhalten.

 

Über der Fossilsubstanz befinden sich mehrere Lagen, die es abzutragen gilt, wobei auf weiche Fäulenlagen mehrere sehr harte Flinzlagen folgen.

 

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Abb. 11: Immer tiefer frisst sich der Stichel in den Stein. Im Zentrum zeigt sich die Fossilsubstanz.

 

Ein erstes Probefenster im vorderen Bereich zeigt, dass das Fossil hier besonders tief im Flinz steckt, wohingegen ein Fenster im hinteren Bereich etwas zügiger gestichelt ist, da hier der Schulp erstens nicht so tief steckt und zweitens die bedeckenden Gesteinslagen nicht ganz so hart sind. Insgesamt wird es eine echte Fleißarbeit, die ohne pneumatische Stichel beinahe unvorstellbar ist. Millimeter für Millimeter, Zentimeter für Zentimeter wird die Substanz freigelegt.

 

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Abb. 12: Nach und nach kommt die farbenprächtige Substanz zum Vorschein und das Fossil nimmt allmählich Gestalt an.

 

Diese erweist sich als überaus farbenfroh. Der Abtrag füllt schließlich mehr als zwei große Eimer (schätzungsweise 15 kg).
Nach einer Formatierung der zugehörigen Partien erfolgt die Klebung mit Sekundenkleber und Akemi. Das Ansetzen an die Hauptplatte ist kniffelig, weil der Bruch an einer natürlichen Kluft erfolgt war und dementsprechend nicht ganz fugenfrei schließt. Hier werden später kleinere Restaurierungen der Substanz notwendig sein. Um die Platte im Kopfbereich harmonischer zu gestalten, werden aus Restmaterial Ergänzungen vorgenommen.

 

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Abb. 13: Der Block mit dem Hauptteil des Kopfes war bereits im Steinbruch aufgespalten. Er wird mit dem für solche Zwecke bewährten Akemi mit dem Hauptblock verklebt.

 

Das Verschleifen der Kanten nimmt viele Stunden in Anspruch und führt dazu, dass mein Schleifgerät den Geist aufgibt. Also muss rasch ein Neugerät angeschafft werden. Nachdem die Schleifarbeiten beendet sind, erfolgt eine sehr zurückhaltende Koloration der ergänzten Partien (mit Wasserfarben) sowie eine abschließende Versiegelung mit einer dünnen Schicht Zaponlack.
Im Endergebnis liegt ein 110 cm großer Tintenfisch vor, der sicherlich ein Highlight in der Sammlung des Finders darstellt. Ob es sich um den „Fund seines Lebens“ handelt bleibt abzuwarten, er hat ja noch viele Jahre des Sammelns vor sich. Für mich war es jedenfalls mit Abstand das größte (und einschließlich der Matrix mit über 60 Kilogramm Gewicht schwerste) Fossil, das ich bislang präpariert habe.

 

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Abb. 14: Der präparierte Riesentintenfisch. Ansicht in neuem Fenster vergrößern.

 

 

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Abb. 15: Rekonstruktionszeichnung (nach Adolf NAEF: Die fossilen Tintenfische. Eine paläozoologische Monographie, Jena 1922).

 

Literatur

FUCHS, D.: Tintenfische (Coleoidea, Endocochleata, Dibranchiata), in: Gloria Arratia et al. (H g.), Solnhofen – Ein Fenster in die Jurazeit, Bd. 1, München 2015, 229-239.

FRICKHINGER, K. A.: Die Fossilien von Solnhofen. Bd. 1: Dokumentation der aus den Plattenkalken bekannten Tiere und Pflanzen, Korb 1994, 90-91.

FRICKHINGER, K. A.: Die Fossilien von Solnhofen. Bd. 2: Neue Funde, neue Details, neue Erkenntnisse. Mit einer Einführung in die Geologie der Plattenkalke von H. Tischlinger, Korb 1999, 28-29.

KUHN, O.: Die Tierwelt des Solnhofener Schiefers, Wittenberg 1966, 20-21 mit Abb. 29-35.
Hermann von Meyer: Leptoteuthis gigas, in: Museum Senckenbergianum: Abhandlungen aus dem Gebiete der beschreibenden Naturgeschichte 1, 1834, 292-293.

 

Angaben zum Fossil im Überblick


Fossil: Leptoteuthis gigas, MEYER 1834


Fundort: Steinbruch für Fossiliensammler auf dem Blumenberg, Eichstätt


Zeitstellung: Jura, Malm zeta 2 a/b


Größe: 110 cm


Sammlung: N. Rohr


Werkzeuge: diverse druckluftbetriebene Stichel, Dremel mit Schleifaufsätzen, Skalpelle und Nadeln


Arbeitszeit: ca. 65 Stunden

 

Fotos: R. Rohr (Bergung) und G. M. Berndt (Präparation)