Kurioses und Humor

Auktion am 1. April 2010: Ersteigerung einzigartiger Holotypen aus oberfränkischer Sammlung geglückt

Hallo Steinkerner,

am 1.April 2010 haben wir beim renommierten Auktionshaus Sothebchrist‘s an einer Versteigerung teilgenommen.
Angeboten wurde nach Prospekt die Collection eines „J. B. A. Beringer, Wü.

Könnte es sich dabei um den Professor Johannes Bartholomäus Adam Beringer aus Würzburg im schönen Oberfranken handeln?
Er lebte von 1667–1738, und ihm wurde von interessierter Seite allerdings nachgesagt, dass seine Sammlung nicht ganz frei von Fälschungen war. Ganz bösartige Zeitgenossen sprachen sogar von den „Beringerschen Lügensteinen".

Nach unseren Recherchen handelte es sich bei den angeblichen Falsifikaten ausschließlich um Fossilien aus dem Muschelkalk.

Also konzentrierten wir uns auf Teile der Sammlung, die ausgewiesenermaßen nicht aus dem Muschelkalk stammen. Nicht zuletzt wegen unserer stark restringierten monetären Möglichkeiten boten wir also lediglich auf die Teilsammlung „pathologische Raritäten aus Ordovicium, Jura und Kreide“.
Diese sind zudem nachweislich nicht mit Zweifeln an der Echtheit belastet. Ein weiterer wichtiger Beleg dafür waren die beiliegenden Original-Etiketten.

Wir möchten Euch eine kleine Auswahl dieser einzigartigen Belegstücke und deren historische Etiketten vorstellen.




Fossil 1: Belemnitus undosus
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Zunächst zeigen wir den recht selten vorkommenden Belemnitus undosus.
Derivatio nominis: Nach lat. undosus = wellenreich.
Dieser außergewöhnlich geformte Belemnit wurde aufsitzend auf einer Wellenrippel-Platte gefunden. Er lag horizontal auf den Wellenrippeln und hat im Zuge der Fossilisation deren Form übernommen.


Etikett zu Fossil 1:
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Nach graphologischem Urteil trägt dieses Etikett eindeutig die originale Handschrift des Meisters. Das gilt ebenso für die Etiketten zu Fossil 2 und 3.

Die senkrechten Linien unten rechts auf den Etiketten wurden zunächst als Strichkode vom Knüllermarkt gedeutet. Das kann aber nicht zutreffen, weil zu Beginn des 18. Jahrhunderts derartige Discounter noch nicht existierten.

Durch die Fundortangabe wird in bemerkenswerter Weise belegt, dass "HOLCIM" auf eine sehr, sehr lange Firmengeschichte zurückblicken kann.



Fossil 2: Trilobitus multicosta
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Ein weiterer Höhepunkt ist der Trilobitus multicosta.
Derivatio nominis: Nach lat. multi = viel und nach lat. costa = Rippe; aufgrund der Anzahl der Pleuren.
Während Asaphiden über eine begrenzte Anzahl von Pleuren verfügen ( meist lediglich 8 Stück) weist die als Trilobitus multicosta bestimmte Art jedoch 14 bis 16 Pleuren auf.



Etikett zu Fossil 2:
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Geschichtlich interessierte Menschen wissen natürlich, dass der Göthakanal erst 1810 gebaut wurde. Die vorbereitenden geologischen Erkundungsarbeiten fanden aber bereits Jahrzehnte vor Baubeginn des Kanals in der Nähe der Ortschaft Ljungsbro statt. Da Prof. Beringer nach bisherigen Erkenntnissen aber ausschließlich im Heimatland gesammelt hatte, dürfte es sich nicht um einen Eigenfund, sondern vielmehr um einen Zukauf handeln.




Fossil 3: Ammonitus praemordeo
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Derivatio nominis: Nach lat. praemordeo = abbeißen
Endlich wurde das Geheimnis der charakteristischen Bissspuren (Praedichnia) bei Ammoniten gelüftet:
Unsere Vorfahren aus dem Jungpaläolithikum hatten sich nach neuesten Erkenntnissen überwiegend von lebenden Ammoniten und Hefeweizen ernährt. Ein gezielter Biß in den hinteren Bereich der Wohnkammer sorgte für das waidgerechte Dahinscheiden der cephalopodischen Leckerei. Hin und wieder war die Schale aber doch zu hart für die recht parodentösen und kariösen Gebisse.

Dieser einzigartige Fund zeigt das in der Schale steckengebliebene Neanderthaler-Gebiß. Es ist innig - bar jedweder Trennschicht - in das Fossil eingegraben.






Etikett zu Fossil 3:
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Zu denken gibt hier die Angabe des Fundortes: Neanderthal östlich E 35.

Wie ist das Rätsel zur Angabe der Autobahn E 35 zu klären ?
Diese Angabe korreliert auf den ersten Blick überhaupt nicht mit dem Fundjahr 1726. Dennoch gibt es auch hier eine vernünftige Erklärung: Sie liegt in der exorbitanten Zeitdauer zwischen Planung und Ausführung im westfälischen Straßenbauwesen.

Ein wesentlicher Aspekt wirft uns jedoch in den Zustand tiefster Verunsicherung:
Das kontemporäre Erscheinen von neanderthalerischen Beißwerkzeugen und (hier: unterjurassischen) Ammoniten wirft ein neues Licht auf die These, wonach letztere angeblich in der ausgehenden Kreide ausgestorben sein sollten.

Aus Platzgründen konnten wir nur einen kleinen Teil unserer ersteigerten Fossilien vorstellen. Viele weitere geheimnisumwobene Exponate lagern noch in unserer Sammlung und warten darauf, abschließend untersucht zu werden.


Mit den besten Sammlergrüßen

Karsten & Solveig



Quellen:

GRIMM,J.L.C.; GRIMM, W.C.:Die „Kinder- und Hausmärchen“ (KHM)
END,E.:Die physiologische Okklusion des menschlichen Gebisses
www.strassen.nrw.de/plan_bau/ablauf
www.deutsch-fremdwort.de
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