Fund- und Präparationsbericht zu einem großen Raubfisch der Gattung Caturus aus den Solnhofener Plattenkalken

Im Steinbruch
Am zweiten Aprilwochenende 2015, nur eine Woche nach der Wiedereröffnung des Steinbruchs für Fossiliensammler auf dem Blumenberg (Eichstätt) nach längerer Winterpause, zog es meinen Bruder wieder zum Plattenspalten ins Altmühltal. Der Bruch war zwar gerade frisch abgeschoben, dennoch erwiesen sich die Suchbedingungen im neueren, noch höher gelegenen Teil als nicht allzu erfreulich, weil viele der offen liegenden Schichten starke Zerklüftungen aufwiesen, wodurch nur ein kleinteiliger Abbau möglich war. Dennoch stellte sich das Fundglück sehr bald ein. Denn es zeigte sich nur wenige Zentimeter unter der vom Bagger abgeschobenen Oberfläche eine länglich-ovale Beule.

 

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Abb. 1: Fundsituation im Steinbruch.

 

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Abb. 2: Nochmals die Fundsituation: An der durch den Pfeil markierten Stelle war ein Stückchen Flosse zu erkennen, hervorgehoben ist zudem die „Beule“, die der Fisch ins versteinernde Sediment gedrückt hat.

 

Da an einer Stelle die freiliegende Schicht aufgeplatzt war und ein Stückchen Flosse herauslugte, war unmittelbar klar, dass es sich um einen größeren Fisch handeln musste. Rasch übermittelte mein Bruder mir die Fundnachricht und bat mich, ihn bei der Bergung zu unterstützen. Gleich am nächsten Morgen packte ich in aller Eile mein Werkzeug ein und fuhr zum Steinbruch. Der Abbau der Schichtpakete rund um das Fossil nahm gut einen halben Tag in Anspruch, wir wollten den „Kerl“ möglichst tief packen.

 

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Abb.  3: Der freigelegte Block kurz vor der Bergung. Deutlich zu erkennen ist eine lange Kluft, die das gesamte Fossil durchzieht.

 

Das Problem war nämlich, dass das Fossil genau in der Mitte (von Kopf bis Schwanz) von einer langen, etwa 1 bis 1,5 cm breiten Kluft durchzogen war und auch der gesamte umliegende Bereich unzählige Klüfte und Risse aufwies. Genau unter der Schicht, auf welcher der Fisch lag, befand sich zudem eine mehrere Zentimeter starke „Fäule", die ebenfalls nicht zur Stabilisierung des zu bergenden Blocks bzw. der Blöcke beitrug. Mit einem Bleichstift wurden folglich dutzende Fragmente bzw. Bereiche, die drohten in Fragmente zu zerfallen, markiert, in der Hoffnung, dass man in der heimischen Präparationswerkstatt schon alles wieder zusammenbringen würde. Schließlich versuchten wir den rundum befreiten Block zu heben, der dabei erwartungsgemäß in mehrere Teile zerbrach. Diese waren immer noch schwer genug und mussten zum Parkplatz hinauf getragen werden.
Bei diesem Befund war von Anfang an klar, dass der Fisch auf einen Trägerstein aufgedoppelt werden müsste – leider hatte ich am Tag der Bergung vergessen, einen passenden auszusuchen und mitzunehmen – was ich erst zwei Wochen später bei nächster Gelegenheit nachholte.

 

In der Werkstatt
Als ich am Abend wieder daheim war, fehlten mir schlichtweg die Lust und die Kraft, die ganzen Steine noch einmal zu tragen und so ließ ich sie über Nacht einfach im Auto liegen. Erst am Folgetag schleppte ich das gesamte Material in meine Werkstatt, die nach dem Abladen der vielen großen und kleinen Bruchstücke nur noch wenig einladend aussah.
Dann begann die Sichtung. Da sich die größeren Risse und Klüfte teilweise mit schmierigem Lehm gefüllt hatten, mussten alle Fragmente einzeln gereinigt werden.

 

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Abb. 4: Nur eine sehr kleine Auswahl der Bruchstücke, die zusammenzukleben waren.

 

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Abb. 5: In einem der gesäuberten Profile ist zu erkennen, dass der das Fossil in sich tragende Block aus vielen Schichten besteht. Sie sind von zahllosen Klüften durchzogen. Der Pfeil markiert den Schädel des Fischs.

 

Diese einfach in ein Wasserbecken zu legen oder unter fließendem Wasser zu säubern kam nicht in Frage, weil die Substanz des Fisches an vielen Stellen im Querbruch bereits herausschaute und unter keinen Umständen weggespült werden sollte. Zudem war bereits bei der Bergung im Steinbruch ein Lobus der Schwanzflosse aufgespalten. Gerade in diesem Bereich war der Stein vollkommen zerklüftet, so dass immer wieder kleine Fragmente im Millimeterbereich herausbröselten. Nachdem nach vielen Stunden alle Bruchkanten und Oberflächen abgewaschen waren (Zentimeter für Zentimeter mit einer Zahnbürste) konnten eine erste Begutachtung und eine Einschätzung des zu erwartenden Zeit- und Arbeitsaufwands vorgenommen werden. Deutlich war, dass durch die große den gesamten Fisch durchziehende Kluft bereits fossile Substanz in nicht unerheblichem Maß verloren war und an diesen Stellen die Platten auch nicht mehr fugendicht zusammenzukleben waren. Um ein ansprechendes Fossil zu erhalten, würden Ergänzungen notwendig sein.
Kleinere Bruchstücke konnten rasch mit Sekundenkleber zusammengefügt werden, für andere Partien kam der bewährte Zweikomponentenkleber Akemi zum Einsatz.

 

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Abb. 6 bis 10: Das Zusammenfügen der vielen Fragmente. Die entstehenden Blöcke sind teilweise zu groß für den Arbeitstisch, so dass die eine oder andere Klebung auf dem Fußboden vorgenommen werden musste.

 

Die aufgespaltene Schwanzflosse wurde mit transparentem Akemi eingestrichen und wieder zusammengefügt. Nach und nach verringerte sich so die Zahl der Einzelteile bis nur noch vier große Steine übrig waren. Diese waren aber viel zu unhandlich und schwer, als dass man sie einfach hätte zusammenfügen können. Daher spaltete ich mit größter Vorsicht einige Schichten ab, um das Gesamtgewicht zu reduzieren. Zunächst traute ich mich nicht an die Klebung und wollte die Stücke am liebsten wieder ins Auto packen und zu einem befreundeten Sammler und sehr erfahrenen Präparator fahren – dann packte mich aber doch der Ehrgeiz.
Bei den folgenden schrittweise ausgeführten Klebevorgängen zeigte sich nun aber noch deutlicher, dass die einzelnen Teile aufgrund der Ausschwemmungen definitiv nicht mehr fugendicht schließen, und die Spalten zugespachtelt werden müssen, wofür erneut Akemi verwendet wurde.

 

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Abb. 11 und 12: Aufgießen der Liegendseite.

 

Im Anschluss erfolgte ein Aufgießen der gesamten Oberseite der Platte mit einer gipsähnlichen Spachtelmasse. Dazu wurde ein Rahmen aus Holzleisten aufgebaut, der nach der Trocknung leicht wieder zu entfernen war. Im nächsten Schritt ging es ans Aufdoppeln auf den besorgten Trägerstein sowie, jetzt wieder gewissermaßen auf der richtigen Seite, das Herunterspalten überzähliger Schichten bis auf eine Lage über dem Fossil.
Dabei kam ein Stück der Brustflosse zum Vorschein. Diese hatte sich durch zwei Schichten geschoben und wird am Ende der Präparation freistehen. Ein Pluspunkt für den zu erwartenden Gesamteindruck.

 

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Abb. 13: Die Brustflosse zeigt sich.

 

Mit diversen Luftdrucksticheln wurde daraufhin der Stein über dem Fossil abgetragen. Nach und nach wird die Form des Fisches erkennbar und es zeigt sich, dass er – wie es nicht selten der Fall ist – auch im Kopfbereich nicht verdreht daliegt.

 

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Abb. 14: Erstmals wird die Lage des Fisches gut erkennbar.

 

In den Bereichen, an denen keine Substanzverluste zu verzeichnen sind, weist der Fisch eine wunderbare Erhaltung auf, ein Grund mehr, eine vollständige Ergänzung des Fossils in Betracht zu ziehen. Stunde um Stunde vergeht beim Freisticheln und -schaben. Nebenher werden ramponierte Stellen der Oberfläche geflickt und verputzt sowie erste zaghafte Ergänzungsversuche am Fossil unternommen. So vergehen die Abende am Präparationstisch.

 

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Abb. 15: Allmähliches Freisticheln der Substanz, gleichzeitig werden Fehlstellen verfüllt.

 

Das Maul des Räubers ist beinahe geschlossen, die Zähne freizulegen möchte ich mir bis zum Schluss aufsparen. Zuvor werden noch Fehlstellen in der Matrix mit Restmaterial ausgebessert. Da mir die Erfahrung fehlt, sämtliche Ergänzungen und Anpassungen am Fossil selbst vorzunehmen, bitte ich schließlich doch einen befreundeten Präparator, mich anzuleiten. Er stimmt zu und so wird die 25 kg schwere Platte ins Auto verladen.

 

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Abb. 16: In diesem Zustand geht der Fisch „auf die Reise“.

 

Nach etwa zwei Stunden in der Werkstatt des Kollegen ist ein Plan erstellt, der abzuarbeiten sein wird. Vor allem die Empfehlung, eine besondere Spachtelmasse für die zu ergänzenden Partien zu verwenden erweist sich als sehr wertvoll, weil Akemi nach dem Abbinden sehr hart wird und sich dann nur noch sehr aufwendig     bearbeiten lässt. Die Ergänzungen sowie ihre farbliche Anpassung sind ein dauerhaftes „trial and error“-Spiel. Irgendwann findet man den halbwegs richtigen Ton.
Unerwartete Schwierigkeiten ergeben sich dann noch beim Freilegen des Gebisses, denn die Kieferknochen erweisen sich als recht porös, es droht Zahnausfall. Dünnflüssiger Sekundenkleber ist die Lösung, den der Unterkiefer regelrecht aufzusaugen scheint. Erst nach dieser Stabilisierung lassen sich die spitzen Zähne dann gefahrlos freilegen.

 

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Abb. 17: Der Kopf des Räubers.

 

Die Präparations- und Restaurierungsarbeiten werden mit einem Verschleifen der Kanten – von Hand, was bei einer Gesamtkantenlänge von etwa einem Meter nochmals einige Stunden in Anspruch nimmt – sowie einer Versiegelung des Fossils mit Zaponlack abgeschlossen. Ganz zum Schluss werden auf der Rückseite des Steins die wichtigsten Angaben mit einem wasserfesten Stift notiert. Die Frage, ob ein Caturus, der ja nicht gerade zu den seltensten Raubfischen aus den Solnhofener Plattenkalken gehört, eine derartig aufwendige Arbeit rechtfertigt, kann ich für mich mit einem klaren „Ja“ beantworten.

 

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Abb. 18: Das Ergebnis von etwa 100 Stunden Präparationsarbeit. Detailansicht in neuem Fenster anzeigen.

 

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Abb. 19: Rekonstruktionszeichnung eines Caturus (© Nobu Tamura bei Wikipedia Commons).

 


Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil:Caturus sp.
Fundort: Steinbruch für Fossiliensammler auf dem Blumenberg, Eichstätt
Zeitstellung: Jura, Malm zeta 2 a/b
Größe: 48 cm
Sammlung: Roman & Guido M. Berndt
Verwendete Werkzeuge: Nadeln, Schaber, Skalpelle, diverse Luftdruckstichel (HW)
Arbeitszeit: ca. 100 Stunden

 

Guido M. Berndt für Steinkern.de