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Vom Stein zum 3D-Modell: Photogrammetrie Tutorial 1 – Erfassung einer kleinen Stufe mit Photoscan

Software
Für dieses Tutorial wird nur ein Programm benötigt: Agisoft Photoscan. Photoscan ist ein kommerzielles Produkt (ein Tutorial mit Open-Source-Software, welche etwas schwieriger zu bedienen ist, folgt in Kürze). Photoscan kann jedoch 30 Tage kostenlos im vollen Funktionsumfang getestet werden.

 

Download der Software: http://www.agisoft.com/downloads/installer/
30-Tage-Testlizenz: http://www.agisoft.com/downloads/request-trial/

 

Tipp: Am besten die “Professional Version” zum Testen herunterladen. Auch wenn die “professionellen” Features nicht benötigt werden, gibt es einen Vorteil: Für diese Version kann auf der oben genannten Seite sofort und automatisch eine 30-Tage-Testlizenz generiert werden.

 

Diese Anleitung beschreibt Schritt für Schritt, wie mittels Photogrammetrie ein Fossil als digitales 3D-Modell erfasst werden kann. Es geht also darum, ein 3D-Modell eines Fossils dadurch zu generieren, dass viele Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden und eine Software daraus das Modell erzeugt. Diese Anleitung ist Teil einer Serie von Tutorials, die den jüngst in DER STEINKERN - Heft 29 erschienenen Artikel "Vom Stein zum 3D-Modell: Fossilien und Photogrammetrie" ergänzen. Es wird empfohlen (ist jedoch nicht zwingend erforderlich) zunächst den Hauptartikel im Steinkernheft zu lesen.

In diesem ersten Tutorial wird ein sehr einfaches Beispiel behandelt. Zum einen wird nur eine Bildserie aufgenommen (es müssen also nicht mehrere kombiniert werden) und zum anderen wird die einfach bedienbare  (jedoch kommerzielle) Software Agisoft Photoscan verwendet (von der es aber eine 30-Tage-Test-Lizens gibt, s.o.). Im nächsten Tutorial wird ausschließlich kostenlose Software verwendet.

Das hier als Beispiel erfasste Fossil ist ein Ammonit der Spezies Hoploscaphites nicoletti aus dem Maastrichtium (Oberkreide) von South Dakota auf einer Gesteinsstufe mit weiteren Fossilien (siehe Abb. 1). Das Ergebnis, welches von der nachfolgend beschriebenen Prozedur zu erwarten ist, kann unter https://skfb.ly/6n6Dy angesehen werden.

 

Haploscaphites nicoletti South Dakota

Abb. 1: Hoploscaphites nicoletti  in einer Konkretion mit Muscheln, Schnecken und einem weiteren kleinen Vertreter der Scaphitidae. Foto und Sammlung: Sönke Simonsen

 

Gesamtablauf:
Der Gesamtablauf der 3D Erfassung ist in Abb. 2 illustriert. Darauf folgen detaillierte Beschreibungen er einzelnen Schritte.

 

Tutorial Photogrammetrie Fossilien

Abb. 2: A: Aufnahme der Fotos. B: Generieren einer groben Punktwolke. C: Generieren einer dichten Punktwolke. D: "Aufräumen" der Punktwolke. E: Generieren eines Drahtgittermodells (Mesh). F: Generieren des finalen texturierten Modells.

 

Schritt 1: Materialien und Konfiguration der Kamera
Um die Bilder aufzunehmen, arbeiten wir mit einem kleinen Lichtzelt und einem Tischstativ (siehe Abb. 2A). Diese Hilfsmittel können günstig erworben (jeweils 10 – 20 €) oder improvisiert werden (z. B. mit einer Lichtbox aus weißer Pappe). Der Fotoapparat wird so eingestellt, dass ohne Blitz ein möglichst vollständig scharfes, bildfüllendes Foto gemacht werden kann. Weiterhin sollten Weißabgleich und andere Einstellungen, die Helligkeit und Farben betreffen manuell eingestellt und konstant gehalten werden. Wie dies mit einer Spiegelreflexkamera erreicht werden kann, kann nachstehender Tabelle und dem Hauptartikel entnommen werden. Andere Fotoapparate sollten entsprechend im Rahmen der Möglichkeiten konfiguriert werden.

 

Einstellung Wert            
Anmerkung
Autofokus an oder aus darauf achten, dass scharfe Bilder aller Bereiche gemacht werden
Brennweite z. B. 55 mm Zoomobjektive am besten auf Anschlag drehen (nicht Zoomen zwischen den Aufnahmen!)
Blende z. B. F/22 Kleine Blende (= großer F/Wert)
Belichtungszeit z. B. 1/5 Sek. Bei größerem F/Wert länger belichten
ISO z. B. 200  
Blitz aus  
Automatischer Weißabgleich aus  
Bildstabilisator an oder aus Auf Stativ im Zweifel aus
Zeitauslöser oder Fernbedienung an oder aus Bei langer Belichtung möglichst verwenden

 

Schritt 2: Vorbereitung des Fossils
In diesem Beispiel wird eine kleine Stufe digitalisiert (siehe Abb. 3). Diese ist ein einfaches, für Anfänger geeignetes Objekt, da es während der gesamten Erfassung auf der Unterseite stehen kann, da diese nicht unbedingt interessant ist und nicht erfasst werden muss. Zur Vereinfachung der späteren Bearbeitung, kann man die Stufe im Lichtzelt auf einen kleinen Sockel stellen (wurde hier nicht gemacht). Falls erforderlich, sollten vor Beginn noch Staub, Fussel, etc. vom Fossil gepustet werden. Es ist erstaunlich, welche unerwünschten feinen Details manchmal mit erfasst werden. Nicht vergessen, im Lichtzelt die Beleuchtung einzuschalten! Im vorliegenden Fall wurde noch mit einer zusätzlichen Fotolampe auf die Stufe geleuchtet.

 

Bild2

Abb. 3

 

Schritt 3: Aufnahme der Bilder
Das Fossil wird nun vor der Kamera rotiert und fotografiert (Abb. 2A). Das heißt, vor jedem weiteren Bild, wird es um etwa 10 bis 20 Grad gedreht, um dann das nächste Foto aufzunehmen. Nach einer vollen Umdrehung wird dann noch einmal der Kamerawinkel verändert und eine weitere Umdrehung vollzogen. Für das Modell im Beispiel wurden so 96 Bilder erzeugt, die das Fossil aus allen Blickwinkeln zeigen (nur die Unterseite der Matrix wurde wie eingangs erwähnt nicht erfasst). Wer nur die 3D-Rekonstruktion nachvollziehen möchte, ohne selbst Fotos zu schießen, kann hier eine Bildserie herunterladen (Größe des Downloads 472 MB).  Noch eine kurze Anmerkung zur Anzahl der Fotos: Die 96 aufgenommenen Bilder sind sicher nahe der Obergrenze an Fotos, die sinnvollerweise aufgenommen werden. Das Minimum, das erforderlich ist um ein Objekt ausreichend abzulichten liegt oft bei 30 bis 40 Bildern. Für die vorliegende Stufe (mit den zusätzlichen kleinen Fossilien) wurden sicherheitshalber etwas mehr Bilder aufgenommen.

 

Schritt 4: Erzeugen der spärlich besetzten Punktwolke

Hinweis: Die Bedienung von Photoscan kann hier nicht im Detail beschrieben werden. Zoomen, drehen und selektieren funktioniert relativ intuitiv (wie man es auch von ähnlichen Programmen kennt). Mit ein wenig Ausprobieren kann man die Bedienung schnell lernen. Bei Google und Youtube findet man viele Beispiele. Wer sich stattdessen die Grundkenntnisse erlesen möchte, kann in die offiziellen Anleitungen schauen: http://www.agisoft.com/downloads/user-manuals/

 

Tipp: Zwischen den unten beschriebenen Schritten sollte man das Photoscan Projekt dringend speichern, falls es zu Problemen kommt (z. B. Computer-Absturz, Stromausfall etc.)!

 

Agisoft Photoscan wird nun gestartet und ein neuer „Chunk“ angelegt (siehe Abb. 3). In diesem können nun per „Drag and Drop“ die Fotos abgelegt werden. Als nächstes wird im Menü „Workflow“ der Punkt „Align Photos ...“ ausgewählt. Dann wird ein Dialog angezeigt. Die Einstellungen zur „Accuracy“ beeinflussen die Qualität des Ergebnisses, aber auch die Dauer der Berechnungen. Die Einstellung "High" reicht in der Regel aus. Auch alle anderen Optionen können in der Standardeinstellung verbleiben. Nun rechnet die Software eine Weile, was je nach Bildanzahl und Rechenleistung unterschiedlich lange dauert (die 96 Fotos von oben benötigen auf einem schnellen Rechner etwa 30 Minuten).

 

Bild3

Abb. 4: Spärlich besetzte Punktwolke. Im rötlich hinterlegten Bereich wurden einige fehlerhafte Punkte zum Entfernen selektiert.

 

Sobald die spärlich besetzte Punktwolke verfügbar ist, kann zumindest schon einmal grob überprüft werden, ob überall Punkte vorhanden sind, das Fossil also komplett (bis auf die Unterseite der Matrix) erfasst wurde. Ist dies nicht der Fall, dann sollten zunächst weitere Fotos der fehlenden Ansichten aufgenommen werden, ggf. ist auch die Beleuchtung zu optimieren, wenn unterbelichtete Bereiche nicht korrekt erfasst wurden. Die neuen Fotos müssen dem Chunk hinzugefügt und Schritt 4 wiederholt werden. Wenn die Punktwolke jedoch in Ordnung ist, kann nun noch über das Menü „Tools“  / „Optimize Cameras ...“ eine Optimierung der geschätzten Parameter der Optik vorgenommen werden (im Zweifel dafür die Standardeinstellungen beibehalten). Die spärlich besetzte Punktwolke muss für den hier vorgestellten Ansatz nicht weiter von unerwünschten Punkten, die zu Hintergrund- oder Stützelementen gehören, bereinigt werden.  Offensichtlich fehlerhafte Punkte, wie in Abb. 4 zu erkennen, sollten grob (schon vor der Kameraoptimierung) entfernt werden.

 

Tipp: Um bei Problemen nachträglich unter gleichen Bedingungen weitere Fotos machen zu können, empfiehlt es sich, den Aufbau bis nach erfolgreicher Digitalrekonstruktion stehen zu lassen.

 

Tipp: Die hohe Anzahl an Bildern führt dazu, dass einige Berechnungsschritte sehr lange dauern. Wer die Berechnungszeit verkürzen möchte, kann etwa jedes zweite Bild „deaktivieren“, indem es in der Bilderübersicht ausgewählt wird und dann das rote „X“ angeklickt wird. Der grüne Haken kann angeklickt werden um deaktivierte Fotos wieder zu aktivieren.

 

Schritt  5: Erzeugen der dicht besetzen Punktwolke
Um nun die dicht besetzte Punktwolke zu erzeugen,  wählen wir im Menü „Workflow“ den Punkt „Build Dense Cloud ...“. Für die Qualitätseinstellung gilt das Gleiche wie im vorherigen Schritt. Mit der Einstellung „High“ dauert die Berechnung schon etliche Stunden (im Beispiel hier waren es über 12 Stunden; daher ggf. zunächst eine „Medium“ Accuracy testen).  Die anderen Settings bleiben wieder auf den Standardeinstellungen. Wenn das Ergebnis vorliegt, sollte erneut kontrolliert werden, ob alles zufriedenstellend erfasst wurde (falls nicht: Weitere Bilder aufnehmen und zurück zu Schritt 3). Ansonsten sollte das Ergebnis aussehen, wie in Abb. 5, die Punktwolke dort wurde allerdings schon von unerwünschten Punkten bereinigt.

 

Bild4

Abb. 5: Dicht besetzte Punktwolke.

 

Schritt 6: Bereinigen der Punktwolke
Die im vorherigen Schritt generierte Punktwolke muss nun bereinigt werden. Da ein Lichtzelt verwendet wurde, sollte es nicht viel unerwünschten Hintergrund geben. Wenn die Stufe auf einem kleinen Sockel erfasst wurde, muss lediglich dieser entfernt werden. Es müssen auch alle fehlerhaften Punkte entfernt werden, solche Artefakte entstehen häufig an den Rändern des Fossils. Das Selektieren von Punkten zum Entfernen ist in Abb. 4 (für die spärlich besetzte Punktwolke) zu sehen. Zum Löschen der Punkte stehen verschiedene Selektionswerkzeuge zur Verfügung, wie man es aus Programmen zur Bildbearbeitung kennt. Da hier jedoch ein 3D-Modell bereinigt werden muss, muss die Ansicht ständig rotiert werden, um alle unerwünschten Punkte aufzuspüren, zu selektieren und zu löschen. An der Unterseite sollte das Modell auf jeden Fall schön gerade „abgeschnitten“ werden. Der Boden fehlt also komplett, so dass man von dort in die Punktwolke schauen kann.

 

Schritt 7: Generieren eines Meshs
Unter Menüpunkt „Workflow“ / „Build Mesh ...“ kann nun das Mesh erzeugt werden. Die Qualitätseinstellung sollte so gesetzt werden, dass ganz grob etwa eine halbe Millionen „Faces“ (hier Dreiecke) erzeugt werden. Es können auch zunächst mehr generiert werden, die dann später dezimiert werden können. Für das vorliegende Beispiel ist es wichtig, dass die Option zur Interpolation ausgewählt wird (im Dialog unter „Advanced“ / „Interpolation“). Dies schließt dann das Loch an der Stelle des fehlenden Bodens der Stufe.  Abb. 6 zeigt ein Mesh der Stufe mit 400 Faces, in das etwas hineingezoomt wurde. Zur besseren Darstellung wird es hier ohne farbige Flächen gezeigt.

 

Bild5

Abb. 6: Mesh, das aus der Punktwolke generiert wurde (hineingezoomt im Vergleich zu den vorherigen Darstellungen).

 

Schritt 8: Texturieren des Modells
Nun wird im „Workflow“ Menü „Build Texture ...“ gewählt um automatisch eine Textur zu generieren. Im Beispiel wurde im Folgedialog der Modus „Mosaic“ gewählt (wenn das Ergebnis „fleckig“ aussieht, kann „Average“ manchmal – auf Kosten der Auflösung – zu einem ansehnlicheren Ergebnis führen). Im Beispiel wurde eine Textur mit einer Auflösung von 2048 x 2048 Pixeln generiert. Abb. 7 zeigt einen Ausschnitt des texturierten Modells.

 

Bild6

Abb. 7: Ausschnitt des texturierten Modells.

 

Schritt 9: Exportieren und Veröffentlichen des Modells
Das fertig texturierte Modell kann jetzt über „File“ / „Export Model“  exportiert und weiterverwendet werden. Viele Anwendungsbereiche sind im Hauptartikel beschrieben. An dieser Stelle soll nur kurz erklärt werden, wie das Modell im „Sketchfab“ Web-Viewer veröffentlicht werden kann. Dazu muss es als „Waverfont OBJ“ exportiert werden. Dadurch entsteht eine .obj‑Datei, eine .mtl‑Datei und eine oder mehrere (je nach Einstellung im Schritt zuvor) Bilddateien mit den Texturen. Diese Dateien können in einem .zip-Archiv verpackt werden (z. B. mit WinZip) und dann bei Sketchfab hochgeladen werden (dort muss ein Account bestehen oder angelegt werden).

 

3d hoploscaphites

Abb. 8: Screenshot des 3D-Modells. Um das Hoploscaphites-Modell interaktiv betrachten zu können, klicken Sie bitte auf die Grafik.

 

Es gibt auf Sketchfab auch einen offiziellen Steinkern-Account:

https://sketchfab.com/steinkern


Dieser enthält bereits einige 3D-Modelle von Fossilien, die Sammlung soll aber auch ständig erweitert werden. Daher würden wir uns darüber freuen, wenn Anwender der 3D-Tutorials ihre erzeugten Modelle zu dieser Sammlung beitragen.  Wer gerne ein 3D-Modell beisteuern möchte, kann sich mit dem Autor unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! in Verbindung setzen. Neben einer akzeptablen Qualität, ist Bedingung, dass das Modell dort mit einer CC BY-NC 4.0-Lizenz veröffentlicht werden darf (diese erlaubt anderen, das Modell unter Nennung des Urhebers weiter zu verwenden).

 

Ausblick
Es sind weitere Tutorials geplant. Als nächstes Thema wird die Verwendung von kostenlosen Open‑Source-Tools aufgegriffen. Später sollen auch das Erzeugen animierter Modelle und das Thema 3D-Druck behandelt werden.

 

Jan Tünnermann für Steinkern.de

 


 

 

Fossilien und Photogrammetrie