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Kulturgutschutzgesetz-Novelle: Ein Resümee kurz vor dem Inkrafttreten

 

Begleitung des Gesetzgebungsprozesses

Die Fossilien-Community Steinkern.de hat sich seit Bekanntwerden des Referentenentwurfs der Novelle des Kulturgutschutzgesetzes am 15.09.2015 öffentlich und hinter den Kulissen in Kooperation mit der Vereinigung der Freunde der Geologie und Mineralogie (e.V.), der Gesellschaft für Geschiebekunde e.V., der Paläontologischen Gesellschaft, dem Dachverband Geowissenschaften, der Universität Freiberg, den Münchner Mineralientagen, dem Mineralienatlas, weiteren Verbänden und Sammlergruppen sowie einzelnen Universitäten und zahlreichen engagierten Wissenschaftlern und Privatpersonen für Verbesserungen des Gesetzes eingesetzt. Auch die Deutschen Naturwissenschaftlichen Forschungssammlungen (DNFS) griffen die Kritik in weiten Teilen auf. Es fand über das "Aktionsbündnis Kulturgutschutz" zudem eine Vernetzung mit anderen betroffenen Interessengruppen (Kunsthändler, Galeristen, Numismatiker, Philatelisten) statt, deren berechtigte Kritik eine große Schnittmenge mit der unsrigen aufwies und mit denen gemeinsam sie im Verbund kraftvoll an die Politik herangetragen werden konnte.

 

Am 08.10.2015 kam es in Berlin auf Initiative von Steinkern.de zu einem Gespräch über die Auswirkungen der Kulturgutschutzgesetznovelle auf die Paläontologie. Eingeladen hatte dazu letztlich - nachdem wir auf den Sachverhalt und die Bedenken hingewiesen hatten - Ministerialdirektor Dr. Günter Winands als Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Prof. Dr. Monika Grütters. Die im Rahmen des Gesprächs artikulierte Kritik hat jedoch bedauerlicherweise zunächst keinerlei Niederschlag im am 04.11.2015 veröffentlichen Regierungsentwurf des Kulturgutschutzgesetzes gefunden. Eine parallele Diskussion mit Staatssekretärin Monika Grütters über die Internet-Plattform Abgeordnetenwatch verlief ohne jegliches Entgegenkommen ihrerseits, während andere Fachpolitiker an gleicher Stelle bereits erkennen ließen, dass sie gewillt sein würden, sich im Rahmen des parlamentarischen Prozesses ernsthaft mit unserer Kritik zu befassen. Dennoch war es leider notwendig mit dem Protest verstärkt die Öffentlichkeit zu suchen. Dazu wurde zunächst die Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns" nach Kräften unterstützt und tausende Stimmen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich eingeworben, die in den insgesamt 48.038 abgegebenen Stimmen spürbar Niederschlag gefunden haben. Unter diesem Druck veröffentlichte die Bundesregierung ein erstes "Hintergrundpapier zur Paläontologie" (Version Dezember 2015), das der Kritik durch eine etwas blumige Darstellung des Sachverhalts den Wind aus den Segeln nehmen sollte und daher eine Antwort erforderte - Steinkern.de und die Paläontologische Gesellschaft reagierten darauf kurzfristig mit Gegenpapieren (Link 1, Link 2). Hier gab es einen großartigen "Solidarisierungseffekt" unter Geowissenschaftlern und Sammlern, die sich zahlreich spontan zum Mitzeichnen unserer Ausarbeitung entschieden und damit die Relevanz des Papiers erheblich steigerten.

Gleichzeitig wurde eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht und die Beauftragte der Bundesregierung für Datenschutz und Informationsfreiheit eingeschaltet, um ein Schlaglicht auf das uneingestandene Versäumnis der Beauftragten für Kultur und Medien und ihrer Mitarbeiter zu werfen, nicht früher auf Paläontologen und Naturwissenschaftler zugekommen zu sein und deren Expertise aus der Anhörung im Oktober unberücksichtigt gelassen zu haben, trotz der vollumfänglichen Einbeziehung der Paläontologie in das Gesetz. Bei einem öffentlichen Auftritt in Mannheim kam Ministerialdirektor Dr. Winands auf seiner Werbetour für das Kulturgutschutzgesetz erheblich in die Defensive, als er sich dort nicht nur der Kritik des Kunsthandels und der Kunstssammler, sondern auch der von Paläontologen ausgesetzt sah.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags wurde dankenswerterweise durch die Bundestagsabgeordnete der Grünen Bärbel Höhn zur Verifizierung unserer Kritik eingeschaltet. Dessen Arbeit beschränkte sich leider in diesem Fall jedoch im Ergebnis auf eine inhaltliche Kopie des Hintergrundpapiers der Bundesregierung, was gewisse Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Mitarbeiters und dessen Unabhängigkeit aufkommen ließ, zumal sich bereits aus dem Dokument selbst eine unmittelbare Kontaktaufnahme zu Mitarbeitern der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, und somit den Urhebern des Regierungsentwurfs, ersehen ließ. Damit konnte der Wissenschaftliche Dienst in diesem Fall seiner Aufgabe als objektiver, im Dienste des Parlaments (und nicht der Bundesregierung!) arbeitender Hilfs- und Kontrollinstanz in unseren Augen nicht gerecht werden. Im Verlauf des Novellierungsprozesses kam es auf die Naturwissenschaften bezogen auch zu Stellungnahmen des Deutschen Museumsbundes, der in Gestalt seines Vorsitzenden Prof. Dr. Eckart Köhne eine ausgesprochen unglückliche Rolle spielte und sogar die am 18.12.2015 in der F.A.Z. unter dem Titel "Mängel, Spielräume, Unsicherheit" artikulierte Kritik der Vorsitzenden der Deutschen Naturwissenschaftlichen Forschungssammlungen Prof. Dr. Johanna Eder am Gesetz in einem Leserbrief an gleicher Stelle zurückwies und damit alles andere tat als die Interessen der im Museumsbund organisierten naturwissenschaftlichen Museen zu vertreten.

Es erschienen im Winter 2015/2016 einige Presse-Artikel in mehreren regionalen Zeitungen, aber etwa auch in der F.A.Z. und im Stern. Der Bayrische Rundfunk berichtete über den Verlust der privaten Leihgabe "Drama aus der Urzeit" der Solnhofener Bürgermeister-Müller-Museums und viele Zeitungen griffen eine auf Initiative von Steinkern.de zurückgehende Pressemeldung der DPA zu ebendiesem Thema auf. Dies leistete ebenso wie zahlreiche E-Mails an und Gespräche mit regionalen Abgeordneten - an denen sich nicht wenige Mitglieder der Community beteiligten - einen Beitrag dazu, die Kritik im Hinblick auf deren Wahrnehmung durch den im Bundestag federführend befassten Kulturausschuss als relevant zu unterstreichen. Konstruktiver Austausch mit der Linkspartei und den Grünen führte bei der 1. Lesung im Bundestag am 18.02.2016 dazu, dass Sigrid Hupach von der LINKE die Probleme der Paläontologie erstmals im Bundestagsplenum ansprach. Einige Privatsammler zogen indes Leihgaben aus wissenschaftlicher Bearbeitung und auch die Bereitschaft Fossilien für Sonderausstellungen zur Verfügung zu stellen sank aufgrund der durch die Novelle drohenden Rechtsunsicherheit spürbar.

Die von mehreren Seiten vorgetragene konstruktive Kritik erlaubte immerhin das Zustandekommen von Gesprächen mit Kulturpolitikern über die Spezialprobleme, die das Kulturgutschutzgesetz für die Paläontologie im Speziellen und das erdwissenschaftliche Sammeln und Forschen im Allgemeinen bedeutet. So kamen u. a. Gespräche mit Siegmund Ehrmann (Kulturausschussvorsitzender und Obmann der SPD im Kulturausschuss), Ansgar Heveling (Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Kulturausschuss) und Burkhard Blienert (Kulturausschussmitglied der SPD) zustande in denen wir - unterstützt durch Dr. Martin Röper, den wissenschaftlichen Leiter des Bürgermeister-Müller-Museums - für unsere Belange sensibilisieren konnten. Es wurden sowohl vom Aktionsbündnis Kulturgutschutz als auch von uns selbst Synopsen mit konkreten Änderungsvorschlägen erstellt, die Gegenstand der hinter den Kulissen stattfindenden Verhandlungen der Regierungsfraktionen und auch der Opposition im parlamentarischen Verfahren waren.

Dass sich die Kritik bei der Expertenanhörung am 13.04.2016, zu der - auch auf unser Betreiben hin - Prof. Dr. Johanna Eder von den Deutschen Naturwissenschaftlichen Forschungssammlungen (leider als einzige Vertreterin der Naturwissenschaften unter den 12 Sachverständigen) geladen wurde, nochmals erhärtete, war hilfreich. Parallele Versuche die Landesregierungen und Landesparlamente für die Problematik zu sensibilisieren, fruchteten leider nur eingeschränkt. Sinnvolle Rückmeldungen auf unsere Zuschriften erhielten wir hauptsächlich aus Niedersachsen und Bayern. In NRW und auf Bundesebene setzte sich die FDP für eine grundlegende Überarbeitung und Verbesserungen des Kulturgutschutzgesetzes  ein. Die Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer, griff dabei auch die naturwissenschaftliche Kritik auf. Im Landtag NRW kam es auf Initiative der FDP-Fraktion am 24.05.2016 zu einer Expertenanhörung zur Novelle des Kulturgutschutzgesetzes, zu der auch der Münchner Paläontologe Prof. Dr. Alexander Nützel eingeladen wurde, der dort die Interessenlage der Paläontologie darstellte und den Änderungsbedarf skizzierte. Leider blieb diese parlamentarische Anhörung, trotz des deutlich werdens der Schwächen und Fehler des Gesetzes, ohne Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Landesregierung NRW im Bundesrat, die wie auch die Landtagsfraktionen von SPD und CDU im Landtag NRW bedauerlich wenig Interesse am Thema zeigte. Deutliches Desinteresse wurde ferner von der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen sowie auch den Kultur- und Forschungsministerien von Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gezeigt, die auf sachliche Zuschriften und Anfragen in mehreren Phasen des Gesetzgebungsprozesses schlichtweg nicht reagierten.

 

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Niedersächsischen Landtag Dr. Gabriela Andretta fragte hingegen auf Initiative eines Göttinger Paläontologen die niedersächsische Landesregierung (ebenfalls SPD): "Schränkt das geplante Kulturgutschutzgesetz die Wissenschaftsfreiheit ein, und wird das Sammeln von Mineralien und Fossilien zukünftig noch möglich sein?" und erreichte in Niedersachsen damit eine Sensibilisierung der Landesregierung, die ihrerseits deutlich machte, dass sie klarstellende Änderungen zugunsten der Paläontologie befürwortet und die Kritik der Paläontologischen Gesellschaft ausdrücklich begrüßt. Dies war ein hilfreicher Beitrag zur Debatte, der uns auch bundespolitisch zum Unterstreichen unserer gemeinsamen Kritik dienlich war.

 

Letztlich spielte die Musik dann weitgehend im Bundestag, wo neben dem Kulturausschuss auch der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung über die Anliegen der Paläontologen und Sammler informiert wurde. Auch hier wurden persönliche Gespräche mit Abgeordneten geführt, die letztlich auch einen Beitrag zu Änderungen des Gesetzestextes gegenüber dem Regierungsentwurf gehabt haben dürften, da hier die wichtige geowissenschaftliche Komponente der Kritik nochmals mit Nachdruck vertreten wurde.

 

Am 23.06.2016 war es soweit und der Deutsche Bundestag beschloss - trotz der ein Jahr andauernden öffentlichen Diskussion um das Gesetz - vor weitgehend leeren Rängen und ohne Gegenstimme in 2. und 3. Lesung das Kulturgutschutzgesetz. Allerdings hatte sich gegenüber dem in 1. Lesung debattierten Regierungsentwurf einiges geändert. Die fundierte Kritik der Naturwissenschaftler und Sammler von Fossilien und Mineralien wurde in mehreren Punkten aufgegriffen. Einige der angeregten Verbesserungen waren dank der Kontakte zu allen im Bundestag vertretenen Parteien in den Beratungen des Kulturausschusses parteiübergreifend zu einem wichtigen Anliegen avanciert. Die Paläontologie hat sicherlich bundespolitisch noch nie für derartig viel Diskussionsstoff gesorgt, wie im vergangenen Dreivierteljahr. Schade, dass es hier von vornherein vorrangig um Schadensbegrenzung gehen konnte und nicht um ein Gesetz zur Stärkung der Forschung an paläontologischem und erdwissenschaftlichem Kultur- bzw. Naturgut, zu der das private Sammeln seit jeher einen wesentlichen Beitrag leistet. Für ein solches Gesetz wäre es durchaus an der Zeit, z. B. um endlich kontraproduktive Haftungsregelungen zum Wohle eines aktiven Naturgüterschutzes (oder - wenn man so will - des Schutzes fossiler "Kulturgüter") umzugestalten.

 

Leider sah man es aufgrund europarechtlicher Vorgaben als nicht möglich an, paläontologische und naturwissenschaftliche Güter ganz aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen, was dazu führt, dass auch der spürbar verbesserte Entwurf insgesamt kritikwürdig und verfassungsrechtlich problematisch bleibt. Immerhin aber konnten einige der absurdesten und uns in besonderem Maße betreffenden Regelungen entscheidend modifiziert werden.

Der Bundesrat hat dem Kulturgutschutzgesetz am 08.07.2016 mehrheitlich zugestimmt und das zustimmungspflichtige Gesetz somit gebilligt.

Augenblicklich (Stand 18.07.2016) steht die Ausfertigung des Kulturgutschutzgesetzes durch Bundespräsident Joachim Gauck noch aus, der schon vor Monaten uns gegenüber angekündigt hatte, das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit prüfen zu wollen und dem nun noch einmal die z.T. fortbestehenden verfassungsrechtliche Bedenken seitens der Betroffenen vorgetragen wurden. Seine Entscheidung bleibt abzuwarten.

Sollte das Kulturgutschutz im August in Kraft treten, ist mit Verfassungsbeschwerden durch Betroffene zu rechnen, die insbesondere hinsichtlich der Exportbeschränkungen für national wertvolle Kulturgüter und aufgrund möglicherweise unzulässig in die Vergangenheit rückwirkender Regelungen hohe Erfolgsaussichten haben. Das Gericht könnte verfassungswidrige Vorschriften dann für unanwendbar erklären und somit noch vor der geplanten ausführlichen Evaluation fünf Jahre nach Inkrafttreten (Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen hatten sich für eine umfangreiche Evaluation bereits in zwei Jahren ausgesprochen, der Antrag fand im Bundesrat leider keine Mehrheit) für erneuten gesetzgeberischen Handlungsbedarf sorgen.

 

Für die Paläontologie und Fossiliensammler relevante Änderungen

Bundestag und Bundesrat haben das Kulturgutschutzgesetz in folgender Version beschlossen:

http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0301-0400/346-16.pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, mit Auswirkungen auf die Paläontologie und das Fossilien sammeln sowie auch den Umgang mit anderen erdwissenschaftlichen Objekten sind folgende:

 

  - Neufassung der zuvor untauglichen Begriffsdefinition von archäologischem Kulturgut (§ 2), die nunmehr durch einen Bezug auf die Menschheitsgeschichte bzw. vom Menschen geschaffene Objekte klar ausschließt, dass hier sämtliche erdwissenschaftliche Objekte, wie z. B. Fossilien und Mineralien einbezogen werden. Durch diese Klarstellung wurde erreicht, dass die für geringerwertige Objekte unmöglich einhaltbaren umfassenden Sorgfaltspflichten für den für Sammlungen und Umweltbildung wichtigen gewerblichen Handel mit naturwissenschaftlichen Objekten ausdrücklich nicht unabhängig von deren Wert gelten, sondern erst ab einer Wertgrenze von 2500 Euro pro Einzelobjekt bzw. pro Sammlung. Für Private gelten jedoch "einfache Sorgfaltspflichten", die etwa dann verletzt werden, wenn Objekte in Verkehr gebracht werden, die gestohlen oder illegal ausgegraben wurden. Dies ist insoweit nicht ganz unproblematisch als heute viele Betreiberfirmen den Zutritt zu ihrem Betriebsgelände zum Sammeln nur mehr tolerieren, aber aus Haftungsgründen nicht mehr schriftlich genehmigen, weshalb oftmals keine Unterlagen existieren, mit denen der legale Eigentumserwerb bei einer Weitergabe (Verkauf, Tausch, Verschenken) problemlos nachgewiesen werden könnte. Grundsätzlich müsste ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß jedoch bei Objekten und Sammlungen im Wert von unter 2500 Euro nach unserer Lesart des Gesetzestextes gerichtlich nachgewiesen werden und ergibt sich nicht bereits aus dem Fehlen schriftlicher Unterlagen.

- Einengung des Anwendungsbereichs des Rechtmäßigkeitsnachweises bei Einfuhr (§ 30). Bei der Einfuhr war zunächst vorgesehen, dass für jedes nach Deutschland eingeführte Kulturgut "geeignete Unterlagen", insbesondere Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftstaats an der Grenze beim Zoll unaufgefordert vorzulegen seien. Durch die unendliche Weite des Kulturgutbegriffs "jede Sache oder Sachgesamtheit" z. B. von "paläontologischem Wert" oder von "wissenschaftlichem Wert" griff die Umkehr der Beweislast bei Einfuhr im Referentenentwurf und noch im Regierungsentwurf prinzipiell für jedes beliebige Fossil, Mineral, oder Gestein. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nun jedoch exakt nach unseren Vorschlägen dahingehend eingeschränkt worden, dass der Rechtmäßigkeitsnachweis nur erbracht werden muss, wenn der Herkunftstaat die Objekte als "nationales Kulturgut" besonders schützt und somit seinem Patrimonium zurechnet. Damit gilt die Nachweispflicht also nicht immer, sondern nur ausnahmsweise, wenn das Objekt ein nationales Kulturgut ist. Die Regelung entfaltet also nur dann Wirkung, wenn eine Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat dort an bestimmte Voraussetzungen (z. B. Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung) gekoppelt ist.

Dies entschärft die Situation in Bezug auf sammler- und wissenschaftsübliche unproblematische Proben-Einfuhren aus den meisten Staaten deutlich. Vorsicht ist beim Import jedoch insbesondere dann geboten, wenn Herkunftstaaten pauschale Schutzvorschriften haben, die z. B. jegliche Fossilien oder Mineralien als "nationales Kulturgut" schützen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Dann nämlich greift die Beweislastumkehr bei Einfuhr nach Deutschland nach wie vor. Herkunftsstaat ist dabei der Staat, in dem die Fossilien oder Mineralien entstanden sind, nicht etwa der Staat aus dem das Objekt unmittelbar importiert wird. Für den Import eines Messe-Einkaufs aus Ste. Marie aux Mines von Frankreich nach Deutschland ist also zukünftig z. B. nicht französisches, sondern brasilianisches Ausfuhrrecht maßgeblich, wenn man dort ein aus Brasilien stammendes Mineral oder Fossil erwirbt. Das ist neu. Prinzipiell bestand bisher kein Anlass auf einer internationalen Fossilienbörse im Hinblick auf Einkäufe Rechtskenntnisse von über hundert UNESCO-Vertragsstaaten mitzubringen, was sich auch relativ schwierig darstellen dürfte, weil es zumindest bilsnag keine offizielle deutschsprachige Quelle gibt, die über maßgebliche Vorschriften vollumfänglich Aufschluss gibt. Künftig soll über die zu beachtenden Regelungen das Internetportal Kulturgutschutz informieren - dieses Internetportal ist aber derzeit noch nicht mit entsprechenden Informationen ausgestattet. Dies hätte jedoch unserer Meinung nach unbedingt Voraussetzung für ein Inkrafttreten des Kulturgutschutzgesetzes sein müssen. Es gibt ferner - trotz dahingehender Forderungen der Kritiker des Gesetzes - keine Klarstellung im Gesetz, dass nur an dieser Stelle in deutscher Sprache nachlesbare Regelungen maßgeblich für die Anwendung des Kulturgutschutzgesetzes sein sollen. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich, denn hierbei könnte es sich insbesondere vor dem Hintergrund der Strafbewährung von Verstößen um einen Verstoß gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz handeln, zumal das Recht aller Herkunftstaaten sich täglich ändern kann und bisher kein Anlass zur Dokumentation insbesondere geringwertiger Objekte bestand. So wurden in einigen Staaten erst vor wenigen Jahren die Ausfuhrregelungen für Fossilien geändert bzw. überhaupt solche eingeführt. Dass diese bei neuen Ex- bzw. Importen zu beachten sind, ist selbstverständlich, ein Abfärben auf bereits vor Inkrafttreten solcher Regelungen legal in Deutschland befindliches Material, wäre hingegen dringend zu vermeiden gewesen. Im archäologischen Kontext wurde häufig argumentiert, dass Ausfuhrverbote schon seit über 100 Jahren bestehen und Aus- bzw. Einfuhren ohne Unterlagen "schon immer illegal waren", was so pauschal sicherlich auch für archäologische Güter nicht stimmt, jedenfalls aber ganz und gar nicht auf Fossilien übertragen werden kann. Aus unserer Sicht hätte es also einer Art Lizenzierung aller jetzt bereits in Deutschland befindlichen Stücke geben müssen, um für die Zukunft ohne eine Rechtsbeugung mit dem Mittel einer Beweislastumkehr arbeiten zu können. Ohne diese Regelung werden nämlich auch und vor allem legal ex- und importierte Bestandsobjekte nicht mehr so rechtssicher wie bisher handelbar sein, sofern in den Herkunftsstaaten heute Restriktionen gelten und keine Unterlagen existieren.

 

- Nachweis der Rechtmäßigkeit bei schon in Deutschland befindlichen Objekten: kleine Streichung, große Wirkung

In § 29 hieß es zunächst, dass Einfuhrverbot für Kulturgut sei nur auf solches Kulturgut nicht anzuwenden, dass sich bei Inkrafttreten des Gesetzes "nachweislich rechtmäßig" im Inland befunden habe. Dies hätte eine Art von Vogelfreiheit jeglicher Bestandsobjekte ohne Begleitpapiere zur Folge gehabt, zumindest wenn diese einmal in Verkehr gebracht hätten werden sollen. Nunmehr wurde die Formulierung von "nachweislich rechtmäßig" auf "rechtmäßig" abgeändert. Selbstverständlich werden Einfuhren, die nach bislang geltendem Recht illegal waren, damit nicht nachträglich legalisiert - das wäre auch widersinnig. Allerdings stellt dies eine Abkehr von der Umkehr der Beweislast zumindest im Punkt der Einfuhr dar. An die Stelle des Nachweises des Eigentümers für die Rechtmäßigkeit des Besitzes tritt der Amtsermittlungsgrundsatz, so jedenfalls fasst CDU-Obmann Ansgar Heveling seine Lesart des Paragraphen gegenüber der Zeitschrift Münzenwoche in einem Interview vom 14.07.2016 zusammen. Die im selben Interview auftauchende "Information", dass Fossilien aus dem Gesetz ganz gestrichen wurden, ist leider unzutreffend. Sie sind lediglich aus den verschärften Sorgfaltspflichten für archäologisches Kulturgut (ab 0 Euro geltend!) eindeutig heraus definiert worden (also nur aus einem einzigen, allerdings durchaus zentralen Paragraphen des Gesetzes).



- Einfügung einer Ausnahme vom Beschädigungs- und Veränderungsverbot für national wertvolles Kulturgut für Forschungszwecke

National wertvolle Kulturgüter, die in einer Liste erfasst sind und besonders geschützt sind (trifft bislang nur auf wenige Objekte zu, z. B. mehrere Archaeopteryx-Exemplare) unterlagen nach dem unzulänglichen Kulturgutschutzgesetz-Entwurf der Bundesregierung einem pauschalen Beschädigungsverbot, mit wenigen Ausnahmen (z. B. zur Restauration). Eine invasive Forschung wäre demnach nicht mehr möglich gewesen. Dieses Verbot wurde nunmehr gelockert. Wenn die Veränderung bzw. Beschädigung Forschungszwecken dient und sachgerecht durchgeführt wird, stellt dies nun keinen Verstoß mehr dar. Die Präparation von gelisteten Fossilien bzw. die invasive Erforschung z. B. durch Probennahme an entsprechenden Objekten wird somit weiterhin möglich sein. Es kommt durch diesen Paragraphen nun nicht mehr zu einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie sie der Regierungsentwurf zunächst (versehentlich) vorsah.

 

Ein Beispiel für sonstige Änderungen: das "Negativattest"

Die Änderungen für national wertvolle Kulturgüter und im Bereich des Leihverkehrs von Museen sind für die Fossiliensammler nicht allzu zentral. Der Kunsthandel- und die Kunstsammler haben lange u. a. für eine Erhöhung der Altersgrenzen für national wertvolle Objekte gekämpft. Diese wurde beispielsweise von 70 auf 75 Jahre angehoben, was auch für den Kunsthandel kaum mehr als ein symbolisches Entgegenkommen darstellt. Selbst wenn es sich dabei um eine Anhebung von 70 auf 75 Millionen Jahre handeln gehandelt hätte, wäre das für uns als Fossilien-Community kein allzu großes Entgegenkommen gewesen. ;-)

Um nicht über für unser Sammelgebiet mehr oder weniger bedeutungslose Punkte zu referieren, sei daher nur auf einen einzigen recht positiven Punkt verwiesen, der bei der Ausfuhr von wertvollen / bedeutsamen Sammlungen relevant werden könnte. Die berechtigte Forderung nach einem Negativattest haben wir nicht selbst erdacht, aber in unseren Katalog von Änderungswünschen aufgenommen, da sie grundsätzlich auch im Interesse von geowissenschaftlichen Sammlern sein kann:

Wer überprüfen lassen möchte, ob seine Sammlung national wertvolles Kulturgut ist und somit einem Ausfuhrverbot unterliegt, hat Anspruch auf Erteilung eines Bescheids (sogenanntes Negativattest), dass es sich nicht um national wertvolles Kulturgut handelt und er die Sammlung oder das Einzelobjekt später uneingeschränkt ins Ausland verbringen kann. Eine Befristung des Negativ-Bescheids ist im aktuellen Entwurf nicht vorgesehen. Da die Ausfuhrformalitäten aber im Bereich paläontologischer Sammlungen ohnehin nur für hochwertige Einzelobjekte oder Sammlungen (ab 50.000 Euro Wert bei Export außerhalb des EU-Binnenmarktes bzw. 100.000 Euro bei Export in den EU-Binnenmarkt) gelten, betrifft diese Änderung nur wenige Sammler.

 

Trotz dieser Änderungen soll nicht der Eindruck entstehen, dass das Gesetz nunmehr gelungen sei - es bleibt verfassungsrechtlich in vielerlei Hinsicht bedenklich und Bundestag und Bundesrat hätten es besser nicht in dieser Form verabschieden sollen.

 

Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlungen für die Zukunft lassen sich schwer aus dem Gesetz ableiten. Die Auswirkungen hängen stark von der Auslegung der Vorschriften durch Gerichte ab. Es wird dauern, bis sich eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt. Sicherlich empfiehlt es sich, in Zukunft bei Einkäufen insbesondere wertvollerer Objekte schon im Interesse einer rechtssicheren späteren Weiterveräußerbarkeit verstärkt auf eine gute Dokumentation durch den Verkäufer zu achten, die dann auch dem angekauften Objekt bei Ankauf beigegeben werden sollte. Insbesondere bei Objekten aus solchen Staaten, in denen Ausfuhrrestriktionen in Kraft sind, besteht sonst das Risiko einer Unverkäuflichkeit oder gar Sanktionierung. Die meisten Steinkernleser sammeln bevorzugt selbst - auch bei eigenen Reisen sollte, wer beabsichtigt Fossilien zu suchen und zu ex- bzw. zu importieren, sich mehr denn je mit den Bestimmungen des Herkunftsstaates auseinandersetzen. Dies gilt nicht unbedingt nur bei Reisen in aus hiesiger Sicht exotische Länder, sondern kann durchaus auch einzelne EU-Staaten betreffen.

Wir werden die Entwicklungen aufmerksam beobachten und bitten alle Sammler, Paläontologen und Steinkern-Mitglieder darum, sich über ihre Erfahrungen im Forum auszutauschen!

 

Aktuelles: Überarbeitetes Hintergrundpapier der Bundesregierung online

Mittlerweile hat die Bundesregierung das Hintergrundpapier zum Thema Paläontologie aus dem Dezember 2015 überarbeitet und am 13.07.2016 - weitgehend ohne die parlamentarischen Änderungen besonders kenntlich zu machen - aktualisiert unter dem folgenden Link zum Download bereitgestellt:

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2016/2016-07-13-hintergrundpapier-palaeonologie.pdf?__blob=publicationFile&v=2

 

Wir empfehlen allen Sammlerinnen und Sammlern sich dieses Schreiben auszudrucken. Dieses hat zwar keine Rechtskraft, kann aber in Zweifelsfällen als Argumentationsstütze und Auslegungshilfe zum Gesetz dienen.

Interessant ist auch das Hintergrundpapier für Münzsammler, das am selben Tag veröffentlicht wurde:

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2016/2016-07-13-hintergrundpapier-muenzsammler.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Darin heißt es in Bezug auf die Sorgfaltspflichten, die für jedermann gelten: "In das Kriterium der Zumutbarkeit fließt natürlich ein, wann eine Münze erworben wurde: niemand kann sich im Regelfall nach 10 oder 15 Jahren noch an die Erwerbsumstände einer einzelnen Münze erinnern." Dies muss analog auch für Fossilien gelten, leider jedoch ist dies im Gesetz nicht klargestellt worden.

 

Dank

Vielen Dank an alle, die sich - jede/r auf ihre/seine Weise - in den konstruktiven Protest eingebracht oder uns dabei unterstützt haben und an diejenigen Poltiker/innen, die diesen parteiübergreifend aufgegriffen und sich mit den vorgebrachten Argumenten inhaltlich beschäftigt haben!!!

Dank der gemeinsamen Arbeit konnte das Willkür-Potential des Gesetzes deutlich gegenüber dem abenteuerlichen Ausgangsniveau reduziert werden. Hervorheben möchten wir die Unterstützung durch zahlreiche Mitglieder der  Steinkern-Community und bei den Freunden vom Mineralienatlas, von Trilobita.de und dem Solnhofen-Fossilienatlas sowie der Fossilien-Zeitschrift, aber auch unsere internationalen Partnerforen nicht vergessen: Fossiel.net, Thefossilforum.com, Ukfossils.co.uk und Palaeofox.com. Auch die VFMG engagierte sich stark, hier möchten wir namentlich Monika Heinlein, Michael Hohl und Dr. Diether Gräf ein Lob für die exzellente Kooperation aussprechen, ebenso Dr. Martin Röper dem wissenschaftlichen Leiter des Bürgermeister-Müller-Museums. Dank gilt auch den Vertretern der Paläontologischen Gesellschaft, die - wie wir - enorm viel Zeit investierten und so dazu beigetragen haben, die Relevanz der Kritik im wissenschaftlichen Bereich besser zu kolportieren als es uns ohne ihre Aktivität möglich gewesen wäre. Nicht zuletzt gilt der Dank der Steinkern-Redaktion auch dem Dachverband Geowissenschaften, der uns ebenfalls konkret unterstützte und der Kritik von wissenschaftlicher Seite den nötigen Nachdruck verlieh. Eine Lanze für die Kooperation von Wissenschaftlern und Sammlern und für Veränderungen des Gesetzes brach in der Diskussion die TU Bergakademie Freiberg, die sich bundespolitisch mit Erfolg einbrachte. Die Münchener Mineralientage engagierten sich unter Einschaltung des Fachanwalts Joachim Walser ebenfalls. Sehr gefreut haben wir uns auch über die positive Aufnahme im Aktionsbündnis Kulturgutschutz, den damit verbundenen nützlichen Informationsaustausch über das insgesamt etwas intransparent abgelaufene Gesetzgebungsverfahren und das solidarische Zusammenwirken mit Sammlern, Händlern und Wissenschaftlern anderer Sammelgebiete - auch dafür sind wir dankbar.

 

Sönke Simonsen & Johannes Kalbe