Kurioses und Humor

Augenschmaus für Masochisten - Wenn Pyritfossilien zerfallen

"Ja blühe nur Du dumme Pleydellia, hast es nicht besser verdient. Und die Pleurotomaria da hinten, kann gleich mitmachen. Wolltet wohl etwas besseres sein, als die bleichen Steinkerne der Oberjura-Ammoniten. Ja, ja, ein Goldkleid, was fürs Auge. Und jetzt bröselt ihr langsam auseinander, ihr Angeber. Mitleid? Wozu, ihr habt es ja nicht besser verdient"

Bild unten: Ehemals goldglänzenden Pleurotomarien aus dem Lias Delta vom Donaukanal Sulzkirchen. Bildbreite: ca. 12 Zentimeter

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Wer pyritisierte oder in Markasit erhaltene Fossilien sammelt, baucht starke Nerven. Ein Gerücht besagt, dass die meisten Liebhaber versteinerter Lebenszeugnisse, die in Gummizellen geschlossener Anstalten einsitzen, zuvor viele Jahre lang Pyritversteinerungen gesammelt haben.

 

Die Historien gleichen sich oftmals. Am Anfang die fast schon kindliche Freude über den herrlichen Goldglanz im Fundzustand. Dann eine mehr oder weniger lange Zeit die Hoffnung, dass nichts passiert. Irgendwann zeigen sich dann erste Spuren: weißliche Überzüge, schwefelige Pünktchen, kleine Risse: Was den Blumenfreund begeistert, schockt den Fossiliensammler: Die Mistviecher beginnen zu blühen.

 


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Gemeinsamer Wettbewerb mit Teilnehmern aus Südfrankreich, Mistelgau, Wessingen und Aichelberg: Wer blüht am schnellsten aus? Bildbreite: ca. 12 Zentimeter

Jetzt kommen die verschiedenen Charaktere ihrer Besitzer zum Vorschein: "Collector spontanicus": Mit kühlem Sachverstand versucht er seine Schützlinge mittels chemischer Prozeduren zu retten. Manchmal gelingt es über einen bestimmten Zeitraum, machmal sogar für immer. "Collector ignorantis": Er bestreitet einfach, dass die Fossilien ausblühen und präsentiert selbst das Bröselwerk als Beleg im Fundzustand. "Collector fatalis": Er ergibt sich dem Schicksal, sortiert die die zerfallenden Fossilien aus, wirft sie weg und freut sich an der immer kleineren Zahl der Übriggebliebenen. "Collector aggressivus": Er macht den Grubenbesitzer für das Ausblühen der Stücke verantwortlich und rammt ihm ein Messer in den Rücken. "Collector zynikus": Er sammelt keine Pyritfossilien und macht sich über das Leid der anderen lustig. "Collector exitus": Im Unterschied zum Collector aggresivus gibt es er sich selbst die Schuld am Zerfall seiner Lieblinge und stürzt sich sozusagen in einem Akt von Selbstbestrafung in ein Becken konzentrieter Salzsäure.

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Brauchen lange, bis sie auseinanderfallen: Ammoniten aus dem Dogger Zeta vom Aichelberg beginnen mit viel Schwefelausscheidungen an der Oberfläche. Bildbreite: ca. 7 Zentimeter

"Collector kriminalis": Er verkauft oder vertauscht seine bereits im Ausblühen begiffenen Pyritfossilien mit der Beteuerung, dass bei ihm noch nie ein Stück zerfallen ist. "Collector studiens": Er ist lernfähig und sammelt lieber etwas Stabileres, wie beispielsweise die herrlichen Oberjura-Ammoniten der Fränkischen Alb. Last but not least: Collector schlamppus": Er hat seine Pyritfossilien in Aceton eingelegt und seitdem ist Ruhe.

Copyright, Text, Fotos und Noch-Sammlung: Victor Schlampp