News und Updates

Anwaltliche Stellungnahme zum "Kulturgutschutzgesetz" - Rechtsstaat adé?

Stellungnahme des Münchener Rechtsanwalts Joachim Walser zur Bedeutung des Kulturgutschutzgesetzes in Bezug auf Fossilien und Mineralien

Im Auftrag der Mineralientage München Fachmesse GmbH hat Herr Rechtsanwalt Joachim Walser eine lesenswerte Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Kulturgutschutzgesetzes vom 4.11.2015 verfasst. Mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Keilmann (Mineralientage München) dürfen wir die Stellungnahme Walsers an dieser Stelle weitergeben. Möge sie ihrer Bestimmung gemäß als Argumentationshilfe von zahlreichen Sammlern, Händlern und Wissenschaftlern genutzt werden:

 

Download

 

 

 


 

 

Kulturgutschutzgesetz - Rechtsstaat adé?

Um nochmals die Dramatik der Situation an einem Beispiel zu veranschaulichen, möchten wir ein Zitat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gegenüber dem Handelsblatt (das Interview ist auf Bundesregierung.de vollständig nachzulesen) mit der derzeitigen Rechtslage vergleichen:
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2015/11/2015-11-13-gruetters-hbl.html


Wörtliches Zitat von Monika Grütters betreffs der beabsichtigten Änderung geltenden Rechts durch das Kulturgutschutzgesetz:

"Jeder Händler muss beweisen, dass die Ware nicht gestohlen ist oder illegal erworben wurde. Das ist eine Selbstverständlichkeit."

(= Unrechtsstaat)

 

Derzeitige Rechtslage:

Die Justiz muss beweisen, dass die Ware eines Händlers gestohlen ist oder illegal erworben wurde. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(= Rechtsstaat)

 

Das was für Händler angesprochen wird, gilt nach § 41 des Regierungsentwurfs explizit auch für jedermann, der Kulturgut in Verkehr bringt (Sammler, Wissenschaftler). Für Händler gelten darüber hinaus ab bestimmten Wertgrenzen Verschärfungen (§ 42).

 

Das was Staatsministerin Monika Grütters dem Handelsblatt gegenüber sagt, ist leider kein "Versprecher", sondern die Quintessenz eines alles in allem in seiner jetzigen Form vollkommen untragbaren Gesetzesentwurfs, der die Beweislast zulasten des Bürgers umkehrt und ihn somit - wenn er nicht über Papiere zu dem betreffenden Objekt verfügt - schutzlos behördlicher Willkür ausliefert. Aufgrund der strafrechtlichen Relevanz des Inverkehrbringens von Kulturgut und der Einfuhr von Kulturgut, wird im Übrigen durch die Regelungen des Kulturgutschutzgesetzentwurfs auch ganz grundlegend die Unschuldsvermutung in Frage gestellt.

 

Werfen wir einen Blick in das Bürgerliche Gesetzbuch, genauer in § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB:

"Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei."

Dieser aus dem römischen Recht resultierende in Deutschland seit Einführung des BGB vor über 100 Jahren gültige Rechtssatz schafft Vertrauen im täglichen Leben. Jeder darf sich zunächst einmal darauf verlassen, dass die Ware eines Händlers "sauber" ist, wenn nicht besondere Umstände etwas anderes vermuten lassen. Dies soll in Zukunft zwar noch für den Brötchenkauf beim Bäcker fortgelten, jedoch für Kulturgüter nach der Vorstellung des Ministeriums offenbar pauschal nicht mehr gelten (sic(!), vgl. auch Stellungnahme Walser).

 

Damit wird jegliches "Inverkehrbringen" (§§ 41, 42) von Fossilien, Mineralien, Münzen, Briefmarken oder anderen Kulturgütern ohne begleitende Papiere und jegliche Einfuhr ohne Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates oder "geeignete Legalitätsnachweise" (§ 30) zu einem Ritt auf der Rasierklinge zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat. Denn woher sollen die geforderten Papiere kommen, wie soll der Bürger im Ernstfall beweisen, dass sein Besitz legal ist?

 

Im Ministerium herrscht offenbar die Vorstellung vor, dass Kulturgut in Zukunft stets von Papieren begleitet werden soll, so wie der Halter eines Autos über einen Fahrzeugbrief verfügen muss oder wie Eigentumsverhältnisse über Grundstücke dem Grundbuch zu entnehmen sind(?). Dass es bei den weitreichenden Definitionen des Gesetzes ohne Wertuntergrenzen hier um etliche hundert Millionen geringwertige Objekte geht (soweit die Begriffsdefinitionen von § 2 nicht eingeschränkt werden), wird entweder verkannt oder aber ignoriert.

 

Eigentum verpflichtet, muss in einem Rechtstaat jedoch zweifelsohne vor willkürlichem behördlichem Zugriff geschützt werden, gleiches gilt für die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das u. a. in Form des Sammelns von Kultur- und Naturgut von Millionen Deutschen ausgeübt wird. Europarechtlich verstößt der Regierungsentwurf des Kulturgutschutzgesetzes gegen die Warenverkehrsfreiheit, die nicht für beliebiges Kulturgut eigeschränkt werden darf, wie die Bundesregierung es durch Einführung eines Formerfordernises offenbar anstrebt. In Art. 36 AEUV ist abschließend geregelt, dass nur für "nationales Kulturgut" Einschränkungen zulässig sind, keinesfalls also für jedes Kulturgut.

 

Eine herzliche Bitte an alle Leserinnen und Leser:

Bitte nutzen Sie das obige anwaltliche Schreiben, das Schreiben der deutschsprachigen Paläontologischen Gesellschaften und die kritische Berichterstattung von Steinkern.de, um auf dieser Basis die derzeit mit der Angelegenheit befassten Bundesländer (insbesondere Kultusministerien der Länder) auf den dringenden Änderungsbedarf aufmerksam zu machen und informieren Sie die Medien über die Vorgänge, denn:

 

"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!" Bertolt Brecht.

 

Einladung an das Kultusministerium:

Wir möchten Staatsministerin Monika Grütters dazu einladen, zur Rezeption des Gesetzesentwurfs unter Sammlern und Händlern von Fossilien, Mineralien und anderen Naturgütern sowie gegenüber Paläontologen, Mineralogen, Geologen usw. auf Steinkern.de Stellung zu nehmen. Sofern wir beim Lesen des Regierungsentwurfs etwas missverstanden haben sollten, böte sich damit eine hervorragende Gelegenheit all diese Missverständnisse gegenüber dem durch das betroffenen Fachpublikum auszuräumen, was bisher leider versäumt wurde. Bitte senden Sie uns dazu eine Nachricht an admin(at)steinkern.de - Steinkern.de wird Ihre Nachricht vollständig abdrucken. Zudem würden wir gerne einige konkrete Fragen beantwortet wissen.

 

Sönke Simonsen für die Steinkern.de Redaktion